Verleihung der Karl-Joachim-Euler-Medaille des VDE an Prof. Dr. phil. Horst A. Wessel Am 30.Oktober 2008 anlässlich der Tagung „Vermessung des Äthers“ bei der Physikalisch-Technischen Gesellschaft in Braunschweig Laudatio für den Preisträger der Karl-Joachim-Euler- Medaille, Herrn Prof. Dr. Wessel Lieber Herr Prof. Wessel, sehr geehrte Damen und Herren, es ist üblich geworden, Laudationes mit Zitaten herausgehobener und allseits anerkannter Persönlichkeiten zu beginnen. Ich möchte mit dieser Tradition nicht brechen, gerade Historiker fühlen sich mehr als andere Traditionen verpflichtet, und zitiere, etwas leicht abgewandelt, den heute zu Ehrenden aus seiner Dissertation aus dem Jahre 1979 selbst: „ In allen bisherigen Untersuchungen zur Entwicklung des elektrischen Nachrichtenwesens in Deutschland und zur elektrotechnischen Industrie bleiben die Aussagen sehr allgemein und konkrete Zahlen, die die Entwicklung belegen könnten, werden nur selten genannt.“ Genau diese geforderte Akkuratesse und Akribie kennzeichnen die Arbeit unseres hoch verehrten Kollegen Wessel. Das Bohren dünner Bretter oder gar kritikloses Wiederholen von Feststellungen anderer waren nie seine Sache und sind es auch heute nicht. Dort, wo anderen die Luft ausgeht, greift Kollege Wessel erst richtig an und kommt in Fahrt, mit dem Ziel, auch noch die kleinste Kleinigkeit aufzuklären. Dabei geht es nicht um kleinliches Besserwissen, sondern um Exaktheit in der Aussage und um das Herstellen von Zusammenhängen. Nun entsprechen eine solche Denkungsart und daraus resultierendes Handeln nicht unbedingt dem kolportierten Naturell eines Rheinländers, der Kollege Wessel ja zweifelsfrei ist. 1 Vielmehr sagt man rheinischen Frohnaturen nach, dass sie nicht immer die Grenze zur Lichtfertigkeit zu wahren wissen. Aber dies trifft bei Wessel gerade nicht zu. Gewiss ist auch er fröhlich und aufgeschlossen, wie alle diejenigen, die mit ihm zu tun hatten, bestätigen können. Hinzu kommt eine Kraft fordernde Beharrlichkeit, die man bei ihm, der der äußeren Erscheinung nach kein Schwerathlet ist, zunächst so nicht vermuten würde. Woher schöpft er also seine Ausdauer und seine Beharrlichkeit? Gewiss kann man zunächst antworten, dass ein Beruf wie der seinige, anders gar nicht erfolgreich ausführbar ist. Diese tautologische Erklärung kann für uns jedoch nicht endgültig sein. Sehr wahrscheinlich ist, dass sein religiös geprägtes Ethos und sein konkreter Lebensweg, so das Aufwachsen in frühen Kindesjahren unter den schwierigen Nachkriegsbedingungen, aber auch das Erfahren von deren Überwindung, Kollegen Wessel geformt haben. Dass er bei seinem Tun immer auch Wert auf eine intakte Familie legte und aus ihr Kraft schöpfte, ist ebenfalls zu nennen. Beruflich war der Weg zunächst wohl eher nicht auf die Beschäftigung mit der Unternehmens- und Technikgeschichte gerichtet. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik hätte man ihn als Lehrer an einem humanistischen Gymnasium vermutet. Ein guter Lehrer, nämlich ein fachlich anerkannter und beliebter Hochschullehrer, ist er an den Universitäten Nürnberg/Erlangen und Düsseldorf allemal geworden. Doch irgendwie, der Laudator hat dies nicht näher in Erfahrung bringen können, brachte es ihn 1976 zum Geschäftsführer der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte verbunden mit der Schriftleitung der Zeitschrift für Unternehmensgeschichte. In diesen Jahren liegt auch seine Promotion zum Dr. phil. mit einer auch heute noch immer zitierten Arbeit mit dem Titel: „Zur Entwicklung des elektrischen Nachrichtenwesens in Deutschland und die rheinische Industrie.“ Anfang der1980er Jahre übertrug man ihm die Leitung des Mannesmann- Archivs. Hier schuf er sich ein anspruchsvolles Betätigungsfeld, das nicht überbrachter antiquarischer Sitte folgend nur im Sammeln und Aufbewahren besteht, sondern in der inhaltlichen Erschließung und Publizierung von Quellenmaterial. Ertragreich verbunden hat er diese berufliche Tätigkeit mit seinen wissenschaftlichen Forschungen zur Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte. Diese breite und zugleich fundierte wirtschafts- und technikhistorische Herangehensweise machte ihn zu einem wahren Glücksgriff für den Geschichtsausschuss des VDE, dem er seit 1982 als Mitglied, stellvertretender Vorsitzender und als Vorsitzender angehörte. Durch sein verbindliches Auftreten in der Sache, auch Auseinandersetzungen mit der Leitung des VDE und dem VDE- Verlag nicht scheuend, und ebenso durch seine menschlich sehr feine und angenehme Art, hat er sich in diesem Gremium und darüber hinaus größte Anerkennung erworben. Nun wird man von Kollegen Wessel entsprechend seiner Ausbildung nicht einen exzellenten Umgang mit dem Maxwellschen Gleichungen und anderen Theorien der Elektrotechnik erwarten können. 2 Was er aber immer gekonnt hat, war das Zusammenführen verschiedener Sichtweisen und einen eigenen Beitrag zur Geschichtsaufarbeitung zu leisten. Deutlich wird dies an der von ihm initiierten Kolloquiumsreihe des VDE zur Geschichte der Elektrotechnik und an der Herausgabe entsprechender Protokollbände und weiterer Publikationen. Unter seiner Herausgeberschaft sind mittlerweile 8 Bände zur Geschichte der Elektrotechnik im VDE- Verlag erschienen. Dies verdient allerhöchste Anerkennung, weil Kollege Wessel allein schon damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Technikgeschichte und zur Geschichte der Elektrotechnik geleistet hat. Hinzu kommen über 170 eigenständige Monographien sowie größere und kleinere Zeitschriftenbeiträge. Auch hier konnte der Laudator die Anzahl nicht exakt ermitteln. Alle von ihm Befragten betonten, dass es sehr viele und ebenso bedeutsame sind. Die inhaltliche Breite erstreckt sich von der Gesamtdarstellung zur Entwicklung des Nachrichtenwesens in Deutschland, über historische Einzelwerke, wie das zur Elektrotechnik im 20. Jahrhundert, über die Industrie- und Firmengeschichte bis hin zu Unternehmer- und Wissenschaftlerbiographien. Eine solche wissenschaftliche Breite bei ansprechender Tiefe kann nur das Ergebnis einer außerordentlichen Befähigung im Umgang mit Wissenschaft, gepaart mit Geschick in der Aufbereitung für die Darstellung in wissenschaftlichen Publikationen sein. Lieber Kollege Wessel, wenn Sie heute mit der Verleihung der Karl-Joachim-Euler Medaille geehrt werden, so kann man damit nur unvollkommen Ihr Wirken würdigen. Aber diese Würdigung soll mit Dank und Hochachtung erfolgen. Nehmen Sie bitte die herzlichen Glückwünsche und ein großes Dankeschön der Mitglieder und Gäste des Ausschusses wie auch des VDE entgegen. Wenn ich eingangs von der Ihnen eigenen Akribie sprach, dann ist noch eine andere Nuance angebracht. Max Planck meinte einst, dass nicht derjenige Erfolg hat, der tief gebückt über das Werkstück seine Arbeit verrichtet, sondern jener, der in Muße den Horizont absucht. Letzteren Weitblick haben Sie immer bewiesen, und auch das macht Ihr Tun für uns so überaus wertvoll. Herzlichen Dank für Alles. 3