Handout zum Referat Unternehmensbewertung im Rahmen der Vorlesung: Finanzcontrolling Professor Dr. Schmeisser WS 2004 / 2005 Referenten: Arndt Wüsthoff Sven Rudolph Datum: 10.12.2004 1 1. Anlässe für eine Unternehmensbewertung 1) Entscheidungsabhängige Anlässe, Änderung der Eigentumsverhältnisse ist beabsichtigt a) Änderung nur einstimmig möglich b) Änderungen auch gegen den Willen einer Partei möglich 2) Entscheidungsunabhängige Anlässe, Änderung der Eigentumsverhältnisse ist nicht beabsichtigt 3) Mischformen: Die Unternehmensbewertung soll als Entscheidungsgrundlage dienen, ohne dass damit eine Änderung der Eigentumsverhältnisse verbunden ist. 2. Zweck einer Unternehmensbewertung - Ermittlung eines Entscheidungswertes zum Zwecke der Kapitalanlage - Ermittlung eines Entscheidungswertes zum Zwecke einer unternehmerischen Tätigkeit 2.1. Wert & Preis Mindestpreis , Höchstpreis Preis = Marktpreis als Ergebnis der Verhandlungen Wert = Subjektiv einem Unternehmen zugemessen Sharedeal = „Anteilskauf“ Assetdeal = „Vermögensgegenstandskauf“ 3.0 Analyse des Unternehmens und seiner Umwelt Nur mit den gewonnen Informationen aus dieser Analyse ist eine korrekte Bewertung des Unternehmens möglich Vorgehensweise: Analyse des Unternehmens und seiner Umwelt – derzeitige Position – daraus wird die zukünftige Entwicklung abgeleitet Hilfsmittel sind Prognosemethoden wie die Regressionsmethode, Szenarioanalyse, etc Ergänzung möglich durch Investitionsrechnungen, Kosten- und Umsatzplanung Definition Due Dilligence: „Die systematische, sorgfältige und ganzheitliche Analyse bzw. Prüfung eines Unternehmens vor dem Kauf“ Einblick in sensible Unternehmensdaten wird für kurze Zeit gewährt Die grundsätzliche Entscheidung sollte bereits schon vorher gefällt worden sein Due Dilligence Ergebnis bestätigt oder widerlegt die bisherige Vorentscheidung 4.0 Bewertungsmethoden Investitionstheoretische Verfahren 4.1. Zukunftserfolgswertberechnung Dient als Grundlage für die Ertragswertmethode und die Discounted Cash flow Methoden Stufe- bzw. Phasenmethode Nahe Phase: Detaillierter Prognosezeitraum mit jährlicher Planung für die ersten 5 Jahre Ferne Phase: Jährlich gleich hoher durchschnittlicher Zukunftserfolg (ewige Rentenformel) 2 4.1.1. Ertragswertmethode i : Kapitalisierungszins Basiszinssatz als „sicherer“ Zinssatz: Umlaufrendite festverzinslicher öffentlicher Anleihen, Risikoäquivalenz durch individualistischen Ansatz: Risikozuschlagsmethode, Erhöhung des Kapitalisierungszinssatzes entsprechend der individuellen Risikoeinstellung des Investors w: Wachstumsabschlag (jährliche Wachstumsrate) NBV: Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ZE: Zukunftserfolge 2 stufige Berechnung: Nahe & ferne Phase Messgröße für die Zukunftserfolge: Modifizierte Ertragsüberschussrechnung Aufwand & Ertrage (Erfolgsebene) Zukunftserfolge, finanzielle Überschüsse (Zahlungsebene) Es erfolgt eine steuerliche Berücksichtigung: Die Ertragssteuerzahlungen auf der Ebene der Eigentümer vermindert die voraussichtlich zukünftig zufließenden finanziellen Überschüsse, Geringerer Betrag für Reinvestition bzw. Konsum. Körperschaftssteuer bei Kapitalgesellschaften Berechnung des Unternehmenswertes nach der Netto – Methodik: direkte also einstufige Ermittlung Zukunftserfolge nach FK – Zinsen: Bei der Berechnung der Zukunftserfolge werden diese durch die FK Zinsen gemindert, Zukunftserfolge stehen ausschließlich dem Eigentümer zu, da Ansprüche Dritter bedient sind 4.1.2. Discounted Cash Flow Methoden Total Cash Flow Methode iTCF = iEK * EK GK + iFK * FK GK iEK = Renditeforderung der Eigentümer iFK = Ø Zinskosten (vor Ertragssteuern) iTCF: Kapitalisierungszinssatz Risikoäquivalenz durch den marktgestützten Ansatz Risikozuschlagsmethode: Erhöhung des Basiszinssatzes um einen Zinssatz, der am Markt für Investitionen mit vergl. Risiko erzielt werden könnte, Risikomarktwert wird via CAPM ermittelt w: Wachstumsabschlag (jährliche Wachstumsrate) NBV: Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens ZE: Zukunftserfolge: Cashflow Rechnung 3 Verwendung des Free – Cashflow als Messgröße für die Zukunftserfolge Handelsrechtlicher Jahresüberschuss + Abschreibungen +/- Veränderungen der langfristigen Rückstellungen = Brutto Cashflow -Investitionen +/- Veränderungen des Netto – Umlaufvermögens = Free Cashflow Berechnung des Unternehmenswertes erfolgt nach der Brutto – Methodik: indirekt, zweistufige Ermittlung Da bei der Berechnung der ZE diese nicht durch die FK Zinsen gemindert werden, enthalten sie sowohl entziehbare finanzielle Mittel, also auch Zins- und Tilgungszahlungen an FK- Geber Das Fremdkapital wird daher vom vorläufig berechneten Unternehmenswert abgezogen 4.1.2. Discounted Cash Flow Methoden WACC Ansatz Entspricht den Ausführungen im Rahmen der Total Cash Flow Methode iWACC = iEK * EK GK + iFK * (1 – s) * FK GK iEK = Renditeforderung der Eigentümer (s.o.) iFK = Ø Zinskosten vor Ertragssteuern (s.o.) s = Ertragssteuersatz iWACC = Kapitalisierungszinssatz 4.1.4 Praxisbeispiel Unternehmensbewertung eines Berliner Wohnungsunternehmens aus dem Jahr 1997 zum Stichtag 01.01.1997 unter Verwendung des Ertragswertverfahrens. -> Unterschied zur Theorie -> ohne Berücksichtigung von Ertragssteuern E = Rt + (1 + i)t 1. Phase Rt R N 1+n Σ t =2 Rt R + NBV t + i(1 + i)n+2 (1 + i) 2. Phase 3. Phase = Periodenerfolg (Erträge – Aufwendungen) = Nachhaltiger Erfolg = Dauer der 2.Phase Ermittlung der Periodenerfolge Phase 1 (1997) -> Grundlage bildete der Wirtschaftsplan 1997 Phase 2 (1998 – 2001) -> Grundlage bildeten die mittelfristigen Planungen 1997 – 2001 Phase 3 (ab 2002) -> Erfolgsfortschreibung auf Grundlage des Ergebnisses 2001 (Ewige Rente) 4 Zusammensetzung des Kapitalisierungszinsfußes i Umlaufrendite für öffentliche Anleihen ./. Abschlag für Nachhaltigkeit ./. Abschlag für Geldentwertung + Risikozuschlag = Ermittelter Kapitalisierungszinsfuß i 5,5 % 0,5 % 1,5 % 1,5 % 5,0 % Periodenerfolge (in T€) Periode Ergebnis Nach Faktor (AbF) Barwert Verlustabzug 1997 8.358 € 8.358 € 0,952381 7.960 € 1. Phase 1998 1999 2000 2001 -7.781 € 3.484 € 7.395 € 9.306 € -7.781 € -4.297 € 3.098 € 9.306 € 0,907029 0,863838 0,822702 0,783526 0€ 0€ 2.549 € 7.291 € 2. Phase ab 2002 3.588 € 3.588 € 62.491 € 3. Phase NBV 7.707 € 0,822702 6.341 € Nettoveräußerungserlös bewertet zum Jahr 1998 und kapitalisiert zum Ende des Jahres 2001 Ertragswert in T€ 7.960 € 9.840 € 62.491 € 80.291 € 6.341 € 86.632 € Phase 1 + Phase 2 + Phase 3 = Ertragswert + NBV = Gesamtertragswert 4.2 Substanzwertverfahren Der Substanzwert spiegelt die Idee wieder, ein identisches Unternehmen, gleich dem des zu bewertenden Unternehmen, nachzubauen. bzw. Als Substanzwert kann der Betrag angesehen werden, den man ausgeben müsste, um die gleiche Substanz im gleichen Zustand zu erhalten. Bei der Bewertung des Substanzwertes liegt die Konzentration auf den betriebsnotwendigen, bilanzierungsfähigen Vermögensgegenständen, d.h. die Vermögensgegenstände werden zu ihrem Zeitwert (Wiederbeschaffungswert / „Marktwert“) bewertet. 5 Rechenverfahren Bruttosubstanzwert (betriebsnotwendige, materielle Vermögensgegenstände zum Wiederbeschaffungswert (Aktiva)) ./. Fremdkapital = Nettosubstanzwert (Teilreproduktionswert) + immaterielle Vermögensgegenstände = Vollreproduktionswert (betriebsnotweniges Vermögen) + nichtbetriebsnotweniges Vermögen = Vollreproduktionswert (gesamtes Vermögen) Funktion des Substanzwertes Die Höhe der materiellen Substanz gibt Auskunft über die mögliche Beleihungsfähigkeit des Vermögens Orientierungsgröße wenn die Errichtung eines vergleichbaren Unternehmens eine echte Alternative darstellt Kontrollwert zum Ertragswert Faktor im Rahmen von Kombinationsverfahren 4.2.1 Praxisbeispiel – Substanzwertverfahren Unternehmensbewertung eines Berliner Wohnungsunternehmens aus dem Jahr 1997 zum Stichtag 01.01.1997. Auszug aus der Handelsbilanz eines Berliner Wohnungsunternehmens aus dem Jahr 1996 Anlagevermögen Handelsbilanz Sachanlagen Bebaute Grundstücke 546.288.439 € Grundstücke 3.468.590 € Technische Anlagen und Maschinen 109.194 € BGA 2.703.369 € Finanzanlagen Anteile an verbundenen Unternehmen 1.495.250 € Beteiligungen 1.993.084 € Wertpapiere 3.545.809 € Umlaufvermögen Zum Verkauf bestimmte Grdst. Und andere Vorräte Grundstücke 1 .260.419 € Grdst. mit unfertigen Bauten 72.025.296 € Grdst. mit fertigen Bauten 3.633.865 € Summe 850.977.753 € 6 Bewertung 1.376.803.710 € 3.311.606 € 109.194 € 2.703.369 € 15.089.474 € 12.209.159 € 3.672.098 € 1.480.667 € 72.025.296 € 3.633.865 € 1.764.821.946 € Fremdkapital Rückstellungen Pensionsrückstellungen Rückstellungen für Bauinstandhaltung Sonstige Rückstellungen Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten geg. Kreditinstituten Andere Verbindlichkeiten Summe Handelsbilanz Bewertung 20.274.469 € 27.110.504 € 33.306.804 € 20.274.469 € 0€ 29.826.036 € 397.133.567 € 176.131.665 € 850.977.753 € 403.135.866 € 176.131.665 € 1.764.821.946 € Substanzwert (in Mio €) Vermögensposten Bebaute Grundstücke des Sachanlagevermögens Grundstücke des Sachanlagevermögens Anteile an verbundenen Unternehmen Übrige Beteiligungsunternehmen Zum Verkauf bestimmte Grundstücke und andere Vorräte Übrige Vermögenswerte = Bruttosubstanzwert ./. Fremdkapital (Schuldposten) Genussrechtskapital Rückstellungen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Übrige Verpflichtungen = Nettosubstanzwert 1.376,81 € 11,71 € 15,13 € 12,22 € 135,59 € 213,36 € 1.764,82 € 630,47 € 0,36 € 50,41 € 403,15 € 176,55 € 1.134,35 € 4.3 Marktwertverfahren Allgemeine Definition „ Als Marktwert bezeichnet man den Wert, zu dem ein Gut am Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen Kaufwilligen und Verkaufswilligen in Kenntnis der Marktlage ohne Zwang gehandelt wird. Genau genommen ist der Marktwert ein sich aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage ergebender Gleichgewichtspreis.“ Im engeren Sinne „Der Marktwert eines Unternehmens sagt aus, welchen Preis man für ein Unternehmen oder Anteile an einem Unternehmen wahrscheinlich erzielen kann bzw. zahlen müsste, falls es einen Markt für Unternehmen gäbe.“ Marktwert im Rahmen der Unternehmensbewertung Bei börsennotierten Unternehmen entspricht er dem Börsenwert -> Marktwert = Börsenwert Nicht börsennotierte Unternehmen werden mit vergleichbaren börsennotierten Unternehmen verglichen Methoden: - Bildung von Verhältniskennzahlen (Multiplikatoren) - Kaufpreise von kürzlichen Unternehmenswechseln / -verkäufen - Emissionskurs von kürzlichen / zeitnahen Börseneinführungen 7 Mögliche Verhältniskennzahlen (Multiplikatoren) Kurs-/Gewinn-Verhältnis UW = Gewinn des zu bewertenden UN * Ø Kurs-/Gewinn-Verhältnis der verglichenen UN 1.440.000 € = 80.000 € * 18 Dividendenrendite UW = 1.075.527 € Dividende des zu bewertenden Unternehmens Ø Dividendenrendite der verglichenen Unternehmen = 30.000 € 2,79 * 100 * 100 Funktion des Marktwertverfahrens - Basis eines Anhaltspunktes für die Preisvorstellungen der Käufer bzw. Verkäufer - Kontrollwert zum Ertragswert - Möglicher objektiver Wertansatz bei der Erstemission von Aktien Rolle des Marktwertes im Rahmen der Bewertungsverfahren - In Deutschland untergeordnet, da die Anzahl der AG`s gemessen am BSP eher gering (-> kaum „Vergleichsunternehmen“ vorhanden) - In den USA, Großbritannien und Japan mehr verbreitet, da dort eine Vielzahl der Unternehmen börsennotiert sind - Anders als in Deutschland sind in den USA mehr Preise über Unternehmensverkäufe außerhalb der Börse bekannt 8