Dr - Helmut Petz

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RiBVerwG Helmut Petz
Wintersemester 2008/09
Vorlesung
UMWELT- UND PLANUNGSRECHT
B.
BESONDERES UMWELTRECHT (FORTSETZUNG)
…
IV. NATURSCHUTZRECHT
1.
Problemaufriss
a)
Allgemeine Probleme des Naturschutzrechts
Allgemeine Probleme des Naturschutzrechts: anhaltender Verlust der
Biodiversität/Artenschwund (derzeit bis ca. ¼ des globalen Bestandes der Tierund Pflanzenarten akut vom Aussterben bedroht)
Ursachen: Standortzerstörungen durch Baumaßnahmen; Abbau von Rohstoffen;
intensive landwirtschaftliche Flächennutzung
medienübergreifender Ansatz des NatSchR/typisches Querschnittsrecht;
Bedeutung kommt ganz überwiegend erst in speziellen Verwaltungsverfahren (z.B.
Baugenehmigungs- und Bauleitplanverfahren) zum Ausdruck
b)
Problemschwerpunkte
früher: Anwendung der "naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung"
heute:
Umsetzung und Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, insb.
Richtlinie 79/409/EWG (sog. Vogelschutz-Richtlinie - VRL -) und
Richtlinie 92/43/EG (sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie - FFH-RL -)

Gebietsschutz

Artenschutz
2
2.
Ziele und Grundsätze des Naturschutzrechts
Ansatz: medienübergreifender Ansatz/typisches Querschnittsrecht; Bedeutung
kommt ganz überwiegend erst in speziellen Verwaltungsverfahren zum Ausdruck
(z.B. in Baugenehmigungs- und Bauleitplanverfahren);
ursprünglich rein anthropozentrischer Ansatz; mit der Novelle des BNatSchG
2002 (auch vor dem Hintergrund des Art. 20a GG) korrigiert
Ziele und Aufgaben des Naturschutzrechts (§ 1 BNatSchG): "Natur und
Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des
Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen so zu schützen,
zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass

die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts

die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter

die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich Lebensstätten und Lebensräume

die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und
Landschaft
auf Dauer gesichert sind"
konkretisierende Grundsätze und behördliche Handlungsanleitungen in § 2
Abs. 1 BNatSchG
besondere Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit (z.B. Errichtung des
Europäischen ökologischen Netzes "Natura 2000") nach § 2 Abs. 2 BNatSchG
3.
Verhältnis Naturschutz - Landwirtschaft
besondere Bedeutung einer natur- und landschaftsverträglichen Landwirtschaft
für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft, § 5 Abs. 1 BNatSchG
beachte auch die sog. "Landwirtschaftsklausel" (§ 18 Abs. 2 BNatSchG):
Landwirtschaftliche Bodennutzung ist nicht als Eingriff anzusehen, soweit dabei
die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege
berücksichtigt (Anforderungen nach § 5 Abs. 4 bis 6 BNatSchG) sowie die "Regeln
der guten fachlichen Praxis" eingehalten werden
3
4.
Landschaftsplanung, §§ 12 ff. BNatSchG
räumliche Fachplanung mit naturschutzrechtlicher Zielsetzung <siehe auch
"Umweltbelange in der Raumplanung">
Aufgabe: Entwicklung des Raums zur Bewältigung der zukünftigen Ansprüche des
Naturschutzes; Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege für den jeweiligen Planungsraum darstellen und begründen:

beschreibt einerseits den Ist-Zustand eines Landschaftsraums mit seiner Tierund Pflanzenwelt, den Schutzgütern Boden, Wasser, Luft, Klima sowie
Siedlungsdichte;

bewertet andererseits, wie belastbar eine Landschaft ist, welche Teile zu
schützen sind, wie ein Ökosystem zu sichern ist und wie dessen
Leistungsfähigkeit ggf. wiederhergestellt werden kann
ausgestaltet in bewusster Parallele zur Raumplanung; mit dieser vielfach
verzahnt; deshalb verschiedene Ebenen
Verschiedene Ebenen:


überörtliche Ebene:

Landesebene: Landschaftsprogramme (im
Landesentwicklungsprogramm als deren Teil dargestellt, § 15 Abs. 2
BNatSchG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG)

Ebene der Regionalplanung: Landschaftsrahmenpläne (in den
Regionalplänen als deren Teil dargestellt, § 15 Abs. 2 BNatSchG, Art. 3
Abs. 1 Nr. 2 BayNatSchG)
örtliche Ebene: Landschaftspläne, § 16 BNatSchG
in Bayern: Landschaftspläne (als Bestandteil des Flächennutzungsplans) und
Grünordnungepläne (als Bestandteil des Bebauungsplans), § 16 Abs. 2
Satz 2 BNatSchG, Art. 3 Abs. 2 BayNatSchG
4
Rechtswirkungen der Landschaftsplanung:
5.

Berücksichtigung in Planungen und Verwaltungsverfahren, § 14 Abs. 2
Satz 1 BNatSchG (insb. bei der Beurteilung der Umweltverträglichkeit im
Sinne des UVPG, bei der Prüfung der Eingriffsfolgen nach § 19 BNatSchG
oder im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG)

Verzahnung mit der Raumplanung
in Bayern: im Wege der, sog. "primäre Integration", Art. 3 Abs. 1 und 2
BayNatSchG (s.o.)
Schutz vor Eingriffen in Natur und Landschaft ("naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung"), §§ 18 - 21 BNatSchG
Fall 10: Die Deutsche Funkturm GmbH (DFMG) möchte auf einem an der Hangkante des IsarHochufers gelegenen Grundstück im Außenbereich einen Mobilfunk-Sendemasten mit einer Höhe von
60 m für eine UMTS-Sendeanlage errichten. Nach den von der DFMG vorgelegten funktechnischen
Gutachten ist der Sendemast für eine flächendeckende Versorgung des Gebiets an dieser Stelle
dringend erforderlich. Da auch nach intensivem Bemühen kein technisch gleich geeigneter AlternativStandort gefunden werden konnte, sieht das Landratsamt keine andere Möglichkeit als die
Genehmigung zu erteilen, obwohl zur Verwirklichung ein Teil des auf dem Grundstück befindlichen,
weithin sichtbaren Baumbestandes gerodet werden muss. Die Genehmigung enthält verschiedene
Auflagen, die landschaftspflegerische Maßnahmen vorsehen. Außerdem wird die DFMG zur Zahlung
einer Ausgleichsabgabe in Höhe von 10.000 € verpflichtet, um die optische Beeinträchtigung der
Landschaft "abzugelten".
a) Die DFMG bezweifelt, dass die Ausgleichsabgabe rechtmäßig ist, und erhebt hiergegen Klage zum
zuständigen Verwaltungsgericht. Erfolgsaussichten?
b) Die Gemeinde, die ihr Einvernehmen zur Genehmigung verweigert hatte, wirft dem Landratsamt
demgegenüber vor, dass das bisher vollständig unangetastete Landschaftsbild für einen "Judaslohn"
geopfert werde. Erfolgsaussichten einer Klage?
Regelung allgemeiner Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen im Sinne
eines Mindeststandards für alle Gebiete im Geltungsbereich des BNatSchG
Ziel: Vermeidung vermeidbarer und Kompensation unvermeidbarer erheblicher
Eingriffe in Natur und Landschaft
Erweiterter Regelungsansatz seit der BNatSchG-Novelle 2002:
Verschlechterungsverbot (weitere Verschlechterung von Natur und Landschaft
grundsätzlich unerwünscht; alle potentiell naturschädigenden und
landschaftsverbrauchenden Vorhaben deshalb einer zusätzlichen Prüfung
5
unterzogen, um Status-quo zu erhalten bzw., falls Vorhaben gleichwohl zugelassen
wird (werden muss), um Status-quo-ante wiederherzustellen)
Verursacherprinzip: Verursacher eines Eingriffs wird gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 2
Satz 1 BNatSchG zur Verwirklichung dieser Ziele in die Pflicht genommen
a)
Anwendungsbereich
Eingriffsregelung nach §§ 18 ff. BNatSchG ist nicht anzuwenden

bei der Aufstellung von Bauleitplänen und Innenbereichssatzungen nach
§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB (arg. Integration der Belange des
Naturschutzes in die Bauleitplanung, § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB; § 1a BauGB),
§ 21 Abs. 1 BNatSchG;
Ausnahme: Bebauungspläne, die eine Planfeststellung ersetzen, § 21 Abs. 2
Satz 2 BNatSchG

auf Vorhaben nach §§ 30, 33 und 34 BauGB, § 21 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach §§ 18 ff. BNatSchG findet deshalb
nur Anwendung auf Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB
b)
Verfahren
Eingriff in Natur und Landschaft unterliegt nach § 20 Abs. 1 BNatSchG nur dann
einer naturschutzrechtlichen Beurteilung, wenn er einer behördlichen
Entscheidung (Genehmigung etc.) oder Anzeige bedarf
formell zuständig: grundsätzlich die für die Zulassung des Vorhabens zuständige
Behörde (z.B. Baubehörde); grundsätzlich kein eigenes naturschutzrechtliches
Genehmigungsverfahren, sondern "Huckepack-Verfahren" (Modifikation der
Genehmigungsvoraussetzungen der Fachgesetze durch naturschutzrechtliche
Vorgaben); Ausnahme: für FFH-Gebiete
c)
Systematik der Eingriffsregelung

Eingriffsbegriff
Eingriff: nur Vorhaben, die von der Legaldefinition des § 18 Abs. 1
BNatSchG erfasst sind:
6
o
Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen (oder
bodenrelevante Veränderungen des Grundwasserspiegels): nicht nur bei
Veränderungen der Erdoberfläche, sondern auch wenn prägende
Bestandteile der Oberflächenstruktur (inklusive Bewuchs) beeinträchtigt
werden
o
die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder
das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen (d.h. mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit die Ziele und Grundsätze der §§ 1 und 2 BNatSchG
nachhaltig beeinflussen können)
Positiv- oder Negativlisten der Länder aufgrund der Ermächtigung in § 18
Abs. 4 BNatSchG

Gestuftes System der Verursacherpflichten,
§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BNatSchG
o
Verbot vermeidbarer Eingriffe,
§ 19 Abs. 1 BNatSchG
o
Ausgleich unvermeidbarer Eingriffe,
§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, 2 BNatSchG
o
Kompensation durch Ersatzmaßnahmen,
§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, 3 BNatSchG
o
Abwägung,
§ 19 Abs. 3 BNatSchG
o
ggf. Ersatzzahlungen (nach Landesrecht)
in Bayern: § 19 Abs. 4 BNatSchG, Art. 6a BayNatSchG
Lösung Fall 10 a: Klage der DFMG gegen die Anordnung der Ausgleichsabgabe (Ersatzzahlung)
A.
Verwaltungsrechtsweg: +
B.
Zulässigkeit der Klage
insb. statthafte Klageart:
hier: Anfechtungsklage + (arg. Anordnung der Ausgleichsabgabe ist weder "modifizierende
Auflage" <Begriff missverständlich, vgl. Maurer, Allg. VwR, § 12 I.5> noch Bedingung der
Baugenehmigung und deshalb als Nebenbestimmung mit VA-Qualität isoliert anfechtbar)
7
C.
Begründetheit der Klage
I.
Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
Freistaat Bayern als Rechtsträger des LRA in seiner Eigenschaft als Staatsbehörde, Art. 53 f.
BayBO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO
II.
Rechtswidrigkeit der Anordnung der Ausgleichsabgabe und subjektive Rechtsverletzung,
§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO
1.
Rechtsgrundlage für Ausgleichsabgabe
mögliche Rechtsgrundlage ist Art. 6a Abs. 3 BayNatSchG;
Voraussetzung hierfür ist die Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung;
diese setzt gemäß § 20 BNatSchG voraus, dass das Vorhaben einer behördlichen Entscheidung
(Erlaubnis, Genehmigung, Zustimmung, Planfeststellung oder sonstigen Entscheidung) oder einer
Anzeige bedarf; die Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung darf auch nicht
gemäß § 21 BNatSchG wegen speziellerer Vorschriften des Baurechts ausgeschlossen sein;
a)
Erfordernis einer behördlichen Entscheidung oder Anzeige, § 20 BNatSchG, Art. 6a Abs. 1
Satz 2 BayNatSchG
hier: + (Genehmigungsbedürftigkeit des Mobilfunkmasts gemäß Art. 55, 57 Abs. 1 Nr. 4
Buchst. a BayBO)
b)
Anwendbarkeit der naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht ausgeschlossen, § 21
BNatSchG
hier: Vorhaben liegt im Außenbereich; deshalb bleibt die Geltung der Vorschriften über die
(naturschutzrechtliche) Eingriffsregelung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG unberührt
Zwischenergebnis: naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ist anwendbar
2.
Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der Ausgleichsabgabe
Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Anordnung einer Ausgleichsabgabe durch die
Baugenehmigungsbehörde ist, dass die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung zum
Prüfprogramm im Baugenehmigungsverfahren gehört;
hier: vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO; in diesem Verfahren prüft
die Bauaufsichtsbehörde auch die Vereinbarkeit des Vorhabens mit sonstigen öffentlichrechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine andere behördliche
Entscheidung entfällt oder ersetzt wird; das ist gemäß § 20 Abs. 2, § 21 Abs. 3 BNatSchG der
Fall (Baugenehmigungsbehörde prüft "im Benehmen" mit der NatSch-Behörde)
Zwischenergebnis: Anordnung der Ausgleichsabgabe ist formell rechtmäßig
8
3.
Materielle Rechtmäßigkeit der Ausgleichsabgabe nach Art. 6 Abs. 3 BayNatSchG
materiell rechtmäßig ist die Anordnung der Ersatzzahlung , wenn die tatbestandlichen
Voraussetzung des Art. 6 Abs. 3 BayNatSchG erfüllt sind, wenn also ein Eingriff vorliegt, der
weder vermeidbar noch ausgleichbar noch kompensierbar noch nach Abwägung unzulässig
ist (Einhaltung der Verursacherpflichten)
a)
Eingriff im Sinne des § 18 Abs. 1 BNatSchG
hier: + (Rodung Hangkante = Veränderung des Bewuchses = Veränderung der Gestalt; wird
zusätzlich verstärkt durch die Errichtung eines weithin sichtbaren Sendemasts (=
Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, weil das äußere, optisch wahrnehmbar Erscheinungsbild
der Landschaft aus der Sicht eines für die Schönheit der natürlich gewachsenen Landschaft
aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters durch den landschaftsfremden, 60 m hohen Masten als
gestört empfunden wird; außerdem Veränderung der Nutzung)
b)
Einhaltung der Verursacherpflichten, § 19 BNatSchG
aa)
Verbot vermeidbarer Beeinträchtigungen, § 19 Abs. 1 BNatSchG
immer vermeidbar, wenn Vorhaben unterlassen wird; Begriff der Vermeidbarkeit zielt deshalb
nur auf die konkrete Ausführung eines nach Baurecht grundsätzlich zulässigen Vorhabens
(Ausführungsalternativen hinsichtlich Ort und Art und Umfang)
hier: - (keine Alternative wegen technischer Rahmenbedingungen)
bb) Ausgleich unvermeidbarer Beeinträchtigungen, § 19 Abs. 2 BNatSchG
Ausgleich liegt nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG vor, wenn nach der Durchführung des
Eingriffs keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und
das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet wird; Ausgleich im
beeinträchtigten Landschaftsraum reicht aus (räumlich- funktionaler Zusammenhang mit dem Ort
des Eingriffs)
hier: - (Aufforstung an der Stelle des Eingriffs nicht möglich; im Falle von Aufforstungsgeboten
an anderer Stelle bleibt optische Beeinträchtigung der Hangkante sichtbar)
cc)
Kompensation durch Ersatzmaßnahmen, § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BNatSchG
beeinträchtigte Funktionen des Naturhaushalts in gleichwertiger Weise ersetzt oder das
Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet (funktional gleichwertiger
Zustand/naturschutzfachliche Gesamtbilanz)
hier: (wohl) kein Ersatz des beeinträchtigten Landschaftsbildes möglich (Fallfrage)
dd) keine Vorrangigkeit der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege,
§ 19 Abs. 3 BNatSchG
9
hier: (wohl) + (wohl keine schwere und unerträgliche Schädigung Landschaftsbildes)
ee)
Rechtsfolge
nach h.M. zulässige Sonderabgabe (Bewältigung besonderer Finanzierungsaufgaben für einen
besonderen Sachzweck; Verantwortungszusammenhang; gruppennützige Verwendung; BVerwG:
eine dem "Schadenersatz" ähnliche Leistung")
hier: Ersatzzahlung kann gemäß § 19 Abs. 4 BNatSchG, Art. 6a Abs. 3 BayNatSchG
angeordnet werden
Ergebnis: Klage der DFMG ist zulässig, aber unbegründet.
Lösung Fall 10 b: Klage der Gemeinde gegen die Baugenehmigung
Probleme:
Klagebefugnis: gemeindliche Planungshoheit (subjektives Recht der Gemeinde auf Beteiligung im
Rahmen des § 36 BauGB; im Übrigen subjektives Recht auf Einhaltung der bauplanungsrechtlichen
Vorschriften und der örtlichen Bauvorschriften)
hier: + (Gemeinde hatte Gelegenheit, ihr gemeindliches Einvernehmen zu verweigern; sie kann aber
zumindest geltend machen, dass die Baugenehmigung ihre subjektiven Rechte verletzt, weil diese
möglicherweise Bauplanungsrecht verletzt)
Bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Mobilfunkmasts/Verstoß gegen § 35 BauGB?
Voraussetzungen:
privilegiertes Vorhaben, § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB: +
entgegenstehende öffentliche Belange, § 35 Abs. 3 BauGB?
hier: § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB (Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes);
Beeinträchtigung steht nicht entgegen, weil Eingriff nach den Maßstäben der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung zulässig (s.o.)
Ergebnis: Klage der Gemeinde ist zulässig, aber unbegründet
6.
(Nationales) Gebiets- und Artenschutzrecht
a)
Gebietsschutz, §§ 22 ff. BNatSchG
Fall 11: Die Regierung von Niederbayern erließ mit Wirkung zum 1. Juli 1983 eine "Verordnung über
das Naturschutzgebiet S". Im Naturschutzgebiet sind unter anderem die Errichtung und Erweiterung
baulicher Anlagen sowie die Anlage von Straßen und Wegen verboten. Das unter Schutz gestellte
Gebiet besteht zum großen Teil aus einer Fläche, die im rechtsgültigen Flächennutzungsplan der Stadt
R als Fläche für Freizeit und Erholung und zu einem kleineren Teil als Wochenendhausgebiet
dargestellt ist. Das Wochenendhausgebiet, in dem auch eine kleinere Schankwirtschaft liegt, wurde
bereits in den 50er Jahren (legal) errichtet.
10
E, Eigentümer mehrerer Restaurants in der näheren Umgebung, hatte die Schankwirtschaft im Jahre
1981 in der Absicht erworben, diese zu einem vollwertigen Restaurantbetrieb in landschaftlich schöner
Umgebung auszubauen und entsprechend zu erweitern. Er sieht sich durch die
Naturschutzgebietsverordnung in seinem Eigentumsrecht verletzt, insbesondere weil er durch die
Ausweisung des Naturschutzgebiets quasi "enteignet" werde. Die "salvatorische"
Entschädigungsregelung des Art. 36 BayNatSchG genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen
an eine Entschädigungsregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG nicht. Er beantragt deshalb beim
BayVGH, die Verordnung für unwirksam zu erklären. Erfolgsaussichten?
aa) Schutzgebietskategorien
Unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Zielrichtung und
Schutzintensität;
wegen des Rahmencharakters keine ausreichende Ermächtigung für die
Ausweisung eines bestimmten Schutzgebiets; zusätzlich konkretisierende
landesrechtliche Ermächtigungsnorm erforderlich (vgl. Art. 7 ff. BayNatSchG)
Ausweisung im Ermessen der zuständigen Behörde; kein individueller Anspruch
auf Gebietsfestsetzung

Naturschutzgebiete, § 23 BNatSchG, Art. 7 BayNatSchG
rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete
Zweck: <siehe § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG>
Ausweisung muss "erforderlich" sein: Bestand unter Berücksichtigung der
allgemeinen Ziele und Grundsätze des Naturschutzes schutzwürdig und
schutzbedürftig; hinreichende Anhaltspunkte für eine abstrakte Gefährdung
ohne Ausweisung genügen; Voraussetzung voll justiziabel; gestalterisches
Ermessen jedoch hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung des Schutzgebiets
Rechtsfolge: alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder
Veränderung des Gebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen
Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten
(nicht nur Eingriffe in die Substanz, sondern auch Veränderungen durch
Zusätze <z.B. Aufschüttungen>; Ausnahmen zur Wahrung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (z.B. Art. 7 Abs. 3 Satz 3 BauNatSchG)
Rechtswirkungen: auch gegenüber Bauleitplanung verbindlich; erst recht für
11
Einzelbauvorhaben (vgl. Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayBO für
genehmigungsbedürftige Vorhaben)

Nationalparke, § 24 BNatSchG, Art. 8 BayNatSchG
Naturschutzgebiete besonderer Art (müssen in ihrem überwiegenden Gebiet
die Voraussetzungen von Naturschutzgebieten erfüllen)
großräumig und in einem vom Menschen nicht oder wenig beeinflussten
Zustand

Biosphärenreservate, § 25 BNatSchG
großflächige Gebiete, die sich als durch hergebrachte Landnutzung geprägte
Kulturlandschaften auszeichnen
Bezugnahme auf die Kriterien des Programms "Mensch und Biosphäre" der
UNESCO

Landschaftsschutzgebiete, § 26 BNatSchG, Art. 10 BayNatSchG
rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete
im Vergleich zum Naturschutzgebiet schwächere Schutzform; dienen weniger
dem unmittelbaren Schutz von Natur und Landschaft, als vielmehr bestimmter
vorgefundener Funktionen und Eigenarten (z.B. auch für überwiegend
landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft <siehe § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3,
Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 BNatSchG)
Rechtsfolge: alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebiets
verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen; konkrete
Verbote in der jeweiligen Verordnung näher zu normieren; besondere
Bedeutung der Landwirtschaftsklausel, § 5 Abs. 1 BNatSchG: bisher
ausgeübte land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzungen auf
kultivierten Flächen uneingeschränkt zulässig!)

Naturparke, § 27 BNatSchG, Art. 11 BayNatSchG
großräumige Gebiete, die sich insbesondere wegen ihrer landschaftlichen
Voraussetzungen für die Erholung besonders eignen; räumliche
12
Zusammenfassung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten
bb) Festsetzungsverfahren
landesrechtliche Regelung: Art. 7 ff. BayNatSchG
inhaltliche Mindestvoraussetzungen: § 22 Abs. 2 BNatSchG
cc) Gebietsschutz und Eigentumsgarantie
Lösung Fall 11: <der Fall ist der Entscheidung des BVerwG vom 31.1.2001, BVerwGE 112, 373
nachgebildet, allerdings vom Sachverhalt her stark vereinfacht und auch rechtlich „geglättet“>
Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle?
A.
Zulässigkeit des Normenkontrollantrags
I.
Verwaltungsrechtsweg +
II.
Möglicher Antragsgegenstand
hier: + (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 5 Satz 1 BayAGVwGO: naturschutzrechtliche
Verordnung im Sinne des § 23 BNatSchG, Art. 7 BayNatSchG als möglicher Antragsgegenstand)
III. Antragsbefugnis
hier: + (als von der Planung betroffener Grundeigentümer ist E ohne Weiteres antragsbefugt)
IV.
Antragsfrist
hier: + (keine Sachverhaltsangaben)
beachte seit 1.1.2007: Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sowie die
Übergangsvorschrift des § 195 Abs. 7 VwGO
IV.
Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen
seit 1.1.2007: "Präklusion" bei nicht oder verspätet vorgebrachten Einwendungen § 47 Abs. 2a
VwGO!
hier: keine "Präklusion" (gilt nur für Bebauungspläne sowie Innen- und Außenbereichssatzungen)
B.
Begründetheit eines Normenkontrollantrags
I.
Formelle Rechtmäßigkeit der Naturschutzgebiets-Verordnung
hier: + (keine Sachverhaltsangaben)
13
II.
Materielle Rechtmäßigkeit
hier: allein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) problematisch
1.
Eingriff in den Schutzbereich/Beeinträchtigung
hier: keine Entziehung des Eigentums/keine enteignende Maßnahme gemäß Art. 14 Abs. 3 GG,
sondern lediglich Nutzungsbeschränkung = Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Abgrenzung nach formalen bzw. finalen Kriterien; kein
"Umschlagen" einer übermäßigen Nutzungsbeschränkung in Enteignung; gilt selbst dann, wenn
Privatnützigkeit des Eigentums vollständig entzogen, vgl. BVerfG vom 2.3.1999 BVerfGE 100,
226)
2.
Verfassungsmäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung
a)
Gesetzliche Ermächtigung zur Festsetzung des Naturschutzgebietes
hier: + (§ 23 BNatSchG, Art. 7 Abs. 3 BayNatSchG)
b)
Übermaßverbot
Nutzungsbeschränkung des E für sich genommen unverhältnismäßig (Absicht des E, die
kleine Schankwirtschaft zu einem vollwertigen Restaurantbetrieb in landschaftlich schöner
Umgebung auszubauen und entsprechend zu erweitern, ist im Außenbereich mangels
Privilegierung gemäß § 35 Abs. 1 BauGB zwar grundsätzlich unzulässig; allerdings
Begünstigung/Teilprivilegierung gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB; die dort gesetzlich eröffneten
baulichen Möglichkeiten im Rahmen des sog. erweiterten Bestandsschutzes werden dem E durch
die Ausweisung des Naturschutzgebiets beschnitten; diese Beschneidung der
Nutzungsmöglichkeiten hat erhebliche Auswirkungen auf den Wert des Grundstücks und muss
unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich nicht hingenommen werden)
Verhältnismäßigkeit durch Ausgleich (ausgleichspflichtige Inhalts- und
Schrankenbestimmung)?
Voraussetzungen für die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichsmaßnahmen:

Nutzungsbeschränkung generell verhältnismäßig
hier: + (arg. Situationsgebundenheit des Eigentums; unzumutbare Belastungen nur
ausnahmsweise zu erwarten)

gesetzliche Grundlage für Ausgleich
hier: + (Art. 36 BayNatSchG)

finanzieller Ausgleich als ultima ratio
in erster Linie reale Vorkehrungen zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen (arg.
14
Bestandsschutz des Eigentums vs. bloßer Vermögensschutz)
hier: + (Dispensmöglichkeit nach Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayNatSchG, allerdings nur,
soweit mit den Zwecken des Naturschutzgebiets vereinbar)

Entscheidung über Ausgleich "uno actu" mit Eigentumsbeschränkung
BVerfG: Rechtsschutzmöglichkeit des Betroffenen muss real gehalten werden;
Verhältnismäßigkeit der Beschränkung kann aber erst abschließend beurteilt werden, wenn
bekannt ist, ob finanzieller Ausgleich in Betracht kommt, weil Ausgleichsregelung Teil der
Gesamtregelung ist, die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen ist
hier: BVerwG (a.a.O.): Anforderungen des BVerfG auf Naturschutzgebiets-Verordnung
nicht uneingeschränkt anwendbar, weil Eigentumsbeschränkung nicht durch VA; "soweit es
- materiellrechtlich - darum geht, dass sich die Verwaltung bei der Aktualisierung von
Eigentumsbeschränkungen über deren Ausmaß und die mit ihr verbundenen Folgen im
Bereich von Ausgleichsmaßnahmen im Klaren sein soll, wird dieser Anforderung dadurch
genügt, dass der Verordnungsgeber bei der Ausweisung eines Naturschutzgebiets die
Pflicht hat, die berührten Eigentumspositionen zutreffend zu erfassen und unter Beachtung
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes" abzuwägen; Rechtsschutzrisiko besteht nur dann,
wenn die Eigentumsbeschränkung - wie beim BVerfG vorausgesetzt - durch VA aktualisiert
wird; bei Eigentumsbeschränkungen durch VO ist der betroffene Eigentümer nicht in einer
vergleichbaren Lage (arg. VO nichtig, wenn unverhältnismäßig; kann jederzeit geltend
gemacht werden)
Art. 14 Abs. 1 GG gebietet deshalb keine gesetzliche Vorkehrung dafür, dass
naturschutzrechtliche Schutzgebiets-VO nur unter gleichzeitiger Festsetzung erforderlicher
kompensatorischer Maßnahmen für die betroffenen Grundstücke erlassen werden.
b)
Artenschutz, §§ 28 ff. BNatSchG
<siehe hierzu die Ausführungen zum gemeinschaftsrechtlichen Artenschutzrecht,
das ebenfalls über die §§ 28 ff. BNatSchG in nationales Recht umgesetzt wird>
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