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IP/00/187
Brüssel, den 25 Februar 2000
Unternehmensabschlüsse:
Kommission
schlägt
Einführung einer Rechnungslegung zum "fair value"
vor
Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag zur Aktualisierung der
europäischen Rechnungslegungsvorschriften und zur Einführung einer
Rechnungslegung zum "fair value" vorgelegt. Durch die darin
vorgeschlagene Änderung der einschlägigen Richtlinien soll den
Marktentwicklungen (wie der weitverbreiteten Verwendung sog. Derivate),
den Bedürfnissen der Unternehmen und den Entwicklungen bei den
internationalen Rechnungslegungsstandards Rechnung getragen werden.
Europäische Unternehmen, die auf den internationalen Kapitalmärkten
Kapital aufnehmen, könnten den Rechnungslegungsanforderungen dieser
Märkte leichter gerecht werden und damit zu denselben Bedingungen
antreten wie ihre nichteuropäischen Wettbewerber. Der Änderungsvorschlag,
der noch vom Ministerrat und vom Europäischen Parlament gebilligt werden
muß, sieht vor, daß die Mitgliedstaaten eine Rechnungslegung bestimmter
Finanzaktiva und -passiva zum "fair value" gestatten bzw. gegebenenfalls
vorschreiben. Der "fair value" wird üblicherweise definiert als der aktuelle
Marktwert eines Finanzinstruments im Unterschied zu seinen historischen
Kosten (d. h. dem ursprünglichen Preis). Die Mitgliedstaaten könnten den
Anwendungsbereich der "fair value"-Rechnungslegung auf bestimmte
Unternehmen (z. B. börsennotierte Unternehmen) oder auf den
Konzernabschluß beschränken. Der Vorschlag ist Bestandteil des im Mai
letzten Jahres angenommenen Aktionsplans für Finanzdienstleistungen, dem
der Europäische Rat in Köln zugestimmt hat (siehe IP/99/327).
Nach Aussage des für Binnenmarktfragen zuständigen Kommissionsmitglieds Frits
Bolkestein würde "den europäischen Unternehmen durch die Annahme dieses
Vorschlags die Erstellung von weltweit anerkannten und verständlichen Abschlüssen
ermöglicht. Eine Anpassung der Rechnungslegungsrichtlinien an bestehende
internationale Rechnungslegungsstandards für die Bewertung zum „fair value“ wird
dazu beitragen, daß europäische Unternehmen auf den internationalen
Kapitalmärkten zu gleichen Bedingungen aktiv werden können wie ihre
nichteuropäischen Wettbewerber."
Durch die Vierte Gesellschaftsrechtsrichtlinie (78/660/EWG) wird der Inhalt der von
den Mitgliedstaaten für Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgeschriebenen
Jahresabschlüsse harmonisiert. Die Siebente Gesellschaftsrechtsrichtlinie
(83/349/EWG)
koordiniert
den
Inhalt
der
Konzernabschlüsse.
Diese
Rechnungslegungsrichtlinien bilden zudem den Bezugsrahmen für die Abschlüsse
von Finanzinstituten, auf die die Bankabschlußrichtlinie (86/635/EWG) und die
Versicherungsabschlußrichtlinie (91/674/EWG) Anwendung finden.
Derivate
Seit der Verabschiedung dieser Rechnungslegungsrichtlinien haben sich die
Finanzmärkte verändert. Neben traditionellen Finanzinstrumenten wie Aktien und
Schuldverschreibungen bedienen sich die Unternehmen nun auch komplexer
derivativer Instrumente wie Futures, Optionen und Swaps. Solche Derivate, die
häufig zum Risikomanagement eingesetzt werden, können selbst jedoch auch
erhebliche Risiken für die betreffenden Unternehmen bergen und deren Finanzlage
und Risikoprofil verändern.
Weltweit haben sich Standardsettingeinrichtungen wie das International Accounting
Standards Committee und das American Financial Accounting Standards Board
darum bemüht, die Wirkung dieser Instrumente in den Unternehmensabschlüssen
angemessen zum Ausdruck zu bringen. Die Kommission hat im Rahmen ihrer 1995
angenommenen neuen Rechnungslegungsstrategie (IP/95/1234) an der Anpassung
der europäischen Rechnungslegungsrichtlinien an die International Accounting
Standards (IAS) gearbeitet.
Der Begriff “Derivat” bezeichnet ein breites Spektrum von Finanzinstrumenten, deren
Wert sich vom Preis oder Kurs eines Basisinstruments ableitet. Es gibt drei
Grundformen (Futures und Forwards; Swaps und Optionen; Kombination der beiden
ersten Formen), die mit einer nahezu unbegrenzten Palette von Basiswerten
verbunden werden können. Nach Konsultation der Mitgliedstaaten und der
Unternehmen ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, daß es besser ist, die
Posten aufzulisten, die nicht zum „fair value“ bewertet werden können, anstatt zu
versuchen, eine Liste der Posten zu erstellen und auf dem aktuellen Stand zu halten,
die zum „fair value“ bewertet werden können. Dieses Vorgehen läßt genügend
Spielraum
für
die
Weiterentwicklung
des
Marktes
und
der
Rechnungslegungsstandards.
Die Posten, die nicht zum „fair value“ bewertet werden können, werden im Vorschlag
definiert als:
- Bilanzposten, bei denen es sich nicht um Finanzinstrumente handelt;
- Verbindlichkeiten, sofern sie nicht:
- als Teil eines Handelsbestands gehalten werden;
- als abgesicherte Posten ausgewiesen sind oder
- derivative Finanzinstrumente sind.
Dem Kommissionsvorschlag zufolge wären die Mitgliedstaaten rechtlich verpflichtet,
allen oder bestimmten Kategorien von Unternehmen die Einführung einer Bewertung
zum "fair value" zu gestatten oder vorzuschreiben. Dabei könnten die
Mitgliedstaaten den Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften beispielsweise auf
börsennotierte Gesellschaften oder auf Konzernabschlüsse beschränken. Ein
solches Maß an Flexibilität dürfte weitere Entwicklungen im Bereich der
internationalen Rechnungslegung zulassen.
Durch die Änderung sollen die historischen Kosten als Grundlage der Bewertung
gemäß den Rechnungslegungsrichtlinien nicht ersetzt, sondern ergänzt werden,
zumal man sich international nicht in allen Fällen darüber einig ist, ob eine "fair
value"-Rechnungslegung angemessen ist. So ist man sich auf internationaler Ebene
beispielsweise bislang noch nicht im klaren darüber, ob einer Gesellschaft
vorgeschrieben werden sollte, die eigenen Verbindlichkeiten zum "fair value" zu
bewerten, oder ob bei einer solchen Bewertung das eigene Kreditrisiko des
Schuldnerunternehmens zu berücksichtigen ist.
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Aus diesem Grund wird die Bewertung zum "fair value" nicht für alle Bilanzposten
statthaft sein (ausgenommen sind z. B. Güter des Anlagevermögens wie
Grundstücke und Gebäude oder technische Anlagen und Maschinen). Auch
bestimmte Finanzinstrumente, wie z. B. langfristige Schuldtitel, werden weiterhin zu
historischen Kosten bewertet.
Der Vorschlag gilt nicht für Unternehmen, auf die die Bankabschluß- oder die
Versicherungsabschlußrichtlinie Anwendung findet.
Der vollständige Wortlaut des Vorschlag in den EU-Sprachen wird auf der EuropaInternetwebsite unter
http://europa.eu.int/comm/dgs/internal_market
abrufbar sein, ab dem 28. Februar 2000.
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