Frage 1 A. Grundrechte der D I.Verletzung von Art.5 III, 1.Alt. GG durch das Werbeverbot Das Werbeverbot §1 APG könnte gegen die Kunstfreiheit aus Art.5 III 1. Alt. GG verstoßen. Dazu müsste ein verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts vorliegen. 1.Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Art.5 GG schützt zunächst natürliche Personen. Bei D handelt es sich jedoch um eine GmbH. Art.5 III 1.Alt.GG könnte gemäß Art.19 III GG auch für D gelten. Zunächst müsste D eine inländische juristische Person sein. Juristische Personen i.S.v. Art. 19 III GG sind soziale Gruppen oder Sachwertgesamtheiten, die zumindest partiell rechtsfähig sind. Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass die jeweilige Organisationseinheit Zuordnungssubjekt mindestens eines Rechtssatzes ist.1Unbestritten ist, dass jedenfalls vollrechtsfähige Körperschaften, also juristische Personen i.S.d. Zivilrechts, darunter auch die GmbH, zugleich juristische Personen i.S.v. Art.19 III sind.2 D ist als GmbH eine juristische Person i.S.v. Art.19III GG. Inländisch i.S.v. Art. 19 III GG sind juritische Personen, wenn ihr tatsächliches Aktionszentrum innerhalb des Gebiets des Deutschen Reiches nach dem Stand vom Dezember 1937 liegt. 3 D ist in Trier ansässig. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass sie auch zumindest größtenteils in dieser Umgebung tätig ist. D ist inländisch i.S.v. Art. 19 III GG. Desweiteren müsste Art.5 III 1.Alt. GG wesensgemäß auf D anwendbar sein. Das setzt allgemein voraus, dass die grundrechtlich geschützte Tätigkeit nicht bloß individuell, sondern auch korporativ ausgeübt werden kann, also nicht an natürliche Eigenschaften des Menschen anknüpft.4 Grundsätzlich können auch juristische Personen wie D gemäß Art.19 III GG durch Art.5 III 1.Alt. GG geschützt werden.5 b) Sachlicher Schutzbereich Die Werbung für Alkopops müsste dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff genügen. Das BverfG wendet nebeneinander verschiedene Kunstbegriffe an. Der materiale Kunstbegriff verlangt eine freie, schöpferische Gestaltung als unmittelbaren Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers durch eine bestimmte Formensprache. 6 D will ihre Produkte künstlerisch aufwendig gestalten lassen, wodurch dem Gestalter trotz des vorgegebenen Inhalts ein Spielraum eingeräumt wird, in dem er schöpferisch tätig werden und eigene Gedanken einbringen kann. Der materiale Kunstbergriff ist erfüllt. 1 2 3 4 5 6 von Mutius, in: BK, Art 19 III Rn.43 von Mutius, in: BK, Art 19 III Rn.60; Dürig, in:Maunz/Dürig, Art.19 III Rn.29 von Mutius, in: BK, Art.19 III Rn.56; Dürig, in Maunz/Dürig, Art.19 III Rn.31 von Mutius, in: BK, Art 19 III Rn.156; Dürig, in Maunz/Dürig, Art.19 III Rn.32 Jarass/Pieroth, Art.5 Rn.87; Sachs Verfassungsrecht II S.312 Rn.84 BverfGE 30, 173[188f.]; Pieroth/ Schlink a.a. O.; Epping a.a.O. Der formale Kunstbegriff verlangt, dass das Erzeugnis einem bestimmten Werktyp, wie z.B. Bildhauerei, Malerei oder Lyrik zuzuordnen ist.7 D kann frei auswählen, welchen Werktyp sie nutzt, um für ihre Produkte zu werben. Folglich kann Werbung hier jedem Werktyp entsprechen. Der formale Kunstbegriff ist erfüllt.. Der offene Kunstbegriff sieht ,,das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt.“8 Auch Werbung bietet dem Betrachter mehrere Deutungsmöglichkeiten. Beispielsweise kann sie neben ihrer herkömmlichen Produktanpreisungsfunktion auch herangezogen werden, um bestimmte soziokulturelle Aspekte einer Epoche zu veranschaulichen. Der offene Kunstbegriff ist erfüllt. Da alle drei Kunstbegriffe erfüllt sind kann eine Entscheidung, welcher vorzuziehen ist, hier dahinstehen. Art.5 III 1.Alt. GG schützt den Prozess der Kunsterzeugung (Werkbereich) und die Darbietung und Verbreitung der Kunst in der Öffentlichkeit (Wirkbereich).9 Der Schutzbereich umfasst sowohl den Kunstschaffenden, als auch jedenfalls im Wirkbereich denjenigen, der eine ,,unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen dem Künstler und seinem Publikum“ ausübt.10 D wird hier nicht selbst schöpferisch eigenständig tätig. Aus ihrer Sicht kommt der Werbegestaltung lediglich ,,technisch instrumentale Bedeutung“ zu.11 Nicht der künstlerische Ausdruck, sondern der ,,werblich visuelle Anreiz“ steht für D im Vordergrund.12 Fraglich ist nun, ob im Falle bloßer Wirtschaftswerbung auch dem Träger der werblichen Aussage, also dem die Ware anbietenden Wirtschaftssubjekt ebenfalls der Schutz des Art.5 III GG zuteil wird, wenn es lediglich kommerzielles Interesse an der Werbegestaltung hat. Ihm wird nur dann eine ,,unentbehrliche Mittlerfunktion“ zugeschrieben, wenn der Werbekünstler, also beispielsweise der von D engagierte Werbedesigner keine andere Möglichkeit hat, seine Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren.13 Es ist hier nicht ersichtlich, dass solche Möglichkeiten nicht bestehen. In Betracht kommen insbesondere Galerien oder Museen. D kommt keine ,,unentbehrliche Mittlerfunktion“ zu. Ihre Tätigkeit wird nicht von Art.5 III 1.Alt. GG geschützt. 2) Ergebnis Der Schutzbereich ist nicht eröffnet. Art.5 III 1.Alt. GG ist nicht verletzt. 7 BverfGE 67, 213 [226f.]; Pieroth/ Schlink S.154 Rn.614; Epping S.97 Rn.240 8 BverfGE 67, 213 [226]; Pieroth/ Schlink a.a. O.; Epping a.a.O. 9 BverfGE 30, 173[189]; BverfG NJW 2001, 596[597] 10 Bethge, in: Sachs, Grundgesetz Art.5 Rn.191a; Bleckmann S.877 Rn.158; Pieroth/ Schlink S.155 Rn.614; Stein/ Frank, S.374 §46 II; neuere Auflage suchen 11 Scholz, in Maunz/Dürig, Art.5III Rn.35; Lerche S.90 12 Scholz, in Maunz/Dürig, a.a.O.; Lerche a.a.O. 13 Stiess ,S.124 II.Verletzung von Art.5 I 1 1. Hs.GG durch das Werbeverbot (§1 APG) §1 APG könnte D in ihrem Grundrecht der Meinungsfreiheit verletzen. 1.Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Art.5 I 1 1.Hs.GG müsste gemäß Art.19III GG auch für D gelten. Wie bereits ausgeführt ist D eine inländische juristische Person i.S.v. Art.19 III GG. Zudem müsste Art.5 I 1 1.Hs.GG wesensgemäß auf D anwendbar sein. Grundsätzlich wird die Meinungsfreiheit auch inländischen juristischen Personen gemäß Art.19 III zuteil.14 Unschädlich ist dabei, dass juristische Personen aufgrund ihrer natürlichen Handlungsunfähigkeit nicht dazu in der Lage sind, eigene Meinungen zu formen oder zu äußern. Dies kann sie durch ihre Organe, jedoch mit rechtlicher Wirkung für sie selbst tun.15 Art.5 I 1 1.Hs.GG ist wesensgemäß auf D anwendbar. b) Sachlicher Schutzbereich Das Werben der D für Alkopops müsste eine Meinungsäußerung i.S.v. Art.5 I 1 1.Hs.GG sein. Meinungen i.S.v. Art.5 I 1 1.Hs.GG sind Werturteile, gleichgültig, auf welchen Gegenstand sie sich beziehen und welchen Inhalt sie haben 16. Geschützt werden Äußerungen auch dann, wenn sich Meinungen und Tastachen darin vermengen, wenn sie ,,durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens geprägt“ sind, oder sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind.17 Auch kommerzielle Werbung bringt Meinungen zum Ausdruck, jedenfalls sofern sie wertenden oder meinungsbildenden Inhalt aufweist oder Tatsachen vermittelt, die der Meinungsbildung dienen.18 Regelmäßig ist es gerade das Ziel von Werbung, die Meinung der Adressaten dahingehend zu bilden, dass das angepriesene Produkt gekauft werden soll.19 Der Schutzbereich ist eröffnet. 2.Eingriff Das Werbeverbot müsste einen Eingriff in Art.5 I 1 1.Hs.GG darstellen. Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem Grundrechtsträger ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt ganz oder teilweise unmöglich macht.20 §1 APG verbietet der D jede Form von Werbung für Alkppops, also auch solche, die dem Schutzbereich von Art.5 I 1 1.Hs.GG unterfällt. Dieses Verhalten wird unter Strafe gestellt (§3 APG). Ein Eingriff in Art.5 I 1 1.Hs.GG liegt vor.21 14 15 16 17 18 19 20 21 Bleckmann, S.827 Rn.70 Dürig, in Maunz/Dürig, Art.5 I, II Rn. 17 Schmidt-Bleibtreu/Klein, S.262 Rn.3, Pieroth/Schlink, S.138 Rn.550; Sachs , Verfassungsrecht II S.286 Rn.3 BverfGE 61, 1[9]; 65, 1[41] BverfGE 71, 162[175]; BverfGE 102, 347[359]; Sachs Verfassungsrecht II S.288 Rn.11; Degenhart, in: BK Art.5 I, II Rn.126; Schmidt-Bleibttreu/Klein s.262 Rn.3,4; Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof §141 Rn121; Gerrit/Manssen, in: Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 12 I, Rn. 279; Di Fabio, in: NJW 1997, S.2863f. Pieroth/Schlink S.59 Rn.240 Pieroth/Schlink, S.145 Rn.581 3.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Das Werbeverbot müsste von einer der in Art.5 II GG genannten Schranken gedeckt sein. Es handelt sich um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Gemäß Art.5 II GG kann die Meinungsfreiheit durch allgemeine Gesetze, durch gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend oder durch das Recht der persönlichen Ehre eingeschränkt werden. aa) Allgemeine Gesetze i.S.v. Art.5 II GG In Betracht kommt zunächst ein allgemeines Gesetz. Fraglich ist, was allgemeine Gesetze i.S.v. Art.5 II GG sind. In der Weimarer Zeit konkurrierten hierzu zwei Ansichten miteinander. Die Sonderechtslehre fordert , dass die Vorschrift keine Meinung als solche verbietet und sich auch nicht gegen die Verbreitung einer Meinung als solche richtet.22 Die Abwägungslehre fordert zudem, das Gesetz müsse zusätzlich einem Allgemeininteresse dienen, das in der Abwägung mit der Ausübung der Meinungsfreiheit den Vorrang besitzt.23 BVerfG und Judikatur verbinden beide Ansichten in der folgenden Definition: Allgemeine Gesetze i.S.v. Art.5 II GG sind Gesetze , die nicht eine Meinung als solche verbieten und sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, sondern dem ,,Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat.“24 Das Werbeverbot müsste zunächst meinungsneutral sein. Es richtet sich allerdings auschließlich gegen Werbung für Alkopops, verbietet also eine ,,an sich erlaubte Handlung“, nämlich das Werben für Alkoholika ,,allein wegen ihrer geistigen Zielrichtung und der dadurch hervorgerufenen schädlichen geistigen Wirkung.“ 25 Die bekämpfte geistige Zielrichtung ist hier die positive Bewertung von Alkopops, mit der vom Gesetzgeber unerwünschten geistigen Wirkung, ein Kaufinteresse speziell für Alkopops in der Bevölkerung zu wecken. Das Werbeverbot ist kein allgemeines Gesetz i.S.v. Art.5 II GG. bb) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend Jedoch könnte es sich um eine gesetzliche Bestimmung zum Schutz der Jugend handeln. Dazu müsste es ,,bestimmt sein, jugendgefährdende Einflüsse abzuwehren, d.h. äußere Anstöße zu schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen der jugendlichen Persönlichkeit zu unterbinden.“26 Suchtkrankheiten, wie Alkoholabhängigkeit können oslche Fehlentwicklungen begünstigen oder gar verursachen. Das APG verfolgt u.a. den 22 23 24 25 26 Epping, S.88, Rn.217 Epping, S.88 Rn. 216 BverfGE 7, 198[209]; 95, 220[235f] Pieroth/Schlink, S. 147 Rn.588 E.Schmidt-Jortzig, in Isensee/Kirchhof, §141 Rn.47 Zweck, Jugendliche noch besser vor den Gefahren des Alkoholkonsums, wie z.B. vor Alkoholabhängigkeit zu schützen. Das Werbeverbot ist als Schranke der Meinungsfreiheit, nämlich als gesetzliche Bestimmung zum Schutz der Jugend von Art.5 II GG gedeckt. b) Schranken-Schranken aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formell korrekt zustande gekommen. bb) MaterielleVerfassungsmäßigkeit (1) Bestimmtheitsgrundsatz, Verbot des Einzelfallgesetzes, Wesensgehaltsgarantie, Zitiergebot Das APG müsste materiell verfassungsgemäß sein, also insbesondere dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art.103 II GG), dem Verbot des Einzelfallgesetzes (Art.19 I 1 GG), der Wesensgehaltsgarantie ( Art.19 II GG) und dem Zitiergebot (Art.19 I 2 GG) Rechnung tragen. Die Regelungen des APG sind hinreichend genau bestimmt und auch allgemein, richten sich also nicht gegen Einzelfälle. Eine Antastung des Wesensgehalts eines Grundrechts ist nicht ersichtlich. Das Zitiergebot ist nicht auf Art.5 GG anwendbar.27 Die oben genannten Verfassungsprinzipien sind somit gewahrt. (2) Verhältnismäßigkeit Als taugliche Schranke unterliegt §1APG aber auch dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot, das entweder aus dem Wesen der Grundrechte, aus dem Rechtsstaatssprinzip, oder aus dem Willkürverbot resultiert. Folglich muss es einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. (a) Legitimer Zweck Erste Vorraussetzung hierfür ist, dass es einen legitimen Zweck zu verfolgt.28 Zusätzlich zum bereits erwähnten Ausbau des staatlichen Jugendschutzes kommen beim APG noch der Schutz des erwachsenen Teils der Bevölkerung vor Gesundheitsschädigungen als Auswirkungen eines durch den süßen, den Alkohol überdeckenden Geschmack der Alkopops begünstigten übermäßigen Alkoholkonsums hinzu. Ein legitimer Zweck liegt vor. (b) Geeignetheit Die staatliche Maßnahme muss ein brauchbares Mittel sein mit dessen Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann.29 Das Ausmaß der Förderung ist für kein Kriterium der Geeignetheit.30 Das Werbeverbot beschränkt die Möglichkeiten der Nachfrager, von den Alkopops Kenntnis zu nehmen und bewirkt so, dass erst gar keine Anreize zum Kauf geschaffen werden. Es ist geeignet den angestrebten Zweck zu 27 28 29 30 Pieroth/Schlink, S. 72f. Rn.311 von Münch, S.156 Rn. 264 BverfGE 30, 292[316] von Münch, S.156 Rn. 265 fördern. (c) Erforderlichkeit Außerdem muss es erforderlich sein, d.h. es darf kein spürbar milderes, gleich effizientes Mittel zur Verfügung stehen, um den Zweck der gesetzlichen Regelung zu erfüllen.31 Hier kommt ein eingeschränktes Werbeverbot in Betracht. Ein solches wäre zwar ein milderes Mittel, wäre jedoch nicht gleichermaßen geeignet. Würde man beispielsweise Werbung für Alkopops in Rundfunk und Fernsehen nur nachts gestatten, wäre der Schutz speziell der Erwachsenen nicht mehr in gleichem Umfang gewährleistet. Auch eine hohe Besteuerung der Werbung für Alkopops wäre milder, aber nicht gleich geeignet. Man würde es den Unternehmen lediglich erschweren, aber nicht unmöglich machen für Alkopops zu werben. Eine mögliche Senkung des Strafmaßes ist nicht Gegenstand der Erforderlichkeitsprüfung. Sie fällt unter den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. §1 APG ist zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich. (d) Angemessenheit Schließlich muss die Regelung auch angemessen (verhältnismäßig i.e.S.) sein, d.h. bei einer Güterabwägung müssen die geschützten Interessen das beeinträchtigte Grundrecht überwiegen. Hierbei sind der verfassungsrechtliche Rang der betroffenen Güter, sowie der Grad ihrer Betroffenheit zu berücksichtigen.32 Im Widerstreit stehen hier die Meinungsfreiheit der Alkopop-Produzenten und der Schutz Gesundheit der Bevölkerung, welcheer einen wichtigen, gesundheitspolitischen Zweck darstellt. Die Gesundheit, bzw. die körperliche Unversehrtheit wird grundrechtlich verbürgt und ist zudem eines der höchstrangigen Verfassungsgüter.33 Generell-abstrakt wiegt ein Eingriff in die körperliche Gesundheit für den Einzelnen schwerer, als eine Beschränkung der Meinungsfreiheit. Ferner kann übermäßiger Alkoholkonsum zu irreversiblen Gesundheitsschädigungen, beispielsweise an der Leber führen, so dass die befürchtete gesundheitlichen Schäden nicht mehr zu beheben wären. Hinzu kommt, dass hier eine Gefährdung der Gesundheit eines großen Teils der Bevölkerung der Betätigung der Meinungsfreiheit einer geringen Zahl von Wirtschaftssubjekten, nämlich den Produzenten Alkopops gegenübersteht. Letzteren wird die Betätigung der Meinungsfreiheit nicht völlig, sondern lediglich das Werben für Alkopops versagt. Ihnen steht weiterhin frei, ihre Meinungsfreiheit auf andere Weise auszuüben, beispielsweise durch Werbung für die übrigen Produkte aus ihrem Sortiment. Das Werbeverbot erscheint nach der Abwägung der entgegenstehenden Interessen und dem Grad ihrer Betroffenheit angemessen. Der Eingriff ist verhältnismäßig. 31 BverfGE 25, 1[18]; 30, 292[316] 32 BverfGE 30, 292[316] 33 BVerfGE 9, 213[222]; 17, 269[276] 4.Ergebnis Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt vor. Dieser ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Art.5 I 1 1.Hs.GG ist nicht verletzt. III. Verletzung von Art.5 I 1 1. Hs.GG durch die Hinweispflicht (§2 APG) 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich D ist bezüglich Art.5 I 1 1. Hs.GG grundrechtsberechtigt.34 b) Sachlicher Schutzbereich Geschützt wird auch die negative Meinungsfreiheit, d.h. die Freiheit, eine Meinung nicht zu äußern zu müssen.35 Die negative Meinungsfreiheit kann betroffen sein, wenn der Hersteller zum Abdruck von Warnhinweisen auf seinen Produkten auf verpflichtet wird.36 Der Schutzbereich ist eröffnet. 2. Eingriff Ein Eingriff in die negative Meinungsfreiheit liegt u.a. dann vor, wenn jemand gezwungen wird, eine fremde Meinung als eigene darzustellen.37 Die negative Meinungsfreiheit wäre hier nur dann betroffen, wenn die Warnhinweise eine Meinung i.S.v. Art.5 I 1 1. Hs.GG zum Ausdruck brächten, insbesondere darf es sich dabei nicht um eine reine Tatsachenmitteilung handeln.38 Die Aussage ,,Alkopops können zu schweren Gesundheitsschäden und zur Abhängigkeit führen“ enthält keine medizinisch belegbaren Tatsachen und ist daher keiner objektiven Klärung zugänglich.39 Wegen ihrer Substanzarmut handelt es sich vielmehr um ein pauschales Urteil, um ein Dafürhalten, welches als Meinung i.S.v. Art.5 I 1 1. Hs.GG zu qualifizieren ist.40 Ferner sind die Warnhinweise dazu bestimmt und auch geeignet, die Meinung der Adressaten, nämlich der Verbraucher zu beeinflussen und müssen damit insgesamt als Meinungsäußerungen angesehen werden.41 Desweiteren müsste die Aussage auf den Warnhinweisen D als eigene zugerechnet werden können. Dadurch, dass die Hinweise in der gleichen Schriftart und Größe wie der Name auf dem Frontetikett und auf der Verpackung anzubringen sind, wird beim möglichen Käufer der Eindruck erweckt, es handele sich um eine Meinungsäußerung der D. D wird durch die Hinweispflicht gezwungen, eine remde Meinung als eigene darzustellen. Ein Eingriff liegt vor. 3.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken 34 35 36 37 38 39 40 41 Siehe oben (II 1. a)) BverfGE 65, 1[40] Stiess, S.103 BverfGE NJW 1997 S.2871 BverfGE 65, 1[41] LG Bonn, NJW 1989, S.2263; Stiess, S.104; BverfGE, 61, 1[9]; 65, 1[41]; BGHZ 45, 296[304]; Merten in, DÖV 1990, S.767 BverfGE, 61, 1[7]; Stiess S.104 Weiterhin müsste §2 APG von einer der Schranken des Art.5 II GG gedeckt sein. Auch hier handelt es sich aus den bereits ausgeführten Gründen nicht um ein allgemeines Gesetz, aber um eine gesetzliche Bestimmung zu Schutz der Jugend.42 b) Schranken-Schranken Es müssten die Schranken-Schranken eingehalten worden sein. aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formell korrekt zustande gekommen. bb) MaterielleVerfassungsmäßigkeit Zudem muss auch die Hinweispflicht einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. (1) Legimer Zweck und Geeignetheit Sie muss erstens geeignet sein einem legitimen Zweck zu dienen. Der legitime Zweck, nämlich der Schutz der Volksgesundheit vor den von Alkopops ausgehenden Gefahren ist gegeben.43 Die Gesundheitsgefahren Warnhinweise informieren sollen und die Bevölkerung sensibilisieren. Für hinsichtlich jede Kauf der und Konsumentscheidung soll den Verbrauchern die Schädlichkeit der Alkopops bewusst gemacht werden. Dies führt zu einem bewussteren und maßvolleren Umgang mit ihnen, so dass die Warnhinweise auch geeignet erscheinen, ihren Zweck zu fördern. (2) Erforderlichkeit Ferner muss die Hinweispflicht erforderlich sein. Als milderes Mittel kommen hier Warnhinweise in anderer Aufmachung als der Produktname in Betracht, die darüber hinaus mit einem Hinweis versehen sind, dass es sich um eine fremde Meinung handelt, wie man sie beispielsweise auf Zigarettenpackungen sieht. Diese Maßnahme wäre schonender für D, zumal sie keinen Eingriff in die negative Meinungsfreiheit des D darstellen würde.44 Weiterhin wäre dieses Mittel gleich geeignet, wenn nicht sogar effektiver, da staatliche Behörden in den Augen der Bevölkerung in der Regel eine höhere Authorität darstellen, als Getränkehersteller, so dass deren Urteil überzeugender auf die Verbraucher wirkt.45 Außerdem sind die Namensschriftzüge auf den Verpackungen und Etiketten der Alkopops oft graphisch aufwendig gestaltet. Sind die Warnhinweise nun gleichermaßen aufwendig gestaltet, besteht die Gefahr, dass der Inhalt ihrer Aussage hinter der gestalterischen Aufmachung zurücktritt, was die Warnfunktion beeinträchtigen könnte.46 Es steht ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung. Die Hinweispflicht aus §2 APG ist zur Erreichung des Ziels nicht erforderlich. 4. Ergebnis 42 43 44 45 46 siehe oben (II., 3., b), aa), (2)) siehe oben (II., 3., b), bb), (1)) BverfG NJW 1997, S.2871 Merten in, DÖV 1990, S.767 Wehlau/von Walter, in ZLR S.655f. Die staatliche Maßname ist nicht verhältnismäßig. Es liegt ein verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Eingriff in Art.5 I 1 1.Hs.GG vor. D ist in ihrem Grundrecht der (negativen) Meinungsfreiheit verletzt. IV. Verletzung von Art 12 I GG durch das Werbeverbot (§1 APG) Das Werbeverbot könnte gegen Art.12 I GG verstoßen. 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Die Berufsfreiheit aus Art.12 I GG schützt als Deutschengrundrecht zunächst alle natuürlichen Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Allerdings können auch inländische, juristische Person nach Art.19 III GG grundrechtberechtigt sein, jedenfalls soweit ihre Erwerbstätigkeit ihrem Wesen nach auch von juristischen Personen ausgeübt werden kann.47 D ist eine inländische, juristische Person i.S.v. Art.19 III GG.48 Das Herstellen und der Vertrieb alkoholischer Getränke erfolgen i.d.R. Arbeitlteilig, also im Personenverbund und können daher auch korporativ, d.h. auch von juristischen Personen ausgeübt werden. D ist nach Art.19 II GG hinsichtlich Art.12 I GG grundrechtberechtigt. b) Sachlicher Schutzbereich Die gewerbliche Tätigkeit der D müsste Beruf i.S.v. Art.12 I GG sein. Beruf ist dabei jede auf Dauerhaftigkeit hin angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung.49 Bei einer GmbH, also auch bei D ist typischerweise davon auszugehen, dass ihre Tätigkeit auf Dauerhaftigkeit hin angelegt ist. Dafür spricht außerdem, dass D ihren Umsatz im voraus für die nächste Absatzperiode kalkuliert. Die Tätigkeit der D ist auf Dauerhaftigkeit hin angelegt. Es ist weiterhin davon auszugehen, dass D das Gewerbe der D der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage, zumindest ihrer Mitarbeiter dient, also nicht als bloßes Hobby bertrieben wird. Die gewerbliche Betätigung der D ist Beruf i.S.v. Art.12 I GG. Das geschützte Berufsbild ist hier der Spirituosenhersteller.Weiterhin müsste auch speziell das Werben der D für Alkopops vom Schutzbereich erfasst sein. Art.12 I GG schützt als einheitliches Grundrecht sowohl die Wahl des Berufs als auch seine Ausübung.50 Berufswahl bezeichnet dabei die Wahl, einen bestimmten Beruf zu ergreifen, sowie die Entscheidung über einen Berufswechsel oder über das Ausscheiden aus einem Beruf.51 Die Berufsausübung beinhaltet das gesamte berufliche Tätigkeitsfeld, also die 47 BverfGE 21, 261[266]; 22, 380[383]; 30, 292[312]; 50, 290[363]; 65, 196[210]; 74, 129[148]; Rittstieg, in: AK-GG-Stein Art.12 Rn.166 48 Siehe oben ( I. 49 BverfGE 7, 377[397]; 54, 301[313]; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.4 50 BverfGE 7, 377[400f]; Scholz, in Maunz/Dürig, Art.12 Rn.14 51 Scholz a.a.O.; Gubelt, in v. Münch/Kunig Art.12 Rn.37 Festlegung der Form, der Mittel und des Inhalts der Betätigung. 52 Unter Art.12 I GG fällt auch die Wettbewerbsfreiheit.53 Diese erfasst wiederum neben Vertriebs- und Absatzentscheidungen auch und vor allem die Werbung.54 Grundsätzlich gehört das Werben für die eigenen Prokukte zur Berufsausübung. Allerdings fordert eine Ansicht im Schrifttum als weiteres Definitionsmerkmal, das die geschützte Tätigkeit erlaubt sein muss.55 Dabei ist unerheblich, ob die Tätigkeit gesetzlich verboten ist, denn andernfalls stünde der Schutzbereich des Art.12 zu Dispositionsbefugnis des einfachen Gesetzgebers.56 Die Berufsfreiheit könnte durch unterhalb des GG stehende Rechtsnormen ausgehöhlt werden.57 Maßgeblich ist allein, ob die Tätigkeit schlechthin sozialschädlich ist. In Maßen genossen stellen Alkopops keine Gefahr für die Gesundheit des einzelnen und der gesamten Bevölkerung dar. Das Werben für und der Vertrieb von Alkopops kann nicht als schlechthin sozialschädlich bezeichnet werden. Die Werbung der D für Alkopops fällt also in den Schutzbereich der Berufsfreiheit. 2. Eingriff a) Objektive berufsregelnde Tendenz Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nur solche staatlichen Maßnahmen, die eine objektive, berufsregelnde Tendenz aufweisen.58 §1 APG betrifft nur Leute, die im Rahmen ihrer Berufsausübung für Alkopops werben. Andere werden durch das Werbeverbot nicht betroffen. Die Berufsbezogenheit der Vorschrift ist damit gegeben. b) Stufenlehre Hinsichtlich der Berufsfreiheit hat das BverfG sog. ,,Stufenlehre“ als Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entwickelt.59 Sie unterscheidet nach dem Grad der Eingriffsintensität drei Stufen von Eingriffen, an die jeweils unterschiedliche Anforderungen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung geknüpft werden. Bei Eingriffen auf der ersten Stufe handelt es sich um sog. Berufsausübungsregelungen. Sie bestimmen die Art und Weise, wie die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben. Regelungen der Berufsausübung sind zulässig, soweit vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls sie zweckmäßig erscheinen lassen. 60 Die zweite Stufe von Eingriffen bilden sog. subjektive Berufswahlregelungen. Sie binden die Aufnahme einer bestimmten Berufstätigkeit an von der Person des Berufsanwärters 52 Breuer, in Isensee/Kirchhof, §147 Rn.57 53 BverfGE 32, 311[317]; 46, 120[137]; Stiess, S.61 54 BVerfGE 9, 213[221f]; 17, 269[276f]; 32, 311[317]; 40, 371, [382]; 53, 96[97ff]; 60, 215[229]; 85, 248[256]; BverfG NJW 1997, S.2871; Scholz, in Maunz/Dürig, Art.12 Rn.124; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.8; Lerche, S.72f, S.92ff 55 BVerfGE 7, 377[397]; 32, 311[317]; 48, 376[388]; 68, 272[281]; 81, 70[85]; Gubelt, in von Müch/Kunig, Art.12 Rn.8f 56 Gubelt a.a.O.; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.7 57 Stiess, S.61 58 BVerfGE 13, 181[185]; 16, 147[162]; 22, 380[384]; 52, 42[54]; 70, 191[214]; 82, 209[223] 59 BVerfGE 7, 377[401ff.] 60 BVerfGE 39, 210[225]; 77, 84[106], 77, 308[332]; Scholz, in Maunz/Dürig, Art.12 Rn.318,319; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.36 abhängige Vorraussetzungen.61 Subjektive Berufswahlregelungen können nur durch den Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgut, das der persönlichen Freiheit des einzelnen vorgeht, gerechtfertigt werden.62 Auf der dritten Eingriffsstufe liegen die objektiven Berufswahlregelungen. Sie binden die Aufnahme eines Berufes an von de Person des Berufsanwärters unabhängige Bedingungen.63 Objektive Zulassungsgrenzen dürfen nur ,,zur Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren“ für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter, d.h. Gemeinwohlinteressen, die sich aus verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen ergeben, festgelegt werden.64 c) Eingriffsqualifizierung Das Werbeverbot verwehrt niemandemden Zugang zum Beruf des Spirituosenherstellers. Es schränkt sie lediglich in ihrem Wettbewerbsverhalten dahingehend ein, dass sie für bestimmte Produkte ihres Sortiments nicht mehr werben dürfen, schreibt ihnen also vor, wie sie einen Teilbereich ihrer Berufstätigkeit zu gestalten haben. Es handelt sich um eine Berufsausübungsregelung. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Die Berufsfreiheit unterliegt einem einfachen Gesetztesvorbehalt. §1 APG ist als formelles Gesetz von dieser Schranke gedeckt. b) Schranken-Schranken aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formal korrekt zustande gekommen.65 bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit (1) Zitiergebot Das Zitiergebot des Art.19 I 2 GG ist nicht auf Art. 12 I GG anwendbar.66 (2) Verhältnismäßigkeit Das Gesetz muss verhältnismäßig sein. (a) Legitimer Zweck, Geeignetheit, Das Werbeverbot ist geeignet, einen legitimen Zweck zu fördern. (b) Erforderlichkeit Ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist dann erforderlich, wenn kein Eingriff auf einer niedrigeren Stufe gleichermaßen geeignet ist, den angestrebten Erfolg herbeizuführen. Hier liegt eine Berufsausübungregelung, also bereits ein Eingriff der niedrigsten Stufe vor. Auch innerhalb der ersten Stufe ist hier kein milderes, gleich effektives Mittel 61 62 63 64 BVerfGE 9, 338[345]; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.26 BVerfGE 13, 97[107]; 69, 209[218]; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.37 BVerfGE 7, 377[406]; 11, 168[183]; 102, 197[214]; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.27 BVerfGE 7,377[408]; 11,168[183]; 102, 197[214]; Scholz, in Maunz/Dürig, Art.12 Rn.318; Jarass, in Jarass/Pieroth, Art.12 Rn.39; Wieland, in: Dreier Art.12 Rn.127 65 Siehe oben 66 BVerfGE 64, 72[80]; Pieroth/Schlink, S.72f. Rn.311 ersichtlich.67 Der Eingriff ist erforderlich. (c) Angemessenheit Da es sich hier um eine Bestimmung zur Berufsausübung handelt, genügen bereits vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.68 Jedoch muss auch bei einem Eingriff der ersten Stufe die Schwere des Eingriffs dem Gewicht der Gemeinschaftsgüter entsprechen, d.h. sie müssen den Vorrang vor der Berufsbehinderung des Betroffenen verdienen.69 §1APG verbietet nur die Werbung für Alkopops. Der D, die neben Alkopops auch Spirituosen aller Art produziert, steht es weiterhin offen, für sämtliche andere Produkte ihres Sortiments zu werben. Zudem erstreckt sich die Regelung des §1 APG weder auf die Produktion, noch auf den Vertrieb von Alkopops. Es liegt kein schwer wiegender Eingriff in die Berufsfreiheit vor. Demgegenüber stehen der Gesundheitsschutz und, wenn auch nur periphär, der Schutz der Jugend, welche grundrechtlich verbürgte, und daher sehr wichtige Gemeinschaftsgüter darstellen, die konkret durch den Umlauf von Alkopops gefährdet sind70 und deren Schutz aus den bereits dargelegten Gründen auch den Vorzug gegenüber der ungestörten Berufsausübung der D genießt.71 V. Verletzung von Art.12 I GG durch die Hinweispflicht (§2APG) 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet.72 b) Sachlicher Schutzbereich Die gewerbliche Tätigkeit der D ist Beruf i.S.v. Art.12 I GG. 73 Geschützt wird auch die berufliche Außendarstellung, welche die Gestaltung der Verpackungen der Produkte mit umfasst.74 Der Schutzbereich ist eröffnet. 2. Eingriff Staatliche Maßnahmen, die den Berufstätigen in seiner beruflichen Außendarstellung beinträchtigen, sind Eingriffe in die Berufausübungsfreiheit. 75 Die Vorgaben des §2 APG beschränken D in ihrer Freiheit, die Verpackungen der von ihr produzierten Alkopops nach Belieben zu gestalten, regeln aber in keiner Weise den Zugang zum Beruf des Spirituosenproduzenten. Eine Regelung der Berufsausübung liegt vor. Es 67 68 69 70 71 72 73 74 75 Siehe oben Siehe oben BVerfGE 16, 147[167]; 17, 232[242]; 17, 269[276]; 30, 336[351] Siehe oben II Legitimer Zweck Siehe oben Angemessenheit bei II Siehe oben (VI., 1., a)) Siehe oben ( IV., 1., b)) BVerfGE 85, 248[256]; BverfG NJW 1997, S.2871 BverfG NJW 1997, S.2871 handelt sich um einen Eingriff der ersten Stufe.76 3. Vefassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Eine Schranke liegt vor.77 b) Schranken-Schranken aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formal korrekt zustande gekommen.78 bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit Die Hinweispflicht müsste verhältnismäßig sein. (1) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Hinweispfllicht ist geeignet, einen legitimen Zweck zu verfolgen.79 (2) Erforderlichkeit Es liegt bereits ein ein Eingriff auf der ersten Stufe vor. Ein Eingriff auf einer niedrigeren Stufe ist nicht möglich. Innerhalb der ersten Stufe stellt Kenntlichmachung der Aussage der Warnhinweise als fremde Meinung kein milderes Mittel hinsichtlich der Berufsfreiheit dar. D wäre immer noch in gleichem Maße bei der Gestaltung ihrer Verpackungen eingeschränkt. Allerdings Abschreckungskampagne gegen Alkopops würde eine staatlich finanzierte die Alkopopproduzenten nicht in Ihrem Handlungsspielraum eineengen, also ein milderes Mittel in Bezug auf ihre Berufsausübung darstellen. Jedoch wäre es nicht gleichermaßen geeignet. Trotz seiner Verpflichtung zur Wahl des mildesten Mittels kann dem Staat im Rahmen der Erforderlichkeit nicht zugemutet werden, höhere Ausgaben zu tätigen. Der Eingriff ist erforderlich. (3) Angemessenheit Da es sich hier um eine Berufsausübungsregelung handelt, kann ein Eingriff bereits aufgrund vernünftiger Erwägungen des Allgemeinwohls erfolgen, sofern die Eingriffsintensität und die Wichtigkeit der geschützten Interessen, sowie der Grad ihrer Bertroffenheit in einem angemessenen Verhältnis stehen.80 D wird die Gestaltung ihrer Verpackungen nicht gänzlich vorgeschrieben. Ihr bleibt ein Spielraum, die verbleibende Oberfläche ihrer Verpackungen nach Belieben auszugestalten. Weiterhin betrifft die Hinweispflicht lediglich eines von vielen Produkten ihres Sortiments, so dass insgesamt ein wenig intensiver Eingriff vorliegt. Im Vergleich dazu wiegt die Betroffenheit der geschüzten Interessen aus bereits dargelegten Gründen schwerer.81 Der Eingriff ist angemessen. 76 77 78 79 80 81 Siehe oben ( IV., 2., b)) Siehe oben Siehe oben (Ijhlkhl) Siehe oben (III., 3. a), bb); (1)) Siehe oben (IV., 3., b), bb), (4)) Siehe oben 4. Ergebnis §2 APG stellt einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art.12 I GG dar. Dieser ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. VI. Verletzung von Art.14 GG durch das Werbeverbot (§1 APG) Das Werbeverbot aus §1APG könnte gegen die Eigentumsgarantie aus Art.14 verstoßen. 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Art. 14 GG schützt jedermann, auch inländische juristische Personen des Privatrechts, wie z.B. D.82 b) Sachlicher Schutzbereich Eigentum i.S.v. Art.14 umfasst alle vermögenswerten Rechte, die dem Einzelnen wie Eigentum an einer Sache durch die Rechtsordnung zugeordnet sind, wobei sich der Schutz das Innehaben und die Nutzung der Rechtsposition erstreckt. 83 Geschützt werden nur bereits vorhandene Werte, keine zukünftigen Erwerbschancen. Daher fallen weder der zukünftige Umsatz der D, noch die grundsätzliche Möglichkeit, für ihre Produkte zu werben, in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. 84 Auch das Recht der D am Namen der Alkopops als eingetragene Marke wird von Art.14 GG geschützt, wobei dieser Schutz auch den Werbewert, d.h. das Image oder den Goodwill der Marke umfasst .85 Dem Schutzbereich unterfällt jedoch nur die Erhaltung, nicht die mögliche Steigerung des Werbewerts einer Marke. 2. Eingriff In der Reduzierung der Rentablilität der Abfüllanlage für Alkopops könnte ein Einriff zu sehen sein. D kann ihre Abfüllanlage weiterhin nutzen. Diese Nutzung wird lediglich unrentabel wodurch zukünftige Umsatzaussichten reduziert werden. Hinsichtlich der Rentabilität der Abfüllanlage liegt kein Eingriff vor. Weiterhin könnte der das Recht am Namen der Alkopops als geschützte Marke beeinträchtigt werden. Ein Werbeverbot stellt dann eine Beienträchtigung des Werts einer Marke dar, wenn es dem Unternehmer die Möglichkeit nimmt, den mit der Marke verbundenen Goodwill durch Werbung aufrechtzuerhalten.86 Der Werbewert einer Marke verkörpert die vorhergegangene unternehmerische Leistung bezüglich der Bekanntmachung der Marke.87 Eine solche unternehmerische Leistung der D ist hier nicht ersichtlich. Dem Namen der Alkopops kommt kein Werbewert zu, der durch das Werbeverbot 82 83 84 85 86 87 BVerfGE 4, 7[17]; 53, 336[345]; 66, 116[130] Badura, S.217f. Rn.84 Stiess, S.72 Fezer, S.39 Einleitung, Rn.39; Stiess, S.79; Lehmann/ Schönfeld, in GRUR 1994, S.488ff. Stiess, a.a.O. Lehmann/ Schönfeld, in GRUR 1994, S.489 beeinträchtigt werden könnte. Ein Eingriff ist deswegen auch hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Marke zu verneinen. 3. Ergebnis Das Werbeverbot verstößt nicht gegen Art.14 GG. VII. Verletzung von Art.14 GG durch die Hinweispflicht (§2 APG) 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet.88 b) Sachlicher Schutzbereich Das private Eigentum der D (im zivilrechtlichen Sinne) fällt unproblematisch unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff.89 Der Schutz des Rechts an der eingetragenen Marke umfasst auch und vor allem die Herkunftsfunktion der Marke, also die Unterscheidbarkeit der kommerziellen Herkunft der Produkte.90 2. Eingriff Durch die Hinweispflicht nimmt der Staat privates Eigentum der D in Form der von den Warnhinweisen bedeckten Fläche auf den Etiketten und Verpackungen in Anspruch.91 Weiterhin besteht dadurch, dass der Warninweis in der gleichen Art und Weise gestaltet sein muss wie der als Marke geschützte Name der Alkopops, die Gefahr einer Verwässerung der Kennzeichnungskraft der Marke, wodurch ihre Herkunftsfunktion beeinträchtigt wird. Ein Eingriff ist somit gegeben. a) Eingriffsqualifizierung Man unterscheidet bei Eingriffen in Art.14 GG zwischen Enteignung einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmungen andererseits. Enteignung ist die Entziehung konkreter Eigentumspsitionen durch hoheitlichen Rechtsakt zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.92 Durch die HInweispflicht wird der D weder das Eigentum an der Verpackungs- und Etikettenfläche, noch das Markenrecht am Namen der Alkopops entzogen. Es handelt sich dabei lediglich um Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, also um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Im Falle bloßer Inhalts-und Schrankenbestimmungen unterliegt Art.14 GG einem einfachem Gesetztesvorbehalt, welcher das APG als brauchbare Schranke abdeckt. b) Schranken-Schranken 88 89 90 91 92 Siehe oben ( VI., 1., a)) Kloepfer, S.48 Stiess, S. 79 Kloepfer, a.a.O. Badura, S.224, Rn.86 aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formell einwandfrei zustande gekommen. bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit (1) Zitiergebot Das Zitiergebot des Art.19 I 2 GG ist nicht auf Art.14 GG anwendbar.93 (2) Verhältnismäßigkeit Der Eingriff müsste verhältnismäßig sein. (a) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Hinweispflicht ist geeignet, einen legitimen Zweck zu fördern.94 (b) Erforderlichkeit Bei Warnhinweisen in anderer Aufmachung als der des Produktnamens bestünde nicht die Gefahr einer Verwässerung der Kennzeichnungskraft der Marke. Zumindest das Markenrecht würde nicht beeinträchtigt werden, womit ein milderes Mittel vorläge. Dieses wäre auch gleich geeignet.95 Die Hinweispflicht ist in der vorliegenden Form nicht zur Verfolgung des Normzwecks erforderlich. 4. Ergebnis §2 APG ist nicht verhältnismäßig. Die Vorschrift verstößt gegen Art.14 GG. VIII. Art. 2 II 2 GG Die Verhängung einer Freiheitsstrafe könnte gegen die Freiheit der Person aus Art.2 II GG verstoßen. 1. Schutzbereich Art.2 II 2 GG schützt zunächst nur natürliche Personen. Auch D las inländische juristische Person des Privatrechts könnte geschützt sein, sofern die Freiheit der Person wesensgemäß auf sie anwendbar ist. Die Freiheit der Person meint die körperliche Bewegungsfreiheit96 und knüpft daher an natürliche Eigenschaften des Menschen, nämlich an der körperlichen Bewegungsfähigkeit an. Sie ist ihrem Wesen nach nicht auf juristische Personen anwendbar.97 D ist bezüglich Art.2 II GG nicht grundrechtsberechtigt. 2. Ergebnis Art.2 II GG wird nicht verletzt. IX. Art.2 I GG Art.2 I GG tritt subsidiär den Art.5 1 1.Hs., 12 I, und14 GG als spezielleren 93 94 95 96 97 Pieroth/Schlink, S.72f., Rn.311 Siehe oben Siehe oben Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.2 II Rn.196 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art.2 II Rn.61; Gabitz, in: Isensee/Kirchhof, §130 Rn.31 Grundrechten zurück.98 X. Verletzung von Art.3 I GG durch das Werbeverbot (§1 APG) Das Gesetz könnte gegen Art.3 I GG verstoßen. 1. Schutzbereich Dieser garantiert wegen der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte neben der Rechtsanwendungsgleichheit auch die Rechtsetzungsgleichheit.99 Das APG ließe sich daher am Maßstab des Art. 3 I GG messen. 2. Verhältnis zwischen Art.12 I GG und Art.3 I GG Jedoch ist zunächst das Verhältnis zwischen Art. 12 I und Art. 3 I GG zu klären. a) Eine Ansicht hält Art.12 I GG bezüglich des Vergleichs verschiedener Berufsgruppen für spezieller, so dass Art.3 I GG nicht mehr geprüft werden dürfte. Dies wird damit begründet, dass die Berufsausübungsgarantie bereits die Sachgerechtigkeit einer Regelung sichert, weshalb eine Prüfung von Art.3 I GG nicht mehr notwendig ist.100 b) Tettinger vertritt den Standpunkt, dass innerhalb eines Berufsfeldes Art.3 I GG neben Art. 12 I zum Tragen kommen kann.101 c) Sachs geht von einer generellen Anwendbarkeit von Art.3 I GG neben Art.12 I GG aus, so dass hier überhaupt kein Konkurrenzproblem bestünde.102 d) Diskussion: Aufgrund der völlig unterschiedlichen Struktur des Gleichheitsgrundrechts aus Art.3 I GG im Vergleich zu den freiheitsgrundrechten ließe sich eine Verdrängung durch Art. 12 I GG dogmatisch nur schlecht begründen.103 Es ist daeher Sachs zu folgen, Art. 3 I gg ist vorliegend neben Art.12 I GG anwendbar. Art. 3 I GG verbietet sowhl die willkürliche Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, als auch die willkürliche Unleichbehandlung von wesentlich Gleichem.104 Das APG könnte zuächst wesentlich Gleiches ungleich behandeln. Das ist der Fall, wenn eine Gruppe rechtlich anders behandelt wird as eine andere, und beide unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammengefasst werden können.105 3. Ungleichbehandlung von Alkopops und anderen Alkoholika a) Ungleichbehandlung Als Oberbergriff kommt die Berufssparte Spirituosenhersteller in Frage. Innerhalb dieser Berufsgruppe betrifft das Werbeverbot aus §1 APG nur diejenigen Spirituosenhersteller, die Alkopops in ihrem Sortiment führen, während für die übrigen 98 Maurer, S.288, Rn.43 99 Pieroth/Schlink, S.104 Rn. 428 100 Erichsen, in Jura 1980, S. 560 101 Tettinger, in AöR 1983, S.131f. 102 Sachs, in Jura 1986, S.604 103 Sachs, a.a.O. 104 Mangold/Klein-Starck, Art.3 Rn.10 105 Pieroth/Schlink, S.106 Rn. 435 keine Konsequenzen eintreten, da für andere Alkoholika kein Werbeverbot besteht. b) Rechtfertigung Die Ungleichbehandlung müsste gerechtfertigt sein. Zuerst ist die richtige Kontrolldichte zu ermitteln, welche von der Schwere der Ungleichbehandlung abhängt.106 Diese bestimmt sich vor allem danach, ob das Differenzierungskriterium personen- doer verhaltensbezogen ist,107 also ob es vom Betroffenen beinflusst werden kann oder nicht. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, ob sich die Regelung nicht nachteilig auf den Gebrauch eines anderen Grundrechts auswirkt.108 Jedem Spirituosenproduzenten steht es offen, Alkpopops in sein Sortiment aufzunehmen, bzw. sie daraus zu entfernen. Das Differenzierungskriterium steht der Beeinflussung durch den Betroffenen offen. Allerdings wirkt sich die Regelung wie bereits dargelegt für D nachteilig bezüglich des Gebrauchs ihrer Meinungsfreiheit, Berufsfsreiheit, und Eigenumsfreiheit aus. Eine höhere Kontrolldichte erscheint hier sinnvoll. In solchen Fällen greift nich die ,Willkürformel`, sondern die ,Neue Formel`, welche verlangt, dass Differenzierungsgründe ,,von solcher Art und Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen.“109 aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Differenzierung muss zunächst geeignet sein, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen.110 So liegt es hier.111 bb) Erforderlichkeit Es darf im Sinne der Erforderlichkeit keine weniger belastende, gleichermaßen geeignete Differenzierung zur Verfügung stehen.112 Eine solche ist hier nicht ersichtlich. Die Ungleichbehandlung ist erforderlich. cc) Angemessenheit Die Ungleichbehandlung müsste angemessen sein. In Fällen verhaltensbezogener Differenzierung ist die Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eher gering, so dass eine ,großzügige` Prüfung der Angemessenheit hier ausreicht.113 Die Ungleichbehandlung dient hier dem Schutz der Bevölkerung vor den besonderen Gefahren der Alkopops, wie z.B. erhöhter Suchtgefahr durch den süßen, den Alkohol überdeckenden Geschmack. Andere Alkohlika, wie z.B. Bier weisen diese besondere Gefährlichkeit nicht auf. Aus den bereits ausgeführten Gründen überwiegt der Schutzzweck der Norm das Ausmaß der Beeinträchtigung der D infolge der Ungleichbehandlung. Die Differenzierung ist gerechtfertigt. 106 107 108 109 110 111 112 113 Jarass, in NJW 1997, S. 2546 Sachs, in JuS, 1997, S. 126 Pieroth/Schlink, S.107 Rn.438 BVerfGE 78, 232[247]; 85, 238[244]; 87, 234[255]; Jarass, in NJW 1997, S. 2548f. Jarass, in NJW 1997, S. 2549 Siehe oben BVerfGE 91 389[403f.] Jarass a.a.O. 4. Ungleichbehandlung von Alkopops und Zigaretten a) Ungleichbehandlung Zigarettenhersteller und Spirituosenhersteller lassen sich unter dem Oberbegriff Hersteller von gesundheitsschädlichen Genussmitteln zusammenfassen. Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass für Zigaretten ein eingeschränktes, für Alkopops dagegen ein absolutes Werbeverbot besteht. b) Rechtfertigung Es steht jedem frei, ins Zigaretten-bzw. ins Alkopopsgewerbe einzutreten und wieder daraus auszusteigen. Es liegt ein durch den Betroffenen beeinflussbares, d.h. ein verhaltensbezogenes Differenzierungskriterium vor. Jedoch wird die D im Gebrauch mehrerer Grundrechte beeinträchtigt. Zur Rechtfertigung muss wieder die Neue Formel herangezogen werden. aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Ungleichbehandlung ist geeignet einen legitimen Zweck zu fördern. bb) Erforderlichkeit Sie ist auch zur Verfolgung des Schutzzwecks erforderlich. cc) Angemessenheit Wiederum genügt eine ,großzügige` Prüfung der Angemessenheit. Der Zweck der Ungleichbehandlung ist auch hier der Schutz der Bevölkerung vor den besonderen Gefahren der Alkopops. Alkopops wirken im Gegensatz zu Zigaretten bewusstseinverändernd. Der durch sie verursachte Rauschzustand kann als besondere, bei Zigaretten nicht vorhandene Gefahr von Alkopops angesehen werden. Aus den bereits ausgeführten Gründen überwiegt der Schutzzweck der Norm das Ausmaß der Beeinträchtigung der D infolge der Ungleichbehandlung. Die Differenzierung ist gerechtfertigt. 5. Ergebnis Das Werbeverbot aus § 1 APG versößt nicht gegen Art.3 I GG. XI. Verletzung von Art.3 I GG durch die Hinweispflicht ( §2 APG) 1) Ungleichbehandlung Eine Ungleichbehandlung von Zigarettenherstellern und Alkopopproduzenten ist auch darin zu sehen, dass die Warnhinweise auf den Packungen und Etiketten der Alkopops anders als bei Zigaretten im selben Design wie der Name des Produkts anzubringen sind. 1) Rechtfertigung Es handelt sich um eine verhaltensbezogene Ungleichbehandlung, die jedoch den Gebrauch mehrerer Grundrechte der D beeinträchtigt. Eine Rechtfertigung kann nur anhand der ,Neuen Formel` erfolgen. a) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Ungleichbehandlung durch die Hinweispflicht ist geeignet einen legitimen Zweck zu fördern. b) Erforderlichkeit Eine Anpassung der Hinweispflicht für Alkopops an die Regelung für Zigaretten wäre ein milderes, mindestens gleich geeignetes, wenn nicht sogar effektiveres Mittel, die Erreichung des Schutzzwecks zu bewirken.114 Die Ungleichbehandlung ist nicht erforderlich. 3) Ergebnis Die Hinweispflicht aus §2 APG stellt eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von Zigarettenherstellern und Alkopopproduzenten dar und verstößt somit gegen Art.3 I GG. B. Grundrechte des T I. Verletzung von Art.5 1 2 1. Var. GG durch das Werbeverbot ( §1 APG) 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich Die Pressefreiheit aus Art.5 I 2 1.Var. GG schützt zunächst alle im Pressewesen tätigen natürlichen Personen. Jedoch handelt es sich bei T um einen Verlag. Auch T als inländischer juristischer Person des Privatrechts könnte gem Art.19 III GG der Schutz der Pressefreiheit zuteil werden, sofern diese ihrem Wesen nach auf T anwendbar ist. Gerade die Pressefreiheit ist auf eine Verwirklichung im arbeitsteiligen Verbund und damit auch durch juristische Personen und Personenvereinigungen angelegt. 115 Sie ist also wesensgemäß auf T anwendbar. b) Sachlicher Schutzbereich Der verfassungsrechtliche Pressebegriff umfasst alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse,.116 . unabhängig von ihrem Inhalt.117 Die von T herausgegebene Zeitschrift ,,Trinken im Trend“ ist unproblematisch davon miterfasst. Dem Schutzbereich unterfällt der gesamte Inhalt eines Presseorgans, darunter auch Werbeanzeigen, sofern der Werbende für diese den Schutz der Meinungsfeiheit genießt, 118 was hier der Fall ist.119 Der Schutzbereich ist eröffnet. 2. Eingriff Durch das Werbeverbot (§1APG), zusammen mit der Strafdrohung(§3 APG) wird dem 114 115 116 117 118 119 Siehe oben Degenhart, in: BK Art.5 I, II, Rn.553 Degenhart, in: BK Art.5 I, II, Rn.397; Wendt, in: von Müch/Kunig I Art.5, Rn.30 Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 I, I Rn.60 BVerfGE 102, 347[359] siehe oben T die Veröffentlichung von Werbeanzeigen für Alkopops unmöglich gemacht, womit ein Eingriff in die Pressefreiheit voliegt. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Wie die Meinungsfreiherit unterliegt die Pressefreiheit den Schranken aus Art.5 II GG. Das APG ist als gesetzliche Bestimmung zum Schutz der Jugend davon gedeckt.120 b) Schranken-Schranken aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Das APG ist formell korrekt zustande gekommen. bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit Das Werbeverbot müsste verhältnismäßig sein. (1) Legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit Da Werbeverbot ist geeignet und erforderlich, einen legitimen Zweck zu fördern.121 (2) Angemessenheit Geschütztes und beeinträchtigtes Interesse müssten in einem angemessenen Verhältnis stehen. §1 APG verbietet lediglich die Werbung für Alkopops. T hat weiterhin die Möglichkeit Werbeanzeigen für andere Produkte abzudrucken. Insgesamt wird T nur in geringem Maße in der Betätigung seiner Pressefreiheit eingeschränkt. Demgegenüber verdient die Volksgesundheit als geschützter Gemeinschaftswert aus bereits dargelegten Gründen den Vorzug.122 Das Werbeverbot ist in Bezug auf die Pressefreiheit auch angemessen und somit verhältnismäßig. 4. Ergebnis Ein Eingriff in die Pressefreiheit des T leigt zwar vor, er ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Art.5 I 2 1.Var. GG ist nicht verletzt. II. Verletzung von Art.12 I GG durch das Werbeverbot 1. Verhälnis von Art.5 I 2 1.Var. GG zu Art. 12 I GG Zunächst ist das Verhälnis von Art.5 I 2 1.Var. GG zu Art. 12 I GG zu kären. Die h.M. sieht eine Idealkonkurrenz zwischen Presse- und Berufsfreiheit, jedenfalls sofern sich die saatliche Maßnahme nicht eindeutig als presse- oder berufsspezifisch qualifizieren lässt.123 Das Werbeverbot weist sowohl berufsbezogene124 als auch, da es sich gegen den Inhalt der Werbeanzeigen richtet, pressebezogene Tendenzen auf, eine eindeutige Qualifizierung ist hier nicht möglich. Presse-und Berufsfreiheit sind hier nebeneinander einschlägig. 120 121 122 123 124 Siehe oben Siehe oben Siehe oben Pieroth/Schlink S. 77 Rn.338 Siehe oben 2.Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich D ist als inländische juristische Person i.S.v. Art.19 III GG grundrechtsberechtigt.125 b) Sachlicher Schutzbereich Das Betreiben eines Verlags ist ein Beruf i.S.v. Art.12 I GG. 126 Die Veröffentlichung von Werbeanzeigen für Alkopops gehört als wesentliche Einkommensquelle unproblematisch zur beruflichen Tätigkeit des T. 2. Eingriff Durch das Werbeverbot ist dem T dieser spezielle Aspekt seiner beruflichen Erwerbstätigkeit unmöglich gemacht worden. Der Eingriff weist auch eine objektive berufsregelnde Tendenz auf.127 Das Werbeverbot regelt in keiner Weise den Zugang zum Beruf eines Verlegers, sondern zwingt sie bloß zum Verzicht auf das Abdrucken bestimmter Werbung. Es handelt sich um eine Berufsausübungsregelung. 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung a) Schranken Art.12 I GG unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt, welchen das APG als formelles Gesetz erfüllt. b) Schranken-Schranken aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit Die formelle Verfassungsmäßigkeit ist gegeben. bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit Das Gesetz muss verhältnismäßig sein. (1) Legitimer Zweck, Geeignetheit, Das Werbeverbot ist geeignet, einen legitimen Zweck zu fördern. (2) Erforderlichkeit Es handelt sich bereits um einen Eingriff der ersten Stufe. Auch innerhalb dieser Stufe ist kein milderes, gleich geeignetes Mittel ersichtlich. Der Eingriff ist erforderlich. (3) Angemessenheit Da es sich um verfassungsrechtlichen eine Berufsausübungsregelung Rechtfertigung bereits handelt vernünftige genügen zur Erwägungen des Allgemeinwohls, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen.128 Das Werbeverbot für Alkopops untersagt dem T zwar hinsichtlich der Gesamteinnahmen einen sehr wichtigen Aspekt seiner Berufsausübung, wie an den von ihm befürchteten Einnahmeverlusten deutlich wird, jedoch hat auch diese auch hier aus bereits genannten Gründen, hinter den sehr wichtigen Gemeinwohlintressen 125 126 127 128 Siehe oben Noch suchen Siehe oben Siehe oben Jugendschutz und Volksgesundhiet zurückzustehen. III. Verletzung der Eigentumsgarantie durch das Werbeverbot (§1APG) 1. Schutzbereich a) Persönlicher Schutzbereich D ist als inländische juristische Person des Privatrechts bezüglich Art.14 GG grundrechtsberechtigt.129 b) Sachlicher Schutzbereich Wie bereits ausgeführt schützt Art.14 GG ausschließlich erworbenes, keine zukünftigen Erwerbschancen. Die von T befürchteten Einnahmeverluste liegen ausschließlich in der Zukunft. Der Schutzbereich ist nicht eröffnet. 2. Ergebnis Art.14 ist nicht verletzt. Frage 2: Verfassungsbeschwerde der D A. Zuständigkeit Die Zuständigkeit des BVerfG ergibt sich aus Art.93 I Nr 4a GG, §§ 13 Nr 8a, 90 ff. BverfGG. B. Beschwerdefähigkeit D müsste beschwerdefähig sein. Nach Art.93 I Nr.4a GG i.V.m. § 90 I BVerfGG kann jedermann, der Träger von Grundrechten ist Verassungsbeschwerde erheben. D ist als inländische juristische Person nach Art. 19 III GG grundrechtsberechtigt, sofern diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind. D ist zumindest in Bezug auf Art.5 III 1. Alt., Art. 5 I 1 1. Hs., 12 I, 14 , 3 I GG beschwerdefähig. C. Prozessfähigkeit D müsste prozeßfähig sein, d.h. Prozeßhandlungen aus eigenem Recht vornehmen können.130 Diese Fähigkeit ergibt sich aus § 13 GmbHG. Als juristische Person wird sie von ihren Vertretern oder Organen im Prozeß vertreten. Laut §15 GmbHG ist dies bei der GmbH der Geschäftsführer. D st prozessfähig. D. Beschwerdegegenstand Beschwerdegegenstand kann nach §90 I BVerfGG jeder Akt der öffentlichen Gewalt sein. Zur öffentlihen Gewalt gehören Legislative, Executive und Judikative. (Art.1 III GG).131 D wendet sich gegen ein Parlamentsgesetz, also einen Legislativakt. Ein tauglicher Besschwerdegegenstand ist gegeben. E. Beschwerdebefugnis 129 130 131 Siehe oben Pieroth/ Schlink, S.298f. Rn. 1123 Robbers, in JuS 1993, S.741 Gem. §90 I BVerfGG müsste die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung bestehen. Nach der Möglichkeitstheorie müsste diese schlüssig vorgetragen werden, die bloße verbale Behauptung reicht nicht aus. Dies ist der Fall, wenn, den Sachverhalt als zutreffend unterstellt, die Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.132 I. Art. 5 III 1.Alt. GG Grundsätzlich kann auch Werbung unter den verfassungsrechtlichen Kunstbegriff fallen. Geschützt wird nicht nur der Künstler selbst, sodern auch derjenige, der eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Künstler und Publikum ausübt, so dass der Sachutzbereich von Art.5 III 1. Alt. GG berührt ist und eine Verletzung möglich erscheint. II. Art. 5 I 1 1. Hs. , 12 I, 14 , 3 I GG Die Regelungen des APG berühren weiterhin den Schutzbereich von Art. 5 I 1 1. Hs. , 12 I, 14 , 3 I GG., so dass auch hier eine Verletzung möglich erscheint. III. Selbstbetroffenheit D müsste selbst betroffen sein. D produziert und vertreibt Alkopops und ist somit Adressat der Regelungen des APG. D ist selbst betroffen. IV. Gegenwärtigkeit D müsste gegenwärtig betroffen sein. Werbeverbot und Hinweispflicht gelten für D mit sofort nach Inkrafttreten des APG. D ist gegenwärtig betroffen. V. Unmittelbarkeit D müsste unmittelbar durch das Gesetz betroffen sein, d.h. die Norm müsste ihre Rechtsstellung ohne Zwischenschalten eines weiteren Vollzugsakts verändern.133 Beim APG handelt es sich um ein Strafgesetz. In solchen Fällen ist der Beschwerdeführer stets als unmittelbar bertroffen anzusehen, da ihm nicht zugemutet werden kann, die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen gegen sich als weiteren Vollzugsakt abzuwarten.134 D ist unmittelbar betroffen. D ist beschwerdebefugt. F. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität D müsste gem. Art 94 II 2 GG, §90 II 1 BVerfGG den Rechtsweg erschöpft haben. Das APG ist ein Parlamentsgesetz, d.h. ein Rechtsweg ist nicht eröffnet. 135 Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt darüber hinaus, dass die Grundrechtsverletzung auf keinem anderen Wege beseitigt werden kann.136 Eine andere Möglichkeit zur Beseitigung der Grundrechtsverletzung als die Verfassungsbeschwerde ist für D nicht ersichtlich. 132 133 134 135 136 BVerfGE 6 132[134]; Hartmann, in: JuS 2003 S.898 Robbers, S.25 Robbers, S. 26f. Pieroth/Schlink, S.304 Rn. 1149 Pieroth/Schlink, S.305 Rn. 1156 G. Form Die Verfassungsbeschwerde müsste gem §23 I 1 BVerfGG schriftlich mit Begründung und gem.§90 BverGG unter Angabe der als verletzt gerügten Artikel und des verletzenden hoheitlichen Akts erhoben worden sein. Mangels anderer Anhaltspunkte im Sachverhalt sind die formellen Erfordernisse zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde als von D eingehalten anzusehen. H. Frist D müsste die Frist für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze eingehalten haben. Diese beträgt gem. §93 III BVerfGG ein Jahr und beginnt mit dem Inkrafttreten des Gesetzes. D hat die Verfassungsbeschwerde unmittelbar nach Inkrafttreten des APG und damit fristgerecht eingelegt. I. Ergebnis Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.