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Der interreligiöse Dialog
in der Perspektive asiatischer Theologen
Eine Standortbestimmung nach <Dominus J esus>
Georg Evers
Für die asiatischen Theologen ist die religiöse Vielfalt ihres Erdteils und die dadurch
erforderliche Theologie der Religionen und des interreligiösen Dialogs zentral. Die Arbeit
asiatischer Theologen der verschiedenen Ortskirchen des weiten und kulturell wie religiös
so vielfältigen Kontinents wurde im weltweiten Gespräch der Theologen bisher eher
ungenügend wahrgenommen. Wenn allerdings die zentrale Leitung der katholische
Kirche in der jüngeren Vergangenheit auf theologische Beiträge zur Theologie der
Religionen aus den asiatischen Orts kirchen reagierte, geschah dies öfter in negativer
Weise, indem asiatischen Theologen dogmatische Fehler unterstellt und ihre
Schlussfolgerungen als irrig und gefährlich zurückgewiesen wurden. Der vorliegende
Beitrag möchte den Kontext, die Ausgangspunkte, die theologische Methode und die
bisherigen Ergebnisse einiger dieser asiatischen Theologen und Theologengruppierungen
darstellen. Die Erklärung der Glaubenskongregation <Dominus Jesus> wird im Licht
dieser E~gebnisse einer Prüfung unterzogen.
Stellenwert des interreligiösen Dialogs für die asiatischen Kirchen
Um die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für das Selbstverständnis der asiatischen
Ortskirchen abzuschätzen, ist von entscheidender Bedeutung, sich den Stellenwert des
Christentums in Asien als Minderheitenreligion vor Augen zu halten. Damit kann man die
ekklesiologische Verwiesenheit auf die anderen Religionen im Leben der asiatischen
Ortskirchen verstehen. Rein bevölkerungsstatistisch gesehen liegt der Anteil des
Christentums in Asien bei knapp 5%, wobei der starke Anteil der Christen in den
Philippinen, und seit einigen Jahren in Südkorea, das Ergebnis schönt. Ohne diesen
philippinischen und koreanischen Faktor machen die Christen gerade mal 30/0 der
asiatischen Bevölkerung aus. Die christlichen Kirchen stellen in Asien eine kleine
Minderheit dar, die sich den großen Religionen wie Buddhismus, Hinduismus, Islam,
Taoismus und Schintoismus gegenübersieht. Hinzu kommt, dass die aus Missionskirchen
hervorgegangenen asiatischen Kirchen als geschichtliche Hypothek das Odium einer
Verbindung mit dem Kolonialismus und Imperialismus der westlichen Nationen tragen..
I Die Reaktionen der chinesischen Regierung auf die Heiligsprechung von 120 chinesischen
Märtyrern am 1. Okt. 2000 brachten dies noch einmal in Erinnerung. Die chinesische Führung verstand
die Ehrung der chinesischen Märtyrer als Verunglimpfung des Andenkens patriotischer Chinesen, als die
sie die Bewegung der Boxer sieht, die sich im Kampf für die Befreiung Chinas von ausländischer
Beherrschung gegen ausländische Missionare und ihre chinesischen Konvertiten gestellt hätten.
Bei der ersten Vollversammlung der Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen
(FABC) in Taipei 1974 nannten die asiatischen Bischöfe als Aufgaben der asiatischen
Minderheitenkirchen bei der Evangelisierung im modernen Asien drei Bereiche, die
seitdem für die Arbeit der Kirchen und der Theologen in Asien bestimmend blieben. Im
Bestreben, authentische Orts kirchen zu werden, sehen die asiatischen Kirchen und
Theologen erstens ihre vorrangige Aufgabe darin, im Dialog mit den Kulturen
eigenständige Formen des Christ- und Kircheseins zu entwickeln. Für diese
Minderheitenkirchen innerhalb der religiösen Vielfalt Asiens ist dabei zweitens der
Dialog mit den großen religiösen Traditionen Asiens von herausragender Bedeutung.
Angesichts der in Asien drängenden sozialen Probleme und in der Erfüllung der
kirchlichen Aufgabe, an einer ganzheitlichen, menschlichen Entwicklung mitzuwirken,
stellen der Dialog mit den Armen und ihre Befreiung aus Abhängigkeiten und
Ausbeutung das dritte Arbeitsfeld asiatischer Kirchen dar. Dieser dreifache Dialog,
umgesetzt in die theologischen Aufgaben der Inkulturation, des interreligiösen Dialogs
und der Option für die Armen, bestimmte seitdem die Arbeit der asiatischen Kirchen und
ihrer Theologen.2 Dabei kommt dem interreligiösen Dialog eine gewisse Schlüsselrolle
zu, wie der indische Theologe Felix Wilfred festhäIt, wenn er den Stellenwert des
interreligiösen Dialogs für das Selbstverständnis der FABC knapp so beschreibt: «Wenn
wir die Ausrichtung der FABC in einem Wort zusammenfassen wollen, dann ist dies
<Dialog>; um diesen Brennpunkt bewegt sich das Verständnis der FABC von Kirche und
Mission; der Dialog bewahrt die Kirche davor, eine auf sich selbst fixierte Gemeinschaft
zu werden, und verbindet sie mit dem Volk in allen Bereichen und Lebensräumen.»3
Interreligiöser Dialog ist in Asien eben nicht nur eine Angelegenheit der Fachtheologen,
sondern beschäftigt die Bischöfe genauso wie die einfachen Gläubigen.
Die Tatsache, dass die christlichen Kirchen und Christen als Minderheiten in der
Begegnung, im Dialog, aber leider auch immer häufiger in der Konfrontation mit den
Angehörigen anderer Religionen stehen, bringt es mit sich, dass die Reflexion auf die
Gegebenheiten des religiösen Pluralismus für alle Christen lebensnotwendig ist.
Besondere Aufgabe asiatischer Theologie
Asiatische Theologen sind überzeugt, dass die Kirchen in Asien mit ihrer Erfahrung,
als Minderheiten in der Welt der asiatischen Religionen zu leben, in besonderer Weise
gefordert sind, einen eigenständigen Beitrag zu einer Theologie
2
Vgl. das Schlussdokument der Vollversammlung FABC I (Taipei 1974), Nr. 9-24: Evangelization in
Modern Day Asia. Statement and Recommendations of the First Plenary Assembly. In: G. B. Rosales /
C. G. Arevalo (eds.), For All the Peoples of Asia. Federation of Asian Bishops' Conferences. Documents
from 1970 to 1991. Manila 1992, S. 11-25. 14-16.
3 Vgl. F. Wilfred, The Federation of Asian Bishops' Conferences (FABC). Orientations, Challenges and
Impact. In: G. B. Rosales / C. G. Arevalo (eds.), For All the Peoples of Asia, op. cit., S. XXIII-XXX.
XXIV-XXV. Vgl. auch G. Evers, Der Beitrag der Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC)
zum interreligiösen Dialog in Asien. In: G. Risse / H. Sonnemans (Hg.), Wege der Theologie. An der
Schwelle zum dritten Jahrtausend. Festschrift für Hans Waldenfels, Paderborn 1996, S. 629-645.
2
der Religionen zu leisten. Dabei handelt es sich für sie um eine neue theologische
Fragestellung, die sich in dieser Form in der bisherigen Kirchen- und Theologiegeschichte so noch nie stellte. Aus diesem Grund sind sie nicht bereit, sich mit dem
Verweis abspeisen zu lassen, die Lösung dieser Problematik allein im Rückgriff auf die
klassische theologische Methode zu suchen. Ohne die Beiträge der griechischen
Kirchenschriftsteller Clemens von Alexandria, Origenes und anderer berühmter
Theologen der ersten Jahrhunderte abwerten zu wollen, sind sich asiatische Theologen
bewusst, dass sie in der Begegnung mit den asiatischen Hochreligionen vor ganz andere
und eben neue Probleme gestellt sind, für die die Antworten, die im Hinblick auf die
griechisch-römische Götterwelt und vor allem in der Auseinandersetzung mit der
griechischen Philosophie des Neuplatonismus gegeben wurden, nicht das letzte Wort sein
können.
Für die asiatischen Theologen ist das zentrale Problem bei der Reflexion auf die
anderen Religionen nicht die Beziehung des Christentums zu diesen Traditionen, sondern
die Frage nach der Verortung des Christentums innerhalb der religiös pluralistischen Welt
Asiens.4 Diese Fragestellung bedeutet einen beachtenswerten Wandel der Perspektive
und des Ansatzes gegenüber den anderen Religionen.5 Interreligiöser Dialog ist für die
asiatischen Theologen mehr als nur eine Besonderheit unter vielen anderen theologischen
Problemen, weil sie im Dialog mit den anderen Religionen so etwas wie ein heuristisches
Prinzip zur Entwicklung einer genuin asiatischen Theologie sehen. Bei der Ersten
Vollversammlung der Vereinigung Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC) in Taipei
wurde im Schlussdokument festgehalten:
Im Dialog mit diesen Religionen werden wir Wege finden, unseren christlichen Glauben
auszudrücken. (...) Die großen religiösen Traditionen können Licht werfen auf die
Wahrheiten des Evangeliums. Sie können uns helfen, die Reichtümer unseres Glaubens
tiefer zu verstehen.6
Um die Eigenart dieses neuen Ansatzes gegenüber den religiösen Traditionen zu
beschreiben, sprechen asiatische Theologen von einer <doppelten Loyalität> und einer
<doppelten Zugehörigkeit>.7 Als christliche Theologen respektieren sie
4 Die meisten asiatischen Theologen lehnen die bisher von der westlichen Theologie vorgestellten
Modelle, die Stellung des Christentums im Verhältnis zu den anderen Religionen zu beschreiben, ab.
Diese Modelle sind jedoch nicht nur in der asiatischen Theologie umstritten und bleiben kontrovers,
ganz gleich, ob es sich um die Position des Exklusivismus «Extra ecclesiam nulla salus>;
Ekklesiozentrismus), Inklusivismus (z. B. die These vom <anonymen Christen> und <anonymen
Christentum», Christozentrismus, Pluralismus «Alle Religionen sind Wege zum Heil», Theozentrismus
oder alternativ die Position des Soteriozentrismus (im Hinblick auf den Buddhismus) handelt.
5 Cf. F. Wilfred, Dialogue Gasping for Breath? Towards New Frontiers in Inter-Religious Dialogue. In:
Vidyajyoti 51 (1987), S. 449-466. Vgl. ders., Zum besseren Verständnis der asiatischen Theologie.
Einige grundlegende Probleme. In: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft 55 (1999), S. 83-106.
6
Cf. Schlussdokument FABC I, Taipei 1974, ~r. 13-14, in: G. B. Rosales / C. G. Arevalo (eds.),
For All the Peoples of Asia, op. cit., S. 23 (Ubers. vom Verf.)
7 «Unsere doppelte Zugehörigkeit - die Zugehörigkeit zu unserer Kultur und die Zugehörigkeit zu
unserem christlichen Glauben - ist nicht eine NebeneinandersteIlung, sondern sie ist in der Tiefe unseres
Seins zusammengefügt zu einer lebendigen Synthese in unserer Spiritualität, Theologie, in unserem
Gebetsleben und unserem Lebensstil. Letztlich kann nur so eine Gemeinschaft des Glaubens in Asien
aufgebaut werden. Deshalb ist dieser Dialog ein UI1
3
die Bibel, die Kirchenväter, die Dokumente der Ökumenischen Konzilien und die
Aussagen des Lehramtes. Als christliche Theologen mit asiatischen Wurzeln verstehen
sie aber auch die religiösen Traditionen und Heiligen Schriften der anderen asiatischen
Religionen als Teil ihres eigenen kulturellen und religiösen Erbes, das in Loyalität und im
Gefühl der Zugehörigkeit ebenfalls respektiert wird.8 Schließlich sind sie überzeugt, dass
der Heilige Geist in der Vergangenheit immer schon über die Grenzen der Christenheit
und der Kirche wirkte und wirkt. Diese Haltung ist unmissverständlich ausgedrückt in der
Erklärung der F ABC, in der die asiatischen Bischöfe sagen:
In diesem Dialog akzeptieren wir die großen religiösen Traditionen unserer Völker als
bedeutsame und positive Elemente in der Heilsökonomie Gottes. In. ihnen erkennen und
respektieren wir tiefe spirituelle und ethische Wegweisungen und Werte. Viele
Jahrhunderte hindurch waren sie die Schatztruhe der religiösen Erfahrung unserer Ahnen,
aus der unsere Zeitgenossen nicht aufhören, Licht und Kraft zu schöpfen. Sie waren (und
sind noch immer) authentischer Ausdruck des tiefsten Verlangens ihrer Herzen und das
Heim ihrer Kontemplation und ihres Gebets. Sie halfen mit, der Geschichte und den
Kulturen unserer Nationen eine Form zu geben.9
Thematisch bemühten sich asiatische Theologen, neue christologische Ansätze in der
Frage nach der Rolle des historischen Jesus von Nazareth als Messias und die
ausstehende Erfüllung dessen, was Messias/Logos bedeutet, zu finden.10 In der
Ekklesiologie versuchen sie, ein neues Verständnis für die Kirche zu entwickeln in der
Konzentration auf die Werte des Reiches Gottes, auf das die Kirche verweist und in der
sich diese verwirklichen, ohne dass die Kirche mit dem Reich Gottes identisch wäre) 1
Dialog wird von ihnen auf verschiedene Weise gelebt: als Dialog des Lebens, in der
Kooperation im gesellschaftlichen Raum und im Austausch von <Heiligen Geschichten>
und in der Begegnung im Zentrum (core to core dialogue) der jeweiligen Tradition.12
verzichtbares Element für den Aufbau unserer christlichen Gemeinschaften auf allen Ebenen». (The
Church. A Community of Faith in Asia. A Short Report on the Third Plenary Assembly of the
Fed~ration of Asian Bishops' Conferences [FABC Papers, Nr. 32], (Hongkong) 1982, S. 40f.; Ubers.
vom Verf.)
8 R. Panikkar sprach von seinen Erfahrungen mit dem interreligiösen Dialog in dem Sinne, dass er «als
Christ hineinging, sich als Hindu erfuhr, als Buddhist zurückkam~ ohne dass er aufgehört hatte, Christ
zu sein». Damit beschrieb er die schwierige Erfahrung, im Verlauf des Dialogs an nur einer religiösen
Zugehörigkeit festzuhalten. (A. KoothumathU: Man and Religion. A Dialogue with R. Panikkar. In:
Jeevadhara 11 [1981], Nr. 61, S. 5-32; Ubers. vom Verf.)
9 G. B. Rosales / C. G. Arevalo (eds.), For All the Peoples of Asia, op. cit., Nr. 14, S. 14.; Übers.
vom Verf.
10 Vgl. G. Evers, Heutige Christologien in Asien, in: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft
55 (1999), S. 297-311.
11 V gl. F. Wilfred, The Emergent Church in a N ew India, Tiruchirappalli 1987. Siehe auch Theses
on the Local Church, Theological Advisory Commission of the FABC. In: J. Gnanapiragasam / F.
Wilfred (eds.), Being Church in Asia. TAC Documents (1986-1992), Vol. 1., Manila 1992, S. 33-90. V
gl. A. Pieris, Die Kirche, das Reich Gottes und die anderen Religionen. In: ders., Theologie der
Befreiung in Asien. Christentum im Kontext der Armut und der Religionen, Freiburg 1986, S. 225-238.
12 V gl. A. Pieris, Interreligiöser Dialog und Theologie der Religionen. In: ders., Feuer und Was
ser. Frau, Gesellschaft, Spiritualität in Buddhismus und Christentum, Freiburg 1994, S. 115
124.
4
Pluralismus: gegebenes Übel (de facto) oder von Gott gewollt (de jure)?
Die Erklärung der Glaubenskongregation <Dominus Jesus> vom 6. August 2000 fand
in der theologischen Welt im Allgemeinen, aber unter asiatischen Theologen im
Besonderen, große Beachtung:. Während in Europa und Nordamerika die Aussagen zur
innerchristlichen Okumene in den Mittelpunkt der Diskussion rückten, verstanden
asiatische Theologen die zentralen Aussagen dieser Erklärung zum religiösen Pluralismus
und zur Theologie der Religionen als Kritik an ihrer theologischen Arbeit. In einer
Vielzahl von Stellungnahmen und Reaktionen äußerten sie ihre Enttäuschung, ihre
Verletzungen und ihre theologisch fundierte Kritik.13 Die vatikanische Erklärung wendet
sich dezidiert gegen «relativistische Theorien (...), die den religiösen Pluralismus nicht
nur de
facta, sondern auch de iure (oder prinzipiell) rechtfertigen wollen.»14 Gegen diese
<relativistische Mentalität> stellt die Kongregation eindeutig fest, dass die anderen
Religionen nur eine eingeschränkte Rolle als Vorbereitung auf die Fülle des Evangeliums
spielen können, insoweit sich in ihnen Spuren des <göttlichen Logos> finden, die auf
Vollendung in Jesus Christus angelegt sind. Nur im Christentum findet sich in der
Antwort auf die übernatürliche Offenbarung <theologaler 9laube> (fides theologalis),
während es in den anderen Religionen nur <innere Uberzeugung> (credulitas) gibt, die
als religiöse Erfahrung noch «auf der Suche nach der absoluten Wahrheit ist und der die
Zustimmung zum sich offenbarenden Gott fehlt».15 Gegenüber theologischen Positionen,
die die anderen Religionen ebenfalls als <Heilswege>, die «komplementär zur Kirche, ja
im Grunde ihr gleichwertig wären»,16 ansehen wollen, wird festgestellt, dass eine solche
Position dem katholischen Glauben widerspricht.
Die Gegenposition wird von asiatischen Theologen vertreten, die, wie z. B.
der indische Theologe J aCQb Kavunkal, festhalten:
Religiöser Pluralismus ist das Ergebnis der göttlichen Selbstmitteilung im Wort und (das
Ergebnis) der vielfältigen Weisen, in denen Menschen auf das Göttliche antworten. Weil die
Menschen von Natur aus gesellschaftliche Wesen sind und in der Geschichte stehen, können wir
sagen, dass die verschiedenen Religionen verschiedene gesellschaftliche und historische
Antworten auf die göttliche Manifestation im Wort Gottes «vac>, Sanskrit) sind. (...) Sie
gehören zu den providentiellen Wegen, die Gott liebend annimmt. Sie befinden sich im
umfassenden göttlichen Plan der Schöpfung, soweit wir dies ~.on ihrem Wesen her
schlussfolgern können. Der religiöse Pluralismus ist daher kein Ubet dessen wir uns entledigen
müssten, oder keine unausweichliche Situation, die es zu tolerieren gilt, sondern ein Wert, den es
zu bewahren und zu respektieren gilt. Missionstheologie muss dies heute ernsthaft in
Betrachtung ziehen. Tun wir dies nicht, kann der Fall eintreten, dass wir die Aktivität des
göttlichen Wortes/Geheimnisses, das in verschiedenen Religionen tätig ist, behindern. Diese
Religionen sind
13 Vgl. <Dominus Jesus>, a theological response, Jeevadhara 31 (2001), Nr. 183. Vgl. auch G. Evers, Zu
kurz gesprungen. <Dominus Jesus> und die Theologie in Asien. In: Herder Korrespondenz 54 (2000), S.
618-624.
14 Kongregation fÜr die Glaubenslehre, Erklärung <Dominus Jesus> über die Einzigkeit und
Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, 6. Aug. 2000 (Verlautbarungen des ApostO
lischen
StUhls 148), Bonn, Nr. 4.
15 Ebd., Nr. 7. 16 Ebd., Nr. 21.
5
Arme, die zum Himmel erhoben sind als Antwort auf die göttliche Mitteilung des Wortes (vac).
Sie haben einen bleibenden Wert, der eher anerkannt, bewahrt und gefördert werden (NA 2),
denn abgeschafft werden muss)?
Der Heilige Geist - anwesend und wirkend in jedem authentischen Gebet
Bei aller Reserviertheit gegenüber den anderen Religionen, wie sie nicht zuletzt im
Schreiben der Glaubenskongregation <Dominus Jesus> zum Ausdruck kam, hielt
Johannes Paul H. immer wieder an einer wichtigen theologischen Aussage fest und
bestätigte sie mehrfach - gerade gegenüber Kritikern aus den Reihen der römischen Kurie
- neu. Im Rückblick auf die umstrittene Begegnung
zwischen den Religionen in
Assisi 1986 stellte er fest:
J?ie Begegnung zwischen den Religionen in Assisi wollte unmissverständlich meine
Uberzeugung bekräftigen, dass <jedes authentische Gebet vom Heiligen Geist geweckt
ist, der auf geheimnisvolle Weise im Herzen jedes Menschen gegenwärtig ist.>18
Das Gebetstreffen in Assisi, zu dem der Papst Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften eingeladen hatte, beinhaltet Implikationen für die Theologie der
Religionen, die über die gegenwärtig seitens der Glaubenskongregation vertretenen
restriktiven Wertung der Religionen weit hinausgehen. Handelte es sich bei den Gebeten
und religiösen Akten der anderen Religionsvertreter nur um Ausdrucksformen der
unbestimmten, rein innerweltlichen Suche des Menschen nach der Begegnung mit dem
Göttlichen,19 dann lagen die Anhänger von Marcel Lefebvre mit ihrer Kritik nicht falsch.
Sie erhoben gegen das Friedensgebet von Assisi den schweren Vorwurf, dass hier der
Heilige Vater zur Idolatrie aufrief, als er den Vertretern der anderen Religionen die
Gelegenheit bot, öffentlich und sogar in der Basilika des Heiligen Franz ihre Gebete zu
sprechen und ihre Riten auszuüben.20 Wenn aber die Sichtweise von Johannes Paul II.
richtig ist, der immer wieder betonte, dass genuines Beten vom Heiligen Geist kommt
und von ihm getragen wird, dann muss dies für die theologische Bewertung von Religionen, die solche genuinen Gebets- und Meditationsformen entwickelten,
Auswirkungen haben. Der Heilige Geist wirkt ja nicht unabhängig von diesen
institutionellen Formen jahrhundertealter traditioneller Religiosität nur auf einsame
Individuen.
J. Ka';'.Unkal, Mission in the Comext of Other Religions. In: Vidyajyoti 64 (2000), S. 917-926.
918; Ubers. vom Verf.
18 Johannes Paul H., Enzyklika <Redemptoris Missio> über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrages, 7. Dez. 1990 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 100), Bonn, Nr. 29;
Hinweis von Fussnote 46 auf: Ansprache an die Kardinäle, die Päpstliche Familie und die Römische
Kurie und Prälatur, 22. Dez. 1986, 11. In: AAS 79 (1987), 1089.
19 Dies ist ja wohl die Ansicht der Glaubenskongregation, wenn in der Erklärung <Dominus Jesus> nur
von einer <credulitas> die Rede ist, von der gesagt wird, dass sie «religiöse Erfahrung (sei), die noch auf
17
der Suche nach der absoluten Wahrheit ist und der die Zustimmung zum sich offenbarenden Gott fehlt»
(Erklärung <Dominus Jesus>, Nr. 7).
20 Vgl. H. Waldenfels, Assisi 1986. In: Theologische Quartalschrift 169 (1989), S. 24-33. 30.
6
Die Heilsbedeutung der anderen Religionen
~s ist vielleicht das größte Ärgernis in der auch sonst umstrittenen Erklärung )minus
Jesus>, dass sie die Heilsbedeutung der anderen Religionen vollstän; zu eliminieren sucht
und die Religionen ausschließlich in den Bereich der ~nschlichen Erfahrung anzusiedeln
trachtet. Die in dieser Erklärung erstma
auftretende Unterscheidung zwischen einer <fides theologalis>, die es allein in :ltwort
auf die übernatürliche Offenbarung im Christentum gibt, und einer redulitas>, mit der die
in allen anderen religiösen Traditionen vorhandenen re~iösen Erfahrungen beschrieben
bzw. disqualifiziert werden, wird als eine ehraussage präsentiert, die es immer und überall
zu beachten gelte. Der Rück;hritt hinter die Einsichten einer Theologie der Religionen,
die sich schon in den )okumenten des 11. Vatikanischen Konzils finden, von den späteren
theologiehen Arbeiten auf diesem Feld ganz zu schweigen, ist wirklich eklatant. Hier, vie
in der später im Fall von Jacques Dupuis ergangenen abschließenden Erdärung
(Notificatio) der Glaubenskongregation,21 wird kategorisch erklärt, dass iie Annahme,
die nichtchristlichen Religionen könnten eine Heilsfunktion haDen, nicht mit der
katholischen Theologie vereinbar sei. Während in den Dokumenten des 11.
Vatikanischen Konzils, päpstlichen Enzykliken und anderen kirchlichen Aussagen zwar
auch nicht dezidiert davon gesprochen wird, dass dies der Fall ist, wird doch die Frage
insoweit offen gehalten. Zum einen wird Gottes Heilswirken im Heiligen Geist über den
Bereich der katholischen Kirche hinweg positiv angenommen, und zum anderen wird im
Hinblick auf die Heilsvermittlung von <Wegen> gesprochen, <die Gott allein kennt>.22
Wenn man aber an der sozialen Vermittlung von ethischen und religiösen Einsichten festhält,23 wird man nicht wieder auf die Konstruktion des individuellen, einsamen <guten
Heiden> zurückfallen wollen, sondern einräumen müssen, dass die religiösen Traditionen
wohl sehr wahrscheinlich mit zu den <Wegen> gehören, auf denen Gott das Heil anbietet.
Sind doch bloß <alte Antworten> legitim?
Die Erklärung <Dominus J esus> befindet sich in einem Dilemma. Auf der einen Seite
wird eingeräumt, dass die Theologie vor einer neuen und offenen Fragestellung im
Hinblick auf die Theologie der Religionen steht. Auf der anderen Seite werden aber
zugleich die alten Antworten und die sie bestimmenden theo
21 Kongregation für die Glaubenslehre, Notifikation bezüglich des Buches von P. Jacques Dupuis, <Verso
una teologia cristiana del pluralismo religioso>, 24. Jan. 2001. - englischer Titel des Buches: <Toward a
Christian Theology of Religious Pluralism> (Maryknoll1997).
22 «Auf Wegen, die er weiss»; vgl. 11. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der
Kirche <Ad Gentes>, Nr. 7.
23 Sicher besteht gie Ausübung der Religion zuerst in inneren, freien Akten der Gottesverehrung bzw. der
OHnung gegenüber der letzten Wirklichkeit, doch die «Sozialnatur des Menschen erfordert aber, dass
der Mensch innere Akte der Religion nach außen zum Ausdruck bringt, mit Anderen in religiösen
Dingen in Gemeinschaft steht und seine Religion gemeinschaftlich bekennt» (11. Vatikanisches Konzil,
Erklärung über die Religionsfreiheit <Dignitatis Humanae>, Nr. 3).
7
logischen Methoden und Inhalte festgeschrieben.24 Dieses Beharren auf der traditionellen theologischen Methode der westlichen Theologie signalisiert doch, dass in
Rom jedenfalls ungebrochen daran festgehalten wird, dass es so etwas wie eine
<theologia universalis catholica Romana> als verbindliche theologische Methode auch
weiterhin in einer katholischen Weltkirche geben kann und sogar geben sollte.25 Im
Umgang mit außereuropäischen Theologien, sei es mit lateinamerikanischen
Befreiungstheologien, afrikanischen Inkulturationsmodellen oder eben asiatischen
Formen von kontextuellen Theologien, wird seitens des zentralen kirchlichen Lehramts
bei kontroversen Fragen immer wieder auf die klassischen Formen europäischer
Theologie zurückgegriffen, um die Berechtigung und Orthodoxie der aussereuropäischen
Theologie in Frage zu stellen. Diese Einstellung gefährdet die Entwicklung der
katholischen Theologie, die innerhalb einer Weltkirche aus einer Vielzahl lokaler Kirchen
und eigenständiger kontextueller Theologien sich eben nicht länger nur einer kulturellen
und philosophischen Tradition verpflichtet fühlen kann. Die damit gegebene Freiheit zu
eigenständiger theologischer Entwicklung wurde den asiatischen Kirchen ausdrücklich in
der postsynodalen Erklärung <Ecclesia in Asia> bescheinigt, in der gesagt wird, dass «der
Glaube, den die Kirche (. . .) als Geschenk überlässt, nicht in die Schranken des
menschlichen Verstandes und der Ausdrucksweise irgendeiner menschlichen Kultur
gezwängt werden (kann), da er dieselbe übersteigt und in Wahrheit jede Kultur dazu
herausfordert, sich zu neuen Höhen des Verstehens und des Ausdrucks
aufzuschwingen».26
24 Dies wird noch einmal bei der Notifikation der Glaubenskongregation vom 24. Jan. 2001 bezüglich
des Buches von Jacques Dupuis, <Verso una teologia cristiana del pluralismo religioso>, deutlich. Die
Erklärung spricht wieder davon, dass in Hinblick auf die Theologie der Religionen und des religiösen
Pluralismus noch viel Forschungsbedarf besteht, gibt dann aber die bekannten Thesen von <Dominus J
esus> als absolut verbindlichen Rahmen vor und schränkt damit die Möglichkeiten der theologischen
Forschung weitestgehend ein. - Die in der Notifikation gemachten Vorgaben sind in acht Thesen
aufgeteilt, die eine Kurzfassung der Erklärung <Dominus Jesus> enthalten. Die erste wiederholt die
<einzige und universale Heilsvermittlung in Jesus Christus> und verurteilt alle Versuche, das
Heilswirken des Wortes von dem HeilswirkenJesu zu trennen. Die zweite These bestätigt die
<Einzigartigkeit und Fülle der Offenbarung Jesu Christi>, die in keinster Weise als begrenzt und einer
EIfüllung bedürftig angesehen werden darf. In der dritten These wird das <universale Heilswirken des
Heiligen Geistes> bestätigt. Alle theologischen Versuche, von einem Wirken des Heiligen Geistes über
das Heilswirken des inkarnierten Wortes hinaus zu sprechen, werden als mit der katholischen Lehre
unvereinbar zurückgewiesen. Die vierte These wiederholt die Lehre, dass die Kirche <Zeichen und
Instrument des Heils für alle Menschen> ist udd daher alle zu ihr gehören müssen. Die abschließende
fünfte These beschreibt Wert und Heilsfunktion der anderen religiösen Traditionen in sehr
einschränkender Weise. Dezidiert wird festgestellt, dass die These, diese Religionen seien Heilswege,
keine Grundlage in der katholischen Theologie habe. - Ein Blick auf die Fußnoten macht deutlich, dass
die zentralen Aussagen von <Dominus Jesus> in kondensierter Form auf das Buch von Jacques Dupuis
angewandt wurden.
25 In einem seiner letzten Beiträge sprach Karl Rahner 1984 von der Gefahr eines neuen Ritenstreits,
wenn die neuen Aufgaben und Herausforderungen durch die theologischen Aufbrüche in den Kirchen
Asiens, Afrikas und Lateinamerikas nicht zur Entwicklung kommen könnten, weil sie durch
Abwehrreaktionen des Lehramts und der traditionellen Theologie verhindert würden (K. Rahner,
Ritenstreit - neue Aufgaben für die Kirche. In: Schriften zur Theologie, Bd. 16, Zürich 1984, S. 174184).
26 Nachsynodales Apostolisches Schreiben <Ecclesia in Asia> über Jesus Christus, den Erlöser und seine
Sendung der Liebe und des Dienstes in Asien. 6. Nov. 1999 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhl
146), Bonn, Nr. 20.
8I
i
II
I
f
I
In der Reflexion auf die Theologie der Religionen und des interreligiösen Dialogs
machten asiatische Bischöfe und Theologen auf die Bedeutung der nonverbalen
Kommunikation aufmerksam und wiesen auf die Begrenztheit der begrifflichen
Kommunikation hin, die immer besteht, wenn es um die Vermittlung religiöser Erfahrung
geht. Die Theologie in der westlichen Tradition entfernte sich mit ihrer Betonung der
mentalen Durchdringung und konzeptionellen Formulierung in abstrakter Begrifflichkeit
oft weit von religiöser und theologischer Erfahrung des göttlichen, unsagbaren
Geheimnisses. Je größer der Abstand zum im religiösen Erleben ursprünglich gegebenen
Erschauern vor der Unergründbarkeit der göttlichen Wirklichkeit wird, umso stärker wird
die Versuchung, im Rekurs auf die sprachliche <Begrifflichkeit> dem Irrtum zu verfallen,
die Wirklichkeit des göttlichen Geheimnisses ließe sich in Begriffen <erfassen> und <begreifen>.27 In Asien herrscht dagegen die Einsicht vor, dass dem begrifflichen Erfassen
des göttlichen Geheimnisses klare Grenzen gesetzt sind, weil gerade die tiefsten
religiösen Erfahrungen, wie sie z. B. in der Erleuchtung (satori) gegeben sind, sich
weitgehend der sprachlichen Formulierung entziehen. Zwischen Personen mit der
gleichen religiösen Erfahrungstiefe gibt es dagegen eine nonverbale Form .~es SichMitteilens, die über das schweigende Meditieren, das gemeinsame Uben bestimmter
religiöser Riten und Meditationsformen einen Austausch ermöglicht, der eine hohe
Intensität und Dichte erreicht, ohne durch begriffliche Sprache transportierbar und
verifizierbar zu sein. Im Schlussdokument einer F ABC- Konferenz zum interreligiösen
Dialog wird dies so ausgedrückt:
Eigentümlich für diese Stufe ist das Festhalten der Gefühle in ihrer Gesamtheit, ein
Fließen mit dem Fließen des Herzens. Sich in der inneren Welt des Anderen zu Hause
fühlen, sehen und genießen, wie der Andere fühlt, mitklingen in der Ehrfurcht vor und in
der tiefen Achtung, mit der der Andere das Gespür für das Göttliche erfährtall dies ist
Teil des Vorbereitetseins auf den Dialog.28
27 Über die Grenzen der rationalen Durchdringung des göttlichen Geheimnisses hat Bede Griffiths (19061993), der lange Jahre als <Acharya> den Saccidananda-Aschram in Shantivanam, Südindien, leitete,
Folgendes zu sagen: «Solange wir glauben, dass der rationale Geist das All und Gott erkennen kann,
befinden wir uns genau in diesem Stadium der Illusion. Alle spirituellen Traditionen haben realisiert,
dass wir unsere rationale Erkenntnis und unser logisches Denken übersteigen müssen, um uns für die
Tiefendimension unseres Bewusstseins zu öffnen. Wenn wir dies tun, dann eröffnet sich uns eine andere
Perspektive. Solange aber unser Gott ein Gott des rationalen Bewusstseins bleibt und wir von ihm
erwarten, dass er sich so verhält, wie er sich verhalten sollte, dann haben wir keinen Platz für Gott. (...)
Sobald wir aber verstehen, dass Gott das Geheimnis ist, in das wir alle verwickelt sind, das Geheimnis
unserer Existenz, dann kann unser Verstand etwas Licht darauf werfen. Aber weit über den Verstand
hinaus gibt es einen intuitiven Instinkt, nämlich eine intuitive Kraft des Geistes, die in Wirklichkeit die
Kraft der Liebe ist. Es ist eine Erkenntnis aus Liebe. Wenn wir dies erkennen, dann sehen wir
anfanghaft, dass wir all das Leid und die Tragödie der Welt nicht rational erklären können» a.
Swindells [ed.], A Human Search. Bede Griffiths reflects on his life. An oral history, Liguori, Mo. 1997,
S. 121 f. Übers. vom Verf.).
28 Schlussdokument von BIRA IV/12. Siehe: G. B. Rosales / C. G. Arevalo (eds.), For All the
Peoples of Asia, op. cit., S. 332, Übers. vom Verf.). - Adolfo de Nicolas über die Probleme des
interreligiösen Dialogs: «Ich habe allerdings das Gefühl, dass der größte Teil der Furcht, die immer noch
in der Kirche gegenüber einem ernsthaften und offenen Dialog mit anderen Religionen besteht, auf einen
nicht formulierten Verdacht zurückgeht - auf den Verdacht, dass wir nicht die notwendige Tiefe haben,
um in den Dialog mit den asiatischen Meistern
9
christlicher Grundüberzeugungen betreiben, weil sie <Abstriche an der geoffenbarten
Wahrheit> machen, eine <schwache Christologie> vertreten, kurz, nicht die Fülle der
christlichen Offenbarung zur Sprache bringen. Bei diesen Vorwürfen handelt es sich auf
den ersten Blick um gerechtfertigte, ja notwendige Einwände, die es zu beachten gilt,
wenn die christliche Botschaft nicht verwässert und verdorben werden soll. Und doch
handelt es sich um eine Argumentation, die zwar sehr gradlinig auftritt, aber einäugig ist.
Es wird einfach vorausgesetzt, dass die Fülle der christlichen Botschaft <immer und
überall>, <sei es gelegen oder ungelegen> (2 Tim 4,2), verkündet werden muss. Diese
Einstellung bestimmte lange die Missionspraxis und brachte der Kirche viele Märtyrer
ein. Sie setzt die Verkündigung der christlichen Botschaft immer und überall gleich mit
<Krisis> des Bestehenden, d. h. mit einer Vorverurteilung allen nicht-christlichen Religionsguts als der christlichen Lehre widersprechend. Es ist eine im Letzten undialogische
Haltung.35
Die Entdeckung des <Dialogs> auf und nach dem 11. Vatikanischen Konzil förderte
eine theologische Neubewertung der anderen Religionen. Bisher führten diese
Erkenntnisse aber noch nicht zur Entwicklung einer neuen <dialogischen Sprache>, die
den hermeneutischen Implikationen der neuen theologischen Einsichten der Theologie
der Religionen entspricht. Es gibt eben verschiedene Sprachspiele innerhalb von Kirche
und Theologie. Die liturgische Sprache enthält Elemente der Anbetung, des Lobes, des
Dankes, der Fürbitte in einer direkten Zuwendung zu Gott, der als Schöpfer und Vater
angerufen wird. In der dogmatischen (lehrhaften) Sprache werden in philosophische
Terminologie Wahrheiten der christlichen Lehre in Abgrenzung gegen abweichende
Formulierungen dargestellt. In der apologetischen Sprache wird die christliche Lehre gegen Angriffe von außen verteidigt. In ihr wird versucht, die Unwahrheit der Gegenposition darzustellen. Bisher fehlt weithin das durch die neuen theologischen
Einsichten erforderlich gewordene Sprachspiel einer dialogischen Sprache. Die Sprache
und die zur Verfügung stehende Terminologie, mit der wir in einen Dialog mit Vertretern
anderer Religionen eintreten, sind ungeeignet auszudrücken, was sich im Dialog an neuen
Gesprächssituationen und Einsichten auftut. Oft machen wir zunichte, was dabei ist zu
entstehen, weil wir in einer Sprache stehen bleiben, die eigentlich nur binnenkirchlich
innerhalb der eigenen Gruppe einen Sinn ergibt. Sie enthält Bekenntnisformeln und
Aussagen, die im Dialog den Anderen <vereinnahmend> und <absolut> erscheinen.
Dogmatische Aussagen und Formulierungen über <Jesus Christus als den einzigen
Erlöser und Herrn>, über die <Einzigartigkeit der christlichen Offenbarung>, die
<Vorläufigkeit und Ergänzungsbedürftigkeit aller anderen religiösen Systeme> und vieles
andere mehr verhindern eine echte Begegnung mit der religiösen Wirklichkeit des An
35 In einer indischen Zeitschrift wird scharf kritisiert, dass die ersten christlichen Missionare unter den
Santals in Nordindien den höchsten Geist/Gott Maran Buru Bonga dem Teufel gleichsetzten. Denn die
Missionare urteilten nicht aufgrund von Feldforschungen, sondern nach kurzer Zeit der Anwesenheit und
aufgrund einer sehr flüchtigen Begegnung mit der traditionellen Religiosität der Santals, die von der der
Hindus sehr verschieden war und die ihnen <diabolisch> vorkam. Es sind solche <Vor-Urteile>, die in
der Debatte über die anderen Religionen eine theologisch tiefergehende Reflexion verhindern. Es wird
einfach angenommen und apriori argumentiert. V gl. T. Hembron, Maran Buru Bonga. Satan Equation a
Theological Crime. In: Indian Journal of Theology 38 (1996), Nr. 2, S. 43-54.
14
deren und seinen religiösen Erfahrungen. Wir schlagen mit unseren Vor-Urteilen viele
Türen zu bzw. verhindern, dass sie sich eventuell für uns öffnen. Gerade wenn wir uns
auf die religiöse Erfahrung einlassen, können wir kritisch überprüfen, inwieweit die
dogmatischen Formulierungen tatsächlich unsere Glaubens- Identität bestimmen. Oft sind
sie nicht mehr als ein hinderndes Korsett, das uns einsperrt, aber nicht lebendig macht.
Es ist ja kein Zufall, dass jemand wie Kardinal Josef Ratzinger die Ampel auf Rot
stellt, wenn von religiöser Erfahrung die Rede ist, weil er dies als für die Orthodoxie und
Bewahrung der christlichen Identität gefährlich ansieht,36 Eine dialogische Sprache setzt
eine Sensibilität für die Anderen voraus, eine Haltung der Offenheit ihnen gegenüber, das
Bestreben, eher inklusiv als exklusiv zu sein. Wir müssen uns lösen von der alten
Sprechweise und die Anderen nicht dadurch definieren, dass sie <Nicht-Christen> sind, d.
h. ausschließlich mit dem Kriterium zu messen, dass sie verschieden sind von uns. Damit
legen wir unseren Maßstab als letztgültig auf alle Anderen an. Ganz offensichtlich ist
diese Haltung oft ein Verteidigungsreflex gegenüber einer herausfordernden geistigen
und religiösen Welt, die als anders, fremd und daher für die eigene Identität bedrohlich
gesehen wird. Dabei zeigt sich, dass <Bewahrung der eigenen Identität>, die als
notwendig und als positives Bestreben dargestellt wird, in der Gefahr ist, zu einem
Popanz zu werden, der nur verschleiert. Es zeigt sich, dass wir nicht bereit sind, dem
Geist zu folgen, der weht, wo er will, konkret: außerhalb und jenseits der Grenzen unserer
Kirchlichkeit und Religion. Die Herausforderung des interreligiösen Dialogs liegt ja
gerade darin, die Grenzen zu übersteigen und sich auf dem offenen Platz der Agora, ohne
Schutz durch die Mauern der eigenen kirchlichen Strukturen, auf eine verändernde
Begegnung mit den Anderen einzulassen.
Eine ganz andere Problematik wird angesprochen, wenn man die <Sprachspiele> nicht
länger als die einzige Kommunikations- und Ausdrucksform religiöser Inhalte ansieht. In
der Diskussion zum interreligiösen Dialog in Asien hat man begonnen, sich der
Bedeutung der <non-verbalen> Kommunikation bewusst zu werden. Es gibt z. B. im
gemeinsamen schweigenden Meditieren eine Ebene des <Miteinander-Seins>, die
durchaus <kommunikativ> genannt werden kann, auch wenn sie ohne Worte und daher
auch nicht <definierbar> bleibt. Gesten und symbolische Handlungen haben ebenfalls
eine Ausdrucksebene, die nicht verbal wird, aber doch Kommunikation ist.
Ziel des interreligiösen Dialogs
Es wird gegen den interreligiösen Dialog häufig der Vorwurf erhoben, dass überhaupt
nicht klar sei, wohin der Dialog unter den Religionen ziele. Negativ lässt sich sicher am
leichtesten sagen, was nicht das Ziel des Dialogs sein kann:
36 Der Präfekt der Glaubenskongregation hielt bei der Begegnung mit indischen Bischöfen in Rom (21.24. Oktober 1996) ein Grundsatzreferat, in dem er vor der Gefahr warnte, jede Form von Offenbarung
auf die Kategorie der Erfahrung - ausdrücklich verwendete er dabei den sanskritischen Begriff
anubhava - zurückzuführen. Vgl. Meeting with the Bishops of lndia (21-24 October 1996). Report of
Cardinal Ratzinger and Theological Trends in 111dia. Doctrinal Commission of the CBCI, N ew Delhi
1998, S. 5-6.
15
Es geht nicht um die Begründung einer <Welteinheitsreligion>, die sich vielleicht als
synkretistisches Gebilde aus dem Verschnitt der verschiedenen religiösen Traditionen
erstellen ließe. Hier liegt ein klarer Unterschied zum ökumenischen Gespräch, das die
<Einheit> unter den Christen als <Einheit in Verschiedenheit> oder als <versöhnte
Vielfalt> zum Ziel hat, vor. Da es sich beim Dialog um ein geistiges Wagnis handelt, um
ein bewusstes Herausgehen aus dem festen Rahmen der eigenen Tradition, hat der Dialog
auch gewisse Gefahren und Risiken. Es ist jedoch schädlich, die Ziele des Dialogs so eng
zu fassen, dass eine geistige Entwicklung erst gar nicht stattfinden kann.37
Die Herausforderung des Dialogs liegt darin, die eigene geistige und religiöse
Erfahrung mit den Anderen zu teilen. Dadurch wird ein stärkeres Bewusstwerden der
Eigenart des eigenen religiösen Weges geschenkt. Aloysius Pieris hat mehrfach
beschrieben, wie er im Dialog mit den Buddhisten von diesen auf die spezifische Eigenart
des Christentums als <Religion der Agape> aufmerksam gemacht wurde. Es waren
buddhistische Mönche, die als zentrale Aussage des Christentums die <Option für die
Armen> ausmachten, in denen der durch Kreuz, Tod und Auferstehung entrückte Christus
auch heute noch in den Armen als seine <Stellvertreter> (Mt 25,31-46) gegenwärtig ist.38
Zugleich zeigt sich der Buddhismus im Dialog als <Religion der Gnosis> mit seinen
Stärken in der ~editation und mönchischen Tradition. Dialog ist immer die Entdeckung
von Ahnlichkeiten und Entsprechungen in den anderen Religionen, ohne dass dadurch die
bleibenden Verschiedenheiten alter Traditionsstränge verwischt werden. Es zeigt sich,
dass geistige und religiöse Entwicklungen im Gebet, in der Mystik, in ethischen und
asketischen Regeln Gesetzen folgen, die vielfach universal sind. Mit dem wachsenden
Verständnis für die Vielfalt und Eigenart der verschiedenen religiösen Traditionen kann
dann auch die Ehrfurcht vor dem einen großen Geheimnis wachsen, das wir Christen
<Gott und Vater J esu Christi> (2 Kor 1,3; Eph 1,3; 1 Petr 1,3) nennen. Es werden sich
weiter Möglichkeiten
37 In thesenhafter Form hat Raimundo Panikkar den interreligiösen Dialog so beschrieben: 1. Dialog ist
eine lebenswichtige Notwendigkeit auf dem persönlichen Gebiet, auf dem Gebiet der religiösen
Traditionen und auf dem historischen Gebiet. - 2. Daher muss der Dialog der
Religionen von seiner Grundlage her offen sein, d. h. keiner und nichts darf ausgeschlossen
werden. - 3. Dialog findet im Innern statt, d. h. er beginnt mit einer inneren Befragung, berührt das Innerste
des Herzens und ereignet sich im Herzen der Wirklichkeit. - 4. Was den linguistischen Aspekt angeht,
so ist der Dialog vom <Logos> befrachtet, d. h. er ist ein <Duo-Log> und schließt Bilingualität ein. - 5.
Politisch gesehen handelt es sich beim Dialog nicht um eine Privatsache, sondern um eine mit Theorie
befrachtete Praxis, die neue Theorien hervorbringt. Der Inhalt des Dialogs wird daher einen politischen
Kontext haben. - 6. Im Hinblick auf den Mythos durchsticht Dialog den Logos und lässt den <Mythos>
offen. Dialog versucht, an den Inhalten des Glaubens der Anderen teilzuhaben. Das Sich-Austauschen
über denselben Mythos bestimmt die Grenzen des Dialogs. - 7. Religiös gesehen hat der Dialog seine
letzte Quelle in der Erfahrung der eigenen Unzulänglichkeit. Er führt zu einer Reinigung der Religionen
und stellt in sich einen religiösen Akt dar. - 8. Dialog ist ferner eine ganzheitliche Aktivität, die
liturgischen Charakter hat und eine kosmische Rolle annimmt. - 9. Der Dialog hat immer einen
vorläufigen Charakter und stellt einen kontinuierlichen Prozess dar. Er ist trinitarisch und letztlich
gekennzeichnet durch seine Unvollkommenheit (R. Panikkar, The Encounter of Religions. The
Unavoidable Dialogue. In: Jnanadeepa, Pune Journal of Religious Studies 3 [2000] N r. 2, S. 151-177).
38 Vgl. A. Pieris, The Christhood of Jesus and the Discipleship of Mary. An Asian Perspective. In:
Logos 39 (2000) Nr. 3.
16
des gemeinsamen Einsatzes für den Aufbau einer menschlicheren Gesellschaft auf den
Gebieten einer gesamtmenschlichen Entwicklung, der sozialen Arbeit und der sozialen
Gerechtigkeit ergeben.
Die zukünftige Weiterentwicklung des Dialogs bleibt trotz aller Rückschläge und trotz
Angefochtenheit offen. Die Kirche wird mit der Freiheit Gottes rechnen, der in seinem
universalen Heilswillen alle Menschen sucht. In der eschatologischen Erwartung des
Kommens der Herrschaft Gottes in J esus Christus werden alle Christen nicht anders
können, als die endgültige Einheit der Menschen inJesus Christus verwirklicht zu sehen.
Für die <Zwischenzeit> bleibt aber die Verpflichtung für die Kirche, mit <allen
Menschen guten Willens> zusammenzuarbeiten und gleichzeitig den Auftrag (Mt 28,19f.)
zu erfüllen, allen Men~ schen die Botschaft anzubieten. Wie Petrus auf die Frage nach
dem Schicksal von Johannes die Antwort bekam: «Was geht das dich an?», so können
auch wir in Hinblick auf die anderen Weltreligionen formulieren: «Wenn ich will, dass
sie bis zu meinem Kommen bleiben, was geht das dich an? Du aber folge mir nach!» Goh
21,2~).
Das Verhältnis von Mission/Verkündigung und interreligiösem Dialog
Bei der Thematik des interreligiösen Dialog stellt das Verhältnis des Dialogs zur Mission
ein zentrales Problem dar. Handelt es sich bei der Beziehung zwischen Verkündigung und
Dialog um einen unüberwindbaren Gegensatz - eine der in der Diskussion vertretenen
Positionen - oder gibt es eine innere Affinität, so dass gesagt werden kann: Dialog ist die
neue Form der Mission - so die in römischen Dokumenten häufig vertretene These ?39 Es
sind im Wesentlichen zwei Positionen, die hier vertreten werden:
1. Der interreligiöse D~alog hat ausschließlich die Begegnung mit den Vertretern der
anderen Religionen zum Ziel, die prinzipiell insofern zweckfrei ist, als dass sie nicht
bewusst auf die Bekehrung des jeweiligen Partners im Dialog abzielt. Das bewusst
intendierte Ziel der Bekehrung würde zum Abbruch des Dialogs führen. Dialog ist daher
eindeutig von Mission zu unterscheiden.
2. Der interreligiöse Dialog ist zwar von der Mission verschieden, wird aber als eine
neue Methode der Missionstätigkeit angesehen. Diese Methode unterscheidet sich von der
alten Missionsmethode insofern, als dass sie in den anderen Religionen nicht mehr
ausschließlich die negativen Gegenspieler zum E vangelium sieht, sondern in ihnen
durchaus die <Samen des Wortes> (logoi spermatikoi) anerkennt, die aber auf ihre
Erfüllung im Evangelium angelegt sind und daher nur im Aufgehen in die christliche
Religion zur Fülle kommen.4o
39 So beispielhaft in der Missionsenzyklika <Redemptoris Missio>: «Der interreligiöse Dialog ist Teil
der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums» (Nr. 55).
40 Diese Position wird z. B. in der Missionsenzyklika <Redemptoris Missio>, Nr. 56 (mit einem Hinweis
auf das Konzilsdekret <Ad Gentes», vertreten: «Der Dialog entsteht nicht aus Taktik oder
Eigeninteresse, sondern hat Gründe, Erfordernisse und Würde eigener Art. Er kommt aus dem tiefen
Respekt vor allem, was der Geist, der weht, wo er will, im Menschen bewirkt hat. In ihm beabsichtigt
die Kirche, <die Saatkörner des Wortes> und die <Strahlen der Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet>, zu
entdecken - Saatkörner und Strahlen, die sich in den Personen und in den religiösen Traditionen der
Menschheit finden.»
217
,
Meine eigene Stellung ist die, dass zwischen Dialog und Verkündigung/Mission klar
und deutlich unterschieden werden sollte. Es gibt aber eine Reihe Elemente, die Dialog
und Verkündigung gemeinsam sind. Da ist zunächst das <Zeugnis>, das sich als
verbindende Klammer von Dialog und Verkündigung erweist und die Gemeinsamkeiten
wie auch die Unterschiede aufzeigt. Das Gemeinsame von Dialog und missionarischer
Verkündigung besteht darin, dass der christliche Partner in einem interreligiösen Dialog
wie auch der christliche Missionar in der missionarischen Verkündigung jeweils Zeugnis
ihres Glaubens an Jesus Christus geben. Der Inhalt dieses Zeugnisses wird in beiden
Fällen letztlich identisch sein, weil sowohl im Dialog wie auch in der missionarischen
Verkündigung das Gesamt des christlichen Glaubens zur Sprache kommt. Denn auch im
Dialog ist es nicht angängig, bestimmte Ele~ente des christlichen Glaubens, wie z. B. die
Missionsverpflichtung oder das Argernis des Kreuzes auszuklammern, weil diese
eventuell bei Partnern im Dialog aus anderen Glaubensüberzeugungen Widerspruch oder
Ablehnung hervorrufen könnten. In Einzelfällen mag es in Hinblick auf einen bestimmten
Kontext angezeigt sein, zunächst bestimmte Elemente des christlichen Glaubensgutes
zurückzustellen, um eine bessere Gesprächssituation herzustellen. Es würde aber gegen
den Geist des Dialogs verstoßen, wenn bestimmte Glaubensinhalte aus taktischen
Gründen überhaupt nicht zur Sprache gebracht würden. Bei der missionarischen Verkündigung wird ebenfalls die Rücksicht auf eine gegebene Situation das Vorgehen
bestimmen. Aber auch hier gilt, dass das Gesamt des Glaubens in der Form des
Zeugnisses zur Sprache kommen muss.
Die Unterschiede zwischen Dialog und missionarischer Verkündigung liegen nicht im
Inhalt des Zeugnisses, sondern in seiner jeweiligen Zielrichtung. Das.
dialogische Zeugnisgeben geht von der Voraussetzung aus, dass der Gesprächspartner aus
der anderen Glaubens- und Religionsgemeinschaft in seiner Religion zu Hause und
beheimatet ist. So wie ich als Christ mein Zeugnis gebe, wird der Gesprächspartner aus
der anderen Religionsgemeinschaft ebenfalls von seiner Glaubensüberzeugung Zeugnis
ablegen. Diese gegenseitige Bereitschaft zum Zeugnisgeben und Zeugnishören gehört
zum Wesen des interreligiösen Dialogs.
Das Zeugnis in der missionarischen Verkündigung hat eine kerygmatische
Ausrichtung, weil es sich an Personen richtet, von denen angenommen wird oder die dies
selbst bekunden, dass sie nicht, oder nicht mehr, in einer religiösen Gemeinschaft
beheimatet sind. Während im Dialog zwei gleichberechtigte Partner sich gegenseitig
Zeugnis von ihrer Glaubensüberzeugung geben, handelt es sich bei der missionarischen
Verkündigung um das einseitige Verhältnis von Verkünder und Empfänger der Botschaft.
Das Zeugnis zielt hier eindeutig darauf, dem nach neu~r Orientierung41 suchenden Hörer
den eigenen Weg, den eigenen Glauben zur Ubernahme anzubieten. Am Ende der
missionarischen Verkündigung steht daher die Erwartung, dass der Adressat sich unter
dem Einfluss der Gnade Gottes zur Bekehrung entschließen möge.
41 Zur Verwendung des Begriffs <Orientierung>, siehe die Diskussion in dieser Zeitschrift: H. J.
Ingenlath, Orientierung statt Mission. Zur Ambivalenz des Missionsbegriffs. In: Neue Zeitschrift für
Missionswissenschaft, 57 (2001), S. 45-51; F. Kollbrunner, Orientierung statt Mission? Eine
Entgegnung. In: Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, 57 (2001) S. 5253.
18
Bekehrung und interreligiöser Dialog
In der dialogischen Begegnung ist das Anstreben der Bekehrung der Anderen zur
eigenen Glaubensüberzeugung grundsätzlich ausgeschlossen und würde, wenn es bewusst
intendiert ist, den Dialog beenden. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass in der
dialogischen Begegnung immer auch die Offenheit für Veränderung und Bekehrung
vorhanden ist. In diesem Sinn gilt das Wort von Josef Ratzinger - es stammt aus seiner
Zeit, als er noch nicht der <oberste Glaubenswächter> war - der feststellte: «Dialog ist
kein konservatives Prinzip! »-t2 Damit sagte er, dass es zwar beim Eintritt in den Dialog
darum geht, die Anderen anzunehmen, <wie sie sind>. Dies darf aber nicht bedeuten,
dass man im Verlauf des Dialogs ihnen das Recht abspricht, sich zu verändern und zu
neuen Einsichten zu kommen, die auch die Abkehr von der bisherigen Religion und Hinwendung zu einer anderen Religion einschließen.
In einem offenen Dialog, in dem sich die Partner über die zentralen Glaubensüberzeugungen austauschen, wird sich auch <Bekehrung> ereignen. Es kommt zu
einer Rückbesinnung auf die tieferen Schichten der eigenen Glaubensüberzeugung, die
sich, gespiegelt in der Rezeption des eigenen Zeugnisses, in der zuhörenden Zuwendung
des religiös verschiedenen Partners, ereignet. Dieser Reinigungsprozess der eigenen
Glaubensüberzeugung hat durchaus den Charakter der Bekehrung zur Fülle des eigenen
Glaubens und seiner Anforderungen. Der Dialog gründet theologisch in der
Geschöpflichkeit und der daraus resultierenden grundsätzlichen Gleichheit und Solidarität
aller Menschen, die vom allgemeinen Heilswillen Gottes umfangen sind. Am Beginn des
Dialogs steht also die Annahme, in den anderen Religionen Elemente der göttlichen
Gnade zu finden, die unter Umständen in der eigenen Tradition verloren gegangen sind
oder sich noch nie haben entwickeln können, so dass auch eine sich als universal verstehende Religion wie das Christentum durchaus im Vollzug des Dialogs lernen und sich
bereichern lassen kann, also nicht ausschließlich gebend oder lehrend ist. Zugleich lässt
sich in der dialogischen Begegnung die Möglichkeit nicht ausschließen, da~.s es zu einer
<Bekehrung> kommt, ~.n der es zur Aufgabe der eigenen und der Ubernahme der
anderen religiösen Uberzeugung kommt.
Dialog un4. missionarische Verkündigung treffen sich im Zeugnisgeben von der
eigenen Uberzeugung, unterscheiden sich dagegen in der Form und Zielrichtung deutlich
voneinander. Beide gegeneinander auszuspielen, ist daher ein verfehltes Unternehmen.
Missionarische Verkündigung hat auch in der Vergangenheit nur dort ihr Ziel erreicht, wo
die Voraussetzungen gegeben waren, die darin bestanden, dass die Adressaten der
Botschaft auf der Suche nach neuer Orientierung und daher aufgeschlossen für das
Zeugnis der Botschaft waren. Versuche, missionarische Verkündigung in dialogische
Situationen einzuschmuggeln, werden dagegen nur auf Ablehnung und Abgrenzung
stoßen können.43 Es
42 Vgl.
J. Ratzinger, Das Problem der Beziehung von Mission und Dialog. In: ders., Das Neue
Gottes. EntwÜrfe zur Ekklesiologie, Düsseldorf 1969, S. 394-403.
Volk
43 Man kann gegen diese Position einwenden, dass damit die immer geltende Verpflichtung des
Missionsbefehls Mt 28, 19-20 aufgegeben werde, <allen Völkern> die Frohe Botschaft zu bringen. Dies
ist solange nicht der Fall, wie im Dialog auch immer Zeugnis vom Gesamt der christlichen Botschaft
abgelegt wird. Das Angebot, diese Frohe Botschaft zu hören, ist also durchaus gegeben.
19
gilt in jedem Fall die Gabe der Unterscheidung einzusetzen. Es gilt herauszufinden, in
welchen Situationen das immer geforderte Rede- und Antwortstehen im <Zeugnis vom
Grund unserer Hoffnung> (1 Petr 3,15) angebracht ist.
Ausblick
Es ist sicher ein Zeichen unserer Zeit, dass die Gelegenheiten für die dialogische
Begegnung im gegenseitigen Zeugnis durch Angehörige anderer Religionen gewachsen
sind. Die Erfahrung vom Wirken des Geistes über die Grenzen der jeweils eigenen
Religionsgemeinschaft hinaus kann so zum Lobpreis Gottes werden, der jeweils als
<Deus semper maior> oder <Allahu akhbar> erfahren wird. Die Missionsverpflichtung
des Christentums, das Evangelium allen Menschen zu bringen, muss immer auch im
Licht einer <Theologie der Stellvertretung> gesehen werden, wonach die Kirche das
<Sakrament des Heils> für die ganze Menschheit ist. Um diese Funktion auszufüllen,
muss die Kirche nicht alle Menschen zu ihren Mitgliedern zählen.44
Summary
Interreligious dialogue constitutes a special problem for the Asian minority Churches living
amidst the great Asian religions of Buddhism, Hinduism, Islam, Taoism and many other
religious traditions. The challenge of this lived experience of religious pluralism demands fresh
theological reflection. Asian theologians feel called tO respond tO this task to find new answers
tO the many theological problems hithertO not yet tackled in traditional Catholic theology. The
recent declaration <Dominus Jesus> of the Congregation for the DoCtrine of the Faith is seen by
Asian theologians as sharp criticism and rejection of many of their attempts tO formulate new
answers to the problem of religious pluralism, the role of other religions, their Holy Scriptures
and their founders. - The article presents the contribution of Asian Catholic theologians and
delineates the central problems of the role of the Holy Spirit, the aim of dialogue, the
hermeneutical problem of dialogicallanguage, the relations hip between dialogue and
proclamation. The present debate is an indication that there are still many open questions and
that there is a need tO allow theological reflection in order tO arrive at new answers.
20
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44 Zum Wesen der Kirche gehört das Prinzip der Stellvertretung, das die Bedeutung der <Wenigen> für
das Heil der <Vielen> sichtbar macht. Wie J. Ratzinger es formuliert hat: «Um die Rettung aller sein zu
können, muss sich die Kirche nicht auch äußerlich mit allen decken, sondern eher macht dies ihr Wesen
aus, dass sie in der Nachfolge Christi, des <Einen>, die Schar der <Wenigen> darstellt, durch die Gott
<die Vielen> retten will. Ihr Dienst wird zwar nicht von allen, woh! aber für alle getan» O. Ratzinger,
Stellvertretung. In: H. Fries [Hg.], Handbuch theologischer Grundbegriffe, Bd. 2, München 1963, S.
566-575. 574).
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