Betreuung und Mediation Zwischenbericht aus dem Schulhaus Dreirosen (Stand April 2014) Das Schulhaus Dreirosen befindet sich im Unteren Kleinbasel gegenüber der Josephskirche. Bisher war das Schulhaus eine Orientierungsschule für die Klassenstufen 5-7. Momentan findet aufgrund der Umstrukturierung der Bildungslandschaft der innere Umbau in eine Primarschule statt. Dies hat zur Folge, dass die Anzahl an Schulklassen deutlich erhöht wird, während das Alter der Kinder nach unten erweitert wird. Jedoch wird die Altersgrenze lediglich um ein Jahr herabgesenkt, weil die Primarschule zwei der drei Schuljahre der Orientierungsschule übernimmt. Die Arbeit der „Betreuung und Mediation“ am Schulhaus besteht im Wesentlichen im Gesprächsangebot „Oase“, bei dem die Schülerinnen und Schüler vor allem in den Pausenzeiten, bei Bedarf aber auch zu anderen vereinbarten Terminen, dem Religionslehrer des Schulhauses ihr Herz ausschütten dürfen. Die Probleme und Anliegen werden, sofern nichts Anderes vereinbart wird, nicht weitererzählt, sondern unterliegen einer seelsorgerlichen Schweigepflicht. Diese „Garantie“ hilft den Kindern, auch ihre geheimsten Anliegen zu formulieren, wobei es keine Rolle spielt, ob dies seelsorgerliche Themen im klassischen Sinne sind, oder auch alltägliche Bereiche des Lebens tangieren. Die Themenvielfalt reicht dabei von Liebeskummer über Streitereien bis hin zu Missbrauch und Trauersituationen. Je nach Schwere des Falles kann das Kind das Angebot erhalten, dass fremde Hilfe hinzugezogen wird. Dieses Jahr mussten beispielsweise Kinder zur Polizei begleitet werden, um eine Anzeige zu formulieren. Da die Kinder im Schulhaus Dreirosen hin und wieder aus Familien stammen, die den Kontakt mit der Polizei nur in einem negativen Kontext kennen, kann diese Begleitung zur Polizei eine sehr wichtige Hilfestellung sein. Daneben wird am Schulhaus regelmäßig eine „Einstimmung in den Advent“ initiiert, bei der die Kinder vor Unterrichtsbeginn etwas Besinnliches machen können. Auch dieses Angebot versteht sich für die Kinder als freiwillig. Seit mehreren Jahren kann diese Einstimmung in den Advent täglich im Dezember stattfinden. Darüber hinaus können Lehrpersonen den Religionslehrer auch immer wieder für spezielle und im weitesten Sinne religionspädagogische Projekte in der Klasse anfragen. Der ganze Umbau, der sich sowohl im pädagogischen Bereich, als auch in der Umgestaltung des Schulhauses deutlich spürbar auf den Schulalltag auswirkt, spiegelt sich auch im Verhalten und Erleben der Kinder wieder. Konkret heißt dies, dass die Schülerinnen und Schüler aktuell in weit höherem Maße unruhig sind, als bisher. Die Anzahl an kleineren Konflikten nimmt, nachdem sie in den vergangenen Jahren spürbar und deutlich abgenommen hatte, wieder zu. Sowohl was die reine Anzahl an Besuchern der Oase, als auch die inhaltliche Gewichtung der „Probleme“ der Kinder angeht, überwogen im zurückliegenden Jahr solche Fälle, die aus Streitereien, Verständigungsproblemen und Beziehungskonflikten herrührten. Ein weiterer Bereich stellt sich inzwischen immer mehr als zusätzliches Aufgabengebiet dar: Im Zuge der Bewegung in Richtung Inklusion, also der integrativen Beschulung von Kindern mit speziellem Förderbedarf, spielt der Bereich der „Behinderten“-Seelsorge eine zunehmende Rolle. Hier sind spezielle Formen im Umgang mit diesen Schülerinnen und Schülern nötig, denn viele Kinder können nicht einfach im Gespräch zum Ausdruck bringen, was sie seelisch belastet. Auch sind Besonderheiten im Empathie-Vermögen und in einer oft sehr eigenwilligen Art der Selbst- und Fremd-Wahrnehmung zu berücksichtigen, die wir „Normal-Begabte“ als verzerrt beschreiben würden. Bei dieser speziellen Arbeit hilft mir mein früherer Ausbildungsschwerpunkt zum Religionslehrer an Sonderschulen sehr. Aber auch das Studium zum Schulischen Heilpädagogen, das ich derzeit berufsbegleitend mache, erweist sich als äußerst hilfreich. Aus verständlichen Gründen der Verschwiegenheit kann ich aus dem Bereich der Arbeit mit Kindern mit speziellem Förderbedarf kein konkretes Beispiel anführen, weil sich womöglich zurückverfolgen ließe, welche Schülerin oder welcher Schüler hinter dem geschilderten Beispiel steht. Stattdessen sei zur Veranschaulichung und als Beispiel für typische „Oasen-Fälle“ aufgeführt, dass natürlich auch der Verlust eines Haustieres für die Seele der Kinder eine tiefe Erschütterung darstellen kann. Ganz gleich, ob es sich hierbei um einen Hund, eine Katze oder „nur“ um einen Hamster handelt. Für die Kinder ist ein wichtiger Freund gestorben. Kinder jedoch – so kann auch jeder bestätigen, der genügend Erfahrung hat – Kinder trauern anders als wir Erwachsenen. Sie sind oft von einem Moment auf den anderen so von Trauer ergriffen, dass sie sich für nichts anderes mehr öffnen können, und nur wenige Minuten später wollen sie von alldem nichts mehr wissen und stürzen sich voller Leidenschaft in irgendeine Aktivität hinein. Trauern muss gelernt werden, denn unsere Gesellschaft und unserer kultureller Habitus erlauben Trauern nur innerhalb bestimmter Grenzen. „Ja, das wird schon wieder, das gibt sich mit der Zeit!“, ist eine Floskel, die man oft und gerne hört. Eine seelsorgerliche Begleitung kann daher hilfreich sein und Wege aufzeigen, wie mit dieser Trauer umgegangen werden kann, aber auch um einen Ort zu haben, an dem uneingeschränkt über die Gefühle geredet werden darf. Trauern bedeutet Erinnerung bewahren, aber auch Abschied nehmen. Dies kann auch in rituellen Gesten geschehen, die ebenso wichtig sein können wie das gemeinsame Gespräch. Für die kommenden Monate steht für die „Betreuung und Mediation“ am Schulhaus Dreirosen sicher die Frage im Vordergrund, wie die Oase auch für kleineren Kinder attraktiv gestaltet werden kann und welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um zu gewährleisten, dass der Religionslehrer an einem Schulhaus mit derart vielen Schulklassen genügend Präsenz zeigen kann. Basel im April 2014 Stephan Schmidt