Mutters Geschichte - Der Zabel.de PRO AMAZON GRABEN

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15.05.2016
Zabel Klaus
Walchenseestr.4
86179 Augsburg
[email protected]
Mutters Geschichte
Die nachfolgenden Seiten schildern wie meine Mutter (Anneliese Elfriede Zabel geb. Bartsch,
geboren am 30.Mai 1930 in Koslitz kreis Lüben) in Schlesien aufgewachsen, und wie sie1944
vor den vorrückenden Russen mit ihrer Mutter und den Geschwistern flüchten mussten.
Meine Mutter hatte uns Kindern immer wieder von ihrer Flucht erzählt. Jedes mal brach sie
dabei in Tränen aus und stockte in ihrer Erzählung. Ich habe sie oft gebeten diese Geschichte
doch mal aufzuschreiben um sie auch für die Urenkel authentisch erzählen zu können. Nach
langem drängen hatte sie dies dann auch mal getan. In Kurzfassung, handschriftlich und auf
zwei Blättern tat sie das im Alter von 76 Jahren. Sie notierte ihr Leben in Stichpunkten. Durch
ihre Erzählungen bei unseren Treffen machte ich mich dann daran eben diese Stichpunkte zu
vervollständigen um ihr Leben so wiederzugeben wie sie es Schilderte. Es erstaunt mich
immer wieder an welche Details sie sich erinnert. An Gerüche oder Gesichter, an Farbe und
form von Haarschleifen mit denen sie ihr Haar zusammen band. Oder an das Wetter und die
Temperatur! An Wortlaute von den Eltern, wenn sie sich unterhielten. Also lies ich diese
vielen Details mit einfließen.
Geschrieben habe ich alles aus der sicht meiner Mutter. So wie sie es
Erzählte und geschrieben hat:
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Meine Eltern haben am 25.10.1929 geheiratet. Mutter ist in Buchwald und Vater in Marianof
geboren. Dies war erst Deutsches gebiet das Sie 1922 verlassen mussten. Mutters Eltern
hatten sich in Seebnitz angesiedelt, Vaters in Kostlitz und meine Eltern hatten sich 1933 in
Klaptau angesiedelt.
Vater hatte 7 Geschwister:
Karl lebte bei Posen; Albert in Holland; Emil starb 1917 in Koslitz; Gustav geboren am
7.8.1904 in Klaptau; Otto lebte auch in Klaptau; Hertha Zippel lebte in Koslitz;
Anna Neugebauer in Braunau und Emma Schultze in Koslitz.
Mutter hatte noch 10 Geschwister:
Mutter Emilie Bartsch geb.11.1.1908; Karl lebte in Hamburg; Willi und Viktor in Hannover;
Eddi bei Liegnitz; Oskar ist seit 1945 vermisst, in Berlin verschollen oder gefallen.
Alex ebenfalls verschollen in Klaptau; Gustav auch verschollen in Seebnitz; Fritz lebte in
Krebsburg; Hedwig Klatte in Klaptau und Otti in Soden gilt als vermisst in Berlin.
Vaters Eltern waren Henriette Bartsch geb. Sternl und Martin Bartsch!
Mutters Eltern waren Berta Weise und Eduard Weise.
Vaters Eltern:
Henriette und Martin
Bartsch
Mutters Eltern:
Berta und Eduard
Weise
Gustav (Adolf)Bartsch
Emilie Weise
Geheiratet am 11.Okt.1929
In Seebnitz Kreis Lüben
Anneliese Elfriede Bartsch
Das bin ich!
Meine Eltern haben am 25.10.1929 geheiratet. Mutter ist in Buchwald und Vater in Marianof
geboren. Dies war erst Deutsches gebiet das Sie 1922 verlassen mussten. Mutters Eltern
hatten sich in Seebnitz angesiedelt, Vaters in Kostlitz und meine Eltern hatten sich 1933 in
Klaptau angesiedelt.
Als meine Eltern sich 1933, nach der Vertreibung aus den Deutschen Ostgebieten, in
Klaptau ansiedelten begannen wir mit ca. 20 Hektar Wald und Wiese eine kleine
Landwirtschaft.
Der Boden in Klaptau war sehr karg, mit viel Sand und Steinen. Hauptsächlich haben wir
Kartoffel, Getreide und Gurken angebaut, auch Gemüse wie Kohl, Blumenkohl aber auch
Erdbeeren. Die Kartoffel die Gurken und den Kohl haben wir immer nach Lüben in die
Einlegerei Hoffmann geliefert. Vater ging im Winter immer nach Lüben in die Zuckerfabrik
als Schichtarbeiter, es waren eh nur zwei Schichten. Eine schicht dauerte 12 Stunden. Vater
war kein Landwirt, er hatte keine Lust auf den Feldern zu Arbeiten. So hat er auch im
Sommer immer wieder bei einem guten Freund in Lüben gearbeitet. Herr Raykowskie hieß
der Freund. Er hatte eine Firma die Landmaschinen Baute. Vater war gerne bei ihm. Sie
verstanden sich auch Privat sehr gut.
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1936 im Sommer. Ich war 3 Jahre alt. Wir waren gerade auf dem Feld bei der
Getreideernte. Es war schönes warmes Wetter. Kleinere Wolken und ein leichter Wind zogen
über das Land. Niemand war auf dem Hof zurückgeblieben. Alle Hände die irgendwie
zupacken konnten mussten mit auf die Felder zur Ernte. Die Nachbarn halfen uns, und wir
den Nachbarn. Tante Marie, und der Onkel waren auch dabei. Auch zwei weitere Brüder
meines Vaters packten mit an. Es war eine schweißtreibende Arbeit das ganze Getreide mit
der Sense zu mähen. Die Männer mähten den ganzen Tag. Die Frauen und Kinder hatten die
Aufgabe das am Boden liegende Getreide zu bündeln um es dann Garbenweise
zusammenstellen zu können.
Mutter die mit leichten Rückenschmerzen zu kämpfen hatte streckte ihr Kreutz immer wieder
durch. Sie stemmte dabei ihre Hände in die Hüfte und bog ihren Rücken zu einem Hohlkreuz.
Das frisch gemähte Getreide roch wunderbar, nur die Fliegen und Bremsen waren etwas
lästig. Das Feld das wir gerade abernteten lag so etwa 2-3 Kilometer vom Hof entfernt. Es
war nicht das beste Feld das wir zu bewirtschaften hatten, es war sehr sandiger Boden.
Man konnte den Hof in der ferne gut erkennen. Als meine Mutter wieder ihre
rückenentlastende Übung durchführte schrie sie laut auf: „ Oh Gott, da Qualmt es, bei uns am
Hof brennt es. Vater schau doch! Der Hof brennt.“ Mein Vater stand mit dem Rücken zum
Hof und konnte deshalb den Brand nicht bemerken. Er riss seinen Kopf herum und Schrie:
„Schnell, die Pferde“. Mit riesigen Schritten rannten alle zu den Pferden die direkt neben dem
Karren grasten. Mit diesem Karren sollten die Pferde das Getreide nach Hause ziehen. Schnell
und mit geübten Handgriffen waren die beiden Pferde vor den Karren gespannt. Vater saß als
erster auf dem Karren, er hatte die Peitsche schon in der Hand als er Schrie: „Schnell rauf mit
euch und haltet euch fest“. Schon knallte die Peitsche, halb sitzend halb stehend lies mein
Vater mit der einen Hand die Peitsche über den Körpern der Pferde knallen. Gleichzeitig
schlug er mit der anderen Hand die Zügel in einer wellenartigen Bewegung auf die Hinterteile
der Tiere. Ruckartig sprangen die Tiere los. Jetzt zogen sie kein Getreide im Gemütlichem
gang, sondern rasten im Galopp mit uns zur Rettung des Hofes. Wir hatten Mühe uns auf dem
Karren zu Halten. Mutter klammerte mich zwischen sich und der Sprossenwand des
Getreidekarrens fest. Ich selbst hätte sonst diese Fahrt niemals heil überstanden.
Als wir ankamen standen bereits der ganze Maschinenschuppen und die angebaute Scheune
lichterloh in Flammen. Die Flammen schlugen schon durch das Dach. Man konnte das Platzen
der Dachziegel aus dem tosenden Lärm der knisternden und brechenden Holzbalken deutlich
heraushören.
Alle wichtigen Maschinen die den Hof am Leben erhielten standen im Schuppen. Der Pflug,
die Egge und zwei weitere Pferdekarren. Sie sind alle Verbrannt. Vater wollte noch in den
brennenden Schuppen stürmen um wenigstens noch das Zaumzeug oder irgendetwas anderes
greifbares zu retten. Aber die Hitze die das Feuer ausstrahlte lies nicht zu das sich jemand
nähern konnte. Nachbarn die schon vor uns am Brandort waren, hatten versucht mit Eimern
und dem Wasser aus der Tränke das Feuer zu löschen. Dies war aber alles vergebens. Auch
die schnell herbeigeschaffte alte klapprige auf einer Holzkarre gebaute Feuerspritze konnte
den Brand nicht mehr Löschen. So sehr sich die kräftigen Männer auch mühten und die Hebel
der Pumpe hinab und wieder hinauf rissen, es schien so als heizten sie die Flammen nur noch
mehr an. Sie konnten aber verhindern dass sich die Flammen weiter auf das Wohnhaus und
den Stall ausbreiteten. Mutter rannte noch zum Kleinviehstall, der an den massiven teil des
Geräteschuppens angebaut war und so von der Mauer geschützt vor dem Hunger der
Flammen sicher war. Die Gänse und die Hühner drohten aber von herhabfallenden
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Dachziegeln erschlagen zu werden. Auch brennende Holzteile die geradezu vom Dach zu
Springen schienen drohten den kleinen Stall zu entzünden.
Mit einem Tritt gegen das Türchen das die Einzäunung der Freilauffläche der Hühner und
Gänse verschloss, öffnete sie den Weg für die Tiere in die Freiheit. Die Tiere verteilten sich
dann auch schnell auf dem teil des Hofes der sicher vor den Flammen war. Irgendwann
gelang es dann auch das Feuer zu Löschen.
Versichert waren wir, aber Versicherungen wie es sie heute gibt, gab es noch nicht, also
blieben wir mit dem Schaden sitzen. Der wiederaufbau der Scheune und des Schuppens war
sehr mühsam, alles was wir dazu benötigten mussten wir selbst herstellen. Wir haben aus
Beton selber Steine gegossen. Vater hatte aus ein paar Brettern einige formen für den Guss
zusammengenagelt. Am Abend, immer nach der Arbeit auf den Feldern und nach dem die
Tiere versorgt waren wurden dann die Steine gegossen. Der Beton wurde natürlich auch selbst
angemischt. Mit Schaufel und Harke wurde die Masse solange bearbeitet bis man es in die
Formen geben konnte. Vater zerlegte derweil den Guss vom Vortag und bereitete die Bretter
wieder für den nächsten Guss vor. Das Holz das wir benötigten für den wiederaufbau wurde
aus dem eigenen Wald mit den Pferden zum Säger gebracht. Es wurde Tage später wieder
abgeholt und Zuhause dann noch zum Trocknen aufgestapelt. Bekannte meines Vaters
bearbeiteten die Balken und Bretter bis sie daraus den benötigten Dachstuhl des fast neuen
Gebäudes erstellen konnten. Das Gebäude steht heute noch genau so wie es damals errichtet
wurde. Man kann noch heute die selbst gegossenen Steine erkennen.
Ich kann mich noch genau daran erinnern dass die Zaunlatten die meine Mutter zur Rettung
der Gänse und Hühner während des Feuers zertreten hat, nie von meinem Vater ersetzt
wurden. Da bekam ich immer Ärger weil ich die Aufgabe hatte auf das Federvieh auf zu
passen. Aber weil ich immer so gerne zu Tante Marie ausbüchste, die auch im Dorf wohnte,
und die Tiere dabei vergas, hatten vor allem die Gänse die Gelegenheit in unserem kleinen
Garten vor dem Haus sich an dem Gemüse und den Erdbeeren satt zu Fressen. Einmal wollte
Vater mir dann deswegen den Hintern versohlen. Tante Marie stand mir dann aber bei und
sagte zu Vater:
„Wenn du zu Faul bist den Zaun zu reparieren, brauchst du nicht dem Mädel die Schuld dafür
zu geben.“ Tante Marie durfte so mit meinem Vater reden, sie war ja auch die ältere
Schwester. Ich war sehr gerne bei ihr. Sie war eine sehr liebe Tante.
1942 und 43 bekamen wir dann Russische „ Fremdarbeiter“ zugeteilt .Eine Frau, Elena
Bunakowa aus Orel, 17 Jahre Jung (Russisch: Orjol liegt an der Oka, rund 350 km
südwestlich von Moskau.) und einen Mann, Stanislaus Novak aus Galizien. (Galizien ist eine
Landschaft im Westen der Ukraine (Ostgalizien) und im Süden Polens (Westgalizien). Es
waren fleißige und Ehrliche Menschen. Es war ja schon Krieg und viele andere hatten auch
„Fremdarbeiter“. Diese Menschen waren nichts anderes als Kriegsgefangene oder
verschleppte die man gezwungen hatte auf den Feldern zu Arbeiten. Elena war zwar Russin,
aber sie verlies freiwillig ihre Heimat um nach Deutschland zu gehen. Wir hatten Glück und
bekamen gute Leute.
Sie wurden auch gut von meinen Eltern behandelt. Andere hielten die Fremdarbeiter wie
Sklaven und Tiere. Manche mussten im Stall übernachten. Direkt neben den Schweinen oder
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Rindern. Bei uns hatten sie ein Zimmer im Haus mit Ofen und Betten. Sie Asen auch bei uns
am Tisch mit uns zusammen. Vater bekam dadurch auch mal Ärger mit dem
Ortsgruppenleiter! Er sagte immer: „Mensch Bartsch, das kannste doch nicht machen, das
sind doch Menschen zweiter Klasse. Behandle die nicht so gut. Du bekommst sonst noch
Ärger. Die sollen Schuften bis se umfallen. Bekommst ja dann Neue.“
Vater wurde im Januar 44 zur Wehrmacht eingezogen. Das letzte Mal als wir Vater sahen war
im Mai 1944. Da war er das letzte Mal auf Kurzurlaub zuhause. 1944 im November kam dann
mein Bruder Klaus zur Welt!
Vater hatte sich so sehr darauf gefreut, leider konnte er ihn nicht mehr sehen! Wir wussten
dass er zuerst in Liegnitz und dann in Breslau Stationiert war. Das hatte er Mutter
geschrieben. Wir erfuhren erst lange nach Kriegsende das er vermutlich bei Krakau im Kampf
gefallen war. Vorher galt er nur als vermisst. Wir hatten lange Zeit die Hoffnung das er eines
Tages in der Türe steht und sagt: „Da bin ich wieder“
Am 28.1.1945, es war gerade Mittag und wir wollten Essen. Es war ein kalter und Nebeliger
Januar Tag. Bei uns im Ort waren schon die Ganze zeit sehr viele Flüchtlinge von über der
Oder angekommen. Zur Oder waren es nur 10 km und alle sagten die auf dem Vormarsch
befindlichen Russen kommen niemals über die Oder. Es Krachte immer wieder fürchterlich
laut. Schon Tage vorher konnte man bei klarer Nacht das aufblitzen der Kanonen am Himmel
sehen und dann den weit entfernten Donner hören. Auch Flugzeuge hörte man. Im Tiefflug
sausten sie Tag und Nacht mit lautem Getöse in Richtung Oder. Wir Kinder im Dorf konnten
an diesem Vormittag sogar einen Luftkampf sehen. Mehrere Flugzeuge kurvten und sausten
am Himmel hin und her. Wir konnten sogar das Hämmern der Maschinengewehre hören. Wir
ahnten da noch nicht das wir dass Hämmern noch öfter hören würden. Bei diesem Luftkampf
stürzten Drei Flugzeuge ganz in unserer nähe ab, zwei Deutsche und ein Russisches! Wir
wollten nach dem Essen hinrennen und uns die abgeschossenen Flieger ansehen. Aber es kam
anders. Nach dem Essen kamen dann viele Deutsche Soldaten durch unseren Ort. Sie führten
auch schweres Gerät mit sich. Kettenfahrzeuge, ein paar Panzer und Lastwagen. Einige Laster
waren beladen mit verwundeten die noch sitzen oder mit Krücken stehen konnten. Eng
gedrängt klammerten sie sich an den Aufbau um nicht herunter zu Fallen. Auf anderen
Lastern lagen die Verwundeten im wilden durcheinander. Manche hatten Binden um den
Kopf. Ich konnte deutlich erkennen das die Binden mit Blut getränkt waren. Einen konnte ich
erkennen der hatte nur noch ein Bein. Ein dicker vom blut Rot getränkter Klumpen war um
seinen Stumpf gewickelt. Mutter und ich standen am Straßenrand und sahen das Elend an uns
vorüberziehen. Viele der Soldaten begleiteten die Kolonne auch zu Fuß. Einer von ihnen kam
auf uns zu. Ich hatte angst und klammerte mich um Mutters hüfte. Der Soldat stand nun vor
uns, er hatte sein Gewehr vorne unter dem Bauch hängen. Auf dem Rücken hatte er einen
Großen schmutzigen mit Schlamm verdreckten Rucksack. Seine ebenfalls schmutzige
Uniform war schon an einigen stellen zerrissen und wieder geflickt worden. Sein Gesicht war
faltig. Seine Augen schienen irgendwie teilnahmslos und Müde zu wirken.
Sie waren auf dem Rückzug! Seinen Atem konnte man vor Kälte sehen. Er schrie uns an:
„Was macht Ihr denn noch hier? Macht dass Ihr fort kommt, der Russe steht schon vor dem
Ort“! Mutter : „Der Russe? Aber……die Oder,
der Russe kommt doch nicht über die Oder??“ Der Soldat wiederholte: „ Mensch, macht das
ihr fort kommt! Der Russe ist schon längst drüber.“
Wir waren unvorbereitet, geschockt. Es hieß ja immer: Der Russe kommt nicht über die Oder.
Nun waren Sie da. Das krachen der Kanonen rückte näher! Mutter stieß mich zur Seite und
rannte los. Sie rannte zum Stall und zerrte die Pferde, Karla und Lotte, gleichzeitig in den
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Hof. Sie schrie mich an: „Schnell hilf mir, los schnell, Friedel komm, schnell.“ Ich stand
immer noch am Straßenrand und Blickte in richtung Stall. Der Soldat war schon
weitergegangen. Ich hörte Mutter, konnte aber nicht begreifen was Passiert war. Erst als
Mutter mich noch mal anschrie rannte ich los und half ihr die Pferde vor den Karren zu
spannen. Wir haben ein paar Sack Hafer, etwas Heu, unsere Betten und etwas Kleidung auf
den Wagen geworfen. Wir wollten weg, in Richtung Westen. Den Nachbarn erging es genau
so. Es ging alles so Schnell. Klaus wurde noch in die Betten eingewickelt, er war gerade mal
2 Monate Alt und ich, ich war noch keine 15 Jahre. Ich half einer Nachbarin beim beladen.
Sie sagte:“ Warte noch, bitte, wir müssen noch einige wichtige Sachen mitnehmen“.
Ich habe ein gutes Herren Fahrrad, sämtliche Papiere, einen Fotoapparat und ein Fernglas auf
den Karren gelegt. Mutter war längst schon weg, mit meinen Brüdern. Werner, er war 11Jahre
und Klaus. Wir, die Nachbarin und ich fuhren eine halbe Stunde später weg. Das Krachen der
aufschlagenden und fürchterlich Explodierenden Granaten wurde immer heftiger und Lauter.
Wagen an Wagen, alle begaben sich auf die Flucht. Richtung Liegnitz. Weg von den
Russen, vor den Russen her. Die Nachbarin trieb immer wieder die Pferde an, nur so
schafften wir es, die Flüchtlinge zu überholen um Mutter einzuholen und wieder zu finden.
Die meisten aus unserem Ort waren unter ihnen.
Später erfuhren wir das diejenigen die geblieben sind ein Schreckliches ende gefunden haben.
Sie hatten sich vor den Russen in der Kirche in Sicherheit bringen wollen. Vorwiegend
Frauen mit Kindern ohne ihre Männer die ja im Krieg waren. Auch die Alten und
Gebrechlichen suchten dort zuflucht. Alle starben einen Schrecklichen Tod. Die Russen
hatten die Kirche einfach so in Brand gesetzt. Sie schütteten Benzin an die Türen und Fenster
und entzündeten es. Vorher hatten sie noch vier Frauen zu Ihrem vergnügen aus der Kirche
gezerrt. Natürlich ohne ihre Kinder. Eine dieser Frauen trafen wir vor Dresden wieder. Sie
verlor so ihren dreijährigen Sohn. Verbrannt in der Kirche, während Sie und die anderen drei
Frauen vergewaltigt wurde, musste sie mit ansehen wie die Kirche abbrannte. Die Kirche in
der ihr Sohn und die Oma war. Nur weil ein Offizier vorbei kam und die Soldaten vermutlich
zur Eile mahnte, überlebte sie. Die drei anderen wurden noch kurz vorher erschossen. Wir
sahen die Frau nie wieder. Diejenigen die sie begleiteten sagten dass sie schon zweimal
versucht hat sich das Leben zu nehmen.
Es wurde schon Dunkel, es Krachte immer mehr. Leider war Mutter und unsere Nachbarn
nicht unter denen die wir überholten. Keine Mutter, kein Werner und kein Klaus! Es wurde
Dunkel und es Schneite. So hatten wir beide uns entschlossen bei Brauchitschdorf doch in
Richtung Kotzenau zu gehen weil uns die Weiterfahrt nach Liegnitz durch Soldaten verboten
wurde. Die Strasse nach Liegnitz war verstopft mit Wehrmachtssoldaten die auf dem Rückzug
waren. Abends gesellte sich dann ein junger Mann zu uns, in Zivil, aber man merkte ihm an
das er wohl heimlich die Wehrmacht verlassen hatte! Fahnenflucht! Fahnenflüchtige wurden
mit dem Tod bestraft, sofort erschossen, erbarmungslos. Wenn die den bei uns erwischen, wir
wären mit dran! Dieser junge Mann wurde schnell zu einer Last. Er war sehr ängstlich und
jammerte sehr viel. Er verschwand dann auch so schnell wie er auftauchte. Wir kamen spät
nachts in Braunau bei Tante Anna, Vaters Schwester, an.
Wir hatten Hunger und waren völlig durchnässt vom vielen Schnee. Tante Anna hatte sich
etwas früher und besser auf die Flucht vorbereiten können. Wir beschlossen unsere Flucht zu
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dritt Fortzusetzen, und zwar nach Seebnitz, zu Mutters Bruder. Gleich in der Früh, nach etwas
Essen und trockenen Kleidern ging es Los. Wir hofften das Mutter dort sein könnte.
Die Straßen waren immer Voller, so viele Menschen auf der Flucht, so viele Menschen in
Panik und Angst. Pferde die nicht mehr die Vollbepackten wagen ziehen konnten, Pferde die
vor Erschöpfung zusammenbrachen, wurden ausgespannt. Man überließ sie am Straßenrand
ihrem Schicksal. Viele waren schon Tod, sie wurden überrollt von zurückweichenden
Wehrmachtsfahrzeugen. Soldaten zerrten die Tierkadaver zum Straßenrand. Es waren viele
Soldaten und viele Kadaver, sehr viele. Meine Mutter war auch nicht bei Ihrem Bruder in
Seebnitz. Kein Bruder da, Mutter auch nicht zu finden. Und ich mit der Nachbarin und Tante
Anna weiter, weiter nach Bunzlau.
Erst am dritten Tag fanden wir durch Zufall meine Mutter und meine Geschwister wieder,
kurz vor Bunzlau. Sie waren in mitten einer endlos erscheinenden Schlange aus
Flüchtlingskarren und Soldaten. Die Soldaten wurden in immer größer werdender Anzahl die
Begleiter der Flüchtlinge. Wir machten uns gemeinsam auf den weg nach Bauzen-Dresden.
Wir hatten noch Pferde, viele waren unterwegs mit Leiterwagen, voll beladen. Auf dem
Rücken schwere Rucksäcke. Das Ziehen und Schieben der Karren war sehr anstrengend, man
sah die Qual in den Gesichtern der Leute. Immer mehr Pferde die vor Erschöpfung Starben
lagen am Straßenrand. Ein mal konnte ich Leute sehen die ihrem Pferd mit einem Messer die
Kehle durchschnitten um das Tier zu erlösen. Andere Schlachteten am Straßenrand die Tiere
um wenigstens noch etwas Fleisch mitnehmen zu können. Zwischen den Pferdekadavern am
Straßenrand sah ich immer mehr Tote Menschen, überwiegen Alte und Schwache Leute. Die
wurden einfach dort abgelegt und wenn sie nicht schon Tot waren, wurden sie zum sterben
zurückgelassen. Aber auch viele verwundete Soldaten die einfach nicht mehr weiter konnten
oder weiter wollten. Sie saßen zwischen den Toten. Einer auf einem Toten Pferd. Sie warteten
auf den Tod. Am Straßenrand stand eine ältere Frau und ein älterer Mann mit zwei kleinen
Kindern, sie Bettelten uns an: „ Bitte nehmt uns doch mit, ihr könnt uns doch nicht hier
lassen. Bitte, ihr habt doch noch platz.“. Es war ein fürchterlicher Anblick. Wir konnten aber
niemanden mehr mitnehmen. Wir schafften am Tag so schon nur höchstens 30-40km. Das
passierte uns noch öfter auf unserer Flucht, dass uns Leute aufforderten sie mitzunehmen.
Aber es ging nicht.
Irgendwo nach Bauzen, weit vor Dresden waren von weitem Flugzeuge zu sehen, die
Soldaten riefen: „Amis, das sind Amis“. Mann sah sehr gut den weißen Stern an den Flügeln.
Es war auf einem geraden stück Straße, die von einem kleinen Wäldchen herausführte und
nach ca. 2 Kilometer wieder in einen Wald hineinführte. Am Straßenrand standen hin und
wieder Büsche und vereinzelt Bäume. Hinter den Büschen und Bäumen waren
schneebedeckte Felder und Wiesen zu sehen. Wir haben den Fliegern noch gewunken weil
wir Dachten: Jetzt sind wir in Sicherheit, in Sicherheit vor dem Russen!
Viele der Flüchtlinge erzählten uns was die Russen mit den Deutschen die zurückgeblieben
sind und denen die sie eingeholt haben, gemacht haben. Sie vergewaltigten Frauen, Mädchen,
Kinder, und Töteten sie danach. Deshalb waren wir heilfroh endlich Amerikanische
Flugzeuge zu sehen. Wir winkten, alle winkten. Die Flieger donnerten von der Seite
kommend im Tiefflug über uns hinweg, zogen eine weite schleife und flogen uns dann von
vorne an. Und alle Winkten immer noch. Doch dann eröffneten sie das Feuer, sie schossen
mit ihren Maschinengewehren auf uns, auf die ganze lange Flüchtlingsschlange. Wir hörten
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das laute Hämmern der Bordkanonen. Die ersten die zur Seite springen konnten waren die
Soldaten. Bis die Menschen von Ihren Pferdewagen springen konnten und versuchten
irgendwo an der Seite Schutz zu finden, waren die Flieger schon im Tiefflug über uns
hinweggedonnert und flogen weiter. Weg von uns. Sie verschwanden. Sie hinterließen eine
spur der Verwüstung. Viele waren Tod. Tote Menschen, Tote Pferde. Zerfetzt von den MGs
der Flugzeuge. Diese art von Angriffen wiederholte sich noch mehrmals während unserer
Flucht. Wie durch ein wunder blieben wir verschont. An kleineren Lichtungen an denen wir
vorbei kamen, sah man am Waldrand häufig riesige mengen an fein säuberlich gestapelten
Munitionskisten. Manche Stapel waren so hoch wie ein zwei stöckiges Haus und so lang wie
drei Häuser. Von der Wehrmacht zurückgelassen? Oder wurden sie für die Verteidigung
gegen die vorrückenden Russen hier abgelegt? Wir wussten es nicht. Zuerst dachten wir das
dass Scheunen oder so was waren. Ein Soldat sagte dass es Munitionskisten seien. Wenn die
von den angreifenden Fliegern getroffen worden wären dann wäre wohl von uns auch nicht
mehr viel übrig geblieben. Das mussten Unmengen von Granaten und Munition gewesen sein.
Diese Stapel sahen wir immer mehr um so näher wir an Dresden herankamen.
Um uns in der Zeit der Flucht am Leben zu erhalten mussten wir Betteln gehen, betteln nach
Essen und nach Futter für die Pferde. Klaus brauchte dringend Milch und ein Bad. Er war
schon sehr wund. Selten bekamen wir was, oft wurden wir verjagt, Beschimpft und sogar
Bedroht. Während Mutter sich um Futter, um Heu und auch mal um eine Unterkunft für eine
Nacht kümmerte, zogen Werner und ich los zum Betteln. Brot und Butter, vielleicht mal
etwas Speck. Die ausbeute war stets mager. Das Rote Kreutz hatte entlang der
Flüchtlingsrouten ab und zu eine Suppenküche stehen. Dort wurde Mehlsuppe und trocken
Brot verteilt. Es lag auch immer ein Buch aus, in dem Alphabetisch eingetragen war, wer wen
sucht oder vermisst. So hatten manche ihre angehörigen wieder gefunden. Manchmal hatte
Mutter auch Glück und wir konnten in einer Scheune übernachten. Wir bekamen zu Essen
und Klaus konnte gebadet werden. Jetzt waren wir nicht nur vor den Russen auf der Flucht.
Sondern auch vor den Amerikanischen Fliegern. Je mehr wir Richtung westen fuhren umso
häufiger kamen die Amerikanischen Tiefflieger und Bomber. Panikartig versuchten wir dann
immer unter den Bäumen und in den Gräben neben der Straße Schutz zu finden. Die Alten
und Schwachen blieben auf den Wägen zurück. Viele Starben im Kugelhagel der Flieger.
Mutter entschloss sich dann eine nicht so sehr befahrene Route zu wählen.
Ganz schlimm war es vor Dresden. Wir standen am 13.Februar 1945 auf einer Strasse, so
etwa 15km vor Dresden. Es war eine kalte Nacht, es war Dunkel, aber klares Wetter. Sterne
waren zu sehen, der Mond schien.
Wir hörten ein Brummen, es wurde immer Lauter. Gleichzeitig konnte man das Heulen der
Sirenen aus Dresden deutlich hören. Es war ein Fürchterliches Brummen. Flugzeuge tauchten
am Himmel auf. Hunderte von Flugzeugen. Es waren Bomber die Dresden anflogen. Plötzlich
wurde es hell, sehr hell. Mit einem fürchterlichem Pfeifen, dass ich niemals vergessen werde,
warfen die Bomber ihre todbringende Fracht über Dresden ab. Der Horizont färbte sich in ein
flackerndes Rot. Am Himmel über Dresden sah man auch viele so genannte Tannenbäume.
Das waren viele Leuchtkugeln die im Fall aussahen wie ein beleuchteter Tannenbaum. Sie
markierten das Ziel für die nachfolgenden Bomberverbände. Kurz danach stank es nach
Rauch und verbranntem Fleisch. Es waren Menschen die in den Flammen verbrannten und
grauenvoll Starben. Die Stadt brannte lichterloh. Der Himmel über Dresden war hell
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erleuchtet. Wir wussten das Dresden eine Stadt mit vielen Kulturschätzen und vielen Museen
ist. Die Leute erzählten uns: Wenn ihr in Sicherheit gehen wollt, dann müsst ihr nach Dresden
gehen. Das wird bestimmt nicht Bombardiert.
So wollten wir diesem Rat folgen und uns ebenfalls, wie so viele andere Flüchtlinge, in
Sicherheit bringen. Wir wussten das die Stadt bereits voll ist, und nun stand die Stadt in
Flammen. Der Gestank war unerträglich. Die Bomber hatten Phosphor auf die Stadt
geschmissen. Phosphorbomben die am Boden zerplatzten und alles was damit in Berührung
kam in Brand setzten. Phosphor brennt auch auf Wasser, kann auch nicht gelöscht werden.
Der Himmel leuchtete und flackerte. So viele Flüchtlinge in der Stadt und immer wieder
hunderte von Bombern die mit einem fürchterlichen und ohrenbetäubenden Brummen über
uns nach Dresden flogen um dort ihre Bomben auf die Stadt zu schmeißen. Auch diese
Bomber setzten wieder ihre Leuchtkugeln die wie beleuchtete Weihnachtsbäume aussahen
über Dresden ab. Hatten die einen ihre Bomben geschmissen, kamen schon die nächsten
geflogen. Das ging die ganze Nacht und am Tag darauf bis ungefähr Mittag so weiter. Wie
wir später erfuhren flogen die Engländer bei Nacht und die Amerikaner am Tag nach
Dresden.
Wir sind dann um Dresden herumgefahren und wollten bei Meißen die Elbe überqueren.
Deutsche Soldaten die die Brücke bewachten, wollten uns nicht mehr über die Brücke lassen.
Sie hatten den Befehl erhalten die Brücke auf jeden fall zu Sprengen. Wir hatten das Glück
das sich in unserem Treck eine Menge Soldaten auf dem Rückzug befanden. Aus diesem
Grund warteten die Soldaten noch mit dem Sprengen der Brücke und so konnten wir uns noch
durchmogeln. Um schneller über die Brücke zu kommen hatte der Herr Otto Jahnke hinter
seinem Pferdekarren noch eine Kutsche eines Bekanten gehängt. Dessen Pferde konnten kurz
vorher nicht mehr weiter. In der Kutsche saßen nun die Oma Hedwig Jahnke und Klaus, mein
kleiner Bruder. Kurz nach der Brücke mussten wir mehreren, kaum einen Tag alten
Bombenkratern ausweichen. Beim ausweichen eines Kraters kam der karren von H. Otto
Jahnke zu sehr in Schräglage und die Kutsche löste sich aus der Befestigung. Die kutsche
raste rücklings im Zick-Zack Kurs den Hang in richtung Elbe hinunter. Ein Soldat der das sah
reagierte am schnellsten. Er rannte hinterher und konnte einen Knüppel, den er wohl dabei
hatte, in die Speichen der Kutsche stecken. Die Räder blockierten und die Kutsche wurde
langsamer. Kurz bevor die Kutsche drohte einen Abgrund in die Elbe zu stürzen, konnte der
Soldat die Deichsel greifen und die Kutsche mit Hilfe von anderen, herbeigeeilten Soldaten
zum Stehen bringen. Klaus und Oma Jahnke waren gerettet.
Wir sind dann weiter über Chemnitz und Zwickau nach Ebersbrunn bei Zwickau. Es war
ende März, bei dem Bauer Möckel hatten wir ein Zimmer. Obwohl wir hart für ihn gearbeitet
hatten, bekamen wir keinen Lohn. Hatten aber zu essen und eine Unterkunft. Wir mussten für
Ihn die Feld und die Stallarbeit machen. Gleich beim ersten Mal auf dem Feld, beim Kartoffel
pflanzen, wurden wir von Tieffliegern angegriffen und beschossen. Da eine Bahnbrücke und
eine Böschung in der nähe war, hatten wir einen einigermaßen sicheren Unterschlupf. Wir
rannten so schnell wir konnten dort hin, und versteckten uns an der Bahnunterführung. Diese
Angriffe fanden immer häufiger statt. Manchmal rannten wir schon los, obwohl man den
Flieger nur hören, aber noch gar nicht sehen konnte. Ein anderes Mal blieben wir, und
schafften es dann gerade noch so. Da schlugen dann schon die Kugeln kurz hinter uns in die
frisch gesetzten Kartoffeln. Komischerweise regte sich keiner mehr auf, nur der Bauer
Möckel riss seine Faust immer in den Himmel und drohte dem abziehenden Flugzeug.
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Unsere Pferde waren sehr Lobenswert, sie waren beide in den letzten Tagen trächtig. Sie
haben uns während der langen und sehr Strapaziösen Flucht nicht ein einziges Mal in Stich
gelassen. Gute Pferde. Nicht einmal der Bauer für den wir ohne Lohn auf den Feldern
schufteten gab uns Futter für die Pferde. Einmal, während der Fluch, nach Bauzen, waren
beide Pferde Krank. Sie hatten vereiterte und geschwollene Mandeln. Sie bekamen kaum
Luft. Ein Tierarzt war nicht vorhanden. Da hat sich Mutter selbst helfen müssen. Zwei
Männer rissen den Pferden nacheinander die Mäuler auf und Mutter schnitt mit einem
Rasiermesser die vereiterten Mandeln auf. Der Eiter schoss nur so heraus. Die Pferde waren
dann auch bald wieder Gesund. So war es unser Glück das beide Stuten gesunde Fohlen zur
Welt brachten. Mutter tauschte erst eins und dann auch das zweite Fohlen gegen Futter ein.
Nur so konnten wir die beiden Stuten am Leben erhalten.
Mitte April, nach harten Gefechten um die Städte Schneeberg und Kirchberg bei Zwickau,
mit heftigem Kanonenfeuer und vielen Flugzeugen, zogen dann die Amerikaner in
Ebersbrunn ein. Wir konnten deutlich das Abschießen und das Einschlagen der Kanonen und
Granaten hören. Manchmal etwas näher, ein anderes Mal etwas weiter weg. Aber immer
fürchterlich Laut. Auch die Amerikanischen Tiefflieger, die die Deutschen reihen
Bombardierten, flogen über uns in richtung Schneeberg. Die Orte lagen ja auch nur wenige
Kilometer von uns entfernt. Dann wurde es ruhig. Man hörte dann nicht einen Schuss mehr.
Als der Ami dann zu uns in den Ort kam gingen wir eigentlich gleich auf die Straße. Die
Amis haben Kaugummi und Bonbons an uns Kinder verteilt. Im Anschluss dann trieben die
Amis Hunderte von gefangenen Deutscher Soldaten durch den Ort. Gefangene die die
Schlacht um Schneeberg und Kirchberg verloren hatten und aufgeben mussten. Zerlumpt und
ungepflegt, mit den Händen über den Kopf zusammengefaltet wurden sie nun durch unseren
Ort getrieben. Wie Vieh. Immer wieder stießen die begleitenden amerikanischen Soldaten mit
ihren Gewehrspitzen auf die müden und wohl sehr hungrigen deutschen Soldaten ein.
Darunter auch viele Verwundete und Schwache. Wie wir später erfuhren waren die Amis nur
deshalb so Böse zu den gefangenen, weil durch die heftige Gegenwehr der Deutschen
während des Gefechtes um Schneeberg und Kirchberg, noch 16 amerikanische Soldaten
gefallen waren.
Aber beide Seiten taten nur ihre Pflicht?????
Bis sich dann die Lage erst mal einigermaßen normalisiert hatte gab es nichts, nichts zu
essen, kein Brot und kein Fleisch sowieso. Stundenlanges anstehen.
Oma Bartsch machte uns aus Brennnesseln Spinat, nur so haben wir einigermaßen gesund
überlebt. Durch Zufall erfuhren wir dass fast unser ganzer Ort die Flucht überstanden hat und
im Nachbardorf Rottmannsdorf gelandet ist. War das eine Freude.
Klaus wurde dann in Ebersbrunn getauft.
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15.05.2016
Am 9.5.1945 war der Krieg dann endlich zu ende.
Mutter hatte von unserem Gurken Hoffman aus Lüben, der auch bei der Gruppe aus unserem
Ort war, erfahren dass im Raum Magdeburg Menschen zum Arbeiten gesucht würden.
Anfang Juli gingen die Amerikaner und die Russen kamen. Sie zogen in Sachsen und
Sachsen-Anhalt ein. Jetzt gab es noch weniger als vorher. So sind wir und unser Nachbar mit
Pferd und Wagen rauf nach Magdeburg. Je näher wir an Magdeburg rankamen, umso
freundlicher wurden die Leute. Wir bekamen zu Essen und Trinken ohne lange dafür Betteln
zu müssen. Selten sagte jemand nein. Auch Übernachtungsmöglichkeiten bekamen wir
angeboten. Manchmal, wenn wir eine Übernachtung angeboten bekamen, haben sie den Klaus
geholt und ihn satt und frisch gebadet wieder zurückgebracht. Das war sehr schön.
Über Halle, Aschersleben, Kroppenstedt kamen wir anfang August 1945 in Alikendorf an.
Es war Sonntag und wir wurden schon erwartet.
Wir bekamen ein Zimmer, 3 Betten mit Strohsäcken, einen Kleiderschrank und einen Schrank
für Esssachen sowie einen Tisch 2Bänke und einen Ofen. Nachmittags kam dann der
Ortsvorsteher, ein Herr Hirschberg, vorbei um uns zu begrüßen.
Er hatte einen Riesen Topf mit Pellkartoffel und einen Topf mit Schwartenwurst dabei.
Werner und ich aßen und schlangen uns so voll, dass wir uns danach erbrechen mussten.
Endlich, nach über einem halben Jahr Flucht, Hunger und Betteln, wieder was Gutes zu
Essen. Das Beste war, wir hatten Arbeit und wurden mit Verpflegung bestens versorgt.
Herr Raykowskie aus Lüben, der Maschinenbauer, den es nach dem Krieg auch nach
Halberstadt verschlug, wollte sich dort eine neue Existenz aufbauen. Er stand eines Tages bei
uns vor der Tür. Er suchte nach meinem Vater. Er wollte mit Ihm zusammen eine neue Firma
aufbauen. Aber Vater war im Krieg geblieben.
Die Pferde mussten wir leider in Pflege geben. Wir hatten keine Möglichkeit sie
unterzustellen und Futter zu besorgen. Die Pferde waren aber leider nicht in guten Händen.
Dort wurden sie ausgenutzt uns sahen nach kurzer Zeit schon mager und Klapprig aus. Aber
Mutter dachte ja immer noch das wir bald, zumal ja der Krieg aus war, zurück in unsere
Schlesische Heimat fahren können. Dort, glaubten wir, dass mein Vater ja auch wieder
hinkommt und auf uns wartet. Nach drei Jahren aber beschloss Mutter sich in Peseckendorf
anzusiedeln. Der Gedanke hier bleiben zu müssen war furchtbar und verrückt. Vater, was ist
mit meinem Vater, ich glaubte das er immer noch in der Heimat auf uns wartete.
Mutter hatte aber erfahren dass der weg zurück nach Schlesien ausgeschlossen war. Die
Russen ließen es nicht zu. So Platzte der Traum einer Rückkehr.
Andere Flüchtlinge verkauften ihre Pferde. Mutter aber nicht. Sie hielt so lange es ging, Karla
und Lotte, unsere treuen Pferde. Sie musste aber dann ein Pferd für eine Milchkuh
eintauschen. Schweren Herzens. Dann kam der Russe und die Not ging von neuem Los. Der
Russe übernahm das ganze gebiet.
Es war Erntezeit, alles musste mit der Hand und der Sense gemäht werden. Es waren keine
Maschinen da, auch nicht zum ausleihen. Es musste für alles was geerntet wurde ein soll
abgegeben werden. Ob Getreide, Milch, Fleisch oder Eier. Die abgaben waren so hoch dass
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15.05.2016
uns selber kaum soviel blieb um satt zu werden. Hat man sein Abgabesoll nicht erfüllt,
konnte es sein das man eingesperrt wurde. Ich konnte dies alles nicht mehr ertragen und bin
dann mit so 18-19 Jahren nach Hannover abgehauen. Aber da war es auch nicht viel besser,
arbeit konnte ich nicht finden. So bin ich dann auch recht reumütig wieder zu meiner Mutter
zurück.
Mutter fing dann, um uns eine richtige Existenz zu schaffen, mit dem Bauen an. Das Haus
steht immer noch. Die Steine haben wir aus zerbombten Häusern geholt und abends nach
Feierabend den Mörtel abgeklopft. Euer Vater hat da auch viel geholfen, er hat mit Schaufel
und Karren zusammen mit anderen den Keller ausgeschachtet. Werner musste dann zur
Nationalen Volksarmee der DDR, für 4 Jahre.
So erzählt von Elfriede Zabel, geb.
Bartsch
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