zur Psychologie helfender Berufe

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Zur Psychologie helfender Berufe
1. zum Begriff „Helfen“
wir kennen verschiedenen Formen des Helfens, auch wenn diese im alltäglichen Gebrauch
nicht immer so klar unterschieden werden; Tatsache ist, dass verschiedenen Formen des
Helfens auch unterschiedliche Motivationen zugrunde liegen.
Alltägliches Helfen:
Im Alltag helfen wir oft spontan, aus Anteilnahme und Hilfsbereitschaft; auch weil wir
uns freuen, jemandem etwas Gutes zu tun; in der Fachliteratur nennt man diese Form des
Helfens auch „prosoziales Verhalten“.
Helfen aus Ratlosigkeit:
Es gibt Situationen in denen man etwas wie einen diffusen Aufforderungscharakter
wahrnimmt; ohne genau zu wissen warum, möchten wir jemanden beispringen und unsere
Unsicherheit verführt uns dazu, uns intensiv und beharrlich nach den Problemen des
andern zu erkundigen; möglicherweise, ohne dass ein Anlaß dazu wirklich besteht.
Helfen als Kontaktersatz:
Für so manchen Helfer, sei es beruflich oder ehrenamtlich, sind die Klienten die
wichtigsten Gesprächspartner; nicht selten ist die Ferienzeit für den Helfer eine
Krisenzeit; manchen Helfern sind Lebensbereiche eher unter dem Blickwinkel ihrer
Klienten bekannt, als durch unmittelbare eigenen Erfahrung.
Helfen als Schicksal:
Es gibt Menschen, die nicht fähig sind, nicht zu helfen; sie zeigen eine beinahe
zwanghafte Bereitschaft bei Not (oder notfalls auch ohne Not) einzuspringen; nicht selten
überschreiten sie dabei ihre Grenzen und auch die der anderen;
sie belasten ihre seelische Gesundheit im Übermaß und wollen anderen durch ihren
Einsatz zu seelischer Gesundheit verhelfen;
Helfen als Ware:
Spätestens seit Krankenhäuser, Kinderheime und andere soziale Einrichtungen als
Dienstleister verstanden werden und sich aus Kirche, Staat und Ehrenamt herausbewegt
haben, ist der Käuflichkeitscharakter des beruflichen Helfens zum Thema geworden;
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
Zur Psychologie helfender Berufe
2. Motive der Berufswahl:
Jeder Werdegang, jede Helfer-Identität unterscheidet sich von jeder anderen so sehr, dass
Gemeinsamkeiten eher die Ausnahme als die Regel darstellen; dennoch gibt es
übereinstimmende Motive, diesen Beruf zu wählen; es gibt übereinstimmende
Vorgehensweisen, sprachliche Eigenheiten, Kompetenzerweiterungen und auch
Einseitigkeiten, die mit großer Häufigkeit bei jeden Menschen im Helfer- Beruf auftreten.
Karl Kraus meinte einmal spöttisch, die Psychoanalyse sei die Krankheit für deren
Heilmittel sie sich halte.
Dies macht deutlich, dass die Übereinstimmungen bei Menschen mit helfenden Berufen
auch der Umwelt deutlich auffallen; nicht selten hört man belustigte, ironische
Bemerkungen über die Seelenverwandtschaft von Helfer und deren Klienten.
In solchen Äußerungen zeigt sich aber auch der Wunsch, jemand der Helfen zum Beruf
gewählt hat, möge „ein bisschen gesund, angstfrei und lebensbejahend sein und sein
Alltag bewältigen können, wenn er beansprucht den anderen den Weg zu diesen
Eigenschaften zu weisen“ (Fengler, s. 18)
Tatsache ist natürlich, dass kein Helfer davor gefeit ist, Angst zu haben, Schicksalsschläge
zu erleben, Misserfolg, Verlust und Trauer zu erleben- auch Helfer verarbeiten diese
Ereignisse einmal besser einmal weniger gut.
Allerdings ist der Versuch diese menschlichen Unzulänglichkeiten zu sehen und
akzeptieren zu können bereits ein Zeichen von seelischer Gesundheit. Doch eben dies fällt
oft Helfern nicht ganz leicht, weil sie einen hohen Anspruch an sich selbst haben und die
Öffentlichkeit diesen Anspruch oft auch noch zusätzlich fördert.
 Identifikation:
Helferinnen haben sich oft in jungen Jahren stark mit einer Person im helfenden Beruf
identifiziert
 Interesse an sich selbst:
Dies ist eine Bedingung für eine qualifizierte Helfertätigkeit; denn in der Beschäftigung
mit unseren eigene seelischen Vorgängen finden wir Zugang zur Besonderheit unseres
Gegenüber;
problematisch wird diese Interesse dort, wo der Helfer dem Gegenüber eigenen Gedanken,
eigene Konstrukte aufdrängt, wo der Helfer beginnt, das Gras wachsen zu hören und kaum
„Normalität“ im Umgang miteinander einkehren kann.
 Existenzsicherung:
Helferberufe werden wohl auch zum Broterwerb ergriffen, doch in der Regel ist
Motivation, die ein wenig darüber hinaus geht erwünscht und auch von Nöten, um die
nötige Einfühlung zu ermöglichen;
 Macht und Abhängigkeit:
Die Möglichkeit, jemanden in einer unglücklichen Situation zu helfen, jemanden wieder
zu Handlungsfähigkeit zu verhelfen und selbst dadurch an Bedeutung zu gewinnen, ist ein
starkes Motiv, einen Helferberuf zu wählen.
Das allein ist noch nicht problematisch, solange Helferinnen diese Gefühle auch erkennen,
benennen und reflektieren können.
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
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 Begegnung:
Im Kontakt zu Klientinnen lernen Helferinnen eine Vielfalt an Möglichkeiten
menschlichen Verhaltens kennen, die weit über den eigenen Erfahrungshorizont
hinausgehen. Die Klientinnen werden so zum Lieferanten von Erfahrungen, sie nehmen
uns ein Stück mit hinaus über unserer eigenen Grenzen;
und nicht selten sehen Helferinnen, dass sie in wichtigen Lebensfragen ähnliche Probleme
oder Ängste und Gedanken wie ihre Klientinnen haben.
Manche Helferinnen werden durch diese Erfahrung mutlos und müde , andere menschlich,
milde und solidarisch.
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
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3) Helferverhalten:
Unabhängig von Schulen, Lehrmeinungen, Theorien und Techniken gibt es ein
berufliches Tun in helfenden Berufen, das allen Helferinnen gemeinsam ist; diese
Gemeinsamkeiten finden sich also auch in der Art zu denken, zu fühlen und zu werten.
 Einfühlung:
Die Fähigkeit und Bereitschaft zu Einfühlung ist die Grundvoraussetzung allen Helfens.
Je nach Ausbildung wird Empathie unterschiedlich realisiert.
Unbedingt ist aber klarzustellen, dass Einfühlung sich nicht auf das Wahrnehmen der
Gefühle des Klienten beschränkt; vielmehr geht es darum, den Klienten in seiner Art zu
denken, fühlen, zu handeln aufzusuchen. Denkstrukturen, Überzeugungen,
Anpassungsstrategien und „Eigensinn“ wahrzunehmen.
In der Fachliteratur wird häufig davon gesprochen, den Klienten in seinem
„Bezugsrahmen“ vollständig wahrzunehmen; dies heißt nichts anderes als dem Klienten in
das Labyrinth seiner persönlichen Konstrukte der Welt zu folgen.
 Macht:
Klienten treten mit der Bitte um Unterstützung an Helfer heran, die Hilfsbedürftigkeit des
Klienten muß legitimiert und oft auch vom Klienten demonstriert werden, damit er als
„betreuungsbedürftig“ eingestuft wird (in Zeiten knapper Ressourcen ist dies vermehrt der
Fall).
Es ist in der Regel der Helfer, der die Bedingungen der Hilfe, die Termine und die Form
der Zusammenarbeit bestimmt!
Weiters hat der Helfer auch dadurch Macht, dass er betont, keinen Erfolg garantieren zu
können, das heißt Reklamation ist nicht möglich;
Oftmals ist Helfern ihre Macht in der Beziehung zum Klienten nicht bewusst. Helfer
fühlen sich selbst unsicher, wollen unbedingt erfolgreich sein und erleben sich dabei ihren
Klienten nur wenig überlegen;
viele Helfer sind auch zögerlich was ihre Einstellung zu ihrer eigenen Autorität angeht,
nicht selten wird dies vertuscht, indem man sich deutlich von autoritärem verhalten
distanzieren möchte;
in der Tat verhält es sich aber so, dass je klarer Machtverhältnisse auch dargelegt werden,
weil sie real sind, desto besser ist dies für die Beziehung zum Klienten. Diese Form von
Transparenz hebt das Machtgefälle nicht auf, doch es erlaubt dieses zu thematisieren und
ermöglicht so in der Beziehungsebene ein besseres Gleichgewicht.
 Modell-Funktion:
Viele Klientinnen imitieren, vor allem in der Anfangsphase einer Betreuung, die Helferin;
sie verwenden Redewendungen der Helferin, Standpunkte, Überzeugungen usw. In der
Regel hört das mit Fortdauer der Beziehung auf und wird ersetzt durch eigene
Erkenntnisse, die durch Verarbeitung erlangt wurden.
 Projektionsgelgenheit:
Klientinnen statten uns Helfer mit allerlei Eigenschaften, sowohl im positiven wie im
negativen Bereich, aus, die ihrer frühen Lebenserfahrung entsprechen.
Darüber hinaus wird die aktuelle psychische Situation des Klienten oftmals dadurch
deutlich, daß er eigene Empfindungen auf den Helfer projiziert. Diese Projektionen sind
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
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hilfreich und anstrengend gleichermaßen, auf alle Fälle kann man einer
Auseinandersetzung mit ihnen nicht entgehen;
Wichtig ist auch, nicht alle Zuschreibungen die der Klient tätigt, sofort und unreflektiert
als Projektion abzutun, denn Klientinnen können durchaus auch stimmige Sachen über
unser Helferverhalten aussagen.
 Belohnung und Bestrafung:
Helfern muß klar sein, dass sie mit minimalen Signalen zu erkennen geben, ob sie an dem,
was der Klient sagt, interessiert sind, ob sie es gut finden oder missbilligen oder ob es an
eigenen Ängste rührt und dergleichen mehr.
Viele Helfer versuchen so etwas wie wohlwollende Neutralität oder gleichschwebende
Aufmerksamkeit an den Tag zu legen und glauben, sich so als Person wenig zu zeigen;
Es empfiehlt sich einerseits Zurückhaltung, andererseits Transparenz zu zeigen; das heißt
unter Umständen das eigene Verhalten zu erklären
Auch Klienten machen Gebrauch von Belohnungs- und Bestrafungsmöglichkeiten,
manche feinden regelmäßig uns an und erscheinen doch immer wieder zum nächsten
Termin.
 Interpretation:
Wir deuten die Mitteilungen unserer Klienten nach einem uns logisch erscheinenden
Erklärungsmuster- manche wählen wissenschaftlich begründete, andere naive
Interpretationsraster.
Tatsache ist, dass kein Helfer imstande ist, die Wahrnehmung bezüglich seiner Klienten
ohne eine wissenschaftliche oder persönlich begründete Ordnung aufzunehmen.
Das heißt aber auch, dass unsere Verbalisierung von Erlebnisberichten der Klienten
bereits ein Interpretationsversuch ist. Dies zeigt unser Bemühen um Verständigung, um
Einfühlung und Verstehen wollen,
dennoch muß uns bewusst sein, dass es unsere Welt und Wahrnehmung ist, die uns
verleitet Dinge so zu sehen, zu deuten und zu formulieren.
 Menschenbild:
Auch wenn sich Helfer sehr bemühen, so kommen sie doch nicht daran vorbei, ihre
Klienten im Rahmen der Schulzugehörigkeit zu sehen; So benutzten Analytiker andere
Sprachtermini als klientenzentrierte Gesprächstherapeuten, Sozialarbeiter stellen andere
Fragen als Pflegepersonal... Das heißt, dass wir unseren Klienten in dieser Form zu
verstehen geben, wie unser Menschenbild ist, dass unsere Interventionen sich nicht auf
Techniken beschränken, sondern eingebettet sind in unsere spezifische Welterklärung.
 Helfen durch lassen:
Helfer machen die Erfahrung, dass sie ihre Klienten nicht ändern können, auch wenn dies
nötig, sinnvoll, wünschenswert erscheint. Jeder Helfer kennt das Zögern, das Ausweichen,
das sich Verweigern seiner Klienten.
Einerseits darf der Helfer daran nicht zu sehr rühren, andererseits soll er daran rühren, um
etwas in Bewegung zu bringen.
Wenn Klienten erfahren, dass die Aufmerksamkeit und Zuneigung des Helfers nicht
ausschließlich an eine Veränderung (oder andere Bedingung) geknüpft ist, fühlen sie sich
am ehesten fähig, eigenes Vermeidungsverhalten zu erkennen.
Gerade für wenig erfahrene Helferinnen ist die Veränderung der Klientinnen hin zu
angepassteren Verhalten oft eine Form von Selbstbestätigung- und tritt eben deshalb nicht
ein.
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
Zur Psychologie helfender Berufe
 Konfrontation:
Auch wenn so viel von Empathie, vom nicht-Erzwingen der Veränderung die Rede ist, so
ist es doch auch nötig zu konfrontieren; Konfrontieren kann man Menschen durchaus auch
mit angenehmen, ungewohnten Verhaltensweisen, nicht nur mit Tadel;
Ist man lange Zeit in Kontakt mit Klientinnen, so kann die Konfrontation darin bestehen,
ausgeblendete Realitäten zu vertreten und ähnliches.
 Sinnfindung:
Gerade im Bereich der Beratung und Psychotherapie, der Psychiatrie aber auch der
Jugendarbeit oder Arbeit mit Trauernden ein wichtiger Inhalt der helfenden Tätigkeit.
 Parteilichkeit:
Hier treffen wir auf einen scheinbaren Widerspruch- nämlich, dass der Klient die
wichtigen Schritte alleine tun müsse, der Helfer bestenfalls Begleiter ist und gleichzeitig,
dass der Helfer ein starker Verbündeter sein soll, der eindeutig parteiisch ist.
Und sowohl das eine als auch das andere ist richtig. Einerseits kann der Helfer dem
Klienten nicht viel abnehmen, wenn sie wirklich helfen will, andererseits muß der Klient
deutlich erleben, dass die Helferin auf ihrer Seite steht; es muß spürbar sein für Klienten,
daß der Helfer ihre Entscheidung akzeptiert, dass die ihr innerlich die Daumen drückt, das
Beste für sie hofft.
Daraus wiederum soll nicht Kumpanei oder Symbiose werden;
der Helfer hat die Belange der Menschen mit denen der Klient zu tun hat im Auge zu
behalten, diese ev. Auch dem Klienten vorzutragen und doch eindeutig auf Seite des
Klienten zu stehen- das ist nicht gleichbedeutend mit der Zustimmung zu
Verschwörungstheorien, sondern heißt sich in die Welt des Klienten einzufühlen, um
ihren Blick erweitern zu können.
 Mit-Leiden:
Die Wahl des Helferberufs heißt, das eigenen Arbeitsleben in der Nähe von extremen
Gefühlen anzusiedeln, dort wo Trauer, Verwirrung, Schmerz, Zerwürfnis herrschen
verbringen Helfer bis zu 38 Stunden die Woche.
Das Leiden unserer Klienten lässt uns nicht unberührt, allerdings können wir seine
Entwicklung nur dann miterleben, wenn wir auch die Durststrecken und den Schmerz mit
ihm bestehen.
Diese Fähigkeit des zuverlässigen Begleitens in schweren und leichteren Lebenslagen ist
die Besonderheit der helfenden Berufe und zugleich der Ausgangspunkt für Gefahren für
die eigenen seelische Gesundheit, beruflicher Deformation und Burn-out Symptomatik.
Erstellt von DSA Petra Angermayr
Februar 2005
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