Es kommt ein Schiff geladen…

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Beitrag zur Podiumsdikussion
in Rastatt am 4.12.2009
von A. Wronka (VKRF)
Es kommt ein Schiff geladen ...
Meinen Beitrag zur Einschätzung des RU in BW will ich – passend zurzeit –
in Motiven an einem Adventslied deutlich machen: Es kommt ein Schiff
geladen.
Prof
Mückl
hat
in
seinem
Vortrag
dieses
Schiff
des
Religionsunterrichts verortet und zugleich auch den Hafen umschrieben, in
dem wir uns zurzeit befinden. Doch wir fahren hinaus auf hohe See, ein
Wind kommt auf, rauh, und, was noch gefährlicher ist, auch von der Seite.
Ich will in einigen kurzen Pinselstrichen diese Windböen skizzieren:
Die europäische Böe
Auch wenn das Europarecht den RU offiziell und juristisch faktisch nicht
beeinträchtigen kann, so ist doch der Blick nach Europa wichtig, gerade im
Rahmen des sich immer noch vollziehenden Einigungsprozesses – ein
Ergebnis war ja auch die Streichung des Gottesbezuges in der Präambel.
-
In
der
europäischen
Bildungspolitik
gehört
der
RU
zu
den
abgewerteten weichen Fächern.
-
In vielen europäischen Nachbarstaaten ist die Theologie als Bezugsbzw. Fachwissenschaft des RU aufgegeben worden und durch ein
Fach Religionswissenschaft oder „Praktische Religionswissenschaft“
ersetzt worden – Bestrebungen dazu gibt es auf universitärer Seite
auch in Deutschland.
-
In den europäischen Nachbarstaaten gibt es kaum noch einen RU im
staatlichen Schulsystem als ordentliches Lehrfach, überwiegend als
additives Fach; in manchen Ländern ist der RU zugunsten eines
Faches Ethik vollkommen aus den Schulen verbannt worden.
Die deutsche Böe
Zwar stößt der RU nachwievor auf Akzeptanz bei SuS, doch ist zweierlei zu
beobachten:
1.Ein nahezu völliger Wegfall von Jugendlichen aus dem religiös-kirchl.
Milieu
2. Religion und Gottesglaube stoßen bei SuS überwiegend auf eine
Haltung indifferenter Unwichtigkeit.
Die Diskussion um die Pro-Reli Abstimmung zeigt ein fast gespaltenes
Deutschland: was in Berlin als Argument für das Wahlfach Religion
angeführt wurde, darf in den Ländern, in denen die Bremer Klausel nicht
gilt, nicht zur Legitimation dienen, nämlich dort Ethik und Religion als
gleichrangige und gleichwertige Fächer zu etablieren – anzumerken bleibt,
dass
die
hier
Wahlpflichtfach
angesprochene
Unterscheidung
von
in
von
in
der
Praxis
den
SuS
Pflichtfach
keiner
und
Weise
so
wahrgenommen wird, sie dürfen ihrer Meinung nach jetzt schon wählen.
Die baden-württembergische Böe
Die geführten Gespräche des AK mit den vier Vertretern der im Landtag
vertretenen politischen Parteien FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und
CDU zum Status und zur Perspektive erbrachten folgendes Ergebnis:
1. Alle Vertreter lobten das Wirken der RL in der Schule und die
Bedeutung
des
RU
für
eine
umfassende
Bildung
des
Menschen.
2. SPD und Grüne plädieren eindeutig für die Gleichrangigkeit
und Gleichwertigkeit von RU und Ethik (Antrag im Landtag der
Grünen hinsichtlich von Pro-Reli).
3. FDP-Vertreter differenzierten bezüglich der Gleichrangigkeit,
aber waren wohl Einzelmeinungen in der FDP.
4. Der Vertreter der CDU, Herr Schebesta, favorisiert den RU als
Pflichtfach und Ethik als Wahlfach, doch will er mit Rücksicht
auf den Koalitionspartner darüber keinen Diskurs führen, still
bei dem bleiben, was ist.
Ich schätze die Situation so ein, dass der Wind dem konfessionellen RU
scharf anfährt. In Bad Boll wurde von den Vertretern der Kirchen die
zusätzlich frostige Atmosphäre zwischen Kirchen und KM hervorgehoben.
Der Wind also bläst uns immer schärfer ins Gesicht, wie und welche Segel
sollen wir setzen?
Doch zunächst will ich mich kurz des Schiffes versichern, das diesen
Winden trotzen soll und will – anders gesagt dem, was der RU leistet:
1. RL sind die Lehrer, die m. E. am nachhaltigsten ihren Unterricht
reflektieren, didaktische, fachliche und konzeptionelle Überlegungen
anstellen, auch, weil dieses Fach nicht mehr so selbstverständlich
ist.
2. Nachwievor erfährt der RU zur Zeit und kurzfristig absehbar in der
Summe, also ev+rk RU, ein signifikant höheres Maß an Zustimmung
als Ethik, sicherlich mit einem Stadt-Land-Gefälle.
3. Der Beitrag der RL zur Unterrichts- und Schulkultur wird sehr
geschätzt und auch immer wieder eingefordert, Sozialpraktika und
viele Formen von sozialer und pädagogischer Arbeit werden den RL
zugeschreiben, auch weil sie ihnen zugetraut wird; z.B. Trauerarbeit
in der Schule.
4. In einer Untersuchung zur interreligiösen Kompetenz wurde unter
1600 15-jährigen SuS herausgearbeitet, dass der RU die Fähigkeit
zum Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen deutlich mehr
fördert als der Ethik-Unterricht. Gerade vor dem Hintergrund der
oftmals aufgestellten Behauptung, ein religionskundlicher Unterricht
fördere mehr Toleranz als der konfessionelle RU, ist dies ein sehr
wichtiges Ergebnis und sollte seitens der Kirchen in die Diskussion
um die Legitimation des konfessionell verantworteten RU deutlich
artikuliert eingebracht werden.
Soweit ein Blick in die gut gesicherte Ladung und die meerestaugliche
Ausstattung des Schiffes RU.
Abschließend skizziere ich mögliche zu setzende Segel: Überlegungen,
Anfragen und Perspektiven – keine Patentrezepte und keine Forderungen,
eher Beiträge zu einer konstruktiven Diskussion um ein Fach, das uns
wertvoll und für die Gesellschaft wichtig ist.
1. Wir sollten allen Lehrkräften, die RU an den Schulen unterrichten,
einen auch nach außen hin sichtbaren Stellenwert – auch im
Amtstitel – dokumentieren, auch um so die Wichtigkeit des RU zu
unterstreichen.
2. Sollten wir nicht darüber nachdenken, ob nicht Ethik auch aus
unserer Sicht notwendig in den Klassen 5 und 6 des Gymnasiums
unterrichtet werden sollte, um so die praktizierte Wahl dahingehend
zu gestalten, dass die Wahl nicht frei haben oder benoteter RU
heißt.
3. Studien
haben
gezeigt,
dass
fachwissenschaftliche
Ausbildung
didaktisch sinnvollen Unterricht mehr ermöglicht als fachdidaktische
Ausbildung fachlich anspruchsvollen RU – die Bezugswissenschaft
für den RL am Gymnasium muss die Theologie bleiben.
4. Die Akzeptanz des Faches hängt in der Praxis von der Attraktivität
des Unterrichts ab. Der RU zeigt dabei durch seine RL, dass er dies
in sehr guter Weise umsetzt, besser als andere, harte Fächer des
Kanons. Wir brachen die Konkurrenz zu Ethik nicht scheuen, sollten
wir uns ihr nicht in der Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit stellen,
um so das Fach sicher zu verankern? Wir wissen nicht welche
Stürme uns drohen – ist es dann nicht besser, gut vorbereitet zu
sein?
Wie gesagt, dies sind nur Anzeigen, perspektivische Fragestellungen,
deren Beantwortung heute uns fähig macht, anstehende Anfragen an
unser Fach zu bestehen und behaupten – dann bleiben wir sturmerprobt,
dann gehen wir still im Triebe, auch wenn um uns die Wellen hoch sein
mögen.
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