Theorie Horsenalities So wie es bei uns Menschen verschiedene Persönlichkeiten (Personalities) gibt, gibt es bei den Pferde verschiedene Pferde-Typen. Parelli unterscheidet diese in vier Hauptgruppen, die Horsenalities. Einerseits unterscheidet man zur bildlichen Vorstellung zwischen linker und rechter Hirnhälfte. Braucht ein Pferd seine linke Hirnhälfte, so handelt es überlegt. Es versucht, seine Bedürfnisse wie Komfort, Spiel und Futter/Wasser mit Verstand zu befriedigen. Es testet z.B. ranghöhere Herden-Mitglieder, sucht nach Futter oder beschnuppert einen Igel. Braucht ein Pferd seine rechte Hirnhälfte, so handelt instinktiv. Meist handelt es aus Unsicherheit oder gar Angst, versucht also zu flüchten, sich zu verteidigen oder sogar sich zu verstecken. Andererseits unterscheiden wir introvertierte von extrovertierten Pferden. Ein introvertiertes Pferd zeigt sein Befinden möglichst wenig, hat wenig Bewegungsdrang und reagiert ohne viel Hektik und Energie. Es denkt, bevor es läuft. Ein extrovertiertes Pferd drückt sich permanent aus und muss sich bewegen können, es ist voller Energie. In der Regel kann es erst denken (lernen), wenn die Füsse sich bewegen können. Die vier Horsenalities ergeben sich aus den Kombinationen dieser zwei Einteilungen: Left Brain Introvert / LBI (Linke Hirnhälfte, introvertiert): Das LBI Pferd handelt somit überlegt und ohne viel Bewegung. Häufig werden diese Pferde als stumpf oder faul abgetan, sind aber super Denker und Lerner. Sie gehen Probleme besonnen an, mögen es langsam und haben Geduld. Als Schul-, Therapie- und Ausreitpferde sind sie ideal. Es sind aber auch jene Pferde, die einen in der Box plötzlich an die Wand quetschen, stundenlang auf deinem Zeh stehenbleiben und dich im Schritt niederwalzen oder dauernd den Kopf im Gras haben. Sie sind futterorientiert, dominant, haben eher weniger Körpergefühl. Unmut äussern sie durch Bocken oder Stehenbleiben/Ignorieren. Left Brain Extrovert / LBE (Linke Hirnhälfte, extrovertiert): Das LBE Pferd handelt überlegt, aber mit viel Energie. Es ist ausdrucksstark und hat guten Vorwärtsdrang, präsentiert sich gerne und erscheint oft als Spassvogel mit starken Nerven. Im Sport sind diese Pferde perfekt. Da sie aber viel Energie haben und dauernd beschäftigt sein wollen, gehören sie nicht in Anfängerhände. Sie fordern jeden permanent heraus, werden ungeduldig und klaustrophobisch, wenn sie eingeengt sind und können kaum stillstehen. Auch sind sie maulorientiert. Beissen, steigen, schlagen und wegrennen sind ihre Waffen. Right Brain Extrovert / RBE (Rechte Hirnhälfte, extrovertiert): Das RBE Pferd handelt instinktiv und mit viel Bewegung. Es ist der klassische Durchbrenner, bei dem ein niederschwebendes Blatt für eine panische Flucht sorgen kann. Will man es anhalten, wird es klaustrophobisch und noch schneller. Es sieht immer und überall Gefahr, auf die es mit Flucht reagieren will. Nur eine klare, zu bewältigende Aufgabe, viel Repetition und ein konsequenter Führungsanspruch können solche Pferde zu Partnern machen. Sie sind dafür hoch sensibel, und extrem Treu "ihrem" Menschen gegenüber. Da sie absolut nicht dominant sind, sind sie – falls richtig verstanden und behandelt – die blind vertrauenden Partner. Right Brain Introvert / RBI (Rechte Hirnhälfte, introvertiert): Das RBI Pferd handelt instinktiv, aber ohne Bewegung. Wird ein RBI unsicher, so versucht es sich "in sich zu verkriechen". In milder Ausprägung steht es vor Schreck erstarrt still, kann nicht blinzeln und atmet flach – es will nicht gesehen werden. Es schaltet jeglichen Ausdruck ab, würde sich nicht mal durch Schläge bewegen lassen. Wird der Druck übergross, so explodieren sie häufig in ein RBE-Verhalten, oft "aus dem Nichts". Viel Geduld, Repetition und Verständnis machen es aber zu einem kaum dominanten und sehr ruhigen Pferd. Die Horsenality eines Pferdes ist aber nichts Statisches. Jedes Pferd hat eine Grund-Horsenality, oder befindet sich sogar von Natur aus in verschiedenen Horsenality-Quadranten. Je normaler es für ein Pferd ist, von einer Horsenality in eine andere zu wechseln, umso anspruchsvoller ist das für uns Menschen. Denn jede Horsenality braucht eine andere Strategie, wie wir dem Pferd am effektivsten und effizientesten helfen können. Ändert das Pferd die Horsenality oft, so müssen wir uns auch genausoschnell anpassen können. Um die Horsenality eines Pferdes zu bestimmen, kann man ein Horsenality Chart ausfüllen. Zuerst schau ich mir die Kästchen an den Rändern an und kreuze an, was auf mein Pferd mehrheitlich zutrifft. Dann schau ich mir die farbigen Begriffe im Kreis an. Bei denjenigen, die nicht auf mein Pferd zutreffen, kreuze ich nichts an. Bei denen, die zutreffen, überlege ich mir, ob die Beschreibung eher nur ein wenig (hellgrün), etwas mehr (blau) oder sehr stark (gelb) zutreffen und mache entsprechend ein Kreuz. In welchem Quadrant hat mein Pferd am meisten Kreuze, und wo sind sie am extremsten? Das ist wahrscheinlich die Horsenality meines Pferdes. Man kann für dasselbe Pferd verschiedene Charts für verschiedene Situationen ausfüllen: Eins für das Pferd beim Ausreiten, eins bei der Dressurarbeit, eins beim Putzen und Handling im Alltag, eins in der Springstunden und eins mit den Kumpels auf der Weide. Es ist gut möglich, dass das Pferd in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Horsenalities hat!