Theorie

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Theorie
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Eine Theorie ist eine Gebrauchsanweisung zur Welt, die
anpassungsfähig ist. Während Begriffe die Welt bestimmen, richten
sich Theorien nach ihr. Eine Theorie, die ihren Zweck verfehlt, gilt
dadurch als widerlegt. Während Begriffe Maßstäben gleichen, die
zeigen, wieviel ein bestimmter Gegenstand von ihnen enthält oder
nicht, entsprechen Theorien Futteralen, die nach ihrem Gegenstand
gearbeitet sein wollen.
Das Wort Theorie (griechisch the: beobachten, betrachten,
schauen; theoría: das Anschauen, die wissenschaftliche
Betrachtung) bezeichnete ursprünglich die Betrachtung der
Wahrheit durch reines Denken, unabhängig von ihrer Realisierung.
Vermutlich deshalb wird der Begriff auch unbestimmt als Gegenteil
von Praxis benutzt.
Definition
Eine Theorie entwirft ein Bild (trifft eine Aussage) über den Lauf der
Welt und ist insofern immer eine Prognose, die per Experiment zur
Rechenschaft gezogen werden kann. Das Ergebnis des
Experimentes bestätigt (verifiziert) oder widerlegt (falsifiziert) eine
Theorie. Nicht falsifizierbare Aussagen, z.B. eine Tautologie oder
Definition, können keine Theorien sein.
Eine Theorie muss sinnhaftig sein: das Bild, was sie von der Welt
gibt, muss den Vorschriften der Logik und Grammatik entsprechen.
Ihre Wahrhaftigkeit kann danach aber nur durch einen Vergleich
des Bildes, was sie von der Welt gibt, mit der Wirklichkeit erwiesen
werden. Theorien, die etwas über den Lauf der Welt sagen, ohne ein
Experiment zu wissen, dass sie gegebenenfalls widerlegt, heißen
spekulativ.
Beispiele
1. Physik: Die Vorhersagen der klassischen Mechanik und der
speziellen Relativitätstheorie unterscheiden sich
beispielsweise deutlich, wenn die betrachteten Objekte sich
mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit
bewegen.
Im Alltag kann man die Unterschiede nicht feststellen, da die
klassische Mechanik der Grenzfall der speziellen
1
Relativitätstheorie ist, wenn die Geschwindigkeit wesentlich
geringer ist als die Lichtgeschwindigkeit. Daher ist die
klassische Mechanik im Alltag die angemessene Theorie.
2. Geometrie: Zu jeweils einer Geraden und einem Punkt, der
nicht auf dieser Geraden liegt, gibt es genau eine Parallele
durch diesen Punkt. Diese Aussage hat man lange versucht
aus den anderen Axiomen der Geometrie zu folgern. Dadurch,
dass man zeigen konnte, dass die Geometrie, in der die
Parallelenaussage nicht gilt, zu sinnhaften Modellen führen,
hatte man bewiesen, dass die Parallelenaussage ein zu den
übrigen Geometrieaxiomen unabhängiges Axiom ist (siehe
nichteuklidische Geometrie).
3. Mathematik: Der Mathematiker Georg Cantor hatte eine
Definition für den Begriff Menge vorgeschlagen. Die daraus
resultierende Theorie wurde von Bertrand Russell als
widersprüchig nachgewiesen mit der Paradoxie: Die Menge
aller Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten.
Diese "Menge" ist eine Menge im Sinne Cantors. Aber die
Aussage bezogen auf diese Menge: Diese Menge ist Element
ihrer selbst stellt eine Paradoxie dar. Trotzdem genügt es in
der Schulmathematik mit dieser naiven Mengenlehre zu
arbeiten. Die Mathematiker verwenden jetzt in der Regel die
Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre.
Weitere Beobachtungen zum Theoriebegriff
Die methodische Art und Weise, wie Theorien zustandekommen,
wie also der Zuwachs an Wissen stattfindet, ist umstritten.
In der Fortentwicklung von Theorien wird gelegentlich zwischen
Induktion und Deduktion unterschieden:
Bei der Theorienbildung durch Induktion geht man davon aus,
dass der Wissenschaftler im empirischen Prozess
Datenmaterial erarbeitet, in dem schließlich innere Strukturen
und Gesetzmäßigkeiten sichtbar werden. Weitere positiv
verlaufende Experimente sollen die Theorie bestätigen und
sind die Bausteine einer Verifikation (Beweisführung), die
letztlich in naturgesetzlicher Sicherheit (Wahrheit) münden
soll.
Bei der Theorienbildung durch Deduktion geht man davon
aus, dass der Wissenschaftler durch kreative Akte sinnvolle
Hypothesen erzeugt, deren Übereinstimmung mit dem
Datenmaterial er anschließend überprüft. Weitere Experimente
müssen mit dem ernsthaften Ziel der Falsifikation
(Widerlegung) unternommen werden. Nur in dem Ausmaß wie
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sich Theorien bewähren (der Falsifikation entziehen), kann
relative Sicherheit gewonnen werden.
In der Praxis der Wissenschaft mischen sich induktive und
deduktive Elemente ohne Probleme, so dass diese Frage mehr eine
wissenschaftstheoretische und weltanschauliche Bedeutung
besitzt. Bietet die Wissenschaft mit ihren Theorien einen Weg zu
absoluter Wahrheit oder zu einer schrittweise stattfindenden
Annäherung an die Wahrheit (der man sich jedoch nie ganz gewiss
sein kann)? Diese zweite, auf Karl Popper zurückgehende, Position
wird derzeit von der Mehrheit der Naturwissenschaftler bevorzugt.
In der Soziologie wurde - für die Sozialwissenschaften allgemein das Konzept der Theorie mittlerer Reichweite entwickelt.
In der Umgangssprache wird der Begriff meist im Sinne von "nur
eine Theorie" verstanden, und bezieht sich dann lediglich auf
besonders unsichere Erkenntnisse. Dies hat nicht viel mit der
wissenschaftlichen Definition von "Theorie" zu tun, und führt leider
häufig zu Missverständnissen: Beispielsweise bedeutet der Begriff
"Relativitätstheorie" nicht, wie oftmals (von nicht-Wissenschaftlern)
fälschlich angenommen, dass diese im Sinne von "nur eine
Theorie" besonders unsicher sei. Selbstverständlich ist sie
falsifizierbar, aber das Teilwort "-theorie" besagt nichts über die
(Un-)Sicherheit der in ihr enthaltenen Aussagen.
Alltagstheorien
Auch wenn Menschen sich nicht immer dessen bewusst sind: sie
handeln im Alltag nach Theorien, die sie sich im Laufe ihres Lebens
aufgebaut haben. Im Kleinkindalter werden beim Spielen z.B.
unbewusst physikalische Experimente gemacht, die ein
schlussfolgerndes physikalisches Denken begründen. Weitere
praktische Erfahrungen auch im sozialen und kulturellen Bereich
schaffen den Raum für Erkenntnisse, die den Aufbau von
persönlichen Alltagstheorien schaffen. Der Grad der Kohärenz ihrer
Theorie richtet sich nach dem Stand ihrer Reflexion. So ist davon
auszugehen, dass Kenntnisse in Psychologie und Soziologie eine
größere Kohärenz beispielsweise bei Erziehungsmaßnahmen oder
generell beim Umgang mit anderen Menschen sichern.
Alltagstheorien sind in allen Lebensbereichen wirksam und
beeinflussen das Wahlverhalten, die Haltung gegenüber Ausländern
und gegenüber Minderheiten, die Freizeitgestaltung und die Art und
Weise, wie man Werte in der Öffentlichkeit vertritt. Verdeckte
Alltagstheorien bewusst zu machen, ist eine Aufgabe des
Bildungssystems.
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Zitate
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"Das Leben übersteigt unendlich alle Theorien, die man in
Bezug auf das Leben zu bilden vermag." - Boris Pasternak,
Über Kunst und Leben
"Der liebe Gott war Junggeselle. Man kann daher wohl mit
Recht vermuten, dass seine die Ehe betreffenden Gebote
mehr theoretischer als praktischer Natur waren." - Peter
Ustinov, Was ich von der Liebe weiss
"Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der
Praxis noch größer als in der Theorie." - Unbekannter Autor
"Der Wissenschaftler arbeitet, wie alle Organismen, mit der
Methode von Versuch und Irrtum. Der Versuch ist eine
Problemlösung. Der Irrtum, oder genauer die Irrtumskorrektur,
ist in der Evolution des Pflanzen- und Tierreichs gewöhnlich
die Ausmerzung des Organismus; in der Wissenschaft die
Ausmerzung der Hypothese oder Theorie." - Karl Raimund
Popper, "Alles Leben ist Problemlösen, Erkenntnistheorie und
Frieden"
"Die Theorie bestimmt, was wir beobachten können." - Albert
Einstein
"Die Theorie träumt, die Praxis belehrt." - Karl Holtei
"Eine gute Theorie ist das Praktischste was es gibt." - Gustav
Robert Kirchhoff
"Eine Theorie ist desto eindrucksvoller, je größer die
Einfachheit ihrer Prämissen ist, je verschiedenartigere Dinge
sie verknüpft, und je weiter ihr Anwendungsbereich ist." Albert Einstein
"Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie." - Kurt
Lewin
"Grau ist alle Theorie, und graumeliert sind ihre Verkünder." Gerhard Kocher
"Immer wenn dir eine Theorie als die einzig mögliche
erscheint, nimm das als Zeichen, dass du weder die Theorie
noch das zu lösende Problem verstanden hast." - Karl
Raimund Popper
"Theorie ist, wenn man alles weiss, aber nichts funktioniert.
Praxis ist, wenn alles funktioniert, aber niemand weiss warum.
Hier ist Theorie und Praxis vereint: nichts funktioniert… und
niemand weiss wieso!" - "Albert Einstein"
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"Unglücklicherweise passen die Fakten nicht zur Theorie." Alexis de Tocqueville
"Grau ist alle Theorie." - Goethe, Faust
Physikalische Theorie
Instinkttheorie
Liste der Theorien / Überholte Theorien
Wissenschaftstheorie
Liste griechischer Suffixe
Liste lateinischer Suffixe
Thesenpapier, Induktion (Logik), Abduktion, Statistik,
Nullhypothese, Rhetorik, Dialektik, Fehler 1. und 2. Art
Literatur
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Stephen Hawking: Die Illustrierte Kurze Geschichte der Zeit.
ISBN 3-499-61487-1
Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der
Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. (1793).
Neuerer Abdruck in: Schriften zur Geschichtsphilosphie,
Immanuel Kant, Stuttgart 1985 (reclam).
Kurt Lewin: Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Bern,
Stuttgart: Huber, 1963
Joachim Ritter: Die Lehre vom Ursprung und Sinn der Theorie
bei Aristoteles, in: Veröffentlichungen der
Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes NordrheinWestfalen, Geisteswissenschaften 1 (1953), S. 32-54.
Helmut Seiffert und Gerard Radnitzky: Handlexikon der
Wissenschaftstheorie, Deutscher Taschebuchverlag (DTV)
1992, ISBN 3-423-04586-8
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