Naturwissenschaft contra Theologie

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contra
Eine alte A U S E I N A N D E R S E T Z U N G
n e u aufgeheizt
Reflexionsartige kurze Überlegungen
MKV Tegetthoff Wien 5., Blechturmgasse 20
am Freitag, 11. November 2005 um 19:30 Uhr
Max ANGERMANN alias Bundesbruder CHRYSOSTOMOS
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D I S P O S I T I O N:
1. Ausgangsposition und Anlass: Artikel von Kardinal Schönborn in
der „New York Times“ vom 7. Juli 2005
…………………………………………..3
2. Kernaussage dieses Artikels………………………………………………………….3
3. Wirkungsgeschichte des Artikels und die historische Last………………………...3
4. Die Verschiedenartigkeit der Themen……………………………………………….8
5. (Fragende) Feststellungen – ungelöste Probleme……………………………………9
6. Meditativer Text: Josef Dirnbeck……………………………………………………10
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1. Ausgangsposition und Anlass: Artikel von Kardinal Schönborn in der „New York
Times“ vom 7. Juli 2005
Kardinal Schönborn verglich seinen Artikel bildlich: Es ist wie mit einem brennenden
Streichholz, das auf Asphalt fällt, es geht wieder aus und kein Schaden entsteht. Leider aber
ist dieses Streichholz nicht verloschen, es hat vielmehr einen Heuhaufen getroffen, und es
entwickelte sich ein fürchterlicher Brand.
2. Kernaussage des Artikels bzw. „Zündstoffstelle“:
Der menschliche Verstand könne aus der Welt des Lebendigen heraus auch im Hinblick auf
die Evolution leicht und klar einen Planer, also Gott erkennen. Jeder Wissenschafter, der die
„überwältigende Evidenz für einen Planer“ leugne, sei unvernünftig oder ein Ideologe, aber
kein Wissenschafter.
3. Wirkungsgeschichte des Artikels und die damit verbundene historische Last
Zunächst bewirkte dieser Artikel große Aufregung, vor allem in naturwissenschaftlichen
Kreisen, weil der Eindruck entstand, der Kardinal wolle allen Naturwissenschaftern ihren
Glauben absprechen bzw. ein hoher Repräsentant der katholischen Kirche versuche wieder
Religion und Theologie in eine vorrangige Position zu bringen, in der die Kirche das letzte
Wort hätte, vielleicht sogar ihre Monopolstellung im Bereich der Bildungs- und
Wertediskussion zurückgewinnen könnte. Der Kardinal sei überdies ein Fundamentalist, der
die Bibel ganz wörtlich nähme und im Auftrag fundamentalistischer Kreise schreibe.
Tatsächlich schenkten auch diese dem Artikel des Kardinals große Aufmerksamkeit.
Glaube und Ideologie sind verschiedene Begriffe und auch streng auseinanderzuhalten:
Ideologie ist vorgefasstes, streng abgegrenztes, aufgezwungenes Gedankengebäude mit
vorgegebenen Verhaltensweisen und entsprechenden Sanktionen, wenn man sich widersetzt.
Glaube ist grundsätzlich freiwillig, beruht auf Vertrauen. Die Gratwanderung ist schmal, die
Kirchengeschichte zeigt, dass auch schon Glaube aufgezwungen wurde. Augustinus:
Compelle intrare! (also: Zwingt ihnen das Glück auf!)
Historische Lasten kommen wieder zur Sprache:
Im Mittelalter: Die Theologie ist d i e führende Wissenschaft, alle anderen haben ihr zu
dienen. => philosophia ancilla theologiae est. Die Universität war erst „volle“ Universität,
wenn es eine theologische Fakultät gab. Beispiel Wien: Gründung der „Alma Mater
Rudolfina“ im Jahre 1365, allerdings ohne theologische Fakultät. Diese gab es erst seit 1384.
Die Bildung – hauptsächlich religiöse Bildung – lag gänzlich in den Händen der Kirche.
Folge: Die Heilige Schrift ist nicht nur Glaubensbuch, sondern wird auch für
naturwissenschaftliche Fragestellungen herangezogen. Entstehung der Welt und der ersten
Menschen nachzulesen im Buch Genesis. Bemerkenswert: „Gott sah, dass alles (sehr) gut
war.“ Die Bibel las und verstand man wörtlich!
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Der Artikel von Kardinal Schönborn arbeitet überdies mit den thomistischen Gottesbeweisen,
den „quinquae viae“,die auch theologisch heute nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Niemand
kann beweisbar die Existenz Gottes leugnen, aber auch nicht eindeutig schlüssig feststellen,
dass es Gott gibt. Der Christ vertraut im individuellen Bewusstsein auf Gewissheiten und
Verheißungen, (z.B. Fürchtet, euch nicht, ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der
Zeiten!) die für ihn evidente Kraft haben, etwa durch mystische Erfahrungen, die aber nicht
kommunikabel, sondern ganz persönliches Erleben, Erspüren und Erfühlen sind. Für Kardinal
Schönborns Artikel war sicher der „teleologische Gottesbeweis“ des Thomas von Aquin
gedankliche Basis, auf der die dem Seienden eingestiftete Finalität (=Zweckbestimmtheit)
beruht.
Renaissancezeit und Reformation: Geisteswissenschaftlich: Die Entdeckung der literaturhistorisch – kritischen Methode: Texte bzw. die Sprache muss aus der Zeit heraus verstanden
werden. Die Sprache ist einer Wandlung unterworfen, auch in ihrem Bedeutungsgehalt.
Folglich macht auch das Glaubensverständnis eine Wandlung durch. Dazu kommen noch
Erfindungen und Entdeckungen, die in beinahe allen Lebensbereichen ihre Auswirkungen
zeigen. Das führt zu schweren Glaubenskonflikten.
Es kommt zur Verurteilung derer, die aufgrund naturwissenschaftlicher Versuche zu anderen
Ergebnissen kommen, als sie in der Bibel nachzulesen sind. Plötzlich können auch Vorgänge
in der Natur erklärt werden, die man früher als Wunder bezeichnet hat. Folge: Durch den
wissenschaftlichen Fortschritt scheinen Glaube und Religion gefährdet. Da muss man etwas
dagegen tun. So kommt es durch die Inquisition zu Verurteilungen:
Galileo Galilei (1564 – 1642): Vor wenigen Jahren entdeckte man im Vatikanischen
Geheimarchiv eine anonyme Anzeige gegen den Gelehrten aus dem Jahr 1628, also fünf Jahre
vor seiner offiziellen Verurteilung. Darin wird Galileo Galilei von einem unbekannten
Denunzianten beschuldigt, der Gelehrte verbreite in seinem Werk „Der Prüfer mit der
Goldwaage“ die Irrlehre des Atomismus. Diese Lehre war aber schon in der Antike bekannt
und wurde auch später zum Vorläufer der Theorien in der Atomphysik. Der Atomismus
widersprach der Substanzlehre des Aristoteles (die ousia, das Seiende bzw. die hypostasis).
Laut damaliger Vorstellung ist die substantia ein Seiendes, das seine Wirklichkeit als seine
eigene hat, also in sich steht und nicht Träger von Akzidentien (=das zufällig
Hinzukommende) ist. Anders gesagt: Die Substanz ist nicht mehr zerlegbar. In der katholisch
scholastischen Sakramentenlehre lebt er in der Theorie der Transsubstantiation (heute eher
Transfiguration) weiter, also der Wandlung des geistigen Wesens, kurzum auch ein Begriff
aus der aristotelisch – thomistischen Philosophie und Theologie. Durch diese Theorie meinte
der Denunziant zu wissen, Galilei stelle mit dem Atomismus (der kleinsten, feststehenden
Einheiten) die Lehre von der Wandlung von Brot und Wein bei der Feier der Eucharistie in
Frage. Der Anklagepunkt unter dem Titel „Und sie bewegt sich doch“ (1610) hängt mit der
Entdeckung bzw. mit der Bestätigung zusammen, dass sich die Erde um die Sonne drehe.
Weil Galilei aber ein treuer Katholik sein und bleiben wollte, musste er seinem ‚Irrtum’ mit
einem Eid abschwören: „Ich, Galileo, Sohn des Vinzenz Galileo aus Florenz, siebzig Jahre alt,
stand persönlich vor Gericht und ich knie vor Euch Eminenzen, die Ihr in der ganzen
Christenheit die Inquisitoren gegen die ketzerische Verworfenheit seid. Ich habe vor mir die
heiligen Evangelien, berühre sie mit der Hand und schwöre, dass ich immer geglaubt habe,
auch jetzt glaube und mit Gottes Hilfe auch in Zukunft glauben werde, alles, was die heilige
katholische und apostolische Kirche für wahr hält, predigt und lehrt. Es war mir von diesem
Heiligen Offizium von Rechts wegen die Vorschrift auferlegt worden, dass ich völlig die
falsche Meinung aufgeben müsse, dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie
sich nicht bewegt, und dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie sich
bewegt….Es war mir auch erklärt worden, dass jene Lehre der Heiligen Schrift zuwider sei.
Trotzdem habe ich ein Buch geschrieben und zum Druck gebracht, in dem ich jene bereits
verurteilte Lehre behandele und ..mit viel Geschick Gründe zugunsten derselben
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beibringe….Daher schwöre ich mit aufrichtigem Sinn und ohne Heuchelei ab….“ Rom im
Kloster der Minerva am 22. Juni 1633.“ (zitiert nach Denzler Georg: Das PapsttumGeschichte und Gegenwart, C:H: Beck, 2. Auflage 2004, Seite 87f). Überdies musste sich
auch Galileo Galilei verpflichten, alle Ketzer oder der Ketzerei Verdächtigen, dem Heiligen
Offizium anzuzeigen. In römischen Kreisen war man mit dem Urteil nicht sehr zufrieden.
Papst Urban VIII. (1623 -1644), als Kardinal ein großer Gönner des Gelehrten, schützte ihn
vor weiteren unangenehmen Folgen, in dem er ihm den Gefängnisaufenthalt ersparte und ihn
im Palazzo Medici in Rom unter „Hausarrest“ stellte.
Gaililei entdeckte mit Hilfe des Fernrohres Jupitermonde und später Sonnenflecken und
Venusphasen. Galilei trat überdies auch für die kopernikanische Wende ein (benannt nach
Nikolaus Kopernikus 1473 – 1543 aus deutsch-polnischem Mischgebiet): Die Erde bewegt
sich um die Sonne. Diese Erkenntnis kam durch eigene Beobachtungen und Berechnungen
des Nikolaus Kopernikus zustande und führt zum heliozentrischen Weltbild. Galilei wurde
übrigens erst unter dem Pontifikat Johannes Paul II. rehabilitiert unter massiver Intervention
von Kardinal König.
Auch Johannes Kepler (1571 – 1630), kaiserlicher Astronom, beschreibt in seiner
„Astronomia nova“ das erste und zweite Gesetz der Planetenbahnen, abgeleitet aus den
genauen Marsbeobachtungen des Tycho Brahe, ebenso ist Keplers Schrift „Dioptrice“ über
den „sechseckigen Schnee“ als Beginn einer Kristalltheorie bekannt. Der Vollständigkeit
halber ist auch Isaak Newton (1643 – 1727) zu erwähnen, den Begründer der Physik als
Wissenschaft. Er arbeitet auf der Forschung Keplers weiter und definierte Masse,
Bewegungsgröße, Raum und Zeit in drei Grundgesetzen. Newton widmet sich auch
theologischen Fragen, verneinte, dass strenge Wissenschaftlichkeit und christliche
Gläubigkeit unter einen Hut zu bringen wären.
Das heißt, es werden Naturgesetze aufgezeigt und damit die Erforschbarkeit der Natur
begründet. Folge davon: Es kommt zu einer neuen Sicht vom Menschen, der in seine
Natürlichkeit rückverwiesen wird und die Abbildlichkeit Gottes in Frage stellt. Unter diesen
Bedingungen ist der Mensch in der Lage, sich rational über die Natur zu erheben und sich mit
Hilfe seiner Fähigkeiten die Natur verfügbar zu machen. Dort liegen dann auch die Wurzeln
für die naturwissenschaftlichen rationalen und empirischen Erkenntnisse. Das sind schon
Voraussetzungen für eine spätere massiv einsetzende Religionskritik. Diese ist dann zu
bejahen, wenn sie für die Religion eine reinigende Kraft darstellt, also ohne Polemik und
Gehässigkeit arbeitet. Damit kommen wir bereits ins ausgehende 18. und 19. Jhdt. Feuerbach,
Hegel, Marx sind die Wegbereiter der Religionskritik.
Einen weiteren wichtigen Höhepunkt erreicht die Auseinandersetzung zwischen
Naturwissenschaft und Theologie mit Charles Darwin (1809 – 1882). Sein Schlüsselwerk
„On the Origin of Species“, also „Über die Entstehung der Arten“ (1859) löste große
Aufregung aus. Darwin äußert sich darin über die Affenverwandtschaft des Menschen
überhaupt nicht. Das hat eine andere Geschichte (siehe Wuketits: Darwinismus, Becksches
Taschenbuch S 9). Darwins Leistung bestand darin, dass er einen Mechanismus für die
Veränderung der Arten (=Evolution) anzugeben wusste, nämlich den der natürlichen Auslese
oder Selektion. Das war revolutionierend genug. Darwins Selektionstheorie widerspricht
grundsätzlich der in der abendländischen Geschichte vorherrschenden Vorstellung, dass die
Welt von Absichten und Zielen getragen, Ergebnis eines „intelligenten Planes“ (=intelligent
design) sei. Anstelle einer höheren Ordnung (oder „göttlicher Ordnung“) setzte Darwin eine
natürliche Kraft und erschütterte seine Zeitgenossen mit der Bemerkung wie der, dass allein
aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod die Entstehung neuer und komplexer
Lebewesen hervorgehe. Das löste Wirbel und Befremden aus. Einer der gedanklichen
Richtungen, die dagegen stark protestierten, waren die K r e a t i o n i s t e n (eine sehr
„dogmatisch“ blockierende Richtung, evangelikale protestantische Christen, die die Bibel
wortwörtlich verstehen und die alles daran setzen, diese Lehre nicht nur in den USA, sondern
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auch in Europa zu verfestigen. Verhängnisvolles Beispiel dafür war der Scopes- Prozess
1925, auch als „Affenprozess“ bekannt.
Im Februar 1925 wurde in Tennesee das Anti- Evolutionsgesetz herausgebracht. Dieses
besagt, dass es an einer öffentlichen Schule verboten sei, irgendeine Theorie zu lehren, die die
göttliche Erschaffung, wie sie in der Bibel stehe, leugnet und stattdessen die
Evolutionstheorie bringe, dass auch die Menschheit von einer niedrigeren Tierstufe
abstamme. In Dayton aber hielt der Lehrer John Thomas Scopes (1901 – 1970) in der High
School seiner Klasse eine Unterrichtsstunde über die Evolution. Das brachte ihm eine
Anklage ein. Der Prozess begann im Juli 1925 vor mehr als neunhundert Zuschauern. Die
Anklage lautete auf „Unterricht im Widerspruch zur biblischen Genesis“. Obwohl das Urteil
auf schuldig lautete, ging Scopes frei, weil der Richter seine Kompetenz überschritt und über
den Lehrer eine Geldstrafe von 100$ verhängte. Die Festsetzung der Strafe durfte lediglich
eine Jury bestimmen. Scopes gab seine Lehrtätigkeit auf und es kam zu keiner neuen
Konfrontation. (siehe auch Internet- Artikel „Kreationismus der letzten Jahrzehnte in den
USA“ mit umfangreichen Literaturangaben, aber ohne Verfassernamen). Damit ist aber dieses
Problem noch nicht bereinigt, denn es gab bis ins 21. Jhdt. herauf Versuche, den
Kreationismus zum Durchbruch zu verhelfen, ja ihn auch in Europa zu verbreiten. Dazu ein
„Kurier“ – Artikel vom 4. Februar 2004: „Evolutionslehre weicht christlicher
Schöpfungstheorie – Darwins Lehre aus dem Unterricht verbannt“. Auszugsweise sei
angemerkt: „Im US- Bundesstaat Georgia wird das Wort ‚Evolution’ aus dem
Biologieunterricht verbannt. Stattdessen soll von ‚Veränderungen im Laufe der Zeit’ die Rede
sein. Auch wird die Geschichte der Erde künftig nicht mehr als ‚lange’ dargestellt. Mit
derartigen Änderungen soll der Biologieunterricht in Einklang mit der christlichen
Schöpfungslehre gebracht werden, berichtet die ‚New York Times.’ Georgia ist nicht der erste
amerikanische Bundesstaat, der Darwins Evolutionstheorie aus den Schulbüchern gestrichen
hat. Vor fünf Jahren hat der Bildungsausschuss von Kansas die Evolutionslehre auf Geheiß
der dort sehr einflussreichen fundamentalistischen christlichen Gemeinde aus dem Lehrstoff
der Schulen genommen.…….Manche Christen glauben, Gott habe die Erde und alles Leben
auf ihr in sechs Tagen geschaffen. Auch die oberste Schulinspektorin von Georgia, Kathy
Cox, hat sich auf die Seite der fundamentalistischen Eltern gestellt..“
Aus der Kronen- Zeitung vom 11. November 2005: „Schulen in Kansas lehren Zweifel an
Evolutionslehre. – Auf Druck christlicher Fundamentalisten ändert Kansas seinen Lehrplan
für den Biologieunterricht: Als fünfter US- Staat integriert es den Zweifel an Darwins
Evolutionslehre in den Unterrichtsstoff. Vertreten wird das religiös geprägte, rückschrittliche
‚Intelligente Design’, wonach sich die Natur nicht durch Evolution allein entwickelt hat,
sondern von höherer Gewalt gelenkt wird.“
Überdies sahen im 19. Jhdt. kirchliche Kreise die Erbsündenlehre in Frage gestellt. Die Sünde
ging nach biblischer Darstellung von e i n e m Elternpaar (Adam und Eva) aus. =>
Mongenismus. Wie sollte sich so ein Sündenbegriff noch aufrechterhalten lassen, wenn es
möglich ist, dass es gleichzeitig verschiedene Menschenarten und –paare gibt? =>
Polygenismus. Das II.Vatikanische Konzil (1962–1965) legt sich auf „Sündenverflochtenheit“
bzw. „Sündenverstricktheit“ fest, wodurch dann auch ein sehr entkrampftes Verhältnis
zwischen Naturwissenschaft und Religion eintrat.
Siehe auch: Konzilstext: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“,
1. Hauptteil, Kapitel 13: „Der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch zum Bösen geneigt und
verstrickt in vielfältige Übel, die nicht von seinem guten Schöpfer herkommen können.“ (Rahner Karl /
Vorgrimler Herbert: Konzilskompendium, Verlag Herder S 460).
Zur Erbsündenlehre:Herbert Vorgrimler: Neues theologisches Wörterbuch mit CD-ROM, Verlag Herder,
16. Auflage aus dem Jahr 2000
S 157: „Erbsünde, ein deutsches, missverständliches Wort, im 15.-16. Jahrhundert geprägt und von M. Luther
(+1546) verbreitet, mit dem in der heutigen Theologie eine negative Vorprägung der ganzen Menschheit
bezeichnet wird, eine Vorprägung, weil sie von Anfang an u. universal existiert und individuellen Fehlhaltungen
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u. – entscheidungen vorausliegt, negativ, weil sie eine Schuldverflechtung („Unheilslast“) bedeutet, von der die
Menschheitsgeschichte geprägt ist. Missverständlich ist das Wort, weil ‚Sünde’ in diesem Fall nicht eine
zurechenbare Tat bedeutet u. weil eine wirkliche, verantwortbare Sünde nicht vererbt werden kann. Die
klassische Theologie ging davon aus, dass der ‚erste Mensch’ (Adam und Eva) eine persönliche Sünde beging,
die Ursünde (lat.: peccatum originale originans), deren Unheilsfolgen auf die Menschheit übergingen (peccatum
originale originatum)….Der in Gen.3 erzählte ‚erste Sündenfall’ wird in der biblischen Weisheitsliteratur als
Einbruch der Sünde in die Menschheitsgeschichte gedeutet, der den Tod der Menschen zur Folge gehabt habe
(Sir. 25,24; Weish. 2, 24)…….Der Einfluss dieser Deutung auf Paulus ist offensichtlich; sein Rückgriff auf den
mythologischen ‚Adam’, dessen Ungehorsam und die Folgen (Röm. 5, 12ff.; 7, 7 -12; 8, 20).dient als der
klassische biblische Beleg für die kirchliche Lehre von der Erbsünde. Indessen lehrt Paulus aber keine Erbsünde,
vielmehr
führt
er
den
Tod
auf
die
zurechenbaren
persönlichen
Sünden
aller
zurück………Theologiegeschichtlich: Erste Ansätze zu einer Erbsündentheologie ergaben sich im 3. Jahrhundert
durch die Praxis der Kindertaufe, aus der man schlussfolgerte, ’etwas’ im Kind sei der Vergebung bedürftig.“
Durch Übersetzungsfehler in der lateinischen Bibelübersetzung wird das auf Adam abgewälzt, wodurch durch
Adams Samen das gesamte Menschengeschlecht in diese Sünde miteinbezogen wurde.
Der N e o d a r w i n i s m u s entwickelt Darwins Lehre weiter durch die Erkenntnisse der
Genetik und der Zellforschung. Die natürliche Auslese wird ergänzt durch das Phänomen der
zufälligen Veränderung (=Mutation). Der Neodarwinismus hat längst die Gestalt eines S o z i a l d a r w i n i s m u s angenommen und zeigte sich im N a t i o n a l s o z i a l i s m u s
und heute auch im N e o l i b e r a l i s m u s sehr deutlich. In beiden Ideologien wird die
Selektion des Stärkeren forciert. Im Neoliberalismus ist zu hören: Dem Tüchtigen gehört die
Welt. Die Menschenbilder, die daraus entstehen, sind keinesfalls christlich.
Im 20. Jahrhundert macht die Naturwissenschaft einen gewaltigen Erkenntnissprung.
Albert Einstein (1879- 1955), stammte aus nichtreligiöser jüdischer Familie. Er erhielt im
Jahre 1921 den Physiknobelpreis. Im „annus mirabilis“ 1905 erbrachte er den theoretischen
Beweis für die damals noch umstrittene Atom- Theorie. Einsteins Leistungen liegen in seiner
Relativitätstheorie. Einstein hat die Allgemeine Relativitätstheorie 1916 formuliert auf dem
Prinzip, dass sich Schwerkraft und Beschleunigung in ihrer Wirkung gleichen, dass sie
äquivalent sind. Wenn man in einem Aufzug sitzt und nichts sieht, weiß man nicht, ist man
beschleunigt oder spürt man die Kraft der Gravitation? Nach Jahren harter Arbeit kommt er u.
a. auch zu der berühmten Gleichung: E=mc². Darin sind Materie und Energie verknüpft. Die
Zeit ist nicht konstant, sondern abhängig von Bewegung, Masse und Körper. Raum und Zeit
sind vierdimensional (gekrümmte Raumzeit). Der Raum ist gekrümmt, unsere Anwesenheit
beeinflusst den Raum. Masse und Energie sind verschiedene Formen ein und derselben Sache.
Einstein ist auch Mitbegründer der Quantentheorie. Dass es einen Schöpfer gibt, war für
Einstein Gewissheit. Er hat aber jedes anthropomorphe (menschenähnlich) Gottesbild
abgelehnt. Andererseits war sein Gottesbild wieder zu anthropomorph, sodass ihn das
schließlich auf Irrwege geleitet hat. Denn eines von Albert Einsteins Dogmen war: Gott
würfelt nicht. In der Quantenmechanik spielt der Zufall eine große Rolle, deshalb hat er diese
abgelehnt.
Die Idee, dass es einmal einen definitiven Anfang des Universums in Form des Urknalls
(=Big Bang) gegeben habe, ist schon wieder an die achtzig Jahre alt. Diesem Urknall, der sich
vor ca. 15 Mrd. Jahren ereignet haben soll, entstammt alle Materie und Energie im
Universum. Im Anfang war das Universum unglaublich dicht und heiß, doch als es begann,
sich auszudehnen, kühlte es ab. Noch immer dehnt es sich aus, die Galaxien entfernen sich
immer weiter voneinander. Bereits 1927 stellte der belgische Astronom Georges Lemaitre die
Hypothese auf, dass der Kosmos aus einem Punkt heraus entstanden sein muss. 1929 bewies
der Astronom Edwin Hall, dass die Galaxien sich voneinander entfernen und das Universum
sich ausdehnt. Die Entdeckung bildete auch die Grundlage der Urknalltheorie. Allgemein
akzeptiert ist diese Ansicht jedoch erst seit 1965, als die sogenannte Hintergrundstrahlung –
gleichsam ein Echo des Urknalls – von Arno Penzias und Robert Wilson entdeckt wurde.
Der britische Physiker Stephen Hawking veröffentlichte 1988 seine Erkenntnisse in dem Buch
„Eine kurze Geschichte der Zeit“. Nach Hawkings Theorie ist unser Universum zusammen
mit einer unendlichen Zahl ähnlicher Universen Teil eines riesigen „Superuniversums.“ Die
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Theorie vom Urknall ist eine Rechengeschichte, die wir als Modell kennen. Es war ja
niemand dabei. Für die Religion bringt das überhaupt nichts.
Einer, der sich Zeit seines Lebens um eine Versöhnung zwischen Glaube und
Naturwissenschaft bemüht hat, war Teilhard de Chardin SJ (1881- 1955). Er versuchte aus
diesem enormen Spannungsverhältnis von Schöpfung und Evolution auszubrechen. Als
Professor für Geologie am Institut Catholique in Paris sah er in der Evolution keinen
Widerspruch zum Schöpfungsglauben. Er griff den Evolutionsgedanken positiv auf und
interpretierte ihn theologisch bzw. christologisch: Der auferstandene Herr ist zugleich der
kosmische, universale Christus, der von Anfang an als „Alpha“ die Welt durchdringt und sie
als Motor der Evolution durchwirkt. Als „Omega“ ist er – in der Kraft der Liebe- das Ziel
aller geschichtlichen und kosmischen Prozesse, die in ihm Einheit und Vollendung finden.
Der Vatikan hatte keine Freude mit diesen Ergebnissen, ebenso distanzierte sich auch
gelegentlich die Ordensleitung von ihm. Einige Werke Teilhard de Chardins kamen sogar auf
den Index. Diese Entfremdung ist aber zum allergrößten Teil heute beseitigt, nur vereinzelt
gibt es noch skeptisch distanzierte Stimmen.
Der religionspädagogische Aspekt: Ein Kurztext für Volksschüler sagt: „Gott hat die
Kälbchen, die Wolken, die Sterne und die Kinder gemacht.“ Den Kindern wird so ein
Gottesbild dargestellt, das den lieben Gott als den großen Techniker zeigt. Schöpfung ist aber
nichts „Gemachtes“ oder „Erzeugtes“, sondern sie entspricht vielmehr dem, was in den
Bildern „Atem schöpfen“ oder „Hoffnung schöpfen“ ausgesagt wird. Die Erkenntnis des
Geschaffenseins der Welt beginnt bei der ganz persönlichen Erfahrung, dass ich ständig
gefordert bin anzunehmen, dass mir eine eigene unverwechselbare Identität zukommt, mein
eigenes Sein. Dass das Erste Testament bereits mit der Erschaffung von Himmel und Erde
beginne, ist eher eine redaktionelle Entscheidung. Das Kapitel Genesis gehört eigentlich zu
den jüngeren. Es müsste besser mit dem Buch Exodus beginnen, denn dort kommt die
Bundeserfahrung zur Sprache. Die Menschen sind mit Gott verbunden, denn Gott hat mit
ihnen einen Bund geschlossen. IAHWE heißt: Ich- bin –der- ich- bin- da.
Die Schöpfung ist kein einmaliger Akt, der irgendwann einmal stattgefunden hat (statisch),
sie ist nur in ihrer Zeitlichkeit verstehbar. Jeder Augenblick ist in der Schöpfung ein Novum,
in dem Vergangenes in Zukünftiges (hin zum einmal vollendeten Reich Gottes) eingebracht
wird.
Nach all den Auseinandersetzungen meldete sich auch Papst Benedikt XVI. zu Wort, indem
er den Vorstoß Kardinal Schönborns gegen die Evolutionslehre unterstützt. Einem Artikel aus
der Zeitung „Die Presse“ vom 12. November 2005 ist zu entnehmen, dass der Papst „am
Mittwoch bei einer Meditation zum Psalm 135 expressis verbis vom ‚intelligenten Plan’ des
Kosmos gesprochen hat……..Er erinnerte an den östlichen Kirchenvater Basilios von
Caesarea, der in einer Predigt über den biblischen Schöpfungsbericht sagte: ‚Einige, die sich
vom Atheismus verführen ließen, den sie in sich trugen, stellten sich ein Universum ohne
Führung und Ordnung vor, das dem Zufall ausgeliefert ist.’ Überraschend aktuell finde er
diese Worte, erklärte der Papst. ‚Wie viele von diesen einigen gibt es heute? Sie meinen und
versuchen zu beweisen, dass es wissenschaftlich sei zu denken, alles sei ohne Ziel und
Ordnung , wie dem Zufall ausgeliefert. Der Herr weckt mit der Heiligen Schrift die
schlafende Vernunft und sagt uns: Am Anfang ist das schöpferische Wort, das alles
geschaffen hat, das diesen intelligenten Plan geschaffen hat, der der Kosmos ist – auch Liebe.’
Damit widersprach der Papst auch implizit, dem Direktor der vatikanischen Sternwarte,
George Coyne: Er hatte laut kathpress erklärt, die Evolutionstheorie sei eine ‚wissenschaftlich
sehr gut begründete Theorie’ und damit mit der Lehre der Kirche vereinbar.“
4. Die Verschiedenartigkeit der Themen:
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In der jetzigen Auseinandersetzung redet man von zwei verschiedenen Dingen: Die
Evolutionstheorie ist eine wissenschaftliche Theorie, während die Rede über den göttlichen
Plan hinter der Evolution eine Sicht der Dinge ist. Als solche ist sie weder verifizierbar noch
falsifizierbar, also ein Nullsummenspiel. Vielmehr wäre zu fragen: Wo steht Gott für mich?
Das ist etwas ganz Persönliches.
Aus dieser Feststellung ergibt sich auch die Methodenfrage: Naturwissenschaftliche Fragen
und Aussagen folgen einem methodologischen Atheismus, der Gott als Schöpfer, als
ordnende und lenkende Weisheit ausklammern muss. Das hat nichts mit Ignoranz zu tun. Der
Naturwissenschafter hat seine Gesetze zu beweisen. Die kritische Theologie versucht diese
Spannungen, die zwischen Naturwissenschaft und Religion entstanden sind, zu ergründen.
Steckt dahinter ein bildungsfeindliches Christentum? Will man verunsicherten Menschen
„Sicherheiten“ anbieten durch ein wortwörtliches Bibelverständnis? Warum fürchtet die
Kirche noch immer die Auseinandersetzung mit der Wissenschaft, vor allem mit der
Naturwissenschaft? Keine Wissenschaft ist abgerundet, vollständig, sondern immer um neue
Erkenntnisse erweiterbar. Das gilt auch für den Glauben. Die Motivsuche wird und muss
seitens der Theologie fortgesetzt werden.
Für die Theologie stellt sich neuerdings die wichtige Aufgabe, ohne Ausklammerung der
wissenschaftlichen Erkenntnisse den Schöpfungsglauben durch die Generationen zu tragen,
„getrieben vom Heiligen Geist im Auftrag Gottes zu reden“ (2 Petr.1, 21). Dazu gehört auch,
dass wir Rechenschaft geben, warum unser Herz voller Hoffnung ist. Das heißt auch, dass
Glaube durchaus auf Vernunft beruht, die in Weisheit übergehen soll (siehe: Konzilstext,
II. Vatikanum: „Gaudium et spes“, Artikel 15).Trotzdem gibt es auch Geheimnisse, für uns
unlösbare Fragen.
Keine der wissenschaftlichen Disziplinen darf ihre Kompetenzen überschreiten, sehr wohl
darf man aber nach einer Zusammenschau suchen.
Der Naturwissenschafter und Einstein- Schüler, Prof. Walter Thirring, spricht von einem
freien Lauf. Es ist nicht der ganz freie Lauf. Gott hat gewisse Gesetze gemacht, aber es gibt
auch sehr viele zufällige freie Varianten. Alles zusammen ergibt dann den Lauf, der
schließlich zum Menschen führt. Da kann man dann den weisen Plan Gottes sehen oder nicht
sehen – je nachdem! Es ist somit nicht möglich, daraus Beweise / Gottesbeweise zu erstellen.
5. (Fragende) Feststellungen und ungelöste Probleme:

In der heftigen Diskussion werden- wie bereits erwähnt – Begriffe bzw.
Themenbereiche durchmischt.
 Die Bibel ist G l a u b e n s b u c h mit vielen Lebenserfahrungen von Menschen, ein
Buch der Gottesbegegnung Gott – Mensch, kein Physik,- Geographie,- Biologiebuch.
Gott offenbart sich durch Menschen, daher Gottes Wort in der unvollkommenen Sprache der Menschen.
 Die Bibel bietet ein statisches Weltbild an. Wir wissen aber spätestens seit dem
Zeitalter der Erfindungen und Entdeckungen, dass das Schöpfungsgeschehen ein
ununterbrochenes Werden und Vergehen, ein Fressen und Gefressenwerden ist, also
sehr dynamisch.
 Thomas von Aquin lebt einige Jahrhunderte vor Galileo Galilei. Daher ist auch sein
Weltbild anders. Ein Beweis im Sinn der heutigen Wissenschaftssprache ist eine
logische Schlussfolgerung aus vorgegebenen Sachverhalten oder Sätzen (Prämissen),
die als wahr oder richtig ausgewiesen worden sind. Die gegenwärtige Theologie geht
zu diesen „Gottesbeweisen“ auf Distanz. Der Artikel von Kardinal Schönborn
orientiert sich aber an den „thomistischen Gottesbeweisen.“ Karl Rahner(+1984) ist
die Einsicht zu verdanken, dass alle diese „Gottesbeweise“ ihr Ziel einer vernünftigen,
10




aber nicht zwingenden Vergewisserung des Daseins Gottes nur in dem Maß erreichen,
als der einzelne zu glauben bereit ist, dass sein Leben mit dem irdischen Tod nicht zu
Ende sei. Das ist Glaube, der auf Vertrauen beruht und nicht bewiesen werden kann.
Auch Thomas, der Zwilling, hatte seine liebe Not damit.
Die Fragen nach Leid, Tod, Krankheit, Unglück, Naturkatastrophen sind damit
keineswegs beantwortet wegen unserer geringen Sicht hinter die Dinge. Wir haben
bestenfalls Erklärungsversuche=> T h e o d i z e e f r a g e!! Wir müssen zur Kenntnis
nehmen, dass diese Schöpfung unvollständig ist, dass es viele Irrläufe in Form von
Katastrophen gibt und gegeben hat. Ein sehr provokant zynischer Schluss könnte
lauten: Gott hat die Welt erschaffen und sah, dass sie (sehr) gut war, Gott Sohn
kommt, um sie zu reparieren bzw. zu erlösen, um das, was nicht gut war, in Ordnung
zu bringen. Muss sich Gott also selber korrigieren, gegen sich selbst Wunder wirken?
Teilhard de Chardin will eine Harmonie von Naturwissenschaft und Theologie
herstellen, ist sich aber bewusst, dass das nicht leicht ist (siehe seinen Text „Hymne an
die Materie“)
Kann jeder Wissenschafter, auch der ungläubige, diesen Planer erkennen? Wenn wir
ihn erkennen, wozu dann noch glauben?
Soll man sich von Gott ein Bild über Beweise machen? Der Mystiker Eckehart sagt:
„Hätte ich einen Gott, den ich erkennen könnte,ich könnte ihn nimmer anerkennen.“
Siehe auch Jes. 55,9: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind
meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“
6. Meditativer Text von Josef Dirnbeck
Der Marxist
spricht vom Opium,
der Psychoanalytiker
spricht von der Illusion;
Wir wagen zu sagen:
Vater im Himmel.
Die Naturwissenschafter nennen es Urknall,
die Esoteriker nennen es
kosmische Energie;
Wir wagen zu sagen:
Schöpfung.
Die einen sehen im Menschen
einen Irrläufer der Evolution,
die anderen nennen ihn
tierischer als jedes Tier;
Wir wagen zu sagen:
Abbild Gottes.
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