Kunst - Anleitung zur Erstellung einer werkimmanenten Bildanalyse Die Analyse teilt sich grundsätzlich in drei Bereiche auf: 1. Feststellen des Sichtbaren Bildbeschreibung / Bestandsanalyse 2. Kompositionsanalyse 3. Interpretation Bedeutungsbewertung Kunstwerke haben eine inhaltliche und eine formale Ebene. Diese visuelle Sprache des Kunstwerks / Künstlers dient dazu, etwas mitzuteilen. Die Analyse und nachfolgende Interpretation sollte zum Kern / zur Bedeutung des Bildes führen. Zu 1. Bildbeschreibung / Bestandsanalyse A: In einem einleitenden Satz werden die bekannten Daten über das Bild festgehalten: Bildgattung/ Sujet (Portrait, Landschaft, Stilleben...) Titel, Technik (Öl auf Leinwand, Aquarell auf Bütten, Collage, Foto...) Name, Entstehungsdatum und derzeitiger Standort. B: Möglichst wertfreie Beschreibung der Bildgegenstände vom Vordergrund über Mittelgrund zum Hintergrund, bei abstrakten Bildern in Leserichtung, bei flächigen Arbeiten auch von innen nach außen. (Bei Renaissance und Barockbildern finden sich häufig links unten sogenannte Anhebungsmotive, die eine Leserichtung weisen.) Verhältnis Bild-Betrachter (Position des Betrachters/ Nahsicht-Fernsicht/ Identifikationsbrücke z.B. Rückenfigur, Blickkontakt einer Figur/ Betretbarkeit des Raums) C: Erwähnung von Auffälligkeiten /Besonderheiten/ Widersprüchlichkeiten, Deutungshypothese, die später wieder aufgegriffen werden. Zu 2. Kompositionsanalyse (Formalästhetische Aspekte/ bildnerische Mittel) unter Zuhilfenahme einer Kompositionsskizze Ziel der Zerlegung (Analyse) ist das Auffinden der zugrunde liegenden Struktur. In welcher Weise sind die Bildelemente (Linie, Form, Farbe) organisiert und auf einander bezogen. A: Organisation der Bildkomposition: Bezug der Bildgegenstände auf Mitte (Senkrechte/ Waagerechte) / Vertikale, horizontale oder diagonale Kompositionslinien / Symmetrie – Asymmetrie geometrisches Kompositionsschema (Dreieck/ Rechteck/ Kreis/ Ellipse/...) besondere kompositorische Formen (z.B. L-Kompositon, verschachtelte Mechanismen) Ausschnitt (offen) – Panorama (geschlossen/ rahmenorientiert) Gedachte und ausgesprochene Linien B: Verhältnis der Einzelteile zum Bildganzen Formbeziehungen ( Wiederholungen, Staffelungen, Farbbezüge, Gegensätze...) Vorkommende Formen (organische, schematische, geometrische...) Darstellungsmodus der Formen ( plastisch modelliert durch hell und dunkel, flächig, naturalistisch, deformiert, abstrahiert, idealisiert) C: Wirkung Betonung von Mitte oder eines Schwerpunktes auf einen Gegenstand Betonung von Horizontalen oder Vertikalen auf Ruhe, Bewegung, Statik, Monumentalität Symmetrische Formen können Ausgeglichenheit, Harmonie erzeugen Ellipsen, Kreisformen, rhythmische Anordnungen, diagonale Linien wirken eher dynamisch. Organisation des Bildraumes /Perspektive Mittel zur Suggestion des Bildraums Perspektivischer Illusionsraum (perspektivische Verkleinerung der Bildgegenstände bezüglich einer Zentral- , Übereck- oder Horizontalperspektive, Reduzierung von Details zum Bildhintergrund, Farb/Luftperspektive – Verblauen/ Verblassen, Entwicklung der Renaissance) Umgekehrte Perspektive (Verkürzung der Bildgegenstände aus Sicht der meist zentralen Hauptfigur, Gleichnis göttlicher Ordnung, Theozentrisch/ Christozentrisch, Byzantinisch/ frühchristlich/ Mittelalter) Bedeutungsperspektive (Wichtige Figuren werden größer dargestellt, unwichtige kleiner, oft theo/christozentrisches Weltbild) Aperspektivisch oder subjektivperspektivisch ( Auflösung/ Verfremdung der Perspektive, Vermittlung räumlicher Werte über Bildzeichen und spezifische Raumwirkung von Farben, Transparenz von Formen) Differenzierung zwischen Bild-(s.o.) und Betrachterperspektive (Standpunkt des Betrachters, Vogel-, Frontalund Froschperspektive) wichtig. Licht/ Beleuchtung - Schlaglicht: Lichtblitz, Konzentration auf wenige Bildelemente Schlagschatten: klarer Schatten eines Gegenstandes Lichtquelle: oben, unten, rechts, links, innerhalb/außerhalb des Bildes Körperschatten: formuliert/ modelliert die räumliche/ plastische Situation des Körpers Beleuchtungslicht: Erhellung der Gegenstände durch eine externe Lichtquelle, wie Sonne, Kerze..., kann besondere Gegenstände herausheben Eigenlicht: Gegenstand leuchtet aus sich heraus, wird so besonders herausgestellt Reflexlicht: durch Oberflächenstrukturen ( glatt/ glänzend) hervorgerufen Farbe: A: Beziehung zwischen Farbe und Gegenstand: Gegenstands-/Lokalfarbe: Farbe, die dem Gegenstand normalerweise( weißes Licht) zugeordnet wird Erscheinungsfarbe: Farbe, die der Gegenstand unter besonderen Beleuchtungen erhält Autonome/eigenständige Farbe: Farbsteigerung bis zur völligen Loslösung vom Gegenstand Symbolfarbe: Verweist auf bestimmten symbolischen Gehalt von Farbe Auftrag der Farbe (lasierend, deckend, grob oder verwischt...) B: Farbbeziehungen: Farbkontraste helfen uns bei der Zuordnung von Stimmungen oder der Erkennung besonderer Verhältnismäßigkeiten Farbe-an-sich- Kontrast: Jede Farbe steht zu jeder anderen in einer Spannung Hell-Dunkel-Kontrast: optischer Primärkontrast zur besonderen Herausstellung von Gegenständen Kalt-Warm-Kontrast: subjektives Empfinden der Spannung zwischen dem gelb-roten (warmen) und dem blau-grünen (kalten) Farbbereichs. Komplementärkontrast: auf dem Farbkreisgegenüberliegende Farben steigern sich gegenseitig zu höchster Strahlkraft Quantitätskontrast: kleine und große Farbmengen werden gegenübergestellt Qualitätskontrast: intensive werden gebrochenen Farben gegenübergestellt Simultankontrast: Das Auge erzeugt zur gegebenen Farbe die Komplementärfarbe Linie - eigenständiges und eigenwertiges Gestaltungselement (sichtbare/ ausgesprochene Linien) Zeichen eines Materials auf einer Fläche Konturierung, damit Abgrenzung von Formen und Flächen (Kontur) Bezeichnendes und hinweisendes Gestaltungselement (gedachte Linien) Arten von Linien: Kontur, Binnenlinie (Visualisierung der Oberfläche), Schraffur (verschiedene Systeme von Binnenlinien, meist zur Schattierung oder plastischen Formulierung) Strukturgebende Linien: Horizontlinie, Fluchtlinie, Schnittlinie, Proportionslinie Form - klar umgrenzte Formen /gedachte Formen geometrische, organische, offene, geschlossene Staffelungen, Rhythmisierungen Fläche - Größenverhältnisse von Flächen Interpretation: - Ergebnisse der Analyse werden zu einer Gesamtaussage über das Bild zusammengeführt. Die Interpretation zieht Schlussfolgerungen aus Beobachtung und Analyse. Ein völlig objektives Vorgehen ist ausgeschlossen, da immer von einen bestimmten Punkt der Geschichte/ Haltung/ Gestimmtheit aus gedeutet werden muss. Persönliche/ subjektive Wertung Der Rückgriff auf einen ersten Eindruck der Bildbetrachtung zeigt, ob Empfundenes im Lauf der Analyse vertieft oder widerlegt wird Rückgriff auf weitere Quellen möglich Bedeutung des Bildes als Zeitdokument /im Gesamtwerk des Künstlers / einer Epoche Inhaltliche (symbolische, mythologische, allegorische) Bedeutungen