Universität Trier – Fachbereich I – Philosophie Wintersemester 2009/2010 Proseminar: Tierphilosophie Leitung : Thomas Hoffmann, M.A. Verfasser: Kathrin Glosemeyer, Kevin Holl Datum 26.11.2009 ___________________________________________________________________________ Hans-Johann Glock: „Begriffliche Probleme und das Problem des Begrifflichen“ Ab Seite 169, Kapitel 5 „Gedanken und Begriffe“ 5. Kapitel „Gedanken und Begriffe“ Frage: Können Tiere, unter der Annahme, sie hätten keine Begriffe, Überzeugungen und Wünsche haben? Antwort der Platonisten, Mentalisten und Physikalisten: Nein, denn Überzeugungen setzen sich aus Begriffen zusammen, die als abstrakte Komponente von abstrakten Komplexen (Propositionen,Gedanke) aufgefasst werden. „ ..man kann keinen Gedanken haben, erfassen, ohne zugleich die in ihm auftauchenden Komponenten zu haben oder zu erfassen.“ Die Linguisten(wie Dummett und Davidson) lehnen das Bauklotz-Modell für die sprachliche Ebene ab. Laut ihrem holophrastisches Modell, schreiben wir sprachlichen Wesen Überzeugungen aufgrund ihrer Zustimmung zu ganzen Sätzen zu: Ein Satz ist nur als ein in sich geschlossenes Gedankenkonstrukt sinnvoll, da die Bedeutungen der Wörter ohne Syntax (alleinstehend) nicht bezugnehmend sind. Die Bedeutung der Wörter hängt demnach von ihrer Rolle in Sätzen ab. Analoges holodoxastisches Modell (betrifft nicht-sprachliche Wesen): Begriffe sind nicht Bausteine von Gedanken, sondern Abstraktionen von Gedanken, deren Funktion darin besteht, in Urteilen oder Gedanken verwendet zu werden. Glock bezeichnet die Annahme, dass ein nicht-sprachliches Wesen unter Berücksichtigung fehlender Begriffe genau dann Gedanken haben kann, wenn es: - Dinge wissen kann - sich irren kann, - bestimmte Absichten hat als das Verständnis von Gedanken als Modifikation oder Eigenschaft des Subjekts. Tiere können ihre Zustimmung zu Sachverhalten nicht sprachlich, aber durch Verhaltensweisen, Körperhaltungen und Gesichtsausdrücke kommunizieren. Das holodoxastische Modell beruht auf dem Verhalten der Tiere gegenüber ihrer unmittelbaren Umgebung, deshalb ist es ausschließlich auf einfache Überzeugungen beschränkt, die das Tier wahrnehmen kann. 6. Kapitel „Begriffe bei Tieren“ Zwischen der Meinung , „Tiere haben keine Gedanken, sie können nur ihre Umwelt wahrnehmen“ von Kant, Frege, Davidson und Dummett und der Meinung der Kognitivisten, „Tiere haben auch hochkomplizierte Begriffe“, gibt es noch eine gemäßigte Position, die z.B. von Kenny vertreten wird : „Tiere haben Begriffe, die in nicht-sprachlichem Verhalten ausdrückbar sind und sich von denen unterscheiden, die wir ihnen zuschreiben, wenn wir ihnen Gedanken unterstellen.“ Die Unterscheidungen, auf denen tierisches Verhalten beruht, brauchen weder extensional (den Begriffsumfang betreffend) noch intensional (den Begriffsinhalt betreffend) mit unseren sprachlichen Klassifikationen zusammenzufallen. Man kann nicht exakt sagen, welche Begriffe Tiere haben, da sie ihre Absichten und Klassifikationsweisen nicht erkennen lassen. Es liegt also im Bereich der Verhaltensforschung zu klären, welche Begriffe wir Tieren zuschreiben können, ohne, dass wir sie dabei anthropomorphisieren. Wann besitzt man einen Begriff? A besitzt dann einen Begriff von F, wenn es Dinge, die F sind, von allen anderen unterscheiden kann. Davidson hält diesen Ansatz für absurd Die differenzielle Reaktion auf kausale Einflüsse ist ein allgemeiner Zug auch physischer Phänomene und darf nicht mit einer echten Unterscheidung verwechselt werden, weil letztere sinnliche Wahrnehmung voraussetzt. Unterscheidung ist das Vorrecht von Lebewesen mit Empfindungsvermögen. Begriffliche Erfassung verlangt mehr als Unterscheidung. Laut Allen und Hauser hat ein Wesen dann den Begriff von F wenn es folgende Punkte erkennt: A erkennt F aufgrund von mehr als einem Merkmal als F. Am besten sollten es wesentliche Merkmale eines Fs sein. Für Wesen, die zwischen wesentlichen und akzidentellen Merkmalen unterscheiden können, hängt der Begriff eines Fs natürlich davon ab, was sie als wesentliche Merkmale erachten. Glock: „Die Unterscheidung zwischen essentiellen und akzidentellen Eigenschaften ist m. E. unabdingbar für ein akkurates Verständnis von Begriffen, aber nicht für ihren Besitz.“ 7. Kapitel „Begriffe und Normativität“ Glock bevorzugt eine exaktere Trennung von begrifflicher Erfassung und Unterscheidung. Er greift zurück auf Davidson, der die Unterscheidung im weiteren Sinne (nach Wittgenstein) nicht als reine Disposition bezeichnet, sondern als eine Art Klassifikation mit normativer Gültigkeit: „Einen Begriff haben heißt, Gegenstände, Eigenschaften, Ereignisse oder Situationen zu klassifizieren bzw. klassifizieren zu können.“ Dieser Klassifikation liegt eine Regel (Norm) zu Grunde, die vom Individuum aus eigenen Gründen befolgt wird. Die Regel ist ihm also als Regel bewusst und wird von ihm absichtlich befolgt (Intentionalität). Weitere Voraussetzung ist, dass es ihm frei steht, diese Regel zu befolgen (Flexibilität). Folglich kann das Individuum Fehler begehen, jene erkennen und korrigieren. Glock zufolge übersieht etwa Davidson, dass z.B. Menschenaffen und Kleinkinder auf eine Handlung verzichten können, indem sie ihr Ziel auf andere Weise verfolgen oder zeitweilig darauf verzichten. Sie können also flexibel zwischen ihren Handlungsoptionen (absichtlich) entscheiden, ohne einen von der Sprache abhängigen Begriff zu besitzen. Jene Begriffe der nicht-sprachlichen Wesen hängen von der selektiven Wahrnehmung und von einem flexiblen, vielfältigen und somit absichtlichen Verhalten ab, das der oben erläuterten Klassifikation entspricht. 8. Kapitel „Begriffe und Schließen“ 1. Kognition bei Tieren hängt von der Komplexität und der Flexibilität ihres Verhaltens ab. 2. Davidsons Idee: Die Fähigkeit Fehler zu erkennen und zu korrigieren unterscheidet Klassifikation von Diskrimination. Diese beiden Ideen sind durch 3 Anforderungen verbunden: 1. Klassifikation muss regelgesteuert sein 2. Regelgesteuertes Verhalten muss intentional sein 3. Intentionales Verhalten muss flexibel sein Problem: Selbst wenn Tiere freiwillig und intentional handeln können, können sie doch nicht intentional einem anspruchsvollen Zweck gemäß, das heißt aus Gründen handeln. Beispiel: Der Hund rennt auf die Eiche zu, weil er die Katze fangen will. Wir geben in diesem Satz zwar Zweck und Ziel des Hundes an, aber nicht seinen Grund, wie/warum er geschlossen hat so zu handeln. Laut Rundle müsste der Hund zumindest prinzipiell auch in der Lage sein, seine Gründe anzugeben. Wenn Rundle Recht hat: - Kann man tierische Begriffe ausschließen, weil tierische Vernunft ausgeschlossen ist. Treffen Tiere Unterscheidungen aufgrund eines bestimmten Zwecks (z.B.: Belohnung), aber sie können nicht vernünftig schließen. Hat Rundle Recht? Kann ein Wesen nur dann aus Gründen handeln, wenn es diese auch sprachlich kommunizieren kann? - Zumindest Schimpansen können scheinbar praktische Schlüsse ziehen, besonders wenn sie Werkzeuge konstruieren und gebrauchen, ohne sich auf Versuch und Irrtum zu verlassen. Der Jagdhund von Chryssipus Ein Jagdhund verliert seine Beute an einer Kreuzung; nachdem er nach links und geradeaus geschnuppert hat, läuft er ohne es zu überprüfen nach rechts. Schließt der Hund folgendermaßen? wenn a und b falsch sind, muss c richtig sein (entweder a, b oder c => nicht a, nicht b, also c). Da der Hund das „also“ nicht sprachlich ausdrücken kann, wirft es die Frage auf, ob es ein tierisches Äquivalent zu diesem Ausdruck gibt. Bei Affen etwa finden wir folgende: - Sie werden still kratzen sich am kopf gestikulieren schneiden Grimassen - Zögern, Unmut Folgt daraufhin eine Lösung der Aufgabe, können wir selbst auf die Gefahr einer anthropomorphen Interpretation hin von Schlüssen reden. Glock kommt zu dem Schluss: Es gibt keinen zwingenden Grund zu der Annahme, Tiere könnten keine Begriffe haben, selbst wenn man die Möglichkeit nicht-begrifflicher holodoxastischer Gedanken ausschließen könnte. 9. Kapitel „Holismus“ Ein weiterer Einwand gegen Begriffe bzw. Gedanken bei Tieren ist der „intrinsisch holistische Charakter“ propositionaler Einstellungen, der besagt, dass „eine Einstellung zu haben heißt, eine umfassende Anzahl zu haben“. Also muss man, um einen begrifflichen Gedanken haben zu können, mindestens eine bestimmte Zahl ihm zugrunde liegender Begriffe kennen und verstehen. Demnach könnten wir Tieren nicht einmal einfachste Gedanken zuschreiben, da ihnen viele Grundsätze, die auf menschlichen Überzeugungen (z.B. logische Konsequenzen/Folgerungen, die auf wissenschaftlichen Beobachtungen beruhen) basieren, fehlen. Glock: Das Erfassen eines Gedankens ist keine Sache von „Alles oder Nichts“. Plausibler wäre, dass A nur einige Konsequenzen seiner Überzeugung erfassen können muss, um eine Einstellung zu haben. Davidson verlangt, dass A nicht nur einige Konsequenzen seiner Überzeugung akzeptiert, sondern auch weiß, dass einige Konsequenzen aus jener folgen (korrekte Logik). Tiere können bei praktischen Aufgaben beständig von q auf p schließen bzw. Tiere können sich nach dem richten, was aus ihren Wahrnehmungen folgt. Dabei ist zu bemerken, dass Tiere nicht zwischen empirischen und logischen Konsequenzen unterscheiden können. Empirische Konsequenz meint hier das Akzeptieren der Konsequenz einer Überzeugung, wobei die Konsequenz auch akzidentell zustande gekommen sein kann. Eine logische Konsequenz wäre z.B.: Es gilt: p oder q, nicht p, ergo q. Jene Behauptung schließt den Besitz von Begriffen nicht aus, aber ihr Verständnis im Sinne der Holisten. Das holistische Modell ist so nicht tragbar, da das Prinzip „Alles oder Nichts“ auf die Realität nicht anwendbar ist. Es lässt aber offen, ob es nicht gemäßigtere holistische Prinzipien gibt, die z.B. besagen, dass ein Wesen mehr als nur einen Gedanken haben kann Eine begriffliche Überzeugung setzt komplexes und flexibles Verhalten gegenüber der unmittelbaren Umgebung und die Möglichkeit zum praktischen Schließen (Erfassen von empirischen Konsequenzen) voraus. Beides ist jedoch mit dem Vorliegen eines einzigen Gedankens unvereinbar. Gehen wir davon aus, dass Tiere einfache Gedanken haben können, die in einem Netz miteinander verknüpft sind, ergibt sich, dass: das tierische Gedankennetz, zu dem eine Überzeugung gehört, sich nicht soweit erstrecken muss wie dieses Netz beim Menschen. Daraus folgt keineswegs, dass Tieren jegliche Überzeugungen oder Begriffe abgehen. Welche Art von Netz notwendig ist, hängt von der Überzeugung und vom Subjekt ab. 10. Kapitel „Fazit“ Was bleibt also von der lingualistischen Behauptung, die Fähigkeit zum Denken verlange die Fähigkeit zur Sprache, insbesondere aufgrund der Rolle von Begriffen? Der Besitz von Begriffen hängt nicht einfach davon ab, ob ein Wesen sprachbegabt ist, sondern inwiefern seine Unterscheidungen regelgeleitet sind. Glock kommt zu dem Schluss: Seine Diskussion ist für die gemäßigte Einstellung: Tiere können einfache Gedanken haben (der Besitz von Gedanken bei Tieren läuft auf etwas einfacheres hinaus als bei Menschen) Selbst wenn Tiere Begriffe haben können sind diese auf Wahrnehmungsbegriffe beschränkt Tieren fehlt das doxastische Umfeld, das sprachbegabten Wesen zur Verfügung steht Tieren steht ein kleineres Gedankennetzwerk zur Verfügung als Menschen Ein nicht-sprachbegabtes Wesen muss Intentionalität, Komplexität und Flexibilität aufweisen, damit ihm begriffliche Gedanken zugestanden werden können, die jedoch auch nie in dem Maße intentional, begrifflich oder holistisch sein werden, wie die sprachlicher Lebewesen.