Das Unterrichtskonzept der Herbartschule für Schüler mit einer Autismus-SpektrumStörung (ASS) 2 „Jedes Kind wächst in seiner eigenen Kraft und Gestalt, darum sei uns die Eigenart eines jeden Kindes heilig.“ (Johann Friedrich Herbart, 1776-1841) „ Ich danke meinen Lehrern an der Herbartschule. Sie waren erklärend.“ ( Ein ehemaliger Herbartschüler mit ASS in seinem Abschiedsbrief an Frau WadehnRemmers im Jahr 2009). 1. Einleitende Gedanken zum Beschulungskonzept der Herbartschule für Schüler mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) Die Herbartschule beschult als Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen und Sprache sowie als Förderzentrum extern in den umliegenden Regelschulen immer wieder auch Schülerinnen und Schüler mit Autismus. Da die neuere diagnostische Bezeichnung Autismus-Spektrum-Störung (ASS) lauten wird, soll dieser Begriff auch im Folgenden synonym verwendet werden. Das Kollegium der Herbartschule macht es sich zur Aufgabe, Kindern und Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) den Verbleib an der Schulform zu ermöglichen, die ihren kognitiven Fähigkeiten entspricht. Damit wird zum einen den rechtlichen Vorgaben zur Beschulung autistischer Schüler in Niedersachsen Folge geleistet. (Siehe dazu auch: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 3 Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.06.2000). Zum anderen setzen die Lehrkräfte der Herbartschule auch diesbezüglich den Inklusionsgedanken immer wieder praktisch in die Tat um. Für Kinder und Jugendliche mit ASS bedeutet jede erfolgreiche Beschulung im allgemeinen bildenden Regelschulsystem oder an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen einen wichtigen Schritt zur Inklusion, vor allem zur sozialen Inklusion. Wir begleiten derzeit extern einen Grundschüler mit ASS an der Grundschule Voslapp. Die dafür vorgesehenen drei wöchentlichen Förderstunden werden nicht im Rahmen der SGV erteilt. Sie wurden dem Schüler vom zuständigen Dezernenten mit der Beschulungsverfügung für den Regelschulbereich zugewiesen, damit er am Unterricht der Regelgrundschule möglichst erfolgreich teilnehmen kann. Die Begleitung erstreckt sich auf Fördermaßnahmen mit dem Schüler sowie fachliche, die Durchführung des Unterrichts betreffende Beratung für die Lehrkräfte und die Integrationshelferin des Schülers. Es wird dabei engmaschig mit dem ATZ kooperiert. Mitunter können Schülerinnen und Schüler mit ASS aus vielfältigen Gründen die Unterrichts- und Beschulungssituation im Regelschulsystem aber nicht mehr bestehen und entwickeln Lernstörungen oder können die erforderliche Lernleistung nicht mehr erbringen. Zudem entsprechen die kognitiven Fähigkeiten betroffener Menschen der allgemeinen Verteilung in der Bevölkerung. Die häufig verbreitete Vorstellung, alle von Autismus betroffenen Menschen seien hochintelligent oder besäßen außerordentliche Gedächtnisfähigkeiten trifft nicht zu. Entsprechend gibt es auch Kinder mit ASS, bei denen zudem ein Förderschwerpunkt im Bereich des kognitiven Lernens vorliegt. Generell wird der Förderschwerpunkt autistischer Schüler im sozial-emotionalen Bereich angesiedelt, da sich die Symptomatik in diesem Bereich am deutlichsten zeigt und den betroffenen Menschen das Bestehen in Schule, Beruf und Gesellschaft extrem erschwert bis verwehrt. Entsprechend werden bei uns im Haus die Schüler mit ASS beschult, bei denen auch ein Förderbedarf im Bereich des Lernens vorliegt und die deshalb nicht mehr im Rahmen der sonderpädagogischen Grundversorgung an der Regelschule 4 unterrichtet werden können. Eine mögliche Rückschulung in den Regelschulbereich bzw. der Übergang in die Berufsschule wird stets angestrebt. Aktuell wurde im Schuljahr 2010 ein Schüler der Herbartschule mit ASS an der Nogatschule zunächst zur Probe und nunmehr endgültig wieder im Regelschulbereich beschult. Unser Ziel ist der Ausbau der schulischen Beratung für die Regelschulen im Einzugsgebiet, die Kinder mit ASS unterrichten. In der Zusammenarbeit mit der GS Voslapp gelingt diese Kooperation bereits seit Beginn des Schuljahrs 2010. Auch die Zusammenarbeit mit der Nogatschule gelang erfolgreich. Die Herbartschule pflegt eine über Jahre gewachsene vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Autismustherapiezentrum der GPS in Wilhelmshaven. Im Rahmen von Schulgesprächen kommen die Therapeuten unserer Schüler mit festgestellter oder in Abklärung befindlicher Symptomatik von ASS im Regelfall einmal im Quartal an unsere Schule oder die zuständige Regelschule. Zusätzlich werden im Bedarfsfall weitere Gespräche und Beratung abgesprochen. Krisenintervention ist stets möglich. Schulinterne Ansprechpartner der Herbartschule für Fragen der Beschulung von Schülern mit ASS sind bislang Frau WadehnRemmers und Frau Stark. Im Folgenden wird beschrieben, wie wir aktuell schon eine bestmögliche Förderung und Unterstützung in unserem Unterricht für Kinder mit ASS ermöglichen können und welche mittel-und langfristigen Ziele wir noch anstreben. 1.2. Wir leisten entweder schon oder sind in der Umsetzung begriffen: Zusammenarbeit mit außerschulischen Experten über den Austausch mit dem Autismustherapiezentrum (ATZ) in Wilhelmshaven hinaus. Dazu zählen auch z.B. der Bundesverband sozialpädiatrische Zentrum Autismus, (SPZ) das in ATZ in Oldenburg Oldenburg, das , das zuständige Gesundheitsamt, die Kinder- und Jugendpsychiatrien in Wilhelmshaven und Oldenburg, die behandelnden Fachärzte, Psychologen Psychotherapeuten, das Jugendamt, die Schulsozialarbeit, das Sozialamt. und 5 Über Frau Wadehn-Remmers besteht zudem Kontakt zu Dr. Brita Schirmer in Berlin sowie zu Dr. Ragna Cordes und Hermann Cordes vom Institut für Autismusforschung in Bremen Beratung, Kooperation und verlässliche Zusammenarbeit mit den Regelschulen im Einzugsgebiet, die Schüler mit ASS beschulen (Derzeit GS Voslapp) Enge Zusammenarbeit mit Eltern, Erziehungsberechtigten und Betreuern. Qualifizierung von Lehrkräften der Herbartschule durch Fortbildungen, damit sie als Ansprechpartnerinnen auch das Kollegium weiter in der eigenen Arbeit als Klassen- und Fachlehrkäfte von Schülerinnen und Schülern mit ASS verstärken können. Frau Stark hat dafür erfolgreich am Grund-Aufbau- und Vertiefungskurs des Bundesverbands Autismus teilgenommen. Diese Fortbildung erstreckte sich über drei Wochen (40 Wochenstunden) und endete mit einem Zertifikat im Juni 2010. Frau Wadehn-Remmers nimmt seit November 2010 bis Juni 2012 an dem Grundkurs Autismustherapie des IFA in Bremen, einer berufsbegleitenden Seminarreihe in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT) teil. Dieser besteht aus 9 Blockkursen mit jeweils 20 Unterrichtseinheiten und einem Abschlusskolloquium (10 UE), erstreckt sich über einen Zeitraum von 18 Monaten und endet optional mit einem Zertifikat. Zusätzlich werden aktuelle Fortbildungsangebote wahrgenommen. Frau Wadehn-Remmers hat bereits mehrfach an Fachfortbildungen in Brandenburg bei Dr. Brita Schirmer erfolgreich teilgenommen, einschließlich eines dreiteiligen Kurses zur ABA Methode mit Frau Beata Urbaniak aus Polen. Hier wurden u.a. Möglichkeiten des verhaltenstherapeutischen Umgangs mit ASS auch im Schulunterricht vermittelt. Frau Stark und Frau Wadehn-Remmers haben zudem an der Bundestagung des Autismusverbandes vom 07.09.Oktober 2011 unter dem Motto „Auf dem Weg zur Inklusion“ teilgenommen. 6 Angestrebt wird durch Frau Stark und Frau Wadehn-Remmers ein Multiplikatorensystem in Form schulinterner Fortbildung und Beratung der Kollegen. Eine von beiden geleitete schulinterne Lehrer- und Mitarbeiterfortbildung zum Thema Autismus und Schule hat am 13.10.2010 stattgefunden. Die GS Voslapp hat an dem Vortrag ebenfalls bereits Interesse bekundet. Ein Ordner mit grundlegenden Informationen und Aufsätzen zum Thema ASS befindet sich im Lehrerzimmer. Eine Literaturliste mit weiterführender Fachlektüre ist im Ordner vorhanden. Auch im Anhang des Konzepts befinden sich Anregungen zu weiterführender Literatur. Es soll ein schulinterner Rahmen geschaffen werden, in dem sich Schüler mit ASS sicher fühlen, ihre Potentiale entdecken und ihre Stärken gefördert werden. Sie erhalten individuelle Förderung in den Bereichen Sprache und Kommunikation, schulisches wie auch in besonderem Maße soziales Lernen, Kooperation, Wahrnehmung und Sensorik. Die Förderpläne werden individuell unter besonderer Berücksichtigung der ASS- Symptomatik gestaltet. Das Raumkonzept der Herbartschule soll die besonderen Bedürfnisse von Schülern mit ASS nach Möglichkeit berücksichtigen. Das bedeutet z.B. dass ein separater Förderraum zur Verfügung stehen sollte, in den sich Schüler mit ASS bei Überforderung oder Reizüberflutung sowie zur Bewältigung von Klassenarbeiten in die Einzelsituation, ggf. mit ihrer Integrationshilfe zurückziehen können. Der Klassenraum muss verdunkelt werden können. Die Helligkeit der Beleuchtung sollte variiert werden können. Die Möblierung muss einen geschützten Einzelarbeitsplatz zulassen u.v.m. Ein didaktisch –methodisches Konzept wurde entwickelt, welches u. a. Strukturierungs- und Visualisierungsmöglichkeiten beinhaltet. Dieses wird im Folgenden vorgestellt. Wir verstehen unser Beschulungskonzept nicht als fertiges Produkt sondern als ein sich erweiterndes und veränderndes Konstrukt, das wir in unserer praktischen wie theoretischen Arbeit ständig fortschreiben und weiter entwickeln möchten. Dies entspricht auch dem 7 ausdrücklichen Wunsch des zuständigen Dezernenten, der vor allem unsere Arbeit an der GS Voslapp mit begleitet. Die aktualisierte Fassung wird auf der jeweils nächsten Gesamtkonferenz beschlossen. 2. Das didaktisch-methodische Unterrichtskonzept der Herbartschule zur Beschulung von Schülern mit Erscheinungsformen von ASS 2.1. Zum Personenkreis von Schülern mit Autismus bzw. mit Symptomen einer autistischen Spektrumsstörung (ASS) Der Begriff Autismus umfasst eine extreme Bandbreite von möglichen Symptomen und Auswirkungen, die für den betroffenen Menschen mit seiner Veranlagung verbunden sein können. Der Begriff erscheint insofern problematisch, als er häufig dazu verleitet, ein durch Medien und Spielfilme geprägtes Bild zur Interpretation von Verhaltensweisen und Erscheinungsbild von Menschen mit autistischer Persönlichkeit heranzuziehen. Im Folgenden wird deshalb bevorzugt der Fachbegriff der sog. „Autistischen Spektrumsstörung“ oder kurz „ASS“ verwendet, der der Vielfalt möglicher Störungsbilder aber auch Fähigkeiten der betroffenen Schüler besser gerecht werden kann. 8 Neben Schülern mit festgestellter ASS werden an der Herbartschule mitunter auch Schüler beschult, bei denen zwar noch keine Diagnostik erfolgt ist, deren Lernverhalten und auch Lernschwierigkeiten aber die Abklärung eines möglicherweise vorliegenden Autismus angeraten erscheinen lassen. Wichtig ist vorab die Feststellung, dass Menschen mit autistischer Persönlichkeit nicht automatisch als behindert definiert werden müssen. Da über ICD- Verschlüsselung diagnostiziert, gilt ASS aber als neurologische Erkrankung und muss deshalb in der fachlichen Arbeit auch als solche gekennzeichnet werden, auch wenn die meisten Betroffenen diese Zuschreibung ausdrücklich ablehnen. Auch die von leichteren Formen von ASS betroffenen Personen sind durch ihre Symptomatik und deren Auswirkung auf ihre sozialen Kompetenzen, ihr Lernverhalten, ihre besonderen Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten aber auch Schwierigkeiten sowie ihre Besonderheiten in der Reizverarbeitung jedoch oft am erfolgreichen Lernen in der Regelschule gehindert. Die Folge ist dann unter Umständen eine Lernbehinderung, die eine entsprechende Beschulung an der geeigneten Förderschule notwendig macht. Der Unterricht für von ASS betroffene Schüler muss deshalb in allen Schulformen gezielt auf die besonderen Schwierigkeiten abgestimmt werden, die Menschen mit autistischer Veranlagung in ihrem Lern- und Arbeitsverhalten und ihren Zugangsmöglichkeiten zur sie umgebenden Umwelt und ihren Mitmenschen häufig zeigen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Ausprägung autistischer Symptomatik durchaus sehr unterschiedlich in ihrem Schweregrad und der daraus resultierenden Lernschwierigkeiten ist und hier kein einheitliches Erscheinungsbild vorausgesetzt werden kann. Gemeinsam ist den meisten Menschen mit autistischer Persönlichkeit jedoch eine ausgeprägte Erschwernis, sich ohne spezifische Hilfen und Unterstützung in einer nicht-autistischen Umwelt zurecht zu finden, erfolgreich mit den Mitmenschen zu kommunizieren oder Lern- und Ausbildungssituationen ohne gezielte Förderung erfolgreich bestehen zu können. (Siehe dazu auch Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kindern und 9 Jugendlichen mit autistischem Verhalten Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.06.2000). Für die Lehrkräfte sowie für unterstützende Mitarbeiter wie Integrationshelferinnen und Integrationshelfer oder Fachkräfte der Schulsozialarbeit ist es deshalb äußerst wichtig, mit den Eltern, Betreuern und den autismusspezifisch mit dem Schüler arbeitenden Therapeuten engmaschig zusammenzuarbeiten und auch fachlichen Rat einzuholen, damit die erfolgreiche Beschulung möglichst gelingen kann. Auch der Schüler selbst sollte, wenn möglich, immer wieder aktiv einbezogen werden, denn gerade der Unterricht mit autistisch veranlagten Schülern verlangt vom Pädagogen ein hohes Maß an individualisierter Herangehensweise. Manchmal kann hier gerade der betroffene Schüler selbst der Lehrkraft vermitteln, wie er besser verstehen und lernen könnte. Oftmals kann er es aber nicht oder zu Anfang noch nicht. Gerade in diesem Fall ist es unerlässlich den engen Austausch mit den Personen zu suchen, die den Schüler gut kennen und sein Verhalten aus Erfahrung und aus dieser erworbener fachlicher Kompetenz einschätzen können. Dies sind im Regelfall in erster Linie die Eltern oder Betreuer im Wohnbereich, die mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern zusammen leben. Schüler mit ASS, die eine Regelschule oder die Förderschule Schwerpunkt Lernen besuchen können, erhielten überwiegend die Diagnose eines sogenannten frühkindlichen High-Functioning Autismus, eines Aspergersyndroms, mitunter auch eines sog. atypischen Autismus. Dabei handelt es sich um Erscheinungsformen von ASS, bei denen es den betreffenden Personen zumeist noch recht gut möglich ist, erfolgreich mit dem Gegenüber verbal, nonverbal oder auch schriftlich zu kommunizieren und deren kognitive Fähigkeiten die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht mit spezieller Unterstützung und Berücksichtigung ihrer besonderen Schwierigkeiten zulässt. Die Unterscheidung der einzelnen Feindiagnosen ist für die Förderschullehrkraft nur insofern von Interesse, als die mögliche Genehmigung einer Integrationshilfe in Wilhelmshaven je nach Differentialdiagnose über die Eingliederungshilfe oder über das Jugendamt erfolgt. Deshalb kann es hier sehr wichtig sein, sich bei der Antragstellung fachlich präzise auszudrücken. Hier sollte dann unbedingt fachärztlicher Diagnose gefolgt und nicht aus dem eigenen laienhaften Kenntnisstand beschrieben werden. 10 Die Unterrichtung an einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen oder mit dem Schwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung kann manchmal unvorhergesehen aktuell die angemessenere Beschulungsempfehlung werden, wenn die Schülerin oder der Schüler aufgrund seiner autismusspezifischen Schwierigkeiten nicht mehr Erfolg versprechend in einer Regelschule beschult werden kann. Zuvor ist jedoch immer und über einen angemessenen langen Zeitraum zu prüfen, ob der Besuch der Regelschule mit entsprechender Hilfe und Beratung dem Schüler nicht doch zu ermöglichen oder weiter zu ermöglichen ist, etwa über das Aussetzen von Unterrichtsfächern wie Sport, Kunst, Musik oder anderen Bereichen, die häufig eine reizoffenere Unterrichtssituation bedingen. Auch die Pausensituation kann Probleme bereiten. Nachteilsausgleiche sollten flexibel genutzt werden. Der Verbleib im Regelschulsystem sollte stets das Ziel bleiben, auch und gerade in den höheren Jahrgangsklassen, wenn Berufsfindung und der Übergang in die Berufsschule angebahnt werden sollen. Auch in den unteren und mittleren Jahrgängen sollte die Durchlässigkeit zum Regelschulsystem immer wieder geprüft und gegebenenfalls die Rückschulung frühzeitig ermöglicht werden. 2.2. Gelingensbedingungen für Schüler mit Diagnosen aus dem autistischen Formenkreis Bei Schülern mit einer Symptomatik aus dem Bereich der autistischen Spektrumsstörungen liegen häufig erhöhte Schwierigkeiten vor allem im Bereich der Verarbeitung von Wahrnehmungsreizen bzw. der sensorischen Integration vor. Häufig können betroffene Menschen Wahrnehmungsreize nicht filtern oder nach ihrer Relevanz und Vorrangigkeit in der Situation einordnen. Sie nehmen dagegen die auf sie einwirkenden Umweltreize häufig auf einmal, in allen Einzelheiten und parallel wahr und haben dann entsprechende Probleme, sie nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen. Weiterhin bestehen behinderungsspezifische besonders Therapie bei erfahren Autisten, haben, die häufig noch keine ausgeprägte Kommunikationsprobleme und ein erschwertes bis verwehrtes Verständnis der sie umgebenden Umwelt vor. Dies wirkt sich auf die Lernzugangsvoraussetzungen der betroffenen Schüler meist in der Weise aus, dass der zu vermittelnde 11 Unterrichtsstoff ihnen nur schwer zugänglich ist, weil sie die Relevanz der Inhalte entweder nicht für sich erkennen, sie nicht als wichtig für sich erachten oder mit den für andere nicht betroffene Schüler erfolgreichen Vermittlungsformen unter Umständen nicht zurecht kommen können. (Siehe dazu z.B. auch die Berichte der von Ass betroffenen Schriftsteller Axel Brauns, Nicole Schuster, Temple Grandin oder Donna Williams). Stichwortartig sollen daher im Folgenden einige Punkte genannt werden, die im Unterricht mit Schülern mit Ass bedacht und berücksichtigt werden sollten, damit die Vermittlung des Schulstoffs und ihre erfolgreiche Teilnahme nicht nur am Unterrichtsgeschehen sondern auch am Schulleben besser gelingen kann. 2.2.1 Erhöhtes Bedürfnis nach Regelhaftigkeit, Struktur, Berechenbarkeit, Durchschaubarkeit und Transparenz bei Schülern mit ASS Viele, aber durchaus nicht alle Menschen mit Autismus zeigen ein erhöhtes Bedürfnis nach möglichst stets gleich strukturierten Tagesabläufen oder ritualisiertem Verhalten. Veränderungen, besonders wenn sie unvorhergesehen geschehen, rufen bei Ihnen meist Unmut oder Verweigerung hervor. Es darf nicht vergessen werden, dass der gleichförmige und berechenbare Ablauf von Tätigkeiten und Handlungen nicht nur Stimulation sondern auch Berechenbarkeit und Sicherheit für den Schüler mit ASS bedeuten. Gleichwohl kann ein übergroßes oder zwanghaftes Bedürfnis nach Ritualen oder Gleichförmigkeit in der Schul- und Unterrichtssituation auch problematisch sein und die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht für die nicht betroffenen Mitschüler unzumutbar erschweren. Integration von Menschen mit ASS bedeutet daher auch, ihnen zuzumuten, sich an die allgemeinen Regeln menschlichen Zusammenlebens zu gewöhnen und Akzeptanz für das Leben in einer nicht autistischen Gesellschaft zu entwickeln. Dabei ist auf der Seite der Lehrkräfte 12 und Pädagogen und Integrationshelfer Geduld und Einfühlungsvermögen aber auch verlässliche Konsequenz gefordert. Hilfreich für den betroffenen Schüler ist es dann: - stets abzuwägen, wieweit dem Bedürfnis des Schülers mit ASS nach Sicherheit durch Regelhaftigkeit entsprochen werden muss, wann diese Regelhaftigkeit aber auch bewusst durchbrochen werden muss, damit der betroffene Mensch seine Fähigkeit, in einer nicht autistischen Umwelt größtmögliche Selbstständigkeit zu entwickeln, erweitern kann und auch die anderen Schüler zu ihrem Recht kommen können. - Individuelle Pläne und Verträge mit dem autistischen Schüler können eine Hilfe für beide Seiten sein. In ihnen können Lehrkraft und Schüler gemeinsam herausarbeiten und festlegen, welches seiner ritiualisierten Bedürfnisse dem betroffenen Schüler unerlässlich wichtig scheint, inwieweit und zu welchen Zeiten er diese einhalten kann und darf im Schulunterricht, wann er aber auch darauf verzichten lernen muss. Die Lehrkraft sollte sich stets bewusst sein, dass sie dem von ASS betroffenen Schüler jede Unterbrechung seiner Routine und Rituale stets zuerst zumutet und dass er unter Umständen unvermutet heftig darauf reagieren könnte, etwa in Form von Wutausbrüchen, unangemessenem Sozialverhalten oder auch Anfällen von Reizüberflutung. Die Lehrkraft sollte die emotionale Belastung dieses Veränderungs- und Lernprozesses beim autistischen Schüler wahrnehmen, akzeptieren und reflektieren können. 2.2.2. Fehlende oder mangelhafte „Theory of mind“ ( Die Fähigkeit sich in andere hinein zu versetzen oder dessen Handlungen oder Empfinden vorab schlussfolgern zu können) bei Schülerinnen und Schülern mit ASS Schüler mit ASS wirken mitunter „begriffsstutzig“ und stellen (im besseren Fall) immer wieder Fragen nach uns selbstverständlich scheinenden Zusammenhängen oder äußern verstärkt Unverständnis, vor allem bei Themen, die die soziale 13 Interaktion mit anderen Menschen betreffen. Typischerweise ist das Verständnis von Pointen und Wortspielen und Doppeldeutigkeiten oft erschwert, alles wird zunächst im direkten Wortsinn verstanden oder interpretiert. Unvermutete Gefühlsausbrüche oder große Ängste können die Folge des erschwerten Verständnisses von Situationen oder verbalen Äußerungen sein. Die Lehrkraft sollte deshalb: - auffallende Missverständnisse nicht als „niedlich“ oder kindlich verkennen und belächeln oder ironisch kommentieren - sich möglichst präzise ausdrücken - immer wieder erklären und erläutern, allerdings darauf achten, dem Schüler mit ASS hier keine Gelegenheit für einen neuen „Tic“ in Form ritualisierten Nachfragens zu schaffen - das Wortverständnis immer wieder erweitern, indem sie in der verbalen Kommunikation verschiedene Begrifflichkeiten verwendet und immer wieder erläutert, die das Selbe bezeichnen - in spielerischer Form (Erzählen und Erklären von Witzen, „Teekesselchen“Spiele, Sprichwörter finden, Wortbilder finden) übend die genannten Schwierigkeiten aufgreifen - Informationsquellen zur Verfügung stellen (Bildbände, Wörterbücher, Lexika, Nachschlagewerke, Internet) - Soziale Regeln immer wieder präzise erklärend vermitteln, aber auch konsequent einüben und einfordern - In erhöhtem Maße auf Verschriftlichung auch ihrer sozialen Unterrichtsinhalte für Personen mit ASS achten. Dies kann für lesende Schüler sehr hilfreich und 14 sinnvoll sein, während verbale Erläuterungen oder Ermahnungen scheinbar ungehört „vorbei rauschen“. - Im Deutschunterricht bei der Aufsatzerziehung unbedingt darauf achten, dass selbst kognitiv gut begabte Schülerinnen und Schüler mit ASS oft nicht in der Lage sind, Inhalte zu interpretieren oder gar Geschichten aus der Sicht einer anderen Person weiter zu denken. - daran denken, dass Fächer, die soziales Mitdenken erfordern wie Sozialkunde, Werte und Normen oder der Religionsunterricht oft inhaltlich kaum oder nicht zu bewältigende Schwierigkeiten für Schülerinnen und Schüler mit ASS bergen. 2.2.3. Denken in Bildern Viele Menschen mit Autismus denken in erster Linie bildhaft. (Vergl. z.B. die autobiographischen Bücher von Temple Grandin oder Axel Brauns). Der Erwerb und Gebrauch der Sprache fällt ihnen deshalb unter Umständen über Gebühr schwer. Dies betrifft dann bei der Begriffsbildung besonders den Bereich der Übertragung und Verallgemeinerung oder das grammatische Verständnis, da sich nicht jedes Wort mit einem Bild verbinden lässt. Ein gutes Beispiel ist der Erlebnisbericht des autistischen Schriftstellers Axel Brauns, der als Jugendlicher „Geschichtenerzähler“ werden wollte, weil er annahm, in diesem Beruf könne er den ganzen Tag „Schichten zählen“. „Schichten“ interpretierte er als „Sandschichten“. Das Wort „Schichtenzähler“ konnte er mit Bedeutung füllen. Was ein „Geschichtenerzähler“ ist, begriff er nur mühsam nach einiger Zeit. ( Vergl. Axel Brauns, Buntschatten und Fledermäuse). Die Folge des durch bildhaftes Interpretieren erschwerten Begriffsverständnisses bei Schülern mit ASS kann eine erschwerte verbale Kommunikation sein, die sich am besten mit „fragmentartiger Konversation“ beschreiben ließe. Dies liegt auch daran, dass sie die verbalen Äußerungen des Gegenübers zunächst mit einiger Mühe decodieren müssen und somit zumeist nur zeitverzögert antworten können. 15 Manche Schüler mit ASS fallen dagegen auch durch extreme Gesprächigkeit auf und machen so unter Umständen den Eindruck, im Bereich der verbalen Kommunikation nicht unter Schwierigkeiten zu leiden. Zumeist wird jedoch schnell erkennbar, dass der Schüler nicht unbedingt zuhörend und austauschend kommuniziert sondern eher beharrlich seinem Mitteilungsbedürfnis über seine persönlichen Angelegenheiten nachgehen möchte. Diese sprechfreudigen Schüler mit ASS fallen häufig durch einen nicht altersgemäß förmlichen und bisweilen „abgehoben“ bis „altklug“ wirkenden Sprachgebrauch auf. Auch daran kann der Lehrkraft deutlich werden, dass der Person mit ASS das natürliche Sprachgefühl erschwert ist, weil er sich seine Kompetenzen hier eher imitierend angeeignet hat, so dass ihm oft das Gespür für die situationsangemessene Kommunikation fehlt. Ein gelassenes Gespräch ist betroffenen Menschen oft nicht möglich, weil sie in der Kommunikation eher angestrengt nach dem möglichst präzise passenden Ausdruck suchen. Dies sollte im Deutsch- und Sprachunterricht bedacht werden, da hier oft eine Quelle für erhöhte Schwierigkeiten in diesem Unterrichtsbereich zu suchen ist. Die Lehrkraft sollte deshalb: - sich möglichst präzise, klar und deutlich ausdrücken - Ironie vermeiden - Humorvolle Äußerungen stets erklären - eher kurze und direkte mündliche Ansprache wählen, Blickkontakt aber nicht erzwingen. (Dieser Punkt wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Verhaltenstherapeutische Programme verlangen zumeist den Aufbau von Blickkontakt. Deshalb hier enge Absprache mit ATZ suchen, aber dennoch dem eigenen Instinkt im Umgang folgen. Lehrkräfte sind nicht die Therapeuten der Schülerinnen und Schüler mit ASS). 16 - durch Visualisierung und Verschriftlichung für Transparenz sorgen - sich immer wieder der bildhaften Sprache des Schülers widmen und die Sprachbilder erklärend vertiefen - den Wort- und Begriffsschatz an konkreten Satz- und Gesprächsbeispielen immer wieder zu festigen und zu erweitern versuchen. - die Fähigkeit zur Abstraktion und Verallgemeinerung immer wieder durch Anbieten möglicher Variationen eines Begriffs anbahnen und erweitern. (Ein Kind mit ASS muss etwa zunächst erst erlernen, dass z.B. das Wort „Hund“ nicht nur den einen Hund bezeichnet, den es zuerst als solchen kennen lernte und anhand dessen das Wort für es erste Bedeutung erlangte). - im Bedarfsfall Bilderaustauschprogramme zur Kommunikation nutzen (PECS, Teacch Materialien oder eigene Materialien. Hier unbedingt mit ATZ abstimmen und dem Schüler nicht Verwirrung durch unterschiedliche Bildkartensysteme zumuten) - vor dem Einsatz einer bildlichen Darstellung unbedingt sicherstellen, ob die Person mit ASS auch wirklich erkennen kann, was die Darstellung bedeuten soll. Der Lehrkraft muss bewusst sein und bleiben, dass auch lernstarke Schüler mit ASS nicht unbedingt über das Abstraktionsniveau verfügen, von einer bildlichen Darstellung eines Gegenstands, einer Arbeitsanweisung oder einer sozialen Regel auf eine andere Darstellung schließen und den Inhalt als identisch identifizieren zu können. Es wird häufig angenommen, die Person mit ASS stelle sich nun absichtlich „dumm“ oder wolle einen veralbern. Dies trifft nicht zu. 2.2.4. Ausgeprägte, mitunter multiple Wahrnehmungsproblematiken und Zustände von Reizüberflutung bei Schülern mit ASS 17 Wesentliches Merkmal Wahrnehmungsleistungen einer aber auch autistischen Schwierigkeiten, Symptomatik die sich sind in der Reizwahrnehmung und Reizverarbeitung häufig signifikant unterscheiden von denen nicht betroffener Menschen. Da die Lehrkraft dem autistischen Schüler dies nicht ansehen kann, sollte es dennoch immer im Bewusstsein bei der Planung und Durchführung von Unterricht bleiben und muss entsprechende Berücksichtigung finden. Hilfreich ist die Befragung des betroffenen Schülers, wenn dies möglich ist, um mit ihm heraus zu finden, wie er Lerninhalte besser aufnehmen oder Unterrichtssituationen besser aushalten kann. In der Regel leiden alle von Autismus betroffenen Menschen in der einen oder anderen Form unter Zuständen von Reizüberflutung. Diese können sich in Schweregrad und Ausprägung sowie ihrer Dauer erheblich unterscheiden. Die Lehrkraft sollte sich bewusst sein, dass unvorgesehenes, bizarres oder sozial unangemessenes Verhalten, plötzliche „Blackouts“, akute Verwirrungszustände sowie plötzliche körperliche Missempfindungen bis hin zum zeitweiligen Verlust des Gefühls für einzelne Körperteile (sog. „losing limb syndrome“) beim autistischen Schüler ihre Ursache oft in solchen als „sensory overload“ bezeichneten Zuständen haben. Hervorgerufen werden sie durch eine Überladung des Nervensystems mit Außenreizen, die nicht mehr adäquat bewältigt werden können. Die Auslöser können sehr individuell und unterschiedlich sein. Tritt Reizüberflutung ein, sollte die Lehrkraft versuchen, dem autistischen Schüler Hilfsangebote zu verschaffen, um diesen Zustand möglichst schnell wieder zu überwinden Ein stiller Schüler mit ASS ist kein lediglich schüchterner oder gehemmter neurotypischer Schüler. Ein Schüler mit ASS, der herausforderndes Verhalten zeigt, ist ebenfalls kein neurotypischer schwieriger Schüler. Sowohl ein unauffällig scheinender Schüler als auch ein sozial-emotional auffälliger Schüler mit ASS hat seinen Autismus nicht abgelegt und bedarf weiterhin der speziellen Berücksichtigung seiner Schwierigkeiten, damit er erfolgreich lernen und sich persönlich weiter entwickeln kann. 18 2.2.5. Im Fall akuter Reizüberflutung („Sensory Overload“ genannt) sollte die Lehrkraft: - zunächst selbst die Ruhe bewahren. „Sensory Overload“ kann sich sowohl in sehr stillem Rückzug als auch in möglicherweise sehr lauten und auffälligen Verhaltensweisen bis hin zu Wutausbrüchen und auto- oder fremdaggressivem Verhalten äußern. Allen Ausprägungen ist gemeinsam, dass die betroffene Person zeitweilig aktiver Kommunikation nur noch sehr eingeschränkt bis gar nicht mehr zugänglich sein kann und der Lehrkraft inhaltlich dann auch nicht mehr folgen kann. Ist Reizüberflutung eingetreten, muss nach individuellen Möglichkeiten der Überwindung gesucht werden - der betroffenen Person Angebote zum Abbau von sich aufbauenden Spannungen und zur möglichen Verhinderung von Reizüberflutung bieten, z.B. einen kleinen Gegenstand in die Tasche zu stecken, der mit der Hand bewegt oder manipuliert werden kann. Manchen Schülern helfen hier Wäscheklammern, Krokodilklemmen o.ä. Manchmal kann eine Reizüberflutung so noch verhindert werden. Hilfreich kann für den Schüler auch das Kauen von Kaugummi sein. Ebenso hilfreich kann auch das Spiel mit rotierenden Kreiseln oder JoJos, das Anbieten eines Prismas, das Anbieten von rauen oder weichen Tastmaterialien etc. sein. Hier ist Phantasie und die Bereitschaft zum Ausprobieren gefragt bei der Lehrkraft. - eventuell eine Sonnenbrille oder einen Gehörschutz anbieten können. Einzelne Schüler akzeptieren dies gerne und empfinden es als hilfreich. - für räumliche Rückzugsmöglichkeiten sorgen können und der Schülern oder dem Schüler ermöglichen, dort zu bleiben, bis es ihr oder ihm wieder besser geht - Bedürfnisse nach Stereotypien in dem Rahmen zeitweilig zulassen, wie sie nicht eigen- oder fremdgefährdend oder extrem störend für alle anderen Personen im Klassen- oder Fachraum sind 19 - der Person mit ASS außerhalb des Klassenraums in Begleitung durch eine Integrationshilfe oder Lehrkraft Bewegungsmöglichkeiten wie Drehen, Schaukeln, Laufen etc. ermöglichen. Dabei ist zu bedenken, dass eine Weglauftendenz bestehen kann, so dass sichergestellt sein muss, dass das Schulgelände nicht unbeaufsichtigt verlassen können wird. - möglicherweise den Nachteilsausgleich nutzen und in Absprache mit den Eltern den Schultag für die betroffene Person früher beenden. Hier ist besondere Sensibilität gefordert, da ein Unterbrechen der gewohnten Unterrichtsroutine auch bez. der Unterrichtszeiten ebenfalls zu weiterer nervlicher Überlastung bei der betroffenen Person führen kann, die unter Umständen nicht eher gehen möchte. - flexibel immer wieder zu ermitteln versuchen, was dem betroffenen Schüler oder der Schülerin bei Reizüberflutung individuell am besten hilft und was sich davon im Schulalltag am ehesten verwirklichen lässt. Hier sind die Eltern oder sogar die betroffene Person selbst die wichtigste- Partner in der Planung der Fördermaßnahmen. - Wenn es möglich ist, sollte die Lehrkraft auch mit dem Schüler selbst gemeinsam durch Befragung aber auch Beobachtung heraus zu finden versuchen, welcher seiner Sinne (womöglich mehrere) besonders anfällig für Überladung scheint. Diese besonders belastenden Sinnesanforderungen sollten dann nach Möglichkeit generell minimiert werden. Wie jeder andere Mensch ist auch ein autistischer Schüler in erster Linie eine individuelle Persönlichkeit. Die Auslöser für Reizüberflutung können deshalb so individuell sein, wie es die Hilfsangebote durch die Lehrkraft sein müssen, damit die betroffenen Schüler diese Zustände möglichst schnell überwinden können. 20 2.3. Bereiche der Wahrnehmung, die bezüglich der erfolgreichen Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit ASS besondere Beachtung verlangen Folgende Besonderheiten im Bereich der Wahrnehmung treffen nicht für alle, aber für viele Schüler mit ASS zu und sollten entsprechend bedacht und gegebenenfalls berücksichtigt werden bei der Förderung: 2.3.1. Erschwerte auditive Wahrnehmung Auch in Zusammenhang mit dem vorgenannten Denken in Bildern fällt es Autisten oft schwer, dem gesprochenen Wort inhaltlich zu folgen, da der Entschlüsselungsprozess der Begrifflichkeit und die Umsetzung in Bilder ihnen kaum Zeit lässt, dem Gesprochenen Sinn zu entnehmen. Dies ist auch einer der wichtigsten Gründe für die erschwerte erfolgreiche Kommunikation mit dem nicht autistischen Gegenüber. Ebenfalls mag hier ein Grund dafür liegen, dass selbst des Lesens kundige Schüler mit Autismus nicht unbedingt gut laut lesen können oder den Inhalt des Vorgelesenen nicht oder nur mangelhaft wiedergeben können. Hilfreich ist hier, möglichst viel Visualisierung durch folgende Maßnahmen der Lehrkraft zu ermöglichen: - Schüler, die lesen können, sollten stets auch verschriftlichte Arbeitsanweisungen und Erläuterungen erhalten. - Bei Schülern, die nicht lesen oder nicht aktiv verbal kommunizieren können oder wollen, sollten Fotos, Bildkarten und Piktogramme, später auch Zeichensysteme genutzt werden. Bei Schülern mit ASS muss hier besonders auf Authentizität, Wiedererkennbarkeit und Identifikation geachtet werden. Von ASS betroffene Menschen müssen das Abstrahieren erst erlernen. Die Darstellung sollte also so konkret wie möglich sein. (Siehe dazu auch Punkt 2.2.3 des Autismuskonzepts der Herbartschule). 21 - Vorzulesende Texte sollten von ASS betroffenen Schülern möglichst zum Mitlesen zur Verfügung gestellt werden. Mitunter haben sich auch sehr junge autistische Schüler bereits selbst unbemerkt das Lesen beigebracht und können so von Verschriftlichung ebenfalls profitieren, selbst wenn die Lehrkraft nicht unbemerkt zuvor bemerkt haben muss, dass der Schüler bereits Lesefähigkeiten besitzt. - Die Möglichkeit zur bildlichen oder schriftlichen Rückmeldung und Kommunikation sollte immer wieder angeboten und angeregt werden. Sie sollte auch im akuten Fall akzeptiert werden, selbst wenn die Person mit ASS über Lautsprache verfügt. - Diktate zur schriftlichen Leistungsüberprüfung sollten gegebenenfalls ersetzt werden durch alternative Leistungsabforderung. Häufig sind autistische Schüler sowohl zeitlich wie vom akustischen Verständnis stark überfordert mit Diktaten. - Ablenkung wie leise Musik im Klassenraum sollte zumeist eher vermieden werden um auditive Reizüberflutung zu vermeiden. Es sollte bedacht werden, dass offene Unterrichtsformen und die damit möglicherweise verbundene Unruhe im Klassenraum für Schüler mit ASS die erfolgreiche Teilnahme am Unterrichtsgeschehen zusätzlich erschweren und verhindern können. Sie bedürfen klarer Vorgaben und durchschaubarer verbindlicher Arbeitsaufträge sowie einer ruhigen und durchschaubaren Arbeitssituation. eigenständiges Kreativität fordernde Management von Arbeitsaufträge anzugehen Aufgabenbewältigung oder oder Materialverwahrung ist ein überdurchschnittlich häufig problematischer Punkt bei Schülerinnen und Schülern mit ASS! 2.3.2. Erschwerte Körper- und Selbstwahrnehmung bei von Autismus betroffenen Schülern 22 Die meisten von ASS betroffenen Menschen zeigen eine erschwerte Körper- und Selbstwahrnehmung. Ihr Empfinden und auch Missempfinden kann sich hier erheblich von dem nicht betroffener Menschen unterscheiden. Dies kann sich auf die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht erheblich auswirken und sollte von der Lehrkraft bedacht und berücksichtigt werden. Wichtig ist dies in Unterrichtsbereichen, in denen es durch das mangelnde Körperempfinden, das oftmals mit mangelndem Gefahrenbewusstsein gekoppelt ist, zu Gefahrensituationen kommen kann. Dies betrifft etwa: - den Sportunterricht - den Werkunterricht - den Hauswirtschaftsunterricht - den Unterricht in Verkehrserziehung - den naturwissenschaftlichen Unterricht - Pausensituationen in Pausenhallen oder auf dem Schulhof - die Teilnahme an Unterrichtsgängen, Ausflügen und Klassenfahrten Die Lehrkraft sollte hier im Problemfall nach gründlicher Abwägung und fachlicher Rücksprache mit dem zuständigen ATZ immer auch erwägen, Nachteilsausgleiche zu nutzen und die Schülerin oder den Schüler zeitweilig oder längerfristig von bestimmten Unterrichtsfächern oder Unterrichtssequenzen zu befreien. Ziel sollte dabei aber immer die Sensible Reflexion bleiben, ob und wie die Teilnahme wieder ermöglicht werden kann. Ist es erkennbar nicht sinnvoll, zu belastend für den Menschen mit ASS oder eine die gesamte Beschulung gefährdende Inklusionsbemühung, einen Menschen mit ASS wieder in den Fachunterricht zu integrieren, sollte lieber 23 längerfristig oder ganz darauf verzichtet werden. Hier sollten sich die Schule in der Beurteilung unbedingt an fachlichen Rat halten. 3. Besonderheiten und Schwierigkeiten im sozial-emotionalen Bereich, die bezüglich der Beschulung von Personen mit ASS besonders beachtet werden sollten: Folgende Besonderheiten oder Schwierigkeiten im Bereich der Kommunikation und des sozialen Kontaktverhaltens können auftreten und bedürfen dann entsprechender Rücksichtnahme und Beachtung, damit der Lern- und Entwicklungsprozess besser gelingen kann: 3.1. Schwierigkeiten im Kontaktverhalten zu anderen Menschen: Viele von Autismus betroffene Menschen haben Schwierigkeiten, Blickkontakt oder Körperkontakt zu anderen Personen aufzunehmen oder auszuhalten. Auch auf direkte Ansprache können viele autistische Menschen nicht ohne Schwierigkeiten reagieren. Zumeist wirken sie dann bedrängt bis verschreckt und können sich nicht adäquat artikulieren in der Situation. Manche von ihnen empfinden körperliche Berührungen als beunruhigend, beängstigend oder sogar als schmerzhaft. Es gibt dagegen auch nicht wenige Kinder mit einer autistischen Symptomatik, die sich sogar eher körperlich und verbal distanzlos ihren Mitmenschen gegenüber verhalten können. Hier muss es der Lehrkraft wieder gelingen, das eigene Bedürfnis nach Abstand erklärend einzufordern. In der Unterrichtssituation sollte die Lehrkraft daher auf Folgendes achten: - soziale Regeln sollten immer wieder erläuternd an den autistischen Schüler herangetragen und auch eingefordert werden werden. 24 - das Bedürfnis des Schülers nach Abstand sollte respektiert und Rückzugsmöglichkeiten ermöglicht werden. - auch das eigene Bedürfnis nach Abstand sollte deutlich erklärt und eingefordert werden - Blickkontakt oder Körperkontakt sollte möglichst nicht eingefordert werden - Die Lehrkraft sollte sich zunächst selbst bemühen, sich im Kontakt mit dem betroffenen Schüler eher passiv zu verhalten und den Schüler das Maß an erträglicher Nähe selbst bestimmen zu lassen. Aufforderungen wie „Sieh`mich an, wenn ich mit dir spreche!“ oder auch das Gratulieren mit Handschlag zum Geburtstag können für manche autistische Schüler eine erhebliche Zumutung bedeuten und durchaus zu akuten Anfällen von Reizüberflutung führen. Dies sollte auch den nicht betroffenen Mitschülern erklärt werden, damit sie Verständnis dafür entwickeln können, dass ein autistischer Mitschüler unverhofft und unvorhergesehen auf ungestüme Kontaktaufnahme reagieren kann. - die Sitzordnung sollte dem Schüler die Freiheit geben können, die Lehrkraft nicht direkt ansehen zu müssen - im Unterrichtsgespräch kann es sinnvoll sein, den autistischen Schüler nicht direkt anzusprechen und seine Zwischenrufe ggf. anfänglich zu tolerieren, falls es ihm nicht gelingt, sich an die Klassenregel des Meldens zu halten. Autistische Menschen erlernen soziales Verhalten im Regelfall nicht intuitiv und müssen es sich hart erarbeiten. Auch in diesem Bereich muss sich die Lehrkraft darüber im Klaren sein, dass sie als Rollenmodell zu den Personen im Leben des autistischen Schülers gehört, an deren Verhalten er sich orientieren kann. 25 3.2. Mangelhafte Fähigkeit, Gestik, Mimik und Körpersprache des Gegenübers zu deuten beim autistischen Schüler Vergesellschaftet mit der weiter oben beschriebenen Schwierigkeit, „Theory of mind“ zu entwickeln und das Verhalten anderer Menschen zu schlussfolgern, vorher zu vermuten oder sich in das Gegenüber hinein zu versetzen ist beim Schüler mit ASS oft die Erschwernis, Mimik, Gestik und Körpersprache des Mitmenschen zu deuten zu beobachten. Häufig findet sich auch ein erschwertes Wiedererkennen selbst von bekannten oder vertrauten Personen, sog. Gesichtsblindheit oder „Prosopagnosie“. Viele autistische Menschen identifizieren oder merken sich ihre Mitmenschen eher über markante Besonderheiten oder Einzelheiten. Verändern sich diese, etwa die Frisur, kann es auch passieren, dass eine Person nicht gleich wieder erkannt wird. Diese Schwierigkeit kann sich erheblich auf das Sozialverhalten und auch auf die Integration des autistischen Schülers in die Gemeinschaft mit nicht betroffenen Mitschülern auswirken. Schüler mit ASS können Konfliktpotential unter Umständen schlecht erkennen, verstehen oder vermeiden. Auch die Reaktion der Lehrkraft oder anderer Schüler auf ihr eigenes Verhalten können sie mitunter nicht frühzeitig oder auch gar nicht adäquat deuten. Entsprechend fällt es ihnen dann auch ungleich schwerer, soziale Kompetenzen zu erwerben und zu erweitern. Mitunter entwickeln sich auch Mobbing.-Tendenzen der Mitschüler gegenüber Schülern mit ASS, da diese sich durch ihr skurril anmutendes Verhalten schnell zu Außenseitern entwickeln, ohne die Gründe dafür durchschauen und selbstständig verändern zu können. Sie lassen sich zudem auch meist leicht ausnutzen. Hier muss die Lehrkraft besonders darauf achten, entsprechende Tendenzen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Wichtig ist deshalb für die Lehrkraft: - immer wieder im Kontakt mit dem autistischen Schüler die eigene Befindlichkeit in einer Situation zu erklären und zu erläutern - den anderen Mitschülern das Verhalten des Schülers mit ASS zu erklären und zu vermitteln, ohne ihn zu sehr in eine Sonderposition zu stellen 26 - immer wieder wenn möglich auch den Schüler mit ASS aufzufordern, seine eigene Befindlichkeit zu reflektieren, zu erspüren und zu beschreiben - Unterrichtsbezogen anhand von Bildkarten, Zeichnungen, Piktogrammen, später auch Fotos das Deuten und Interpretieren von Mimik, Gestik und Körpersprache zu üben. Die Lehrkraft sollte in diesem Fall allerdings nicht unbedingt zuerst anhand von Fotomaterial vorgehen, da selbst der Blickkontakt mit fotografierten Gesichtern für manche Autisten zunächst Überforderung bedeutet. Hilfreich können aber klare, plakative bildhafte Darstellungen in Form von Zeichnungen und Piktogrammen sein. Ganz klar muss in diesem Bereich aber eng mit den betreuenden Therapeuten des Schülers mit ASS zusammen gearbeitet werden. - im Konfliktfall sollte immer wieder erklärend auf die Situation eingegangen und die Reaktion des Gegenüber erläutert werden, damit der autistische Schüler Interpretationsstrategien erlernen kann, wo ihm der intuitive Zugang erschwert ist, andererseits aber auch die Mitschüler mehr Verständnis entwickeln können. 3.2. Gestörte Körper- und Selbstwahrnehmung wie mangelndes oder fehlendes Hunger- und Durstempfinden, eingeschränktes oder fehlendes Gefahrenbewusstsein, gestörtes oder fehlendes Schmerzempfinden und Temperaturempfinden bei autistischen Schülern Oftmals ist das Körper- und Selbstempfinden von Menschen mit ASS in einem bis mehreren, manchmal in allen der genannten Bereiche gestört. Auch dies sollte fächerübergreifend durch die Lehrkraft bedacht werden, um den Unterricht für betroffene Schüler möglichst erfolgversprechend gestalten zu können. 27 3.2.1. Folgende Besonderheiten in der Körper- und Selbstwahrnehmung bei ASS sollten der Lehrkraft bekannt gemacht werden und bewusst bleiben: - Gestörtes Hunger- und Durstgefühl kann dazu führen, dass autistische Schüler an regelmäßige Zufuhr von Nahrung oder Flüssigkeit auch im Schulalltag erinnert werden müssen. Wenn betroffene Schüler sich plötzlich unvorhergesehen verhalten oder auch Kreislaufprobleme zeigen, kann durchaus nicht selten Unterzuckerung vorliegen, weil das Essen vergessen wurde. - Viele autistische Menschen sind sehr eigen in der Akzeptanz von ungewohnter Nahrung. Dies sollte z.B. im hauswirtschaftlichen Unterricht akzeptierend bedacht und der betroffene Schüler nicht überfordert werden. Häufig ist ein ebenso gestörtes Sättigungsverhalten zu beobachten. Hier muss dem Schüler dann von außen vermittelt werden, wann er die Nahrungsaufnahme lieber beenden sollte, damit ihm nicht übel wird. - Mangelndes Schmerz-, Temperatur- und Gefahrenempfinden ist zu bedenken in allen Unterrichtsbereichen, in denen Schüler sich verletzen können, also bevorzugt im handwerklichen, hauswirtschaftlichen, textilen und gestalterischen Unterricht sowie im Sport- und Schwimmunterricht. Autistische Schüler neigen verstärkt dazu, sich im Hauswirtschaftsunterricht zu verbrühen beim Essen, da sie mitunter erst lernen müssen, zu heißes Essen zu erkennen am aufsteigenden Dampf oder heiße Bleche und Töpfe nicht mit bloßen Händen zu berühren. - Körperliche Verausgabung wird ebenfalls häufig nicht intuitiv wahrgenommen und muss von der Lehrkraft bewusst erklärend mit gesteuert werden. Bei Unterrichtsgängen ist besonders im Straßenverkehr oft erhöhte Aufmerksamkeit und Beaufsichtigung durch die Lehrkraft erforderlich. - Wettergerechte Kleidung in Pausensituationen und bei Unterrichtsgängen muss zumeist immer wieder thematisiert werden. Verletzungs- oder Krankheitssymptome wird ein von Autismus betroffener Schüler zumeist nicht 28 von sich aus äußern. Die Lehrkraft sollte deshalb hier stets besonders aufmerksam sein und Erziehungsberechtigten auch engen Kontakt zu den Eltern, und Betreuern des Kindes suchen. Es ist davon auszugehen, dass ein autistischer Schüler nicht unbedingt von sich aus zu Hause erzählt, wenn er sich in der Schule nicht wohl fühlte und umgekehrt. 4. Sonderbegabungen und spezielle Interessen bei Schülern mit Autismus, sog. „Savant“-Autismus. Das Bild der Öffentlichkeit von Menschen mit ASS ist zumeist geprägt von Berichten über Autisten mit außergewöhnlichen so genannten „Savant“-Fähigkeiten zum Beispiel im Bereich der Gedächtnisleistungen oder im Bereich der Mathematik. Fast jeder kennt den Film „Rainman“ und hält die dargestellte Ausprägung des Autismus für typisch. Dies trifft jedoch durchaus nicht auf alle Menschen mit ASS zu. Es handelt sich hier tatsächlich eher um Einzelfälle. Zumeist findet sich bei autistischen Schülern bezüglich ihrer kognitiven Fähigkeiten kein signifikanter Unterschied zu nicht betroffenen Schülern. Sie haben es aber bei normaler oder besonderer kognitiver Begabung ungleich schwerer, ihre Fähigkeiten der Umwelt erkennbar werden zu lassen. Für Lehrkräfte, die autistische Schüler unterrichten, bedeutet dies oft ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und der Suche nach individuellen Vermittlungsformen für den Unterrichtsstoff, damit auch die autistischen Schüler Erfolg versprechend teilnehmen können. Liegen bei einem Schüler mit ASS besondere Interessensschwerpunkte oder Sonderbegabungen vor, so kann dies oft eine erste Möglichkeit sein, seine Lernzugangsvoraussetzungen zu erweitern und seine Aufmerksamkeit auch auf andere Unterrichtsschwerpunkte zu erweitern. Es kann auch das Verständnis und die Akzeptanz der nicht betroffenen Mitschüler für Schüler mit ASS erhöhen, wenn seine Talente und sein Spezialwissen gewürdigt und etwa als unterstützende Informationsquelle im Unterricht gewürdigt werden können. Zu vermeiden ist dabei aber, diesem Aspekt zu große Aufmerksamkeit im Unterricht zu widmen, damit der 29 betroffene Schüler es zunehmend zu akzeptieren lernt, dass er sich auch anderen Unterrichtsinhalten übend zuwenden muss. 5. Integrationshilfen als Unterrichtsbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit ASS Viele Schülerinnen und Schüler mit ASS könne im Regelschulsystem oder im Lernhilfebereich nicht erfolgreich beschult werden, wenn sie nicht durch eine Integrationshilfe in allen möglichst allen Unterrichtsstunden und je nach Notwendigkeit auch in der Pausensituation unterstützt und begleitet werden. Für Schüler und Schülerinnen mit einem Asperger-Syndrom wird die Integrationshilfe in Wilhelmshaven über das Jugendamt gewährt. Für Schülerinnen und Schüler mit frühkindlichem High-Functioning Autismus oder atypischem Autismus wird die Integrationshilfe über die Eingliederungshilfe gewährt. Die Integrationshilfen sollten über Erfahrung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit ASS verfügen. Sie sollten sich praktisch wie auch theoretisch mit der Problematik und den besonderen Förderbedürfnissen autistischer Schüler auseinander setzen und in der Lage sein, sich auf die anspruchsvolle Unterrichtsund Pausenbegleitung einlassen zu können. Im Unterricht sind die Integrationshelferinnen eine unerlässliche Unterstützung sowohl für die Schüler wie auch für die Lehrkraft in der Unterrichtung des Kindes. Obwohl sie nicht eigenständig unterrichten, fördern oder planen, sind sie doch wichtige Förderpartner, ohne die wir Schülerinnen und Schüler mit ASS oftmals nicht bei uns beschulen könnten. Dies gilt besonders auch für die Schüler, deren Beschulung wir im Regelschulbereich mit begleiten. 6. Schlussbemerkung: 30 Der Unterricht für Schüler mit Symptomen aus dem Bereich der autistischen Spektrumsstörungen stellt sowohl für die unterrichtenden Lehrkräfte wie auch für die betroffenen Kinder selbst eine Herausforderung dar und bedarf immer wieder gezielter Überlegung und Planung, damit Lernerfolge optimal ermöglicht werden können. Unerlässlich ist der Informationsaustausch mit allen Kollegen der Schule. Auch die nicht in der Klasse des betroffenen Kindes unterrichtenden Lehrkräfte sollten etwa Bescheid wissen über besondere Auffälligkeiten und Besonderheiten im Verhalten des Schülers, damit sie in Vertretungs- und Aufsichtssituationen adäquat reagieren können (wenn etwa eine Neigung zum Weglaufen besteht oder der Schüler sich unvertrauten Erwachsenen gegenüber nicht artikulieren kann oder möchte). Eine erfolgreiche Beschulung bedingt ebenfalls die enge Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen und Therapeuten sowie verlässliche Elternarbeit. Die adäquate und möglichst Erfolg versprechende Beschulung von Schülern mit ASS gewinnt mit wachsenden Erkenntnissen über Ursachen und Erscheinungsformen des Autismus zunehmend an Bedeutung. Auch die Lehrkräfte der Herbartschule sehen hier einen Förderschwerpunkt, der auch künftig noch weiter ausgebaut werden wird. Das oben kurz umrissene Unterrichtskonzept für autistische Schüler ist deshalb als flexibles, im Wachsen begriffenes Konstrukt anzusehen. Stand 2011 10. Hilfreiche weiterführende Literatur für den Unterricht mit autistischen Schülern. Eine Auswahl. - Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Empfehlungen zu Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.06.2000 - Niedersächsische Landesschulbehörde, Internetportal: Autismus und Schule, - Autismus Deutschland e.V. Asperger-Syndrom- Strategien und Tipps für den Unterricht. Eine Handreichung für Lehrer 31 - Autismus Deutschland e.V. Asperger-Syndrom- Schulbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit Asperger-Syndrom - Autismus Mittelfranken e.V. , Autismus und Schule - Autismus. Zeitschrift des Bundesverbandes „Autismus Deutschland e.V.“ - Dr. Peter Schmidt: Was eine autistenfreundliche Schule braucht, Tagungsbericht Autismus-Tagung: „Neue Wege durch die Schule“, ev. Akademie Bad Boll, 06.Juli 2010 - Dr. Brita Schirmer: „Die Lehrer hörte ich nur selten…“(Aufsatz) - Dr. Brita Schirmer: Schulratgeber Autismus-Spektrum Störungen. Ein Leitfaden für LehrerInnen, Trias Verlag - Dr. Brita Schirmer: Elternleitfaden Autismus, Trias Verlag - Nicole Schuster: Asperger-Syndrom und Lernen. Probleme und geeignete Hilfen in der Schule und in der Ausbildung (Aufsatz) - Nicole Schuster: Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen, Kohlhammer Verlag - Nicole Schuster: Ein guter Tag ist ein Tag mit Wirsing. Kohlhammer Verlag - Nicole Schuster: Colines Welt hat tausend Rätsel , Kohlhammer Verlag - Vera Bernhard-Opitz: Praktische Hilfen für Kinder mit Autismus, Kohlhammer Verlag - Remschmidt/ Kamp-Becker: Asperger-Syndrom, Springer Verlag - Simple Steps, CD-Rom 32 - David Tammet: Wolkenspringer, Padmos Verlag - Oliver Sacks: Eine Anthropologin auf dem Mars, Fischer Verlag - Oliver Sacks: The man who mistook his wife for a hat (Deutsch: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, Fischer Verlag) - Donna Williams: Nobody nowhere (Deutsch: Ich könnte verschwinden, wenn du mich berührst, Knaur Verlag) - Donna Williams: Somebody somewhere - Temple Grandin: Thinking in pictures, Bloomsbury Verlag - Temple Grandin: Ich bin die Anthropologin auf dem Mars, Fischer Verlag - Edgar Schneider: Discovering my autism - Axel Brauns: Buntschatten und Fledermäuse, Goldmann Verlag - Kamran Nazeer: Send in the idiots, Bloomsbury Verlag - Simon Baron-Cohen: Is Aspergers`s syndrome / high-functioning autism necessarily a disability? (Aufsatz) - Simon Baron-Cohen: Synaeshesia (Aufsatz) - Simon Baron-Cohen: The essential difference:Male and female brain and the truth about autism. (Deutsch: Männer denken anders. Frauen auch, Heyne Verlag) 33 - Temple Grandin: My Experiences with Visual Thinking Sensory Problems and Communication Difficulties (Aufsatz) Einige ausführlichere Literatur- und Materiallisten befinden sich im Ordner “Autismus und Schule.“ Nele Stark, Friederike Wadehn-Remmers, Stand 2011 Copyright Teil 2 : F.Wadehn-Remmers 2011