„Deutschland sucht den Mainstream – Wir gehen die Feldwege“ Pastorale Orte in ländlichen Regionen Diözesantag Landpastoral 12./ 13. März 2010 Dokumentation I. „Weg-Steine und Weg-Zeichen“ Einführungsvortrag „Kirche im regionalen Dorf – Die heutige Dorfkirche aus dem Blickwinkel der (Gesamt-) Gemeinde Albert Herrenknecht, Pro Provincia, Leiter des Entwicklungs- und Beratungsbüros mit dem Schwerpunkt „Ländlicher Raum“ Seite 3 II. Unterwegs: „Weg-Erfahrungen“ - „Neue Feldwege“ Workshop-Impulse 1. Kleine Christliche Gemeinschaften Dieter Tewes, Bistum Osnabrück, Referent Missionarische Dienste/ missio 2. „Wir machen gute Schule“ Michael Lütkevedder, Schulseelsorger und Religionslehrer an den UrsulaSchulen in Attendorn 3. „Der Jugend und dem Glauben Raum geben“ - Projekte „Junge Kirche“ auf dem Lande Bernadette Klens, Gemeindereferentin im Pastoralverbund Esloher Land, Michael Kloppenburg, Referent für Jugend und Familie im Dekanat Hochsauerland-Mitte, Daniel Robbert, Diözesanjugendseelsorger der KLJB im Erzbistum Paderborn 4. „Wir müssen raus aufs Land“ - Caritas unterwegs zu den Menschen Brigitte Badke, Koordinatorin für Caritas und Pastoral im Dekanat BürenDelbrück 5. Per Mausklick in die Kirche – Reale Seelsorge in virtuelle Welten Rainer Gelhot, Gemeindereferent in Melle-Gesmold und BissendorfSchledehausen, Internetseelsorgebeauftragter im Bistum Osnabrück, www.funcity.de 6. „Ein ganzes Dorf macht mit“ - Meerhof und die charismatische Erneuerung Charismatische Erneuerung in der kath. Kirche Werner Nolte, Leitungsteam der CE Deutschland Seite 13 Seite 16 Seite 19 Seite 27 Seite 29 Seite 31 III. Gemeinsam gehen: „Weg-Pläne“ Die Ergebnisse der Gruppengespräche Seite 35 IV. Anhänge Seite 36 Kirche im Regionalen Dorf Die heutige Dorfkirche aus dem Blickwinkel der (Gesamt-) Gemeinde © Pro Provincia Albert Herrenknecht (Pro Provincia), Franken-Dom-Straße 74, 97944 BoxbergWölchingen, Telefon: 07930-2384, E-Mail: [email protected], Homepage: www.pro-provincia.de Einleitung Sie werden – wie das Tagungsprogramm ankündigt - im Rahmen dieses „DiözesanTages Landpastoral“ viel darüber erfahren, an welchen pastoralen Orte inzwischen die Kirche unterwegs ist. Von mir werden Sie – quasi im Gegenblick – viel darüber erfahren, wie und wo heute die Bürger in den Dörfern überall kirchlich unterwegs sind. Sie merken schon: Mein Blick ist kein theologischer, sondern ein gemeindesoziologischer. Ich schaue nicht vom Kirchturm oder aus dem Fenster des Pfarrhauses aufs Dorf, sondern ich schaue von den Bürgern aus auf die Kirche, speziell auf die Kirchengemeinde im Dorf. Dieser besondere Blickwinkel taucht auch im Titel des Referates auf, das ausdrücklich als „Blickwinkel der (Gesamt-)Gemeinde“ benannt wurde, weil sonst sehr leicht - der unter Kirchenleuten schnell einrastende Automatismus greift - unter „Gemeinde“ synonym „die Kirchengemeinde“ zu verstehen. Materialbasis für meine Erkenntnisse zur „Kirchengemeinde im Regionalen Dorf“ (der Begriff wird gleich im Vortrag geklärt) sind über 25 Dorfanalysen und unzählige Diskussionen und Bildungsworkshops zur „Kirche im Ländlichen Raum“. Als ein bisheriger Höhepunkt gilt die Tagung „Kirche vor Ort“, die in der - hier wohlbekannten und befreundeten – Katholischen Landvolkhochschule Oesede in der Diözese Osnabrück am 7.-8. November 2008 stattfand. Weg-Steine und Weg-Zeichen Die heutige Tagung steht unter dem Leitmotto der „Wege“. Ihm gemäß habe ich meinen Veranstaltungsteil unter die Überschrift: „Weg-Steine“ und „Weg-Zeichen“ gestellt. - Steine am Weg können zur Orientierung dienen. Steine auf dem Weg machen diesen beschwerlich und können zu Stolpersteinen werden. Festverankerte Steine künden vom alten unverrückbaren Kirchen-Fels und vermitteln Sicherheit. Bröselnde Steine lassen auf ein unsicheres Mauerwerk schließen. Herausgebrochene Steine sind Zeichen einer sich ankündigenden Instabilität. Herumliegende Steine können Anzeichen eines drohenden Absturzes sein. Herumstehende Stein-Ruinen sind bereits Zeugen eines Verfalls. 2 Alle diese „Stein-Spuren“ gibt es heute im Dorfalltag. Mein Vortrag soll auf diese – in ihrem jeweiligen Zustand – befindlichen Steine aufmerksam machen, um die damit verbundenen Zeichen zu erkennen. Achten wir auf die „Spur der Steine“ auf den Feldwegen und Landstraßen, damit sie uns den sicheren Weg auf den Wegen zeigen, die zu beschreiten sind. Und lassen Sie uns nun den gemeinsamen „Wochenend-Weg“ beginnen. Eine typische Dorfszene in einem Dorf im Raum Paderborn Lassen Sie uns anhand folgender typischen Dorfszene einen gemeinsamen Blick in das heutige Dorf 2010 werfen. Wir befinden uns an einem März-Abend 2010 in irgendeinem Dorf im Raum Paderborn. Wir stehen auf der Dorfstraße und schauen auf das vor uns liegende Haus der Familie Neudorf. Im Haus brennen zwei Lichter: - Im Hobby-Raum hobelt und drexelt der Vater der Familie wiedereinmal an den Verkaufs-Geschenken für den bevorstehenden österlichen Kindergartenbasar. - Im Jugendzimmer verrät flimmerndes Licht, dass dort ein Bildschirm in Aktion ist. Der Junior surft im Internet und ist gerade der Held im 7. Level des neuen Computerspiels. - Zur gleichen Zeit testet der ältere Bruder nach hartem körper-betonten Tackling beim Flutlicht-Training die Grasnarbe des heimischen Sportplatzes. Die Frauen sind alle außer Haus: - Die Mutter besucht den von der VHS und den Landfrauen gemeinsam veranstalteten Kurs: "Selbstverwirklichung mit 45". - Die Tochter ist, seit sie mit ihrem Golf "Abi 2009" mobil ist, so gut wie nicht mehr zu Hause. - Und die Oma ist zur Zeit in ihrem dritten Jahreskurzurlaub mit der Rentnerreisegruppe "rüstig und mobil" auf Mallorca. Wie in dieser "Familie im Dorf" sieht es heute häufig in der gesamten "Dorf-Familie" aus. Jeder pflegt seine Lebensabschnittsbedürfnisse, braucht dafür den nötigen Platz und Mobil-Raum und möchte diesen auch nicht mehr missen. Auch auf dem Lande läuft der „Motor der Individualisierung“ auf vollen Touren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen: Das heutige Dorfleben findet nicht mehr nur im Dorf statt. Die Menschen wohnen zwar im Dorf, das Dorf ist aber nicht mehr ihr primärer Aktions- und Handlungsraum. Ihre Berufsinteressen und Freizeitbedürfnisse liegen quer zum Dorfalltag, werden teilweise in ihm oder über ihn hinaus organisiert. Das Dorf als Handlungsort wird kompatibel mit der Region, der Welt, der virtuellen Computerwelt, diversen Lebensabschnittsbedürfnissen und spontan aktualisierten Hobby- und Freizeit-Interessen. Das Dorf steht heute in offener Standortkonkurrenz mit anderen Attraktionsorten der Region. Das Dorf ist ein „Regionales Dorf“ geworden! Bei diesem Begriff denkt jeder zuerst assoziativ an die in den letzten Jahrzehnten stattgefundene „Erweiterung des Dorfes hin zur Region“: an die Gemeindereform und die Zentralisierung der sozialen Infrastruktur in der Kerngemeinde, an das Anwachsen des Pendlertums im Arbeits- und Freizeitbereich, an das Entstehen inter-kommunaler Gewerbeparks und neuer, vielfältiger Dorf-Region-Arbeitsteilungen. 3 Aber auch an die stattgefundene Verschiebung des Lebensmittelpunktes vieler Dorfbewohner hin zur Region, die sich bei den Jugendlichen als steigende „Regionalorientierung“ ihrer Pendelwege niederschlägt und auch die subjektive Identifikationsachse in der Angabe einer "Herkunfts-Region", anstatt eines "Herkunfts-Ortes", verschoben hat. Das Dorf wurde zu einem der vielen Knoten im Netzwerk einer neuen regionalen Arbeitsteilung und Bedürfnisbefriedigung. Diese Öffnung des Dorfes hin zur Region, ist aber nur ein Teil dessen, was der Terminus "Regionales Dorf" (Pro Provincia, 2004) meint. Denn gleichzeitig mit dem „Hineinwachsen des Dorfes in die Region“, wurde auch das Innere des Dorfes durch ein „Hineinwachsen der Region ins Dorf“ verändert. Das "Regionale Dorf" hat es also mit einem "doppelten Regionalisierungsprozess" zu tun, zum einen, mit einer "externen" Regionalisierung des Dorfes in einer räumlichen, arbeitsteiligen und lebensweltlichen Ausweitung hin zur Region und zum anderen, mit einer gleichzeitig verlaufenden "internen" Regionalisierung des Dorfes in seinem Inneren durch die Ansiedlung neuer Berufe und Einwohner, durch eine kulturelle Ausdifferenzierung der Wohnformen und Lebensstile, durch ein Auseinanderfallen der persönlichen dörflichen Alltagserfahrungen und subjektiven Dorfwahrnehmungen, die soweit führen, dass heute quasi "neue mentale Dörfer" im Dorf entstanden sind. Realität ist, dass das Dorf noch nie so vielschichtig und unübersichtlich war wie heute. Alteingesessene und Zuzügler mit neuen Lebensformen, dorfbekannte und dorfunbekannte Berufsgruppen, Familien mit und ohne Verwandtschaftsbindungen zum Ort, Alleinerziehende und Doppelverdiener, Fern- und Nahpendler, Landwirte und Nicht-Landwirte, ethnische Minderheiten und alte dörfliche Randgruppen usw. bilden eine bunte Mischung, deren gemeinsamer Nenner nur noch der "Wohnstandort Dorf" ist, die sich mehr als eigenständige "Be-Wohner", anstatt als integrationswillige "Ein-Wohner" fühlen. Vielerorts kippt die Dorfmehrheit in der Bevölkerungszahl hin zum Typus des "modernen Landbewohners" mit seinen aktuellen Wohn- und Freizeitbedürfnissen. Entsprechend dieser pluralen Bevölkerungsmischung bestimmen heute unterschiedliche Einkommen, Berufe, Qualifikationen und die daraus abgeleitete Milieu- und Schichtenzugehörigkeit eine sehr heterogen-ausgeprägte Dorfrealität. Welcher Verschiebungen zeigen sich im heutigen Kirchenleben der Dörfer? Die ehemalige Bildungsreferentin beim Katholischen Landvolk in Bayern, Claudia Pfrang, stellt fest: „Vielen Akteuren der Landpastoral ist längst klar: Es ist von der Vorstellung Abschied zu nehmen, dass das Land Hort traditioneller Kirchlichkeit sei.“ (Pfrang, 2007, S. 188) Und sie fährt fort: „Es ist eine Versuchung vieler ländlicher Gemeinden sich in den sicheren Hort nach der Gleichung „Glaube = Sonntagsgottesdienst = Gemeinde“ zurückzuziehen.“ (Pfrang, 2007, S. 189) Vielerorts befindet sich die Kirchengemeinde auf der gemeindlichen Ebene auf dem Rückzug. Mancherorts hat diese Strategie bereits Züge einer „Einigelungstaktik“ und „Wagenburgmentalität“ angenommen. 4 „Die (Kirchen)Gemeinde – so heißt es in der Würzburger Studie „Land in Sicht“ aus dem Jahr 2006 - reduziert sich auf eine kleiner werdende Gruppe, bisweilen einen harten Kern, der oft von Überalterung geprägt ist und sich in der Klage über den eigenen Relevanzverlust nach außen hin abschottet“. (KAL Würzburg, 2006, S. 25) Das Problem der „Kirchliche Kerngemeinde“ in vielen Dörfern besteht darin, dass diese Gruppe tendenziell überaltert ist, schrumpft und häufig ein Bild der alten Dorfkirche ausstrahlt, das immer weniger Bürger begeistert. Dieser Prozess einer im mehrfachen Sinne „überalternden Kerngemeinde“ wird sich im Zuge der demographischen Entwicklung noch verschärfen. Die Religionssoziologie spricht in diesem Zusammenhang vom Phänomen einer „Milieuverengung“ (Vögele, u.a., 2002, S. 13): „Die Milieuverengung der Gemeinden – so heißt es in der bereits zitierten Würzburger Untersuchung „Land in Sicht“ – ergibt sich aus dem Fehlen ganzer gesellschaftlichen Gruppen, deren Angehörige zwar formell – also durch die Taufe – zur Kirche gehören, im Leben oder Programm der Gemeinden aber kaum auftauchen. Den Gemeinden fehlt vor allem der Kontakt zu Kindern, Jugendlichen, jungen Familien und Neuzugezogenen – auch Männer werden explizit genannt. Ebenso geraten behinderte und am Rand stehende Menschen aus dem Blick: („Außenseiter werden nicht beachtet“). (KAL Würzburg, 2006, S. 25) Diese soziale Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen ist aber nicht nur ein Phänomen der Kirchengemeinde, sondern zeigt sich auch bei den dörflichen Vereinen. Die Untersuchung von Heinrich Becker und Michael Hainz zum „Dörflichen Sozialleben im Spiegel der Vereine“ stellt ebenfalls fest: Zu den häufigsten „vereinsausgegrenzte Gruppen“ im Dorf zählen: „Frauen, frisch Zugezogene, Abiturienten, junge Leute im Alter zwischen 25 und 34 Jahren“. (...) Das sind alles Sozialgruppen, „die im Gegensatz zu Männern, ‚Einheimischen’, Hauptschulabgängern oder 35- bis 54-Jährigen deutlich weniger in Vereinen vertreten sind“. (Becker / Hainz, 2002, S. 108) Als einen zentralen Grund dafür, warum die unbeschwerte Teilnahme der Dorfbewohner am Kirchengemeindeleben oft behindert wird, sieht Hans Huber in seiner Dissertation „Beheimatung im wachsenden Dorf“ darin, dass sich die Kirchengemeinde vor Ort häufig hermetische abschließt. Die lokale Kirche „erscheint als an sich selbst interessiert, als in ihrer Praxis „eingefahren“ und unveränderbar. Ihre fehlende Aufmerksamkeit für die Nöte und die Fähigkeiten ihrer Mitglieder sowie die Machtfülle der Gemeindeleitung schaffen bei den einen Distanz und Abneigung, bei Interessierten und Engagierten häufig Unlust und Wut. (Huber, 1996, S. 216) Vor allem Zugezogene finden keinen Zugang zu der oft „geschlossen Gesellschaft“ der Kirchengemeinde: „Die Zugezogenen stoßen sich an den Defiziten des kirchlichen Lebens im Dorf oder daran, dass Ideen und Erfahrungen, die sie mitbringen, abgelehnt werden. Sie haben Mühe, ihre persönliche Geschichte unverkürzt in die örtliche Gemeinde einzubringen und fortzuschreiben. (...) Die Atmosphäre in der Dorfkirche wird eher als einengend und abstoßend erlebt. (Huber, 1996, S. 218) Die Folge davon ist die inzwischen breit zu beobachtende – durch die Automobilität leicht realisierbare - Flucht von immer mehr Kirchengemeindemitgliedern in die Umlandgemeinden: „Die Einheimischen suchen auswärts Abwechslung und neue Erfahrungen. Die Entflechtung der soziokulturellen Zusammenhänge eröffnet den Ortsansässigen im kirchlichen Bereich größere Wahlmöglichkeiten sowie Lern- und Entfaltungschancen für ihre Glaubensbiographie.“ (...) Die Leute sind froh darüber, 5 aufgrund der steigenden Mobilität unter mehreren Gottesdienstorten und –arten wählen zu können.“ (Huber, 1996, 218) Dieser „Auszug aus der Ortskirche“ hat eine doppelte Folge: Zum einen wird die Basis der lokalen Kirchengemeinde dadurch immer schwächer und eintöniger. Zum anderen wird damit die „Regionalisierung der Kirche“ in überörtliche Einheiten auch lebensweltlich vollzogen. Beide Tendenzen besiegeln damit langfristig alle Bemühungen, dass die „Kirche im Ort“ bleibt. Und – so zeigen unsere Erhebungen aus den Dorfananalysen – diese auspendelnden Kirchengruppen - meist Familien mit Kindern, die den Familiengottesdienst in der Nachbargemeinde aufsuchen; - Jugendliche, die in den Jugendclub der anderen Dörfer gehen; - kulturinteressierte Christen, die Meditations- und Gospel-Angebote suchen gehen damit für die Ortskirche in der Regel dauerhaft verloren. Der spürbare Stillstand innerhalb der lokalen Kirchengemeinde und die schleichende Abwanderung von immer mehr Kirchenmitgliedern in andere kirchliche Orte und regionale Angebote, die ihren Glaubensbedürfnissen und ihrer „individuellen Glaubensbiographie“ entsprechen, bleibt nicht ohne Auswirkung auf den inneren Zustand in den stagnierenden, aber immer noch kämpferischen Kirchengemeinden: „Als negativ – so die bereits zitierte Würzburger Studie - empfinden nicht wenige auch die Umgangs- und Verhaltensformen, die zwischen den Gemeindemitgliedern herrschen. „Unbeweglichkeit“ und „Machtspiele“ beklagen sie ebenso wie „Neid, Gerüchte und Engstirnigkeit“. Auch „Klatsch und Tratsch“ und die Unfähigkeit zur offenen Auseinandersetzung und Konfliktlösung gehören nicht selten zu den Schwächen einer Gemeinde: „Es wird viel geschimpft (hintenherum)“. (KAL Würzburg, 2006, S. 25). Verschärfend auf diesen inneren Zustand in der Kerngemeinde wirkt die Tatsache, dass sie sich als die „fleißigen Arbeiter und Dauerläufer der Kirche vor Ort“ gleichzeitig einem großen Erwartungsdruck von Seiten der nicht-aktiven Kirchengemeindemitglieder ausgesetzt fühlen: „Auf dem Wunschzettel dieser Fernstehenden (man beachte die ausgrenzende Wortwahl! - Anmerkung: A.H.) – so die Würzburger Studie - stehen (die drei „S“): Service, Sakramente und Sonderwünsche. Sie wollen pastoral bedient werden, wenn persönlicher Bedarf besteht, wünschen sich einen feierlichen Rahmen für ihre Familienfeste, sind jedoch nicht bereit, sich selbst zu engagieren.“ Ihr Wunschliste umfasst: „Kirche als Serviceunternehmen“; „Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit, Besuch an Geburtstagen“; „dass der Pfarrer immer Zeit für sie hat“. Und die „Kirchen-Aktiven“ sind zunehmend sauer auf die wachsende Schar der „Kirchen-Konsumenten“, denn diese fordern: „(die Kirche als) „Dienstleistungsunternehmen“. Für sie sind: „nur Äußerlichkeiten wichtig“, wird „die pastorale Not nicht gesehen“; Sie bestehen nur aus „Anspruchsdenken“ und fordern eine „Kirche als Servicestation in allen Lebensabschnitten“. Sie selbst wollen „kein Engagement zeigen. Aber sie erwarten von anderen Engagement“. Die „religiöse Bildung von Kindern sollen Haupt- und Ehrenamtliche der Institution ‚Kirche’ übernehmen“, weil es ihre Aufgabe ist. (KAL Würzburg, 2006, S. 30) Sie spüren - hier im Raum beinahe körperlich greifbar - wie hier eine lang aufgestaute Last von der Seele der Betroffenen fällt und sich verbal Bahn bricht. 6 Leider verrät aber die Sprache auch viel Frustration: - Sind denn diese Forderungen wirklich die von „Fernstehenden“ oder doch die Forderungen von vielen Kirchenmitgliedern in den heutigen Dörfern – also Forderungen mitten aus der Kirchengemeinde? - Kann berechtigte Kritik immer damit abgetan werden, dass man sie den angeblich „Kirchenfernen“ unterschiebt? Hier liegt ein zentrales Kommunikations- und Verständnisproblem zwischen den verschiedenen Fraktionen der Kirchengemeinde vor Ort vor, das – wird dieses nicht angegangen und moderiert - zur Zerreißprobe wird. In diesem Konflikt zeigt sich auch ein uraltes sozial-psychologisches Problem, dass nämlich der Streit unter Gruppen, die sich im Grunde sehr nahe stehen, meist am Heftigsten ausgetragen wird. Viele Kirchengemeinden – so unsere Erfahrungen aus den Dorfanalysen – blockieren sich in diesem inneren Kampf häufig selbst, vergeuden zu viel Energie für diesen unsäglichen Richtungskampf, paralysieren sich in ihrer Alltagsarbeit zur Untätigkeit und produzieren damit nur Verlierer auf allen Seiten. Das alles schadet dem Ansehen der Ortskirche. Der hier bestehende Konflikt ist aber nicht nur ein Konflikt zwischen: - „Kirchlicher Kernerarbeit“ contra „Bauchladen für Kirchenkunden“, - „Überzeugungskirche“ contra „Angebotskirche“, - „Dienerhaltung“ contra „Anspruchsdenken“, sondern entspricht – wir werden gleich darauf zurückkommen – dem tatsächlichen Denken der Gesamt-Kirchenmitglieder im heutigen Dorf. Es bringt nichts, einen Teil der Kirchengemeinde als „U-Boot-Christen“ (das ist eine fränkische Umschreibung für diejenigen Christen, die nur einmal im Jahr zu den Kirchenhöhepunkten „auftauchen“) zu diffamieren, wenn man sie eigentlich zur Mitarbeit motivieren will. Mit diesen Rundumschlägen erreicht man nur das Gegenteil. Ausgrenzung ist das Gegenteil von missionarisch-offener Einladung! Wie schaut nun die aktuelle Kirchengemeinde im heutigen Regionalen Dorf im Detail aus? Nach so viel Aufgeregtheit und emotionaler Aufwühlung über die inneren Spannungen in vielen Kirchengemeinden tut es gut, nun etwas entspannter einen analytischen Blick darauf zu werfen, wie die „aktuelle Kirchenlandschaft im heutigen Dorf“ aussieht. Um „Kirchengemeinde im heutigen Dorf“ besser zu verstehen, wurde von PRO PROVINCIA über die jahrelange Beschäftigung mit diesem Thema folgendes „Analyse-Modell zur Dorf-Kirche im Regionalen Dorf“ entwickelt, das ich Ihnen nun vorstellen will: Das Modell geht davon aus, dass im Mittelpunkt der lokalen Kirchengemeinde weiterhin die „Orts-Kirche“ steht. Um dieses „Kirchen-Zentrum“ herum gruppieren sich - im Grundmuster von konzentrischen Kreisen (also wie eine Zwiebel mit ihren unterschiedlichen Ringen) von innen nach außen zwei beziehungsweise vier unterschiedliche Formen einer Kirchen-Gemeinde im heutigen Dorf. 7 1. Die „Kirchen-Zentrierten“ Dem lokalen Kirchenzentrum am nächsten steht die Gruppe der „KirchenZentrierten“. Sie ist sehr stark auf die Kirche als Gebäude und spirituelles Zentrum ausgerichtet („zentriert“) und trägt daher diesen Namen. Ganz nah am Zentrum der Ortskirche ist als erste Untergruppe der „KirchenZentrierten“ die „Kirchliche Kerngemeinde“ angesiedelt. Sie stellt den „harten Kern“ der kirchlichen Gemeinde dar. 1.1. Die „Kirchliche Kerngemeinde“ Die Gruppe der „Kirchlichen Kerngemeinde“ setzt sich folgendermaßen zusammen: Sie ist auf die Präsenz eines hauptamtlichen Pfarrers ausgerichtet („Priesterzentrismus“). kirchlichen Gemeindeleben mitarbeiten und regelmäßig den Gottesdienst mitfeiern. Sie definiert sich als eine Schar „überzeugter“ Christen, als Vertreter des gelebten Glaubens, der in einer überlieferten Volksfrömmigkeit verwurzelt ist und ein in das Kirchenjahr und den Wochenrhythmus zyklisch eingebettetes Christentum lebt. Sie versteht den Gottesdienst als die „Kernaufgabe der Kirche“ (d.h. sie bildet die: „Gottesdienstgemeinde“). Sie verkörpert als Personen in ihren Funktionen (als Hauptamtliche, Kirchengemeinderat, Vereins- und Verbandsvorstände, Aktive) die Ortskirche und die Kirchengemeinde vor Ort. Kirchenchristen. Kirchenmitgliedern zusammen. Sie ist meist ein Anhänger einer klaren Befürwortung einer Dorfkirche vor Ort („Die Kirche m u ß im Dorf bleiben!“). 1.2. Die „Kirchliche Helfergemeinde“ Den zweiten, um den Innenkreis der „Kirchlichen Kerngemeinde“ herum angesiedelten Kreis der „Kirchen-Zentrierten“, bildet die Gruppe der „Kirchlichen Helfergemeinde“. Die Gruppe der „Kirchlichen Helfergemeinde“ setzt sich folgendermaßen zusammen: Die Mitglieder arbeiten nicht regelmäßig in der Kirchengemeinde mit, gehen aber sonntags in die Kirche. ständig bereite Helferschar der „Zweiten Helferreihe“. „Mitarbeitern“. Aus ihr rekrutiert sich auch die für kirchliche Veranstaltungen stets mobilisierbare und verlässliche „Besucherschaft“. Sie ist häufig das Bindeglied einer enger Verzahnung zwischen dörflichen Vereinsaktivitäten mit den örtlichen Kirchenaktivitäten. Sie ist Anhänger der lokalen Präsenz eines hauptamtlichen Seelsorgers (als persönlichen Ansprechpartner und zur Belobigung ihres Engagements). 8 Ortsgemeinde vorstellen können und auch ihr Engagement nur in dieser Konstellation praktizieren wollen (= Sie arbeiten als „Lokalengagierte“ im „Schatten des eigenen Kirchturms“). Sie wünscht sich, dass nicht auch noch die Kirche als letzte Bastion einer Großorganisation das Dorf verlässt („Angst, ein Stück lokal-gemeindlicher Identität zu verlieren“). 2. Die „Kirchen-Kulturellen“ Den zweite großen Doppel-Kreis noch weiter außerhalb des Kirchenzentrums (mehr im Bereich der politischen Gemeinde) bildet die Gruppe der „Kirchen-Kulturellen“. 2.1. Die „Kirchen-Kulturellen mit festen Erwartungen an den Ortskirche“ Diese Gruppe setzt sich folgendermaßen zusammen: Christentum unspektakulär im Alltag (als „Alltags-Christen“) leben wollen. Kirchgänger“). Gemeindeleben interessiert und nehmen dann und wann daran teil (= Anhänger der „Ad hoc-Werktagsgemeinde“). -, themen-, und handlungsorientiert sind, interessiert. Ihre Aktivitäten sollen zeitlich begrenzt und nicht zu sehr bindend sein. -offenere Kirche näher an der heutigen Lebenswirklichkeit der Bürger wünschen. Einfache Kirchenmitglieder sollen sich einfacher einbringen und engagieren können („Milieuöffn -Kirche“ im Dorf, die sich mehr Offenheit, Toleranz und Liberalität wünschen („Beteiligungsoffene Volkskirche mit mehr Ausstrahlung“). che Instanz“ sehen und anerkennen und in wichtigen gesellschaftlichen Fragen (Soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Nachhaltigkeit usw.) Kirche gerne als „moralischen Unterstützer“ anrufen wollen. lieber eine anonymere und weniger sozial-kontrollierte, über-örtliche Kirche befürworten (d.h. sie sind offen für eine „Regionalisierung der Kirche“). 2.2. Die „Kirchen-Kulturellen ohne feste Erwartungen an den Ortskirche“ Den nächsten Außenkreis um die „Kirchen-Kulturellen mit festen Erwartungen an den Ortskirche“ herum bildet die Gruppe der „Kirchen-Kulturellen ohne feste Erwartungen an den Ortskirche“, für die unmittelbare Ausstrahlung der Kirche auf ihren Lebensalltag immer mehr abnimmt. Zu ihr können folgende Personen gerechnet werden: punktuell und spontan (z.B. als Festrahmen bei allen Familienfeiern und Kirchenfesten) nutzen wollen, um z.B. wichtige Lebensstationen mit kirchlichem Segen „absegnen“ zu lassen. 9 und sich daher für die Wahl der kirchlichen Einrichtungen (z.B. Kindergarten) entschieden haben. Sie wollen sich aber darüber hinaus nicht (orts)kirchlich einbringen (sie leben ein „Kultur-Christentum“ als Teil einer christlichabendländischen Erziehungs- und Werte-Kultur). Kirchensteuergelder eine gewisse Dienstleistung im Dorf zu erbringen habe und dafür die entsprechenden Angebote bereithalten müsse (Rekurrierung auf eine „Angebotskirche“: Kirche als „Servicestation“). Gemeindeleben sehen, der soziale Einrichtungen (z.B. Sozialstation, Altenarbeit, Randgruppenarbeit, usw.) betreibt und sich damit gemeindlich engagiert und so eine Erfüllung des Kirchenauftrages des „Dienstes am Nächsten“ einlöst. Glaubensbiographie“ zurzeit nicht mit der kirchlichen Arbeit vor Ort zusammenpasst und sich deshalb eine „Auszeit“ genommen haben. Was heißt dieses „Modell der vier Kirchengemeinden“ nun für die Dorf-Kirche von heute? Abschluss-Thesen zur „Kirchengemeinde im Regionalen Dorf“ (1.) Die Pluralisierung des Regionalen Dorfes ist auch in einer Pluralisierung der lokalen Kirchengemeinde angekommen. (2.) Wir haben es heute in unseren Dörfern nicht mehr mit einer Kirchengemeinde, sondern mit verschiedenen Fraktionen von Kirchengemeinden zu tun, müssen also von der Tatsache „unterschiedlicher kirchlichen Identitäten vor Ort“ ausgehen. (3.) Die heutigen Dorfbewohner haben ihrer Lebensweise gemäß eigene, mehrschichtige „Formen gelebter Kirchlichkeit“ entwickelt, die sie in dieser Form auch glaubhaft leben wollen. Ihre Identifikation mit Kirche hängt davon ab, ob dies auch im kirchlichen Alltag vor Ort möglich ist. (4.) Dörfliche Kirchenpolitik ist heute nicht mehr gegen, sondern nur noch auf der Basis und Anerkennung dieser unterschiedlichen „Kirchengemeinde-Fraktionen“ und „-positionen“ und der Respektierung ihrer diversifizierten Lebensweisen und pluralisierten Kirchlichkeit möglich. (5.) Das Verhältnis der Gruppe der „Kirchen-Zentrierten“ zur Gruppe der „KirchenKulturellen“ ist in vielen Dörfern häufig konkurrierend und spannungsgeladen, was einen offenen Dialog behindert und die Zusammenarbeit oft schwierig macht. (6.) Dieses Verhältnis gilt es zu entkrampfen, um der ganzen Bandbreite der „neuentstanden Kirchengemeinden im Regionalen Dorf“ genügend Raum zur Entfaltung zu geben und damit die Kirche vor Ort insgesamt zu stärken. (7.) Dieser innerdörfliche Dialog unter den Kirchengemeinden ist ein sehr sensibler Prozess, der nur gelingt, wenn die bestehenden Unterschiede nicht verwischt, 10 sondern als jeweils zu tolerierende „Schmerzgrenzen“ anerkannt werden. Werden diese sensibel berücksichtigt und nicht unnötig verletzt, so ist auf Basis dieser Respektierung eine offene Kooperation sehr gut möglich. (8.) Dieser Weg ist keine Utopie, denn die Realität vielerorts – vor allem in den kleineren Dörfern – zeigt einen große Bedarf bei den Bürgern nach einem „lebensstilneutralen Interessensausgleich“ unter- und miteinander. Das Dorf wünscht (dem „kollektiven Unterbewusstsein“ von Dorf folgend) bei aller Unterschiedlichkeit die Zusammenkunft in einem lebensstil-übergreifenden Dorf-Ganzen. (9.) Und wer könnte diese Rolle besser ausfüllen als die Kirche, die als „lokal anerkannte Institution“ und „moralische Instanz“ diese „Akademie-Funktion“ (Vermittlungsfunktion) sehr gut ausüben könnte. (10.) Sie wird diese Rolle aber nur dann glaubhaft wahrnehmen können, wenn sie im Umgang mit der „Pluralität in den eigenen Reihen der Kirchengemeinden“ bewiesen hat, dass sie in der Lage ist, Gegensätze zusammenzuführen, ohne dabei die Produktivität der einzelnen Fraktionen zu zerstören, sondern die lebendige Gemeinsamkeit zu fördern. Hier gilt es mit gutem Beispiel voranzugehen und den geforderten Beweis zu erbringen. (11.) Die konkrete Utopie für die Zukunft des Regionalen Dorfes ist eine „dialogisierende Kommunikationsgemeinschaft Dorf“, in der auch unter den verschiedenen Kirchengemeinde-Fraktionen eine „Kultur der respektvollen Kooperation“ herrscht. Denn die wirkliche Dorfgemeinschaft ist ein Zukunftsprozess: „Omnia sint communia!“ („Wir werden eine Gemeinschaft sein!“) Literaturangaben zum Vortrag Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2003): Dorfanalyse Wewelsburg, 28.04 – 03.05.2003 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2003): Dorfanalyse Michelau (in Kooperation mit dem Projekt „Land in Sicht“ der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Land in der Diözese Würzburg, 19. - 24. Mai 2003 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2004): Dorfanalyse Schwaney, 17. – 22. Mai 2004 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2005): Dorfanalyse Alme, 02. – 07. Mai 2005 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2006): Dorfanalyse Remblinghausen, 01. – 06. Mai 2006 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2008): Dorfanalyse Dahl, 26. - 31. Mai 2008 - Dokumentation, Bad Honnef Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2009): Dorfanalyse Henne-Rartal, 04. 09 Mai 2009 - Dokumentation, Bad Honnef 11 Akademie der Katholischen Landjugendbewegung (2009): Dorfanalyse Linde 25. - 30. Mai 2009 - Dokumentation, Bad Honnef Arbeitskreis „Kirche und ländlicher Raum“ (2009): Fachtagung „Kirche vor Ort“ – Perspektiven für die Katholische Kirche in Dörfern und Kleinstädten in der Katholischen Landvolkhochschule Oesede, 7.–8. November 2008. Rückblick, Dokumentation & Ausblick, Osnabrück 2009 Heinrich Becker / Michael Hainz (2002): “Dörfer sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren“. Dörfliches Überleben im Spiegel der Vereine. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie, Heft 1, S. 106-115 Michael Hainz (1999): Dörfliches Sozialleben im Spannungsfeld der Individualisierung. Forschungsstelle für Agrarpolitik und Agrarsoziologie e.V., Band 311. Bonn 1999 Albert Herrenknecht (2009): Kirchengemeinde im heutigen Dorf (in der heutigen Kleinstadt). Thesen zur kirchlichen Dorfrealität. In: Arbeitskreis „Kirche und ländlicher Raum“ (Hrsg.): Fachtagung „Kirche vor Ort“ – Perspektiven für die Katholische Kirche in Dörfern und Kleinstädten in der Katholischen Landvolkhochschule Oesede, 7.-8. November 2008. Rückblick, Dokumentation & Ausblick, Osnabrück, S. 3-7 Albert Herrenknecht (2009): Kirche im Regionalen Dorf. Darstellung der acht hauptsächlichen Orts-Kirchlichen Interessensgruppen im heutigen „Regionalen Dorf“. In: Arbeitskreis „Kirche und ländlicher Raum“ (Hrsg.): Fachtagung „Kirche vor Ort“ – Perspektiven für die Katholische Kirche in Dörfern und Kleinstädten in der Katholischen Landvolkhochschule Oesede, 7.-8. November 2008. Rückblick, Dokumentation & Ausblick, Osnabrück, S. 9-16 Hans Huber (1992): Beheimatung im wachsenden Dorf. Eine Herausforderung der Landpastoral. Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, Band 11. Würzburg Hans Huber (1997): Beheimatung im wachsenden Dorf. Eine Herausforderung der Landpastoral. In: Lebendige Seelsorge, 48. Jahrgang, Heft 4, S. 232-235 Katholische Arbeitsgemeinschaft Land der Diözese Würzburg (2004): Land in Sicht. Zukunft der Landpastoral in der Diözese Würzburg. Ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft Land. Ein Arbeits- und Diskussionspapier. Würzburg Katholische Arbeitsgemeinschaft Land der Diözese Würzburg (2006): Land in Sicht. Zukunft der Landpastoral in der Diözese Würzburg. Auswertung der Fragebogenaktion. Würzburg (Beide Unterlagen sind gegen einen Portokostenbeitrag - ein Überweisungsträger wird der Lieferung beigelegt - erhältlich über: E-Mail: [email protected] oder Telefon: 0931/386-63174) Claudia Pfrang (2007): Mut zum Experiment. Eckpunkte und Impulse für eine Entwicklung der Kirche. In: Lebendige Seelsorge, 58. Jahrgang Heft 3, S. 187-191 Pro Provincia (2004): Lebensentwürfe und Lebensstile im (heutigen) Dorf. TeilnehmerInnenMaterialien des Rabanus-Maurus-Tages 2004 „Unbekanntes Land – Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums“ am 7. Februar 2004 in Montabaur, Boxberg Wolfgang Vögele / Helmut Bremer / Michael Vester (2002): Soziale Milieus und Kirche. Reihe Religion in der Gesellschaft, Band 11. Würzburg 12 Kleine christliche Gemeinschaften Ein neuer Ansatz, Kirche in großen, pastoralen Strukturen auch im Nahbereich mit Strahlkraft zu leben. (Workshop I, Impuls) Dieter Tewes, Bistum Osnabrück, Referent Missionarische Dienste/ missio, Domhof 12, 49074 Osnabrück, Telefon: 0541/318-203, Email: [email protected] Kleine Christliche Gemeinschaften – Eine Kurzdarstellung. Im Nachgang zum Konzil wurde in Europa versucht, Pfarreien zu Gemeinden zu machen. Kirchenrechtliche Einheiten sollten unter der Leitung eines Pfarrers Communio werden. Das dieses größtenteils nicht gelungen ist, weil einfach die Pfarreien zu vielschichtig und vor allem zu groß waren und sind, ist heute Konsens. In den flächenmäßig und von der Zahl der Mitglieder her großen Pfarreien der anderen Kontinente war eine solche Entwicklung nicht möglich. Es war klar, dass hier nur kleinere lokale, im Wohnbereich bzw. nachbarschaftsverankerte Gruppen als Communio leben konnten. Außerdem bewegten sich diese Gruppen oft in einem Umfeld, in dem sie die Minderheit darstellten, eine Situation, in der Christen auch in Europa zunehmend kommen. In Europa will sich der Einzelne auch in dieser Situation als Individuum seines konkreten Glaubens vergewissern. Er braucht es, in den Dialog mit anderen über den Glauben und dann auch in den Dialog mit Gott einzusteigen. Kleine Christliche Gemeinschaften bieten diese Möglichkeit, wollen dabei aber mehr sein als „Selbsthilfegruppen im Glauben“ und auch die anderen oben genannten Dimensionen von Kirche verwirklichen. Sie wollen „Kirche vor Ort“ sein, eine neue Sozialform von Kirche, die sich nicht nur rekrutiert aus den traditionellen Kernmilieus von Kirche und den Kerngruppen der bisherigen Engagierten. Kirche-Werdung ist aber nur möglich, wenn es nicht um reine Wahlgemeinschaften geht, nicht um spezielle Personalgemeinden. Kleine Christliche Gemeinschaften sind keine Hauskreise, die sich als Freundeskreise finden oder geistliche Bewegungen, die sich um eine bestimmte Form von Spiritualität sammeln. Kleine Christliche Gemeinschaften wollen Kirche vor Ort sein, in der jeder und jede in diesem Nahbereich mitmachen kann, die als Kirche für alle dort ansprechbar ist und sich verantwortlich und gesandt weiß zu den Menschen in ihrem Nah- und Wohnbereich. Die Kleinen Christlichen Gemeinschaften in den deutschen Diözesen versuchen nach folgenden Grundprinzipien zu arbeiten: 1. Nachbarschaft / lokaler Bereich: Es sind Gruppen, die als Substruktur einer Pfarrei sich verstehen und als Kirche vor Ort. Die Gruppe ist generell offen für jeden aus diesem lokalen Bereich, der mitmachen will. Es sind ganz bewusst keine Wahlgemeinschaften. Es wird versucht, die horizontale Dimension von Communio zu leben. Gemeinschaft heißt hier nicht Kuscheligkeit sondern gemeinsame Vision und gemeinsames Arbeiten am Reich Gottes. 13 2. Christus-Mitte: Die Gruppe macht sich immer wieder bewusst, dass Christus in ihrer Mitte ist und zu ihr im Wort der Schrift spricht. Bibel Teilen als Feier der Gegenwart Jesu im Wort ist wichtiges praktisches Element der Kleinen Christlichen Gemeinschaften. Hier wird die vertikale Dimension von Communio, die Verbindung mit Gott im Sinne einer „Mystik für alle“ praktiziert. 3. Sendung / Handeln: Im 6. Schritt des Bibel Teilens fragt sich die Gruppe nach ihrer Sendung für ihren konkreten Lebensbereich. Es geht um kirchliches und soziales Handeln, um ganz konkrete Aufgaben, die auch vernetzt mit anderen Gruppen angegangen werden können. Dieser Punkt ist ganz wesentlicher Unterschied zu „spirituellen Selbsthilfegruppen im Glauben“ oder Bibel-TeilGruppen, die im Schritt 6 nicht nach ihrer konkreten Sendung fragen, sondern nur ein „persönliches Wort des Lebens“ heraussuchen. 4. Kirche: Die Kleine Christliche Gemeinschaft versteht sich als Teil der Pfarrei und Teil der Weltkirche. Die Vernetzung mit der Pfarrei wird durch die Verbindung über gewählte Leiter, über Kommunikation mit den anderen Gruppen und Hauptamtlichen sowie über gemeinsame Fortbildungen und Schulungen gesichert. Damit auf der Basis dieser vier Grundmerkmale Kirche wachsen kann, wird Leitung in diesen Gruppen und in der von Kleinen Christlichen Gemeinschaften geprägten Pfarrei als nicht dominierende Leitung wahrgenommen. Leitung soll ermöglichend und fördernd wahrgenommen werden. Entscheidungen werden im Konsens gefällt, nicht durch Abstimmung. Grundsätzlich geschieht die Einführung von Kleinen Christlichen Gemeinschaften immer mit Zustimmung und Unterstützung der Priester und Hauptamtlichen, auch wenn die Anregung dieses Modells in den Pfarreien sowohl von interessierten Gemeindemitgliedern als auch von den Hauptamtlichen ausgehen kann. Suchbewegungen, denen das pastorale Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften entgegenkommt, gibt es sowohl bei den Hauptamtlichen als auch bei den Laien. Bei den Hauptamtlichen ist es vor allem die Strukturfrage, die sie zu den Kleinen Christlichen Gemeinschaften bringen: Wie kann in den größer werdenden pastoralen Räumen, Pfarreien und Pfarrverbänden Kirche vor Ort lebendig bleiben? Die Einsicht, dass die bisherige Form des pastoralen Arbeitens, die in den bisherigen Einzel-Pfarreien noch geradeso möglich war, in großen Pfarreiengemeinschaften so nicht mehr möglich ist und zur Veränderung der gesamten Arbeitsweise und Sichtweise von Pastoral zwingt, greift um sich. Kirche sein wird außerhalb der Sichtweite des Kirchturms in solchen großen Strukturen in Zukunft nur noch dann möglich sein, wenn Gruppen in den Dörfern, Stadtteilen, Siedlungen und Nachbarschaften sich als Kirche verstehen und leben, d. h. ein spirituelles kirchliches Leben führen, sich gesandt wissen in ihr konkretes Umfeld und hier sozial und kirchlich handeln. Sie knüpfen Kontakte mit Menschen in ihrem Umfeld und legen durch ihre Arbeit und durch ihre „Proexistenz“ Zeugnis ab für die Frohe Botschaft, sind so missionarisch, bieten ihren Glauben an in ihrem konkreten Kontext. Eine wichtige Voraussetzung für Kleine Christliche Gemeinschaften ist das Bewusstsein der beteiligten Menschen, dass sie Kirche sind und als Kirche mitverantwortlich sind für das, was Christen in ihrem Dorf oder Stadtteil tun, mitverantwortlich sind für das gemeinschaftliche und politische Leben dort. Dieses 14 Bewusstsein und eine gemeinsame Vision von Kirche muss als erstes miteinander entwickelt werden. Grundprinzipien im pastoralen Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften - Das Wissen, dass Christus in unserer Mitte ist, prägt alle Treffen und führt zu einer spirituellen Atmosphäre Das Volk Gottes ist Träger von Kirche: Wir treffen uns als Kirche Priester, Hauptamtliche und Laien arbeiten gemeinsam am Aufbau des Reiches Gottes Es geht um maximale Partizipation aller Getauften an Kirche Jeder ist berufen und befähigt, Aufgaben in der Kirche zu übernehmen Beim Bibel-Teilen kann jede/r die Leitung übernehmen Entscheidungen werden im Konsens gefällt, nicht durch Abstimmung Es geht nicht zuerst um Gruppenbildung, sondern um Bewusstsein des Kircheseins in der Pfarrei KCGs sind grundsätzlich offen für neue Wenn die KCG zu groß wird, teilt sie sich nach geographischen Gesichtspunkten (Räumliche Nähe, Nachbarschaft) Leitung wird als ermöglichende, animierende und nicht-dominierende Leitung wahrgenommen. Das Lebendighalten der KCGs ist ebenso wichtig (und schwierig) wie das Starten. Dafür sind Schulungen und Bewusstseinsarbeit nötig. Die vier Merkmale der Kleinen Christlichen Gemeinschaften: Nachbarschaft, lokaler Bereich Handeln, Sendung Spiritualität, Wort Gottes in der Mitte Verbindung mit der Pfarrei und der Weltkirche 15 „Wir machen gute Schule“ (Workshop II, Impuls) Michael Lütkevedder, Schulseelsorger und Religionslehrer an den Ursula-Schulen in Attendorn, St.-Ursula-Straße 12, 57439 Attendorn, Tel: 02722/9258-0, Fax: 02722/9258-10, [email protected], http://st-ursula-attendorn.de/ Ausgehend von der Emmauserzählung (Lk24) wurden wichtige Leitgedanken für den pastoralen Ort „Ursula-Schulen in Attendorn“ aufgeführt und entwickelt. 1. „Jesus kam hinzu und ging mit ihnen.“ (Lk 24,15) - Welche Schüler, Eltern, Lehrer haben wir? Die Menschen kommen aus einem ländlichen Raum, sind in der Regel noch irgendwie kirchlich sozialisiert, und doch weit von Kirche entfernt. - Leid und Not, vor allem psychische Krankheiten und Auffälligkeiten, werden versteckt. - Eltern legen bei der Anmeldung nicht viel Wert auf das „Katholische“. Ihnen geht es eher darum, dass sie ihr Kind gut aufgehoben wissen. Auch Stichworte wie Werte, Atmosphäre, „Heiliger Berg“ Tradition der Ursulinen beschreiben ein positives Image. - Darauf haben wir uns einzustellen: „Wir machen gute Schule“ ist daher erster Grundsatz. Natürlich orientieren wir uns an staatlichen Vorgaben. Unsere erste und wichtigste Aufgabe ist daher „Bildung“, helfen, dass junge Menschen sich „bilden“ können, dass sie Chancen in Berufs- und Lebensumfeld erhalten. 2. „Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet?“ (Lk 24, 17) - Natürlich hören wir hin: Uns interessiert das Leben der Schüler, auch das Außerschulische. Auf Konferenzen werden wir mit der Not und den Sorgen von Schülern und Eltern konfrontiert. - Uns ist bewusst, dass die Schüler den Großteil des Tages in der Schule verbringen. - Wir bieten Beratung und Begleitung durch ein Beratungsteam. - Wir arbeiten mit ortsnahen Beratungsstellen zusammen und sind bei Hilfeplangesprächen dabei. - Wir schauen hin und fragen nach, wenn Konflikte in der Klasse sind: Mobbing, Neid, Eifersucht. - Unsere Möglichkeiten sind zuweilen begrenzt, weil uns das außerschulische Geschehen selten bekannt ist. - Wir unterstützen die Pfarrgemeinden, indem wir Firmunterricht in der Schule erteilen. - Die Priester der Schule feiern sonntags in den Gemeinden Gottesdienst und schlagen so eine Brücke von der Schule in die Gemeinde und umgekehrt. 3. „Und er ging mit hinein, um bei ihnen zu bleiben… Und als er das Brot brach…“ (Lk 24, 29f) - Glaube bekommt an unserer Schule Formen: Morgengebet, Jahrgangsstufengottesdienste, Klassengottesdienste (Rituale!), Pausenmeditation, Frühschichten, Haussegnung, Aschermittwoch, Gottesdienste zum Schuljahrsbeginn und –ende. 16 - Wir nehmen Anteil, wenn jemand im Umfeld stirbt. Aus dem Leitbild der St. Ursula-Schulen Attendorn zum Stichwort „Schulseelsorge“ Grundsätze Unser Schulleben gestaltet sich aus den Lebensgedanken des Evangeliums. Dort lesen wir, dass immer wieder Menschen zu Jesus kommen, selbst bei Nacht, um mit ihm zu sprechen, ihn zu hören und sich von ihm inspirieren zu lassen. Dabei beeindruckt am meisten, wie intensiv Jesus sich dem einzelnen Menschen zuwendet. 2000 Jahre Christentum zeigen: Ein Leben, gestaltet aus dem Evangelium, ist ein Segen für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Für uns als christliche Schule hat das, was im Evangelium durch „Zuwendung“ so lebendig und heilend wirkt, Priorität. Diese „Zuwendung“ gilt dem einzelnen Menschen in seiner Ganzheit und gehört darum nach unserem Verständnis zur ganzheitlichen Bildung des Menschen. - Wir erfahren und feiern die Zuwendung Gottes mit einzelnen Jahrgangsstufen im wöchentlichen Gottesdienst und bei Gottesdiensten zu besondern Anlässen und Gedenktagen. Dazu gehören auch die sogenannten „Klassenlehrergottesdienste“. Sie werden vom Klassenlehrer, von der Klassenlehrerin mit der einzelnen Klasse als Wortgottesdienste gefeiert. - Gott und seine Zuwendung mitten im Alltag, wird in unseren kurzen Pausenmeditationen an jedem Dienstag und Freitag spürbar. - Wir wenden uns Gott zu beim Morgengebet, bevor der Unterricht beginnt. - Zuwendung versichern die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, die über zwei Schuljahre hin die Klasse leiten. Sie kennen die Schülerinnen und Schüler und sind oft deren erste und wichtigste Ansprechpartner. - Besondere Zuwendung brauchen Schülerinnen und Schüler und auch deren Eltern, wenn eine Sorge, ein Problem, körperliche und /oder seelische Erkrankungen das Leben und Lernen beeinflussen. Für diese Situationen stehen die Schulseelsorger jederzeit zur Verfügung, auch über den Schulvormittag hinaus. - Zuwendung in Form von begleitenden Gesprächen bieten neben den Schulseelsorgern Lehrerinnen und Lehrer des Beratungsteams an, wenn ein Schüler/eine Schülerin lange auf einen Termin für eine Psychotherapie oder auf ein erstes Gespräch mit einem Psychologen warten muss. - Wenn es angezeigt oder ausdrücklicher Wunsch ist, besuchen die Schulseelsorger Schülerinnen und Schüler und deren Eltern auch zu Hause. Voraussetzung für alle Gespräche ist die Schweigepflicht der Schulseelsorger auch der Schule gegenüber. - Seit vielen Jahren arbeiten wir gut mit den Beratungsstellen zusammen, die sich auf ihre Weise dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schülerin zuwenden. 17 Konkretionen aus dem Leitbild des Erzbistums Paderborn (Vorläufige Fassung, Überschriften, der ganze Text liegt als Anhang bei.) 1. Authentische christliche Spiritualität: Menschen auf der Suche nach Gott. 2. Die Würde des Menschen: Verwurzelt in seiner Gottebenbildlichkeit. 3. Katholisch: Allgemein, umfassend. 4. Im Dialog leben: Katholisch in ökumenischer Offenheit. 5. Der Mensch: Einheit von Leib, Seele und Geist. 6. Die Welt als Schöpfung: Zur Verantwortung bereit sein. 7. Zum Guten befähigen: Zur Liebesfähigkeit führen. 18 „Der Jugend und dem Glauben Raum geben“ Projekte „Junge Kirche“ auf dem Lande (Workshop III, Impuls) Bernadette Klens, Gemeindereferentin im Pastoralverbund Esloher Land, Pastoralverbund Esloher Land, Kirchstr. 8, 59889 Eslohe, Telefon 02973.9759083, Email: [email protected] Michael Kloppenburg, Referent für Jugend und Familie im Dekanat HochsauerlandMitte, Dekanat Hochsauerland-Mitte, Stiftsplatz 13, 59872 Meschede, Telefon 0291.991663, Email: [email protected] Daniel Robbert, Diözesanjugendseelsorger der KLJB im Erzbistum Paderborn, Am Busdorfplatz 7, 33098 Paderborn, Telefon: 05251/ 2888-400, Email: [email protected] HAFEN Projekte Junge Kirche haben einen gemeinsamen Standort - das Erzbistum Paderborn. Jungen Menschen eine Heimat auch im Glaubensleben zu bieten, ihnen Möglichkeiten und Chancen zur Nachfolge Christi in der Kirche zu eröffnen, gehört zu den Lebensvollzügen der Kirche in Paderborn. Die Verortung lässt sich noch weiter differenzieren: in den konkreten Lebensräumen der Pastoralverbünde und Gemeinden betten sich Projekte Junge Kirche ein beheimatet in der Kirche von Paderborn und verwurzelt im Lebensraum der Ortsgemeinde. Projekte Junge Kirche spielen in den kirchlichen Grundvollzügen aber auch inhaltlich eine Rolle: in den Pastoralen Perspektiven fordert Erzbischof Hans-Josef Becker dezidiert dazu auf, die Netze erneut auszuwerfen. Das heißt auch, hinaus zu fahren, sozusagen den sicheren und vertrauten Hafen zu verlassen und eine neue Seefahrt zu unternehmen. Junge Menschen wollen auf dem Fundament ihrer bisherigen Glaubenserfahrungen eigene Räume erschließen, um der Botschaft Jesu Christi näher zu kommen und ihren Erfahrungen mit ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen. So gesehen zeigt sich in den Projekten auch das junge Gesicht der Kirche von Paderborn in einer vielfältigen, unterschiedlichen und zugleich innerlich verbundenen Weise. Im Bild gesprochen: manches Boot erweckt dann in den Augen Erwachsenen eher Irritation – viel zu bunt, nicht seetüchtig oder kaum zu steuern. Und doch trägt quasi das gemeinsame Motto: Wagnis Glauben. BOOTE Die Verschiedenartigkeit der Projekte spiegelt dabei nur wieder, wie vielschichtig und komplex die gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen sind. Projekte Junge Kirche haben sich im städtischen, im ländlichen Milieu, aber auch in der besonderen Situation der Diaspora herausgebildet. So unterschiedlich die Ideen und Entwürfe sind und sein werden, so unterschiedlich prägt sich auch die konkrete Arbeit der Junge Kirche aus. Dabei spielt die Verwiesenheit auf den äußeren wie inneren Bezugsrahmen eine wichtige Rolle: wo es den kirchlichen Trägern vor Ort gelingt, sich der neuen pastoralen Herausforderungen zu stellen, wo sie in diesem Sinn ihrer Hafen-Funktion 19 nachkommen, den „jungen Seefahrern“ quasi Schutz und Anlege-Möglichkeiten geben, da können auch die nötigen Reparaturarbeiten im Trockendock, notwendige Vergewisserungen vorgenommen werden. Auch wenn die Projekte nach vielen Seiten hin offen sind, so gibt es doch eine gemeinsame Schnittfläche: das Bedürfnis Glauben und Leben stärker miteinander zu verbinden und eigene Schritte in der Umsetzung der Frohen Botschaft anzugehen. Den je unterschiedlichen Trägerorganen – seien es Dekanatspastoralkonferenzen, Gremien der Pastoralverbünde oder Fachkonferenzen Jugend – wird zugemutet, diese (neuen) Aufbrüche mitzutragen und auszuhalten, einer Option der Jugend Raum zu geben und der Kreativität des Hl. Geistes zu vertrauen. Projekte Junge Kirche sind die Boote, die hinausfahren, um „neue Gewässer“ der (Jugend-)Pastoral zu erkunden und zu erleben. Jedes der Projekte Junge Kirche im Erzbistum Paderborn ist ganz individuell für die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort entwickelt worden und orientiert sich an den Möglichkeiten und Wünschen der (zumeist jungen) Menschen. So gibt es temporäre Projekte, die für nur wenige Wochen, dafür aber mit täglichen Angeboten Menschen zu sich einladen, während andere Projekte kontinuierlich über das ganze Jahr zu festen Zeiten ein Angebot vorhalten. Den Möglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Bedürfnissen der Gäste, die die jungen Kirchen besuchen und sie mitgestalten, wird so Rechnung getragen. Ebenso verhält es sich mit der Frage nach dem Standort der Projekte Junge Kirche. Während die einen darauf ausgerichtet sind, an einem festen Ort Kontinuität und einen Wiedererkennungswert zu bieten, zielen andere Projekte darauf ab, an verschiedenen Orten möglichst viele verschiedene Menschen zu erreichen. Beides hat seinen Sinn und seine Berechtigung; es ist Aufgabe des jeweiligen Teams vor Ort, die jeweilige Situation genau zu betrachten und das Projekt daraufhin auszurichten. Die Verschiedenheit der einzelnen Projekte Junge Kirche des Bistums lässt sich sicher auch mit den unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Stadt und Land begründen: in den ländlichen Gebieten des Bistums finden sich vorrangig temporäre Projekte an einem festen Standort; Flexibilität und Mobilität Jugendlicher sind hier zum Teil eingeschränkt. Dafür ist hier eine hohe Motivation zu erleben, sich für eine gewisse Zeit voll für das Projekt einzusetzen. Städtische Angebote wie z.B. das Projekt Junge Kirche in Dortmund setzen auf kontinuierliche Projekte an einem festen Ort, während das Projekt Junge Kirche in Bielefeld, eingebettet in die Diaspora-Situation der Gemeinden in Bielefeld, mit wechselnden Angeboten und wechselnden Orten und mit einem kleinen Team von ehrenamtlichen Mitarbeitern viele Menschen erreicht GEWÄSSER Im übertragenen Sinn ist es in den Projekten Junge Kirche ähnlich: zuerst muss man sich aufs Wasser wagen, um in See zu stechen. Dazu benötigt es Abenteuerlust, Sehnsucht, Mut neue Wege zu finden sowie diese auch wieder zu verwerfen und Zeit. Es gilt nicht einen schon gefahrenen Kurs nachzuahmen, sondern ihn so anzugehen, wie es der jeweiligen Situation und Ressource entspricht, denn die Ströme und Gezeiten verhalten sich nicht gleich, sondern bergen häufig Unbekanntes. 20 Das aber macht die Seefahrt wie auch die Arbeit in dem Projekt Junge Kirche zu etwas ganz Besonderem – Einzigartigem. Projekte der Jungen Kirche erfinden Jugendpastoral nicht neu, sondern sie entwickeln ihre Arbeit für den „weißen Fleck“ auf der Landkarte der Jugendpastoral, der sich durch den ästhetisch-kulturellen Graben zwischen Jugendlichen einerseits und Christentum und Kirche andererseits aufgetan hat. Es gilt neue, ungewöhnliche Kommunikationsformen auszuprobieren und zu finden. Die „Engelaktion“ oder die Ausstellung des weltgrößten Hungertuches der Welt der Jugendkirche Bielefeld, die Sprayaktion an Kirchenbänken der Jungen Kirche Dortmund, die Verhüllung der Jugendkirche in Arpe oder die Innengestaltung der Jugendkirche Meschede sind nur wenige der außergewöhnlichen Projekte, die Projekte Junge Kirche veranstalten. Alle Projekte haben eines gemeinsam: Sie bedürfen der intensiven Begleitung durch das Team. Arbeit in den Projekten Junge Kirche ist immer auch Beziehungsarbeit. Es ist das Fundament der Projekte; es ist das Wasser, das das Boot zum Schaukeln bringt. Bei den Aktionen, die die Projekte Junge Kirche veranstalten, muss auch erwähnt werden, dass alle Teams nur begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung haben, die sich im personalem Angebot widerspiegeln. Wo Zeit investiert werden müsste, sind immer auch die bisherigen Aufgaben des Alltagsgeschäftes zu leisten. Eine weitestgehende Freistellung des Teams ist auf Dauer unabdingbar, um Projekte und Aktionen Junger Kirchen professionell zu unterstützen. Was aber hat eine Gemeinde/ein Pastoralverbund von einer solchen Aktion? Welchen Nutzen, welchen Profit? Eines haben die unterschiedlichen Aktionen der Jungen Kirchen aber gemeinsam: Sie sind wichtige experimentelle Versuche, der Jugend in unserer Kirche Raum zu geben und der Kirche Raum zu geben im Leben junger Menschen. Alle Aktionen signalisieren, dass Kirche in Bewegung ist: jung und dynamisch – es ist das Entdecken von Unbekannten, in dem auch immer etwas steckt, dass man nicht erwartet. ANTRIEB Wenn man sich gemeinsam auf den Weg macht, auf die große Fahrt, so ist es gerade die Vielfalt der Begabungen, die Unterschiedlichkeit der Kräfte, die zusammen wirken, die hilft, das Ziel zu erreichen. Auch mit unterschiedlichen Antriebskräften und Energien sind die verschiedenen Projekte Junge Kirche unterwegs – und doch auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel. Am Ende, ganz am Ende, wird die Kirche jung und die Jugend von der Kirche getragen sein. Gespräche mit denen, die in meinen ersten Vikarsjahren Junge Kirche gestaltet haben, ergeben durchaus einen Rückblick voller dankbarer Freude über das gemeinsam gestaltete – Erfahrung fürs Leben: durch viele Gaben in einem Geist. Die Jünger Jesu haben erfahren, dass ihnen einer Sehnsucht schenkt und Ziele zeigt, die sie mit ihren so unterschiedlichen Kräften und Gaben erreichen – junge Jünger heute erfahren das auch: Jugendliche Christen suchen nach mehr, finden neue Formen, Orte, Sprachen für ihren Glauben und ihre Zweifel und ihre Fragen und ihre Hoffnung – und einfach mehr Pep – damit ihr Leben und ihr Lebensgefühl 21 auch vorkommt. Sie haben ihre eigene Energie: so wie das Boot den Antrieb braucht, den Wind oder das Ruder, oder den Dieselmotor, so ist es das Wehen des Geistes Gottes, es ist auch das eigene Mitwirken, das Mitsprechen und das Mitentscheiden der Leute im Boot und ebenso die nötige Technik und die Ressourcen, die heute etwas bewegen. Natürlich kann das Wehen einem auch zur Flaute oder gar zum Gegenwind werden: wenn man mit dem Wind Gottes im Rücken startet, und doch in eine Windstille gerät, weil der Glaube und die Kirche auf Desinteresse stoßen, oder wenn Jugendliche oft auch Spott und Mobbing erfahren, weil sie sich engagieren. Aber der Glaube ist ja keine hohle Phrase für sie, sondern sie sind im Gegenteil aufgebrochen, um etwas zu bewegen, um gute Ziele zu erreichen und Menschen dafür zu gewinnen. Die drei Antriebe dabei sind • Kirche muss wieder interessant und spannend sein • Kirche muss helfen, Glauben und Leben zu verstehen • Kirche muss die Botschaft Gottes zur Tat werden lassen. Damit sind ja die drei kirchlichen Grundvollzüge beschrieben: - Die Frage nach Gott, nach der Übersetzung seiner Botschaft ins Heute und in die Welt Jugendlicher findet vielsprachige Antworten: Ob man sich im selbst gestalteten Raum der Jugendkirche trifft, oder aber auch in einem Chat-Room, ob man die Sprache der Musik oder der Bilder besser versteht: für jeden sind die vielfältigen Angebote der Projekte Junge Kirche eingesendete Botschaften, geben sie ein zeitgemäßes Glaubenszeugnis wieder, eine Martyria. Die Form ist dabei jeweils schon ein eigener Zugang. Schon die Gestaltung des Kirchenraumes ist damit auch Verkündigung. Zeugnis geschieht in Gesprächen, Diskussionen, in Filmen, die Lebensfragen transportieren und helfen, nach Antworten zu suchen. Oft tragen Projekte Junge Kirche Namen und Logo, die an sich schon Verkündigung und Bekenntnis sind und Zeugnis geben. - der Gottesdienst und die Liturgie, die nicht in lähmender Gewöhnung versandet, sondern lebensnah, zeitgemäß, peppig, verständlich und kreativ den Menschen zu Gott hinwendet und zugleich Gott den Menschen näher bringt – somit die Menschen auch einander in Communio und Koinonia, zu einer Gemeinschaft des Glaubens und des Lebens! Die Verkündigung lebt dabei auch von zeitgemäßen Medien: Bildpräsentationen, Musikeinspielungen, Lichteffekte sollten auf professionelle Technik (und kompetente Bedienung) zurückgreifen können. Eine Vielfalt an Diensten und gut ein-gespielte Beteiligte machen Gottesdienste lebendig – und zeigen das Leben der jungen Kirchen. Genauso aber ist gerade im Jugendbereich Stille heute zwar oft fremd, aber umso wertvoller. - Der Nächstendienst, die Diakonie, ist dann eine gute Frucht! Nächstendienst: Das Projekt Junge Kirche „light my fire“ in Meschede schafft Treffpunkte, Kontakte zu Jugendlichen anderer Milieus, z.B. durch einen Graffiti-Workshop zu biblischen Motiven im Freien: nicht nur die kreative Aktivität, sondern auch die thematische Auseinandersetzung und die Ausdrucksform für Lebenssituationen Jugendlicher bilden dabei den Einstieg für tiefe Gespräche. Ein weiteres Beispiel ist die talktime des Projektes Junge Kirche „MITTEndrin“ in Eslohe: Missionare auf Zeit berichten von den Lebenswelten Anderer, regen zu sozialen Aktionen an und schaffen geschwisterliche Verbundenheit. 22 Die Aktion Schutzengel wurde durch die Verhüllung der Jugendkirche in Arpe mit Tüchern voller Handabdrücke, die Kinderseelen schützen, bekannt gemacht und unterstützt. Wovon viele in der Kirche sprechen oder schreiben, das wird in den Projekten Junge Kirche oft unkompliziert und wie von selbst verwirklicht: die Grundvollzüge der Kirche greifen einfach ineinander. Damit ist ein guter Antrieb gegeben für die Jugendlichen und auch für das Umfeld der Gemeinden, in denen sie sich bewegen: Den Glauben zu erschließen, um ihn zu feiern und zu verwirklichen, und so Christus ein Gesicht und seiner Botschaft Hand und Fuß zu geben. BERUFUNG „Dunkle Kirchen, alte Leute und schlechte Musik!“ Das ist das Bild, was viele Jugendliche von Gottesdiensten haben. Junge Kirche möchte einen Raum bieten, wo junge Christen gemeinsam zum Menschsein und zum Christsein finden können. Ihre Suche, ihre Unsicherheiten, ihre Ängste und ihre Sternstunden sollen im Gottesdienst vorkommen, damit ihr Leben vorkommt. Gott möchte uns in die Tiefe führen, was er auch tut. Unseren Teil müssen wir nur gut tun, damit sich der Mensch von Gott finden lassen kann. Es braucht eben viel Licht, Seinesgleichen und gute Musik. „…und lehrte das Volk vom Boot aus.“ Die Kirche verkündet die Botschaft vom Reich Gottes. Jesus hat die Menschen mit lebensbezogenen Bildern und einer zeitgemäßen Sprache erreicht. Gott hat uns stets so angesprochen, dass wir ihn verstehen können. Junge Kirche möchte in der Verkündigung eine Sprache sprechen, die von den jungen Menschen verstanden wird, damit Gott ankommen kann. Dafür ist es wichtig mit jungen Menschen zu leben, auf sie zu hören und ihre Sprache zu verstehen. Jesus selbst hat mit den Menschen seiner Zeit gelebt, um ihr Leben kennen zulernen. BESATZUNG Projekte Junge Kirche sind aus unterschiedlichen Motivationen und Situationen heraus entstanden. Mal waren Arbeitskreise Jugendpastoral auslösendes Element; mal Dekanatspastoralkonferenzen, mal waren es die Erfahrungen und Erlebnisse rund um den Weltjugendtag 2005. Allen gleich ist, dass engagierte Menschen sich zusammengefunden haben und die Vision von einem neuen spirituellen Feld zusammen weiterentwickelt haben. In fast allen Projekten wurde dies unter Einbeziehung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen angegangen, die ihre Vision von Kirche und Glaube einbringen konnten. Die Umsetzung dieser Visionen erfolgt in den einzelnen Projekten mit ganz unterschiedlichen Teams. In der Regel stellen hauptberufliche und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Kernteam der Projekte: im Rahmen ihrer Tätigkeit im Dekanat bzw. im Pastoralverbund bilden Gemeindereferentinnen/ Gemeindereferenten, Dekanatsjugendseelsorger und Referentinnen und Referenten für Jugend und Familie in der Regel dieses kontinuierlich arbeitende Kernteam. Dazu kommen - projektorientiert oder themenorientiert - interessierte Menschen, die ehrenamtlich Gottesdienste, Aktionen und /oder inhaltliche Ausrichtungen und Konzepte planen, konzipieren, durchführen und auswerten. 23 Die Beteiligung von ehrenamtlichen Mitarbeitern ist in den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich. Während Junge Kirchen in Großstädten und in der Diaspora eher projektorientiert unterstützt werden, engagieren sich Ehrenamtliche in ländlichen Projekten deutlich kontinuierlicher. Alle Projekte leben jedoch von einer hohen Transparenz und von unterschiedlichen Partizipationsmodellen der Zielgruppe. Ideenschmieden, Ideentage, Kreativtreffen, Planungs- und Vorbereitungskreise sind feste Bestandteile der Projekte und ermöglichen Beteiligung an Konzepten, Aktionen, Gottesdiensten, Programmen und an inhaltlichen Schwerpunkten. Bistumsweit sind die Projekte untereinander und mit der Hauptabteilung eng vernetzt. Regelmäßig treffen sich Mitarbeiterinnen u. Mitarbeiter der Projekte zum Erfahrungsund Ideenaustausch und zur Weiterentwicklung der Visionen und Konzepte der Projekte Junge Kirche im Erzbistum. So wird eine Anbindung an die Pastoralen Perspektiven 2014 und damit auch an das Gesamt katholischer Jugendarbeit im Erzbistum gewährleistet und gestaltet. Aus- und Ansichten eines Leuchtturmwärters (Prof. Dr. Matthias Sellmann) Im Horizont des Unendlichen. - Wir haben das Land verlassen und sind zu Schiff gegangen! Wir haben die Brücke hinter uns, - mehr noch, wir haben das Land hinter uns abgebrochen! Nun, Schifflein! sieh’ dich vor! Neben dir liegt der Ocean, es ist wahr, er brüllt nicht immer, und mitunter liegt er da, wie Seide und Gold und Träumerei der Güte. Aber es kommen Stunden, wo du erkennen wirst, dass er unendlich ist und dass es nichts Furchtbareres giebt, als Unendlichkeit. Oh des armen Vogels, der sich frei gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stösst! Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre, - und es giebt kein „Land“ mehr! Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft‘, Fragment Nr. 124 Wenn ich so mit Fischstäbchen und Remoulade auf meinem Leuchtturm sitze, mich am Bart kraule und aufs Meer hinausschaue, dann denke ich oft über diese Zeilen von Friedrich Nietzsche nach. Ich glaube, dass sie es wert sind, für die Hochseefischerei der heutigen Kirche genau bedacht zu werden. Denn ganz sicher ist der Ozean ist in den letzten Jahren für die Häfen und die Schiffe der Kirche größer geworden, unberechenbarer und auch feindlicher. Er liegt, um mit Nietzsche zu sprechen, nicht mehr da wie Seide und Gold, sondern er brüllt die Kirche an. Das Fischen ist schwieriger geworden, und dieses Geschäft erfordert heute andere Gerätschaften, andere Kompasskenntnisse und andere Matrosentypen, gar keine Frage. Viele Erkenntnisse wissenschaftlicher und praktischer Art liegen vor, und sicher sollte man sie mit Respekt studieren. Aber, so verändert sich der Ozean auch darstellt, muss man doch trotzdem sagen: Da liegt ein weites Feld, da liegen neu aufgetauchte Inseln, da zeigen sich neue, bisher unbekannte Schwärme – und die Schiffe der Kirche fahren bisher nicht wirklich zu ihnen hinaus. Ich sehe von meinem Turm aus, dass die Schiffe der Kirche nach wie vor einen wohldosierten Sicherheitsabstand zum Hafen behalten und dass der Hafen seine Schiffe schön im Radar behalten möchte. Junge Kirche – Ihr Ziel ist das Meer, nicht der Hafen Über diesen Sicherheitsabstand möchte ich als erstes reden. Denn die große, die unersetzliche Chance der Jungen Kirche ist die Expedition, und die hat nicht viel mit Sicherheit zu tun. Ich sehe, um im Bild zu bleiben, in der Jungen Kirche schnelle, 24 kleine Boote, die sich durch 2 Eigenschaften auszeichnen, welche sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen: Wendigkeit und Robustheit. Wendigkeit: Dieser Schiffstyp ist in der Lage, auf den aktuellen Wellen zu gleiten und zu surfen. Er erkundet das Meer, hat Respekt vor ihm, will es nicht bekämpfen, sondern befahren. Junge Kirche ist in diesem Sinne Trendsurfer. Sie nehmen die aktuellen Impulse der Jugendkultur auf und begeistern sich für die Möglichkeit, in ihnen das Eigene, das Evangelium aufgehoben zu finden. Um es mit Paul M. Zulehner zu sagen: Sie taucht in die Jugendkultur ein und bei Gott wieder auf; sie taucht in Gott ein und in der Jugendkultur wieder auf. Junge Kirche segelt im Wind des Zeitgeistes, ihr Antrieb ist der Kulturoptimismus. Ihre erste Frage ist nicht die nach der kritischen Absetzung vom Zeitgeist, sondern wie man sich in ihm als junger Christ bewegt. Die Kirche hat ohnehin schon zu viele Windjammer, die Jungen Kirchen sollten nicht dazugehören. Und Robustheit: Trotz ihrer Wendigkeit sind die Schiffe der Jungen Kirche keine zerbrechlichen Jachten, sondern gut ausgestattete und für lange Fahrten gerüstete Segler. Ihr Ziel ist das Aufspüren und Erproben neuer und bisher unbekannter Fischgründe, nichts anderes. Pointiert gesagt: Ihr Ziel ist nicht in erster Linie die Rückkehr in den Hafen, sondern die Erfahrung des Ozeans. Dies zieht mehrere Schlussfolgerungen nach sich: …für den Hafen: Es ist zwingend erforderlich, dass der Hafen die Schiffe der Jungen Kirche aus dem heimatlichen Radar entlässt. Zu oft erinnern bisher die Schiffe der Jugendkirchen und der Jungen Kirchen an Ausflugsdampfer, die man bei schlechtem Wetter schnell wieder an die Kaimauern zurückbeordert. Zuviel Energie fließt nach wie vor in die Besänftigung des Hafens statt in die Eroberung des Meeres. Hier ist eine echte Vereinbarung notwendig. Meine Empfehlung wäre es, Schiffe der Jungen Kirche für fünf Jahre ziehen zu lassen, ohne dauernd einen Kontrollhubschrauber über ihnen kreisen zu lassen. Es soll Funkverkehr geben, in denen die Crew meldet, was sie sieht und was sie braucht. Aber ansonsten sollte gelten: Ein starker Hafen im Rücken, ein weites Meer vor der Nase. … für die Crew: Hochseefischerei in unbekannten Gewässern ist nichts für Landratten. An die Crew der Expeditionsschiffe Junge Kirche sind dieselben Ansprüche zu stellen wie an das Boot: Wendigkeit und Robustheit. An Bord dieser Schiffe brauchen wir „KolumbusExistenzen“. Das sind Leute, die mehr Angst vor Routine haben als vor hohem Wellengang. Kolumbus- Leute suchen die Schwärme jenseits der Fahrrinnen und sehen neue Ufer dort, wo andere nur Wasser vermuten. Im Übertrag: Mitarbeiter/innen von Junger Kirche haben das neue Kapitel Kirchengeschichte bereits aufgeschlagen, an das andere sich erst zögernd herantasten. Weil sie mit den Jüngeren zusammen leben und glauben, wissen sie, dass die Zukunft der deutschen Kirche nicht in der Renaissance vergangener volkskirchlicher Gestalten liegt, sondern in der ungleich bescheideneren Existenz als Christ/in in einem Missionsland. Sie leben heute schon die leichtfüßige Kirche von morgen, das heitere Christsein, das den Verlust von Macht, Struktur und Reichtum akzeptiert hat. Sie fahren hinaus 25 ins Weite und Tiefe (Lk 5), und sie werfen das Netz auf der rechten statt auf der jahrzehntelang gewohnten linken Seite aus (Jo 21). Ihr Ziel ist nicht in erster Linie das volle Netz, sondern dass jeder Fisch die Chance hat, in dieses Netz zu kommen – schwimme er, wo er wolle. Darum verlassen diese Boote den Hafen, weil im Umkreis des Hafens alles abgefischt ist. Mitarbeiter/innen in den Jungen Kirchen sind darum wache Typen, neugierig, experimentierfreudig, stolz, leidenschaftlich. Sie sind Gottes Leichtmatrosen, seine Ozean-Freaks, seine Horizont-Junkies, seine Fisch-Flüsterer. Und: Es sind fromme Leute. Ihr Navigationspunkt in den (äußeren wie inneren) Nächten auf hoher See sind nicht die Seekarten der Kapitäne von gestern, sondern ist der Polarstern selbst: Jesus Christus, vor dem ihr Schiff durch die Wellen pflügt. Sagen wir mal: In diesem nautischen Sprachspiel ist jede Gemeinde und jedes Dekanat wie eine Reederei. Dann kann man nur jeder dieser Reedereien empfehlen, solche Schiffe zu bauen und auszurüsten. Das Projekt Junge Kirche ist ein Wechsel auf die Zukunft der Kirche im Erzbistum Paderborn. Das Erzbistum sei der Hafen, der diese Projektboote mit dem vollen Segen aus dem Radar entlässt; die Gemeinden seien die Reedereien, die diese Projektboote großzügig bestücken und besetzen; und die Mitarbeiter/ innen seien die Seebären, auf deren Mut und auf deren Seetüchtigkeit man sich hundertprozentig verlassen kann. Dann Gnade den Fischen, die bisher noch gar nicht wussten, was für ein großartiges Netz die Kirche in den Ozean hängt! Anmerkung: Dieser Text ist Teil des bebilderten und mit weiteren Zitaten gefüllten Flyers, der die Projekte Junge Kirche im Erzbistum Paderborn präsentiert und der dieser Dokumentation beigefügt ist. 26 „Wir müssen raus aufs Land“ Caritas unterwegs zu den Menschen (Workshop IV, Impuls) Brigitte Badke, Koordinatorin für Caritas und Pastoral im Dekanat BürenDelbrück,Caritas im Dekanat Büren-Delbrück, Briloner Str.9, 33142 Büren, Telefon: 02951/9870-35, Email: [email protected] Orte des Zuhörens – ein Projekt im Aufbau Auf der Suche nach neuen pastoralen Orten entstehen im Dekanat Büren-Delbrück in der Region Büren „Orte des Zuhörens“. Die Anregung zur Umsetzung dieser Idee geht vom Caritasverband im Dekanat Büren e.V. aus. „Orte des Zuhörens“ sind Anlaufstellen, z.B. für Menschen, die vereinsamt sind und einfach mal jemanden zum Zuhören brauchen Menschen, deren Lebensperspektiven zerbrochen sind und die sich im Hamsterrad ihrer eigenen Gedanken nicht mehr zurechtfinden Menschen, die nicht wissen, wo sie eine geeignete Beratungsstelle für ihre Fragen und Sorgen finden Arbeitslose, die Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und beim Umgang mit Behörden brauchen Familien, die Unterstützung für ihre Kinder suchen In enger Zusammenarbeit mit den Pfarrgemeinden soll das Projekt verwirklicht werden. Damit soll sichergestellt werden, dass innerhalb der immer größer werdenden pastoralen Räume ein Ansprechpartner für Menschen in Not da ist. Kirche bekommt ein Gesicht, auch wenn kein hauptamtlicher Seelsorger vor Ort ist. Das Projekt "Orte des Zuhörens" will Freiwillige motivieren, ihre freie Zeit Menschen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stellen. Sie sollen wie ein "Hausarzt" den Ratsuchenden im eigenen Sozialraum wohnortnah die Chance geben, eine Anlaufstelle zu haben, in der jemand für sie da ist. Sie sollen den Ratsuchenden mit seiner Geschichte wertschätzend anhören, ihm Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schenken, selber hilfreiche Tipps geben und an entsprechende Fachberatungen vermitteln können. Die Gewinnung und Schulung von Freiwilligen hat in diesem Projekt einen hohen Stellenwert. Dadurch wird deutlich, dass nicht nur Erwartungen an die Mitarbeitenden gestellt werden, sondern dass sie durch ihr Engagement selber profitieren. Die „Orte des Zuhörens“ sind ein Beitrag zur diakonischen Gemeindeentwicklung. Weil die Sprechzeiten auch in den kleineren Orten dezentral auf dem Land angeboten werden sollen, sind sie eine gute Möglichkeit, Beziehungen aufrecht zu erhalten oder neue zu knüpfen. 27 Sie sind ein Angebot in den Lebensräumen der Menschen, an den Schauplätzen ihres Alltags. Öffentliche Mitarbeiterwerbung Wir bieten - eine ehrenamtliche Tätigkeit im Raum der Kirche - ein freundliches Mitarbeiterteam - eine intensive Einarbeitungsphase - Erweiterung Ihrer sozialen und beratenden Kompetenz - freie Zeiteinteilung - als Vergütung persönliche Zufriedenheit und dankbare Mitmenschen 28 Per Mausklick in die Kirche Reale Seelsorge in virtuelle Welten (Workshop V, Impuls) Rainer Gelhot, Gemeindereferent in Melle-Gesmold und Bissendorf-Schledehausen, Internetseelsorgebeauftragter im Bistum Osnabrück, www.funcity.de, Telefon: 05402/8134, Email: [email protected] Das Internet konnte in den vergangenen 10 Jahren rasante Zuwachsraten verzeichnen. 2009 waren 67,1 % aller Deutschen, das sind 43,5 Mio. Menschen, mit einem Internetzugang ausgestattet. Die zweite Generation des Internet, „Web 2.0“ genannt, ermöglicht nutzer-generierte Inhalte zu veröffentlichen. Das Internet wird zum Mitmach-Netz. Communities und Social-Networks gründen sich: - funcity (1996) - icq/ mirabilis (1996) - Wikipedia Deutschland (2001) - facebook (2004) - StudiVz (2005) - wer-kennt-wen (2006) Probleme des Web 2.0: - Kontrolle? - Anerkennung? - Fähigkeiten? - Ort? - Persönlichkeit – die eigene Darstellung, Preisgabe persönlicher Informationen etc. Im Vortrag wird ausführlich das kirchliche Angebot auf www.funcity.de dargestellt. Funcity ist eine virtuelle Stadt, die Macher dieser Seite sind auf die Kirchen zugegangen, damit diese den Raum „Kirche“ mit Personen und Inhalten füllen. Die virtuelle Kirche St. Bonifatius wurde 1998 ganz offiziell vom Hildesheimer Weihbischof Hans-Georg Koitz eingeweiht. 29 Einige Grundregeln zur Internetseelsorge - - Internetseelsorge braucht Zeit und Geld. Jede Form kirchlich - persönlicher Präsenz im www ist Internetseelsorge. Das gilt auch für den Dialog per Mail, Instant Messenger, Website etc. Eine sinnvolle Auswahl von Mail-Adressen und URLs sollte vorgenommen werden. Die Website muss zeigen, wer dahinter steckt! Mails gilt es schnell und vertraulich zu beantworten, um die Stärken des Mediums zu nutzen. Internetseelsorge geschieht i.d.R. „überpfarrlich“ d.h. Kooperation mit bestehenden Anbietern ist unumgänglich. Internetseelsorge findet nicht im rechtsfreien Raum statt. (vgl. Arbeitshilfe 243 „Internetpräsenz“ der DBK) Internetseelsorge lebt von der Anonymität der Ratsuchenden. Was gibt man im Netz preis? Internetseelsorge ist auf Dauer angelegt: Wer betreibt das Angebot nach Versetzung? Aber: Die Internetseelsorge braucht die Anerkennung der Amtskirche, um zukünftig besser agieren und nicht mehr nur reagieren zu können. Dazu sind klare Strukturen und Kompetenzen, die schnelles Agieren ermöglichen, nötig. Sollte sich Kirche nicht an diesem Medium beteiligen, dann gerät sie sehr schnell ins Hintertreffen. Das Internet ist der Areopag der Moderne – funcity ist mittendrin! Anmerkung: Der komplette Vortrag als Powerpoint-Präsentation liegt im Anhang bei. Hier werden die prägnantesten Texte daraus aufgeführt. 30 „Ein ganzes Dorf macht mit“ Meerhof und die Charismatische Erneuerung in der kath. Kirche (Workshop VI, Impuls) Werner Nolte, Leitungsteam der CE Deutschland, Zur Egge 4, 34431 Marsberg, Telefon: 02994 – 9354, Email: [email protected] Einführung: Charismatische Erneuerung - Was ist das? Ein neues Pfingsten Seit dem Ende der 60er Jahre gibt es in der Katholischen Kirche - wie auch in anderen christlichen Kirchen - einen neuen geistlichen Aufbruch. Menschen erfahren diesen als ein Geschenk des Heiligen Geistes, als ein neues persönliches Pfingsten. Auf der ganzen Welt, in Nord- und Südamerika, in Afrika und Ozeanien, in Asien und Europa bezeugen Millionen von Christen, dass sie eine neue lebendige Gottesbeziehung gefunden haben. Dieser Aufbruch wird Charismatische Erneuerung genannt. Menschen erfahren, dass ... - Gott sie persönlich kennt und liebt, - Gott ihnen Kraft schenkt für die Bewältigung des Alltags, - Gott durch Gebet und Sakramente an ihnen handelt, - Gottes Geist sie beschenkt mit Fähigkeiten und Gaben, um Jesus Christus zu verkünden, die Einheit der Christen zu fördern und eine Zivilisation der Gerechtigkeit und der Liebe mit aufzubauen. Sie verstehen diese Erneuerung auch als Antwort auf die bedrängenden Krisen der Kirche und des Glaubens heute: Kirchenferne und kirchlich engagierte Menschen erleben die Gegenwart Gottes und das stärkende Miteinander der Gemeinschaft. Christliche Werte gewinnen an Bedeutung und werden zu einem tragfähigen Fundament. Durch die Berührung des Heiligen Geistes erfahren Menschen eine positive Veränderung auf ihrem Lebensweg und gewinnen dadurch innere Sicherheit und Freiheit. Charismatisch ? Das griechische Wort "charisma" bedeutet "Geschenk". Charismatische Erneuerung meint also zunächst einmal eine von Gott geschenkte Erneuerung. Charismen sind aber auch persönliche Gaben des Geistes. So benennen der 1. Korintherbrief (Kap. 12-14) und der Römerbrief (Kap. 12) eine Vielzahl von Gaben, die der Heilige Geist schenkt: Erkenntnis vermitteln, prophetisch reden, heilen, trösten, ermahnen, lehren, Barmherzigkeit üben und vieles mehr. Solche Gaben werden auch heute gegeben zum persönlichen Wachstum und zum Dienst am anderen. Charismatische Erneuerung meint somit auch eine Erneuerung durch die Annahme und das Leben mit den Charismen. 31 Zahlen In Deutschland treffen sich zur Zeit etwa 12.000 katholische Christen aller Altersgruppen in ca. 500 Gebetsgruppen, Hauskreisen und neuen geistlichen Gemeinschaften. Weltweit beträgt die Zahl charismatischer Christen in der Katholischen Kirche über 120 Millionen. Sie steht im Zusammenhang mit dem pfingstlich charismatischen Aufbruch, der heute alle christlichen Kirchen durchzieht. Mehr als 25% der Christenheit rechnen sich diesem weltweit stark wachsenden Aufbruch zu. Die Charismatische Erneuerung in der Katholischen Kirche ist eine offene Bewegung, ohne formelle Mitgliedschaft. Die Charismatische Erneuerung sucht das, was sie von Gott empfangen hat, in das Ganze der Kirche und der Gesellschaft einzubringen, um so zu deren Erneuerung beizutragen. "Die Charismatische Erneuerung ist eine Chance für Kirche und Welt !" (Papst Paul VI.) "Die Katholische Charismatische Erneuerung hat vielen Christen geholfen, die Gegenwart und Macht des Heiligen Geistes in ihrem Leben, im Leben der Kirche und der Welt wieder zu entdecken." (Johannes Paul II) ''Charismen als sichtbare Zeichen des Kommens des Heiligen Geistes sind kein historisches Ereignis der Vergangenheit, sondern eine stets lebendige Wirklichkeit.'' (Benedikt XVI.) Auf dem Weg ... Charismatische Gebetsgruppe in Meerhof - Seit 1986 trifft sich eine charismatische Gebetsgruppe zunächst in eigenen Räumlichkeiten. - Der Pfarrer reagiert kritisch im Blick auf die Wirkung auf Dorfgemeinschaft - Dorf reagiert distanziert und beobachtend. Fragen wie „Was machen die denn da? Fühlen die sich als etwas besonderes? Sind wir schlechtere Christen?“ tauchen auf. - Der Verdacht, hier handele es sich um eine Sekte, steht schnell im Raum. 10 Jahre später: Geduld und kleine Schritte sind ein Schlüssel - Im Laufe eines längeren Weges ist eine Abnahme negativer Vorurteile zu bemerken. „Vielleicht sind die doch nicht so verkehrt.“ - Ein neuer Pfarrer ab 2000 reagiert positiv auf die Gebetsgruppe. - Seit 2002 finden die Gebetstreffen in Pfarrheim statt. - Die Mitglieder der Gruppe engagieren sich häufiger in der Gemeinde. - Es finden gemeinsame Hl. Messen mit dem Pfarrer statt. - Die Mitglieder der CE machen bei der musikalischen Gestaltung der GemeindeGottesdienste mit. - Sie bilden eine Liturgiegruppe. - Durch Kommunionvorbereitung und Firmung entstehen weitere Kontakte in die Gemeinde hinein. - Einzelne Gemeindemitglieder arbeiten mit in der Gebetsgruppe mit. - Langsam schwindet das Misstrauen und Türen öffnen sich weiter, auch wenn noch eine längere Wegstrecke bevorsteht. 32 Vielseitiges Anknüpfen! Leute des Gebetskreises organisieren oder arbeiten mit bei: - Gebetstreffen - Familienfreizeit Projekt – eine Woche Gemeinschaft (Urlaub, geistliche Impulse) - Familientreffen (Hauskreis) - Mütter Beten (Hauskreis) - Frauencafé - Firmarbeit - Kommunionarbeit - Kindergruppe "Wilde Christen" - Liturgiegruppe - Organist: Neue geistliche Lieder in den Sonntagsgottesdienst - Musikalische Gottesdienstgestaltung - Kinderkirche in der Sakristei während Sonntagsmesse. (10:30 Uhr) - Jugendcamp JCE "JUMP" - Kindercamp KidsCE Ressourcen unseres Mitwirkens - Immanuel Lobpreiswerkstatt, Ravensburg Lothar Kosse usw. - Deutschlandtreffen der CE ''Mittendrin'' (Fulda) - JCE und KidsCE Sommercamp (eine Woche Zelten, Action, Geistliche Impulse) - StartUp – Jugendwochenenden (4x im Jahr von Freitag - Sonntag) - Mitarbeiterschulungen der CE, Seminare Schulungen extern - Alpha Deutschland (Glaubenskurs für Kirchenferne) - Willow Creek (Impulse für kreative Kindergruppen) - CAP Musik (Daniel Kallauch) Kinderlobpreis - Andere überkonfessionelle Werke Fazit - Geduld ist notwendig! Neues erzeugt Skepsis! Die Menschen sind in der Regel ängstlich und vorsichtig, trauen sich nicht aus dem Schutz der Menge heraus. Dennoch gibt es viele suchende Menschen, die nicht wissen, wie sie ihren Glauben leben können. - Kleine Schritte nehmen Ängste. - Keimzellen des Glaubens schaffen Leben. - In Gebetsgruppen kann man lebendigen Glauben, Christus erleben! Die Menschen brauchen Christen, die Zeugen sind. So wird Kirche konkret erfahrbar. - Netzwerke mit anderen Christen regional und überregional sind bedeutsam! Einzelne Christen in den Dörfern können sich austauschen und Bestätigung erfahren. Isolierte Christen können in dieser säkularisierten Welt nicht bestehen. - Überzeugte Christen brauchen Gemeinschaft. (Schulung, Ermutigung, Stützung) - Der Hauskreis ist die Urgemeinde in moderner Zeit! Hauskreise können geistliche Orte mit positiver offener Atmosphäre sein, zu denen auch Kirchenferne Zugang finden können. Vorteil: Wenig Organisation, viel Gemeinschaft! - Grundsatz der Mission: ''Seht, wie sie einander lieben''. Glauben wird mehr erlebt als theoretisch gelehrt. - ''Kirche, die über den Jordan geht''. (Buch Josua) Das Volk Gottes musste die Grenze des Jordans überschreiten. Manchmal müssen wir Altes lassen, damit Neues möglich wird. 33 - - Institution Kirche ↔ Entscheidungskirche. ''Altes'' in die Kirche hineinwachsen trägt nicht mehr, es werden bewusste Entscheidungen für Jesus Christus grundlegend sein. Hirtenbrief des Erzbischofs Becker (Perspektive 2014). Entschiedene und reife Christen werden die Gemeinden der Zukunft tragen. Wo dies nicht möglich ist, wird vieles sterben. 34 III. „Weg-Pläne“ Ergebnisse der Teilgruppengespräche Fragen für das gemeinsame Gespräch a) Was hat mich angesprochen? Was will ich umsetzen? b) An welcher Frage, an welchem Thema möchte ich/ müssen wir als Kirche für die Kirche weiterarbeiten? 1. Gruppe - Ehrenamtliche Frage a) - Jugendmissionswoche - Internet: Es bietet die Chance, auf den Punkt zu kommen, anonym zu bleiben, Communities zu nutzen - Erfahrungen mit positiven Erinnerungen schaffen - Toleranz für differenziertes Engagement aufbauen Frage b) - Glauben bezeugen - Vision: lebendige Zellen, auch ohne Priester, in überschaubaren Dimensionen, mit einem guten Miteinander von Haupt- und Ehrenamt, denn es gibt einen Trend zur Vergemeinschaftung 2. Gruppe – MitarbeiterInnen in Pfarrgemeinderäten Frage a) - Gemeinde differenzierter als bisher sehen - Gesprächsbereitschaft signalisieren - Neue Wege, z.B. in der Spiritualität, gehen - Jugendkirche - Bei der nächsten Firmung mit den Jugendlichen zusammen eine Jugendkirche aufbauen - Gespräche mit Caritas-Verantwortlichen darüber führen, was außer Geld sammeln noch möglich ist (Form: Runder Tisch) - ein bis zwei Mal jährlich einen Impulstag für PGR/ Interessierte durchführen: Glauben teilen, intensivieren Frage b) - Fortsetzung und intensivere Auseinandersetzung mit den angesprochenen Beispielen - Ausbildung für Einzelbereiche der Gemeinde (Gesprächsführung, Trauerbegleitung, Wort-Gottes-Leiter) - am Abend weniger Vortrag und mehr Diskussion 35 3. Gruppe – Priester Frage a) - positive Erfahrungen, in ein Gesamtkonzept gebracht - Perspektivwechsel: Vom Menschen, nicht von unserer Tradition gedacht - Die Frage: Was soll in der Kirche sein, in der ich mich wohl fühle? Frage b) - Leitung in der Gemeinde neu denken: verheiratet oder unverheiratet, Mann oder Frau - Motivation und Schulung für die Dienste - Pflege der Kultur des Miteinanders von Haupt- und Ehrenamtlichen 4. Gruppe – DekanatsmitarbeiterInnen Frage a) - Kleine christliche Gemeinschaften und die Strukturen unserer Dörfer - Bibelteilen als „Liturgie“ sehen - Der soziologische Blick auf unser Dorf – Regionales Dorf - Caritas vor Ort – hier entstehen pastorale Orte - Internet: Entfernungen und Namen spielen hier keine Rolle, Zugang zu „Fernstehenden“ - www.funcity.de verlinken und Referent einladen - Schule als pastoralen Ort entdecken Frage b) - Wie geht das „Nah an den Menschen“? - Wie können wir attraktiv sein für die „Kirchenkulturellen“, die, die nicht zum Kern gehören - Unterstützen, nicht verhindern - Möglichkeiten vorstellen - Visionen und Bilder erarbeiten - Menschen zusammenbringen - „Geht zu zweit ...“ – Teams fördern - In Projekten Andockmöglichkeiten für viele Menschen bieten IV. Anhänge - Flyer des Diözesantags mit Programmablauf Erstinformationen zur Dorf-Analyse, von Pro Provincia Broschüre „Leitbild der katholischen Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Paderborn“ „Im Aufwind“ – Flyer zu den Projekten der „Jungen Kirchen“ im Erzbistum Paderborn Powerpoint-Präsentation zum Workshop „Per Mausklick in die Kirche – Reale Seelsorge in virtuellen Welten“ – Rainer Gelhot 36