contra Eine alte A U S E I N A N D E R S E T Z U N G n e u aufgeheizt Reflexionsartige kurze Überlegungen MKV Tegetthoff Wien 5., Blechturmgasse 20 am Freitag, 11. November 2005 um 19:30 Uhr Max ANGERMANN alias Bundesbruder CHRYSOSTOMOS 2 D I S P O S I T I O N: 1. Ausgangsposition und Anlass: Artikel von Kardinal Schönborn in der „New York Times“ vom 7. Juli 2005 …………………………………………..3 2. Kernaussage dieses Artikels………………………………………………………….3 3. Wirkungsgeschichte des Artikels und die historische Last………………………...3 4. Die Verschiedenartigkeit der Themen……………………………………………….8 5. (Fragende) Feststellungen – ungelöste Probleme……………………………………9 6. Meditativer Text: Josef Dirnbeck……………………………………………………10 3 1. Ausgangsposition und Anlass: Artikel von Kardinal Schönborn in der „New York Times“ vom 7. Juli 2005 Kardinal Schönborn verglich seinen Artikel bildlich: Es ist wie mit einem brennenden Streichholz, das auf Asphalt fällt, es geht wieder aus und kein Schaden entsteht. Leider aber ist dieses Streichholz nicht verloschen, es hat vielmehr einen Heuhaufen getroffen, und es entwickelte sich ein fürchterlicher Brand. 2. Kernaussage des Artikels bzw. „Zündstoffstelle“: Der menschliche Verstand könne aus der Welt des Lebendigen heraus auch im Hinblick auf die Evolution leicht und klar einen Planer, also Gott erkennen. Jeder Wissenschafter, der die „überwältigende Evidenz für einen Planer“ leugne, sei unvernünftig oder ein Ideologe, aber kein Wissenschafter. 3. Wirkungsgeschichte des Artikels und die damit verbundene historische Last Zunächst bewirkte dieser Artikel große Aufregung, vor allem in naturwissenschaftlichen Kreisen, weil der Eindruck entstand, der Kardinal wolle allen Naturwissenschaftern ihren Glauben absprechen bzw. ein hoher Repräsentant der katholischen Kirche versuche wieder Religion und Theologie in eine vorrangige Position zu bringen, in der die Kirche das letzte Wort hätte, vielleicht sogar ihre Monopolstellung im Bereich der Bildungs- und Wertediskussion zurückgewinnen könnte. Der Kardinal sei überdies ein Fundamentalist, der die Bibel ganz wörtlich nähme und im Auftrag fundamentalistischer Kreise schreibe. Tatsächlich schenkten auch diese dem Artikel des Kardinals große Aufmerksamkeit. Glaube und Ideologie sind verschiedene Begriffe und auch streng auseinanderzuhalten: Ideologie ist vorgefasstes, streng abgegrenztes, aufgezwungenes Gedankengebäude mit vorgegebenen Verhaltensweisen und entsprechenden Sanktionen, wenn man sich widersetzt. Glaube ist grundsätzlich freiwillig, beruht auf Vertrauen. Die Gratwanderung ist schmal, die Kirchengeschichte zeigt, dass auch schon Glaube aufgezwungen wurde. Augustinus: Compelle intrare! (also: Zwingt ihnen das Glück auf!) Historische Lasten kommen wieder zur Sprache: Im Mittelalter: Die Theologie ist d i e führende Wissenschaft, alle anderen haben ihr zu dienen. => philosophia ancilla theologiae est. Die Universität war erst „volle“ Universität, wenn es eine theologische Fakultät gab. Beispiel Wien: Gründung der „Alma Mater Rudolfina“ im Jahre 1365, allerdings ohne theologische Fakultät. Diese gab es erst seit 1384. Die Bildung – hauptsächlich religiöse Bildung – lag gänzlich in den Händen der Kirche. Folge: Die Heilige Schrift ist nicht nur Glaubensbuch, sondern wird auch für naturwissenschaftliche Fragestellungen herangezogen. Entstehung der Welt und der ersten Menschen nachzulesen im Buch Genesis. Bemerkenswert: „Gott sah, dass alles (sehr) gut war.“ Die Bibel las und verstand man wörtlich! 4 Der Artikel von Kardinal Schönborn arbeitet überdies mit den thomistischen Gottesbeweisen, den „quinquae viae“,die auch theologisch heute nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Niemand kann beweisbar die Existenz Gottes leugnen, aber auch nicht eindeutig schlüssig feststellen, dass es Gott gibt. Der Christ vertraut im individuellen Bewusstsein auf Gewissheiten und Verheißungen, (z.B. Fürchtet, euch nicht, ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Zeiten!) die für ihn evidente Kraft haben, etwa durch mystische Erfahrungen, die aber nicht kommunikabel, sondern ganz persönliches Erleben, Erspüren und Erfühlen sind. Für Kardinal Schönborns Artikel war sicher der „teleologische Gottesbeweis“ des Thomas von Aquin gedankliche Basis, auf der die dem Seienden eingestiftete Finalität (=Zweckbestimmtheit) beruht. Renaissancezeit und Reformation: Geisteswissenschaftlich: Die Entdeckung der literaturhistorisch – kritischen Methode: Texte bzw. die Sprache muss aus der Zeit heraus verstanden werden. Die Sprache ist einer Wandlung unterworfen, auch in ihrem Bedeutungsgehalt. Folglich macht auch das Glaubensverständnis eine Wandlung durch. Dazu kommen noch Erfindungen und Entdeckungen, die in beinahe allen Lebensbereichen ihre Auswirkungen zeigen. Das führt zu schweren Glaubenskonflikten. Es kommt zur Verurteilung derer, die aufgrund naturwissenschaftlicher Versuche zu anderen Ergebnissen kommen, als sie in der Bibel nachzulesen sind. Plötzlich können auch Vorgänge in der Natur erklärt werden, die man früher als Wunder bezeichnet hat. Folge: Durch den wissenschaftlichen Fortschritt scheinen Glaube und Religion gefährdet. Da muss man etwas dagegen tun. So kommt es durch die Inquisition zu Verurteilungen: Galileo Galilei (1564 – 1642): Vor wenigen Jahren entdeckte man im Vatikanischen Geheimarchiv eine anonyme Anzeige gegen den Gelehrten aus dem Jahr 1628, also fünf Jahre vor seiner offiziellen Verurteilung. Darin wird Galileo Galilei von einem unbekannten Denunzianten beschuldigt, der Gelehrte verbreite in seinem Werk „Der Prüfer mit der Goldwaage“ die Irrlehre des Atomismus. Diese Lehre war aber schon in der Antike bekannt und wurde auch später zum Vorläufer der Theorien in der Atomphysik. Der Atomismus widersprach der Substanzlehre des Aristoteles (die ousia, das Seiende bzw. die hypostasis). Laut damaliger Vorstellung ist die substantia ein Seiendes, das seine Wirklichkeit als seine eigene hat, also in sich steht und nicht Träger von Akzidentien (=das zufällig Hinzukommende) ist. Anders gesagt: Die Substanz ist nicht mehr zerlegbar. In der katholisch scholastischen Sakramentenlehre lebt er in der Theorie der Transsubstantiation (heute eher Transfiguration) weiter, also der Wandlung des geistigen Wesens, kurzum auch ein Begriff aus der aristotelisch – thomistischen Philosophie und Theologie. Durch diese Theorie meinte der Denunziant zu wissen, Galilei stelle mit dem Atomismus (der kleinsten, feststehenden Einheiten) die Lehre von der Wandlung von Brot und Wein bei der Feier der Eucharistie in Frage. Der Anklagepunkt unter dem Titel „Und sie bewegt sich doch“ (1610) hängt mit der Entdeckung bzw. mit der Bestätigung zusammen, dass sich die Erde um die Sonne drehe. Weil Galilei aber ein treuer Katholik sein und bleiben wollte, musste er seinem ‚Irrtum’ mit einem Eid abschwören: „Ich, Galileo, Sohn des Vinzenz Galileo aus Florenz, siebzig Jahre alt, stand persönlich vor Gericht und ich knie vor Euch Eminenzen, die Ihr in der ganzen Christenheit die Inquisitoren gegen die ketzerische Verworfenheit seid. Ich habe vor mir die heiligen Evangelien, berühre sie mit der Hand und schwöre, dass ich immer geglaubt habe, auch jetzt glaube und mit Gottes Hilfe auch in Zukunft glauben werde, alles, was die heilige katholische und apostolische Kirche für wahr hält, predigt und lehrt. Es war mir von diesem Heiligen Offizium von Rechts wegen die Vorschrift auferlegt worden, dass ich völlig die falsche Meinung aufgeben müsse, dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie sich nicht bewegt, und dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie sich bewegt….Es war mir auch erklärt worden, dass jene Lehre der Heiligen Schrift zuwider sei. Trotzdem habe ich ein Buch geschrieben und zum Druck gebracht, in dem ich jene bereits verurteilte Lehre behandele und ..mit viel Geschick Gründe zugunsten derselben 5 beibringe….Daher schwöre ich mit aufrichtigem Sinn und ohne Heuchelei ab….“ Rom im Kloster der Minerva am 22. Juni 1633.“ (zitiert nach Denzler Georg: Das PapsttumGeschichte und Gegenwart, C:H: Beck, 2. Auflage 2004, Seite 87f). Überdies musste sich auch Galileo Galilei verpflichten, alle Ketzer oder der Ketzerei Verdächtigen, dem Heiligen Offizium anzuzeigen. In römischen Kreisen war man mit dem Urteil nicht sehr zufrieden. Papst Urban VIII. (1623 -1644), als Kardinal ein großer Gönner des Gelehrten, schützte ihn vor weiteren unangenehmen Folgen, in dem er ihm den Gefängnisaufenthalt ersparte und ihn im Palazzo Medici in Rom unter „Hausarrest“ stellte. Gaililei entdeckte mit Hilfe des Fernrohres Jupitermonde und später Sonnenflecken und Venusphasen. Galilei trat überdies auch für die kopernikanische Wende ein (benannt nach Nikolaus Kopernikus 1473 – 1543 aus deutsch-polnischem Mischgebiet): Die Erde bewegt sich um die Sonne. Diese Erkenntnis kam durch eigene Beobachtungen und Berechnungen des Nikolaus Kopernikus zustande und führt zum heliozentrischen Weltbild. Galilei wurde übrigens erst unter dem Pontifikat Johannes Paul II. rehabilitiert unter massiver Intervention von Kardinal König. Auch Johannes Kepler (1571 – 1630), kaiserlicher Astronom, beschreibt in seiner „Astronomia nova“ das erste und zweite Gesetz der Planetenbahnen, abgeleitet aus den genauen Marsbeobachtungen des Tycho Brahe, ebenso ist Keplers Schrift „Dioptrice“ über den „sechseckigen Schnee“ als Beginn einer Kristalltheorie bekannt. Der Vollständigkeit halber ist auch Isaak Newton (1643 – 1727) zu erwähnen, den Begründer der Physik als Wissenschaft. Er arbeitet auf der Forschung Keplers weiter und definierte Masse, Bewegungsgröße, Raum und Zeit in drei Grundgesetzen. Newton widmet sich auch theologischen Fragen, verneinte, dass strenge Wissenschaftlichkeit und christliche Gläubigkeit unter einen Hut zu bringen wären. Das heißt, es werden Naturgesetze aufgezeigt und damit die Erforschbarkeit der Natur begründet. Folge davon: Es kommt zu einer neuen Sicht vom Menschen, der in seine Natürlichkeit rückverwiesen wird und die Abbildlichkeit Gottes in Frage stellt. Unter diesen Bedingungen ist der Mensch in der Lage, sich rational über die Natur zu erheben und sich mit Hilfe seiner Fähigkeiten die Natur verfügbar zu machen. Dort liegen dann auch die Wurzeln für die naturwissenschaftlichen rationalen und empirischen Erkenntnisse. Das sind schon Voraussetzungen für eine spätere massiv einsetzende Religionskritik. Diese ist dann zu bejahen, wenn sie für die Religion eine reinigende Kraft darstellt, also ohne Polemik und Gehässigkeit arbeitet. Damit kommen wir bereits ins ausgehende 18. und 19. Jhdt. Feuerbach, Hegel, Marx sind die Wegbereiter der Religionskritik. Einen weiteren wichtigen Höhepunkt erreicht die Auseinandersetzung zwischen Naturwissenschaft und Theologie mit Charles Darwin (1809 – 1882). Sein Schlüsselwerk „On the Origin of Species“, also „Über die Entstehung der Arten“ (1859) löste große Aufregung aus. Darwin äußert sich darin über die Affenverwandtschaft des Menschen überhaupt nicht. Das hat eine andere Geschichte (siehe Wuketits: Darwinismus, Becksches Taschenbuch S 9). Darwins Leistung bestand darin, dass er einen Mechanismus für die Veränderung der Arten (=Evolution) anzugeben wusste, nämlich den der natürlichen Auslese oder Selektion. Das war revolutionierend genug. Darwins Selektionstheorie widerspricht grundsätzlich der in der abendländischen Geschichte vorherrschenden Vorstellung, dass die Welt von Absichten und Zielen getragen, Ergebnis eines „intelligenten Planes“ (=intelligent design) sei. Anstelle einer höheren Ordnung (oder „göttlicher Ordnung“) setzte Darwin eine natürliche Kraft und erschütterte seine Zeitgenossen mit der Bemerkung wie der, dass allein aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod die Entstehung neuer und komplexer Lebewesen hervorgehe. Das löste Wirbel und Befremden aus. Einer der gedanklichen Richtungen, die dagegen stark protestierten, waren die K r e a t i o n i s t e n (eine sehr „dogmatisch“ blockierende Richtung, evangelikale protestantische Christen, die die Bibel wortwörtlich verstehen und die alles daran setzen, diese Lehre nicht nur in den USA, sondern 6 auch in Europa zu verfestigen. Verhängnisvolles Beispiel dafür war der Scopes- Prozess 1925, auch als „Affenprozess“ bekannt. Im Februar 1925 wurde in Tennesee das Anti- Evolutionsgesetz herausgebracht. Dieses besagt, dass es an einer öffentlichen Schule verboten sei, irgendeine Theorie zu lehren, die die göttliche Erschaffung, wie sie in der Bibel stehe, leugnet und stattdessen die Evolutionstheorie bringe, dass auch die Menschheit von einer niedrigeren Tierstufe abstamme. In Dayton aber hielt der Lehrer John Thomas Scopes (1901 – 1970) in der High School seiner Klasse eine Unterrichtsstunde über die Evolution. Das brachte ihm eine Anklage ein. Der Prozess begann im Juli 1925 vor mehr als neunhundert Zuschauern. Die Anklage lautete auf „Unterricht im Widerspruch zur biblischen Genesis“. Obwohl das Urteil auf schuldig lautete, ging Scopes frei, weil der Richter seine Kompetenz überschritt und über den Lehrer eine Geldstrafe von 100$ verhängte. Die Festsetzung der Strafe durfte lediglich eine Jury bestimmen. Scopes gab seine Lehrtätigkeit auf und es kam zu keiner neuen Konfrontation. (siehe auch Internet- Artikel „Kreationismus der letzten Jahrzehnte in den USA“ mit umfangreichen Literaturangaben, aber ohne Verfassernamen). Damit ist aber dieses Problem noch nicht bereinigt, denn es gab bis ins 21. Jhdt. herauf Versuche, den Kreationismus zum Durchbruch zu verhelfen, ja ihn auch in Europa zu verbreiten. Dazu ein „Kurier“ – Artikel vom 4. Februar 2004: „Evolutionslehre weicht christlicher Schöpfungstheorie – Darwins Lehre aus dem Unterricht verbannt“. Auszugsweise sei angemerkt: „Im US- Bundesstaat Georgia wird das Wort ‚Evolution’ aus dem Biologieunterricht verbannt. Stattdessen soll von ‚Veränderungen im Laufe der Zeit’ die Rede sein. Auch wird die Geschichte der Erde künftig nicht mehr als ‚lange’ dargestellt. Mit derartigen Änderungen soll der Biologieunterricht in Einklang mit der christlichen Schöpfungslehre gebracht werden, berichtet die ‚New York Times.’ Georgia ist nicht der erste amerikanische Bundesstaat, der Darwins Evolutionstheorie aus den Schulbüchern gestrichen hat. Vor fünf Jahren hat der Bildungsausschuss von Kansas die Evolutionslehre auf Geheiß der dort sehr einflussreichen fundamentalistischen christlichen Gemeinde aus dem Lehrstoff der Schulen genommen.…….Manche Christen glauben, Gott habe die Erde und alles Leben auf ihr in sechs Tagen geschaffen. Auch die oberste Schulinspektorin von Georgia, Kathy Cox, hat sich auf die Seite der fundamentalistischen Eltern gestellt..“ Aus der Kronen- Zeitung vom 11. November 2005: „Schulen in Kansas lehren Zweifel an Evolutionslehre. – Auf Druck christlicher Fundamentalisten ändert Kansas seinen Lehrplan für den Biologieunterricht: Als fünfter US- Staat integriert es den Zweifel an Darwins Evolutionslehre in den Unterrichtsstoff. Vertreten wird das religiös geprägte, rückschrittliche ‚Intelligente Design’, wonach sich die Natur nicht durch Evolution allein entwickelt hat, sondern von höherer Gewalt gelenkt wird.“ Überdies sahen im 19. Jhdt. kirchliche Kreise die Erbsündenlehre in Frage gestellt. Die Sünde ging nach biblischer Darstellung von e i n e m Elternpaar (Adam und Eva) aus. => Mongenismus. Wie sollte sich so ein Sündenbegriff noch aufrechterhalten lassen, wenn es möglich ist, dass es gleichzeitig verschiedene Menschenarten und –paare gibt? => Polygenismus. Das II.Vatikanische Konzil (1962–1965) legt sich auf „Sündenverflochtenheit“ bzw. „Sündenverstricktheit“ fest, wodurch dann auch ein sehr entkrampftes Verhältnis zwischen Naturwissenschaft und Religion eintrat. Siehe auch: Konzilstext: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, 1. Hauptteil, Kapitel 13: „Der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch zum Bösen geneigt und verstrickt in vielfältige Übel, die nicht von seinem guten Schöpfer herkommen können.“ (Rahner Karl / Vorgrimler Herbert: Konzilskompendium, Verlag Herder S 460). Zur Erbsündenlehre:Herbert Vorgrimler: Neues theologisches Wörterbuch mit CD-ROM, Verlag Herder, 16. Auflage aus dem Jahr 2000 S 157: „Erbsünde, ein deutsches, missverständliches Wort, im 15.-16. Jahrhundert geprägt und von M. Luther (+1546) verbreitet, mit dem in der heutigen Theologie eine negative Vorprägung der ganzen Menschheit bezeichnet wird, eine Vorprägung, weil sie von Anfang an u. universal existiert und individuellen Fehlhaltungen 7 u. – entscheidungen vorausliegt, negativ, weil sie eine Schuldverflechtung („Unheilslast“) bedeutet, von der die Menschheitsgeschichte geprägt ist. Missverständlich ist das Wort, weil ‚Sünde’ in diesem Fall nicht eine zurechenbare Tat bedeutet u. weil eine wirkliche, verantwortbare Sünde nicht vererbt werden kann. Die klassische Theologie ging davon aus, dass der ‚erste Mensch’ (Adam und Eva) eine persönliche Sünde beging, die Ursünde (lat.: peccatum originale originans), deren Unheilsfolgen auf die Menschheit übergingen (peccatum originale originatum)….Der in Gen.3 erzählte ‚erste Sündenfall’ wird in der biblischen Weisheitsliteratur als Einbruch der Sünde in die Menschheitsgeschichte gedeutet, der den Tod der Menschen zur Folge gehabt habe (Sir. 25,24; Weish. 2, 24)…….Der Einfluss dieser Deutung auf Paulus ist offensichtlich; sein Rückgriff auf den mythologischen ‚Adam’, dessen Ungehorsam und die Folgen (Röm. 5, 12ff.; 7, 7 -12; 8, 20).dient als der klassische biblische Beleg für die kirchliche Lehre von der Erbsünde. Indessen lehrt Paulus aber keine Erbsünde, vielmehr führt er den Tod auf die zurechenbaren persönlichen Sünden aller zurück………Theologiegeschichtlich: Erste Ansätze zu einer Erbsündentheologie ergaben sich im 3. Jahrhundert durch die Praxis der Kindertaufe, aus der man schlussfolgerte, ’etwas’ im Kind sei der Vergebung bedürftig.“ Durch Übersetzungsfehler in der lateinischen Bibelübersetzung wird das auf Adam abgewälzt, wodurch durch Adams Samen das gesamte Menschengeschlecht in diese Sünde miteinbezogen wurde. Der N e o d a r w i n i s m u s entwickelt Darwins Lehre weiter durch die Erkenntnisse der Genetik und der Zellforschung. Die natürliche Auslese wird ergänzt durch das Phänomen der zufälligen Veränderung (=Mutation). Der Neodarwinismus hat längst die Gestalt eines S o z i a l d a r w i n i s m u s angenommen und zeigte sich im N a t i o n a l s o z i a l i s m u s und heute auch im N e o l i b e r a l i s m u s sehr deutlich. In beiden Ideologien wird die Selektion des Stärkeren forciert. Im Neoliberalismus ist zu hören: Dem Tüchtigen gehört die Welt. Die Menschenbilder, die daraus entstehen, sind keinesfalls christlich. Im 20. Jahrhundert macht die Naturwissenschaft einen gewaltigen Erkenntnissprung. Albert Einstein (1879- 1955), stammte aus nichtreligiöser jüdischer Familie. Er erhielt im Jahre 1921 den Physiknobelpreis. Im „annus mirabilis“ 1905 erbrachte er den theoretischen Beweis für die damals noch umstrittene Atom- Theorie. Einsteins Leistungen liegen in seiner Relativitätstheorie. Einstein hat die Allgemeine Relativitätstheorie 1916 formuliert auf dem Prinzip, dass sich Schwerkraft und Beschleunigung in ihrer Wirkung gleichen, dass sie äquivalent sind. Wenn man in einem Aufzug sitzt und nichts sieht, weiß man nicht, ist man beschleunigt oder spürt man die Kraft der Gravitation? Nach Jahren harter Arbeit kommt er u. a. auch zu der berühmten Gleichung: E=mc². Darin sind Materie und Energie verknüpft. Die Zeit ist nicht konstant, sondern abhängig von Bewegung, Masse und Körper. Raum und Zeit sind vierdimensional (gekrümmte Raumzeit). Der Raum ist gekrümmt, unsere Anwesenheit beeinflusst den Raum. Masse und Energie sind verschiedene Formen ein und derselben Sache. Einstein ist auch Mitbegründer der Quantentheorie. Dass es einen Schöpfer gibt, war für Einstein Gewissheit. Er hat aber jedes anthropomorphe (menschenähnlich) Gottesbild abgelehnt. Andererseits war sein Gottesbild wieder zu anthropomorph, sodass ihn das schließlich auf Irrwege geleitet hat. Denn eines von Albert Einsteins Dogmen war: Gott würfelt nicht. In der Quantenmechanik spielt der Zufall eine große Rolle, deshalb hat er diese abgelehnt. Die Idee, dass es einmal einen definitiven Anfang des Universums in Form des Urknalls (=Big Bang) gegeben habe, ist schon wieder an die achtzig Jahre alt. Diesem Urknall, der sich vor ca. 15 Mrd. Jahren ereignet haben soll, entstammt alle Materie und Energie im Universum. Im Anfang war das Universum unglaublich dicht und heiß, doch als es begann, sich auszudehnen, kühlte es ab. Noch immer dehnt es sich aus, die Galaxien entfernen sich immer weiter voneinander. Bereits 1927 stellte der belgische Astronom Georges Lemaitre die Hypothese auf, dass der Kosmos aus einem Punkt heraus entstanden sein muss. 1929 bewies der Astronom Edwin Hall, dass die Galaxien sich voneinander entfernen und das Universum sich ausdehnt. Die Entdeckung bildete auch die Grundlage der Urknalltheorie. Allgemein akzeptiert ist diese Ansicht jedoch erst seit 1965, als die sogenannte Hintergrundstrahlung – gleichsam ein Echo des Urknalls – von Arno Penzias und Robert Wilson entdeckt wurde. Der britische Physiker Stephen Hawking veröffentlichte 1988 seine Erkenntnisse in dem Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“. Nach Hawkings Theorie ist unser Universum zusammen mit einer unendlichen Zahl ähnlicher Universen Teil eines riesigen „Superuniversums.“ Die 8 Theorie vom Urknall ist eine Rechengeschichte, die wir als Modell kennen. Es war ja niemand dabei. Für die Religion bringt das überhaupt nichts. Einer, der sich Zeit seines Lebens um eine Versöhnung zwischen Glaube und Naturwissenschaft bemüht hat, war Teilhard de Chardin SJ (1881- 1955). Er versuchte aus diesem enormen Spannungsverhältnis von Schöpfung und Evolution auszubrechen. Als Professor für Geologie am Institut Catholique in Paris sah er in der Evolution keinen Widerspruch zum Schöpfungsglauben. Er griff den Evolutionsgedanken positiv auf und interpretierte ihn theologisch bzw. christologisch: Der auferstandene Herr ist zugleich der kosmische, universale Christus, der von Anfang an als „Alpha“ die Welt durchdringt und sie als Motor der Evolution durchwirkt. Als „Omega“ ist er – in der Kraft der Liebe- das Ziel aller geschichtlichen und kosmischen Prozesse, die in ihm Einheit und Vollendung finden. Der Vatikan hatte keine Freude mit diesen Ergebnissen, ebenso distanzierte sich auch gelegentlich die Ordensleitung von ihm. Einige Werke Teilhard de Chardins kamen sogar auf den Index. Diese Entfremdung ist aber zum allergrößten Teil heute beseitigt, nur vereinzelt gibt es noch skeptisch distanzierte Stimmen. Der religionspädagogische Aspekt: Ein Kurztext für Volksschüler sagt: „Gott hat die Kälbchen, die Wolken, die Sterne und die Kinder gemacht.“ Den Kindern wird so ein Gottesbild dargestellt, das den lieben Gott als den großen Techniker zeigt. Schöpfung ist aber nichts „Gemachtes“ oder „Erzeugtes“, sondern sie entspricht vielmehr dem, was in den Bildern „Atem schöpfen“ oder „Hoffnung schöpfen“ ausgesagt wird. Die Erkenntnis des Geschaffenseins der Welt beginnt bei der ganz persönlichen Erfahrung, dass ich ständig gefordert bin anzunehmen, dass mir eine eigene unverwechselbare Identität zukommt, mein eigenes Sein. Dass das Erste Testament bereits mit der Erschaffung von Himmel und Erde beginne, ist eher eine redaktionelle Entscheidung. Das Kapitel Genesis gehört eigentlich zu den jüngeren. Es müsste besser mit dem Buch Exodus beginnen, denn dort kommt die Bundeserfahrung zur Sprache. Die Menschen sind mit Gott verbunden, denn Gott hat mit ihnen einen Bund geschlossen. IAHWE heißt: Ich- bin –der- ich- bin- da. Die Schöpfung ist kein einmaliger Akt, der irgendwann einmal stattgefunden hat (statisch), sie ist nur in ihrer Zeitlichkeit verstehbar. Jeder Augenblick ist in der Schöpfung ein Novum, in dem Vergangenes in Zukünftiges (hin zum einmal vollendeten Reich Gottes) eingebracht wird. Nach all den Auseinandersetzungen meldete sich auch Papst Benedikt XVI. zu Wort, indem er den Vorstoß Kardinal Schönborns gegen die Evolutionslehre unterstützt. Einem Artikel aus der Zeitung „Die Presse“ vom 12. November 2005 ist zu entnehmen, dass der Papst „am Mittwoch bei einer Meditation zum Psalm 135 expressis verbis vom ‚intelligenten Plan’ des Kosmos gesprochen hat……..Er erinnerte an den östlichen Kirchenvater Basilios von Caesarea, der in einer Predigt über den biblischen Schöpfungsbericht sagte: ‚Einige, die sich vom Atheismus verführen ließen, den sie in sich trugen, stellten sich ein Universum ohne Führung und Ordnung vor, das dem Zufall ausgeliefert ist.’ Überraschend aktuell finde er diese Worte, erklärte der Papst. ‚Wie viele von diesen einigen gibt es heute? Sie meinen und versuchen zu beweisen, dass es wissenschaftlich sei zu denken, alles sei ohne Ziel und Ordnung , wie dem Zufall ausgeliefert. Der Herr weckt mit der Heiligen Schrift die schlafende Vernunft und sagt uns: Am Anfang ist das schöpferische Wort, das alles geschaffen hat, das diesen intelligenten Plan geschaffen hat, der der Kosmos ist – auch Liebe.’ Damit widersprach der Papst auch implizit, dem Direktor der vatikanischen Sternwarte, George Coyne: Er hatte laut kathpress erklärt, die Evolutionstheorie sei eine ‚wissenschaftlich sehr gut begründete Theorie’ und damit mit der Lehre der Kirche vereinbar.“ 4. Die Verschiedenartigkeit der Themen: 9 In der jetzigen Auseinandersetzung redet man von zwei verschiedenen Dingen: Die Evolutionstheorie ist eine wissenschaftliche Theorie, während die Rede über den göttlichen Plan hinter der Evolution eine Sicht der Dinge ist. Als solche ist sie weder verifizierbar noch falsifizierbar, also ein Nullsummenspiel. Vielmehr wäre zu fragen: Wo steht Gott für mich? Das ist etwas ganz Persönliches. Aus dieser Feststellung ergibt sich auch die Methodenfrage: Naturwissenschaftliche Fragen und Aussagen folgen einem methodologischen Atheismus, der Gott als Schöpfer, als ordnende und lenkende Weisheit ausklammern muss. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun. Der Naturwissenschafter hat seine Gesetze zu beweisen. Die kritische Theologie versucht diese Spannungen, die zwischen Naturwissenschaft und Religion entstanden sind, zu ergründen. Steckt dahinter ein bildungsfeindliches Christentum? Will man verunsicherten Menschen „Sicherheiten“ anbieten durch ein wortwörtliches Bibelverständnis? Warum fürchtet die Kirche noch immer die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft, vor allem mit der Naturwissenschaft? Keine Wissenschaft ist abgerundet, vollständig, sondern immer um neue Erkenntnisse erweiterbar. Das gilt auch für den Glauben. Die Motivsuche wird und muss seitens der Theologie fortgesetzt werden. Für die Theologie stellt sich neuerdings die wichtige Aufgabe, ohne Ausklammerung der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Schöpfungsglauben durch die Generationen zu tragen, „getrieben vom Heiligen Geist im Auftrag Gottes zu reden“ (2 Petr.1, 21). Dazu gehört auch, dass wir Rechenschaft geben, warum unser Herz voller Hoffnung ist. Das heißt auch, dass Glaube durchaus auf Vernunft beruht, die in Weisheit übergehen soll (siehe: Konzilstext, II. Vatikanum: „Gaudium et spes“, Artikel 15).Trotzdem gibt es auch Geheimnisse, für uns unlösbare Fragen. Keine der wissenschaftlichen Disziplinen darf ihre Kompetenzen überschreiten, sehr wohl darf man aber nach einer Zusammenschau suchen. Der Naturwissenschafter und Einstein- Schüler, Prof. Walter Thirring, spricht von einem freien Lauf. Es ist nicht der ganz freie Lauf. Gott hat gewisse Gesetze gemacht, aber es gibt auch sehr viele zufällige freie Varianten. Alles zusammen ergibt dann den Lauf, der schließlich zum Menschen führt. Da kann man dann den weisen Plan Gottes sehen oder nicht sehen – je nachdem! Es ist somit nicht möglich, daraus Beweise / Gottesbeweise zu erstellen. 5. (Fragende) Feststellungen und ungelöste Probleme: In der heftigen Diskussion werden- wie bereits erwähnt – Begriffe bzw. Themenbereiche durchmischt. Die Bibel ist G l a u b e n s b u c h mit vielen Lebenserfahrungen von Menschen, ein Buch der Gottesbegegnung Gott – Mensch, kein Physik,- Geographie,- Biologiebuch. Gott offenbart sich durch Menschen, daher Gottes Wort in der unvollkommenen Sprache der Menschen. Die Bibel bietet ein statisches Weltbild an. Wir wissen aber spätestens seit dem Zeitalter der Erfindungen und Entdeckungen, dass das Schöpfungsgeschehen ein ununterbrochenes Werden und Vergehen, ein Fressen und Gefressenwerden ist, also sehr dynamisch. Thomas von Aquin lebt einige Jahrhunderte vor Galileo Galilei. Daher ist auch sein Weltbild anders. Ein Beweis im Sinn der heutigen Wissenschaftssprache ist eine logische Schlussfolgerung aus vorgegebenen Sachverhalten oder Sätzen (Prämissen), die als wahr oder richtig ausgewiesen worden sind. Die gegenwärtige Theologie geht zu diesen „Gottesbeweisen“ auf Distanz. Der Artikel von Kardinal Schönborn orientiert sich aber an den „thomistischen Gottesbeweisen.“ Karl Rahner(+1984) ist die Einsicht zu verdanken, dass alle diese „Gottesbeweise“ ihr Ziel einer vernünftigen, 10 aber nicht zwingenden Vergewisserung des Daseins Gottes nur in dem Maß erreichen, als der einzelne zu glauben bereit ist, dass sein Leben mit dem irdischen Tod nicht zu Ende sei. Das ist Glaube, der auf Vertrauen beruht und nicht bewiesen werden kann. Auch Thomas, der Zwilling, hatte seine liebe Not damit. Die Fragen nach Leid, Tod, Krankheit, Unglück, Naturkatastrophen sind damit keineswegs beantwortet wegen unserer geringen Sicht hinter die Dinge. Wir haben bestenfalls Erklärungsversuche=> T h e o d i z e e f r a g e!! Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass diese Schöpfung unvollständig ist, dass es viele Irrläufe in Form von Katastrophen gibt und gegeben hat. Ein sehr provokant zynischer Schluss könnte lauten: Gott hat die Welt erschaffen und sah, dass sie (sehr) gut war, Gott Sohn kommt, um sie zu reparieren bzw. zu erlösen, um das, was nicht gut war, in Ordnung zu bringen. Muss sich Gott also selber korrigieren, gegen sich selbst Wunder wirken? Teilhard de Chardin will eine Harmonie von Naturwissenschaft und Theologie herstellen, ist sich aber bewusst, dass das nicht leicht ist (siehe seinen Text „Hymne an die Materie“) Kann jeder Wissenschafter, auch der ungläubige, diesen Planer erkennen? Wenn wir ihn erkennen, wozu dann noch glauben? Soll man sich von Gott ein Bild über Beweise machen? Der Mystiker Eckehart sagt: „Hätte ich einen Gott, den ich erkennen könnte,ich könnte ihn nimmer anerkennen.“ Siehe auch Jes. 55,9: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“ 6. Meditativer Text von Josef Dirnbeck Der Marxist spricht vom Opium, der Psychoanalytiker spricht von der Illusion; Wir wagen zu sagen: Vater im Himmel. Die Naturwissenschafter nennen es Urknall, die Esoteriker nennen es kosmische Energie; Wir wagen zu sagen: Schöpfung. Die einen sehen im Menschen einen Irrläufer der Evolution, die anderen nennen ihn tierischer als jedes Tier; Wir wagen zu sagen: Abbild Gottes.