Stadt Lennestadt Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 139 „Lebensmitteldiscounter Börger" ARTENSCHUTZRECHTLICHE BETRACHTUNG Stand April 2010 Bearbeitung: H ++ W LandschaftsarchitekturBüro Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektin Silvia Wendholt Wilnsdorf, Tel.: 02739 – 891030 Inhalt 1 2 3 Anlass und Aufgabenstellung .................................................................................. 3 Beschreibung des Untersuchungsgebiets, Biotopschutz .................................. 4 Vorprüfung/Auswahl relevanter Tiergruppen bzw. Arten ................................. 5 3.1 Nicht betrachtete/nicht betroffene Tiergruppen bzw. Arten .................. 6 3.2 Relevante Arten .................................................................................................... 7 3.3 Darstellung der artenschutzrechtlichen Relevanz ....................................... 9 3.4 Nicht gelistete Arten ........................................................................................... 11 3.5 Fazit ......................................................................................................................... 12 4 Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen ................................................... 12 5 Gutachterliche Empfehlung .................................................................................... 13 2 1 Anlass und Aufgabenstellung Die Stadt Lennestadt plant die Aufstellung eines Vorhaben- und Erschließungsplanes (V+E-Plan) für einen Lebensmitteldiscounter im Ortskern von Lennestadt-Elspe. Gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sind die Biologische Vielfalt (Arten, Lebensgemeinschaften, Biotope), der Naturhaushalt (Leistungs- und Funktionsfähigkeit) sowie die Vielfalt, Eigenart, Schönheit von Natur und Landschaft und der Erholungswert zu schützen und im Plankonzept abwägend zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt für den Verursacher, „vermeidbare Beeinträchtigungen … zu unterlassen“. Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind im Rahmen der Eingriffsregelung hinsichtlich des notwendigen Ausgleichs abwägend zu prüfen. Das Vermeidungsgebot ist auch zu beachten, wenn aufgrund der innerörtlichen Bebauung keine Ausgleichspflicht besteht. Nicht abwägbar sind die Vorgaben für den Artenschutz und den gesetzlichen Biotopschutz. In diesem Zusammenhang sind die artenschutzrechtlichen Verbote zu prüfen, die im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Verbindung mit den Artenschutzvorgaben der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie als Regelungen zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen enthalten sind. Hiernach ist es verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen, ohne besonderen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten sowie wildlebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen sowie deren Bestände zu verwüsten. Weiterhin sind Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten geschützt. Sie dürfen nicht ohne besonderen Grund beeinträchtigt oder zerstört werden. Bei einer artenschutzrechtlichen Prüfung sind ebenso die Besonders geschützten Arten wie alle wildlebenden einheimischen Vogelarten alle Säugetiere ohne jagdbare Arten und Problemarten alle Reptilien und Amphibien alle Bienen, Hummeln und Libellen fast alle Bockkäfer, Großlaufkäfer u.a. alle Orchideen und Torfmoose zu beachten sowie die 484 Streng geschützten Arten nach Bundesartenschutzverordnung, Anlage 1, Spalte 3, FFH Richtlinie, Anhang IV und EU Artenschutzverordnung, Anhang A. Mit der Kleinen Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom Dezember 2007 hat der Bundesgesetzgeber das deutsche Artenschutzrecht an die europäischen Vorgaben angepasst. Nunmehr müssen die Artenschutzbelange bei allen genehmigungspflichtigen Planungsverfahren 3 betrachtet werden. Die betreffenden, auf jeden Fall zu berücksichtigenden Arten werden in Nordrhein-Westfalen Planungsrelevante Arten genannt. Für NRW sind sie messtischblattbezogen erfasst und zur Minimierung des Prüfaufwandes verschiedenen Lebensraumtypen zugewiesen. 2 Beschreibung des Untersuchungsgebiets, Biotopschutz Das Baugebiet (Untersuchungsgebiet) befindet sich in zentraler Lage innerhalb des Stadtteils Elspe. Begrenzt wird die Fläche im Norden durch Grünland, im Osten und Westen durch Bebauung und im Süden durch die B 55 Bielefelder Straße. Die Fläche ist derzeit mit einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Wohnhaus, Stallung und Scheune bebaut. Das Wohnhaus mit Deele (Tenne), Heuboden und Lager-Zwischenboden stammt von ca. 1880, die Stallungen sind wesentlich jünger. Den nördlichen Teil des Gehöfts nimmt vornehmlich befestigte Lagerfläche für Silage ein. Nordwestlich grenzt eine Obstwiese mit ca. 10 Hochstämmen an, von denen aller Voraussicht nach ein Kirschbaum (StD ca. 25 cm) sowie ca. 100 m² freiwachsende Hecke (vorn. Weißdorn) durch das Planvorhaben in Anspruch genommen werden. Die gut strukturierte Feldhecke zur Straße Seilmecke (Osten) bleibt, vorbehaltlich ordnungsgemäßer Bauausführung, unberührt. Gegenüber dem Westgiebel des Wohnhauses befinden sich ca. 200 m² Hausgarten sowie ca. 150 m² Geflügelfreilauf (unbefestigt). An der Südseite schließt sich bis zur Gehöftmauer befestigte Hoffläche an. Biotope gemäß § 62 LG NRW (Gesetz zur Sicherung des Naturhaushaltes und zur Entwicklung der Landschaft) sind auf dem Grundstück nicht anzutreffen. Der umgebende Ortskern von Elspe weist in Bebauung und Vegetation ähnliche dorftypische Strukturen wie das Untersuchungsgebiet auf. Der Discounter soll über die B 55 auf Höhe des jetzigen Wohnhauses erschlossen werden. 4 Luftbild mit Lageplan, im unteren Bereich die Bielefelder Str. (B 55) mit Erschließungsweg (unmaßstäblich) Die Gebäudefläche wird ca. 2.165 m² betragen. Die Gesamtgrundstücksfläche umfasst ca. 6.625 m². Ca. 92 Parkplätze mit Fahrgasse werden ungefähr 3.500 m² in Anspruch nehmen. Somit befinden sich innerhalb des Geltungsbereiches derzeit räumlich noch nicht festgelegte weitere Grünflächen. Konkrete Angaben zur Parkplatzgestaltung stehen ebenfalls noch aus, eine teilweise Überstellung mit Hochstämmen ist jedoch empfehlenswert und wird von Seiten der Planung gedacht. Der neue Landwirtschaftsbetrieb wird weiter nördlich in Sichtweite des bestehenden Hofes errichtet. Teile der Stallungen sind im Frühjahr 2010 bereits im Bau. Schutzgebiete im Sinne des BNatSchG sind im Bereich oder im direkten Umfeld des Geltungsbereichs des V+E-Planes nicht vorhanden. 3 Vorprüfung/Auswahl relevanter Tiergruppen bzw. Arten Der Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zählt zu den ältesten und wichtigsten Bemühungen des Naturschutzes. Die Gefährdungsursachen sind dabei vielfältig. Neben der Bedrohung durch Sammelleidenschaft und Handel ist vor allem der mit dem menschlichen Nutzungsdruck verbundene Lebensraumverlust für den Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich. Hinzu kommt die Verdrängung einheimischer Arten durch eingeschleppte fremde 5 Arten. Diesen Gefährdungen wirksam zu begegnen stellt eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen überhaupt dar. Hierzulande sehr selten: die Späte Adonislibelle Das neue Bundesnaturschutzgesetz enthält eine Reihe von Neuerungen im Artenschutzrecht. Vorschriften zum Schutz aller wild lebenden Tier- und Pflanzenarten werden zum Teil erstmalig einheitlich auf Bundesebene verankert. Hierzu zählen Verbote zum Schutz von Bereichen, die regelmäßig als Lebensstätten unterschiedlichster Arten dienen. Grundsätzlich verboten ist es beispielsweise, die Bodendecke auf Wiesen und Feldrainen oder an Hecken und Hängen abzubrennen oder während der Brutzeit von Vögeln – vom 1. März bis 30. September – Bäume, Hecken, Gebüsche oder andere Gehölze abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen. Das gilt auch für Bauwerke jeglicher Art (Brücken, Stollen etc.), die als Brutstätten genutzt werden. Für die artenschutzrechtliche Abhandlung wird innerhalb des Geltungsbereichs des V+E-Planes eine Bestandsaufnahme relevanter Habitatstrukturen durchgeführt. Das zugrundeliegende Messtischblatt trägt die Nr. 4814 (Lennestadt). Aufgrund der naturräumlichen Zusammenhänge werden auch die Tier- und Pflanzenarten der Messtischblätter 4815 (Schmallenberg) und 4914 (Kirchhundem) betrachtet. Für die vorzunehmende artenschutzrechtliche Betrachtung werden die planungsrelevanten Arten der Lebensraumtypen „Säume, Hochstaudenfluren“, „Gärten, Parkanlagen, Siedlungsbrachen“ und „Gebäude“ abgerufen. 3.1 Nicht betrachtete/nicht betroffene Tiergruppen bzw. Arten Die kleinräumige Hoffläche ist völlig mit zum Teil ortswechselnden landwirtschaftlichen Nutzungen belegt. Vorkommen schützenswerter Pflanzen können daher ausgeschlossen werden. Für folgende Tierarten gibt es aktuell keinen Lebensraum innerhalb des Untersuchungsgebiets: - keine trockenen Böschungen oder Trockenmauern für Wärme liebende Reptilien (Schlingnatter), - kein mageres sowie trockeneres Grünland oder schüttere Bodenvegetation sowie kaum (aufgrund von großflächiger Versiegelung) blühende Kräuter für Tagfalter oder Insekten - keine Gehölzbestände mit Habitatbäumen für höhlenbrütende Vögel (Schwarzspecht) und Fledermäuse (Wasserfledermaus, Kleiner Abendsegler, großer Abendsegler), - keine Gewässer/ Feuchtbiotope für Feuchte liebende Reptilien (Ringelnatter, Geburtshelferkröte, Kammmolch) - keine Biotope für „Wasservögel“ (auch im weiteren Sinn wie Eisvogel, Graureiher, Teichhuhn) 6 Günstig ist, die zu erwartenden Vogelarten der Siedlungsbereiche innerhalb der neuen Bebauung durch Bereitstellung geeigneter Nisthilfen zu fördern, z.B. Meisenarten, Rotkehlchen, Zaunkönig, Braunelle u.a.. Des Weiteren werden einige Tiergruppen bzw. Pflanzenarten von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen, da keine Gefährdung der lokalen Population besteht. Bei diesen Arten handelt es sich um weit verbreitete, euryöke, ungefährdete, unempfindliche und im Gebiet verbreitete Arten (Igel, Spitzmaus), deren lokale Population durch das Vorhaben nicht gefährdet ist, da im räumlichen Zusammenhang genügend Ausweichhabitate vorhanden sind. 3.2 Planungsrelevante Arten Relevant sind alle wild lebenden Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten, deren Erhaltungszustand der lokalen Population durch das Bauvorhaben potenziell verschlechtert werden kann. Die relevanten Arten wurden hinsichtlich der Verbote des § 44 BNatSchG überprüft. Zur Informationsgewinnung wurden die LANUV-Informationssysteme sowie Schutzgebietskarten und eigene Unterlagen ausgewertet. Des Weiteren wurde zur Erhöhung der Aussagesicherheit Anfang April 2010 das Gelände erneut besichtigt und die Gebäude von innen in Augenschein genommen sowie die Landwirtfamilie befragt. Planungsrelevante Arten für die Messtischblätter 4814 (Lennestadt), 4815 (Schmallenberg) und 4914 (Kirchhundem). Auflistung der erweiterten Auswahl in den Lebensraumtypen , Säume, Hochstaudenfluren, Gärten, Parkanlagen, Siedlungsbrachen, Gebäude. Art Wissenschaftlicher Name Status Erhaltungszu Bemer Saeu Gaert stand kung Gebaeu Deutscher Name Säugetiere Eptesicus serotinus Breitflügelfledermaus Art vorhanden G XX Muscardinus avellanarius Haselmaus Art vorhanden G (X) Myotis daubentonii Wasserfledermaus Art vorhanden G X (WQ) Myotis myotis Großes Mausohr Art vorhanden U (X) WS/WQ Myotis mystacinus Kleine Bartfledermaus Art vorhanden G XX X/WS/WQ Nyctalus leisleri Kleiner Abendsegler Art vorhanden U X (WS)/(WQ) Nyctalus noctula Großer Abendsegler Art vorhanden U X (WQ) (X) (X) WS/WQ 7 Art Wissenschaftlicher Name Status Erhaltungszu Bemer Saeu Gaert stand kung Gebaeu Deutscher Name Säugetiere Pipistrellus nathusii Rauhhautfledermaus Art vorhanden G Pipistrellus pipistrellus Zwergfledermaus G Vespertilio murinus Zweifarbfledermaus G Plecotus auritus Braunes Langohr Art vorhanden Art vorhanden G (WS)/(WQ) X XX WS/WQ X WS/ZQ/WQ X WS/(WQ) Vögel Accipiter gentilis Habicht sicher brütend G X Accipiter nisus Sperber sicher brütend G X Aegolius funereus Raufußkauz sicher brütend U (X) Alcedo atthis Eisvogel sicher brütend G Anthus pratensis Wiesenpieper sicher brütend G↓ Ardea cinerea Graureiher sicher brütend G Asio otus Waldohreule sicher brütend G Bubo bubo Uhu sicher brütend G Buteo buteo Mäusebussard sicher brütend G X Coturnix coturnix Wachtel sicher brütend U XX Dryobates minor Kleinspecht sicher brütend G Dryocopus martius Schwarzspecht sicher brütend G X Falco tinnunculus Turmfalke sicher brütend G X X Gallinula chloropus Teichhuhn sicher brütend G X X Hirundo rustica Rauchschwalbe sicher brütend G↓ X X Lanius collurio Neuntöter sicher brütend G X Lanius excubitor Raubwürger sicher brütend S X Locustella naevia Feldschwirl sicher brütend G XX Milvus milvus Rotmilan sicher brütend U (X) Nucifraga caryocatactes Tannenhäher sicher brütend G X Phoenicurus phoenicurus Gartenrotschwanz sicher brütend U↓ X Picus canus Grauspecht sicher brütend U↓ (X) Strix aluco Waldkauz sicher brütend G (X) X X (X) X (X) XX X (X) X (X) X X XX Amphibien Alytes obstetricans Geburtshelferkröte Art vorhanden U (X) X Triturus cristatus Kammmolch Art vorhanden U (X) (X) U X Reptilien Coronella austriaca Schlingnatter Art vorhanden X 8 XX Hauptvorkommen, X Vorkommen, (X) potentielles Vorkommen Vögel: B kommt als Brutvogel vor, D kommt als Durchzügler vor, W kommt als Wintergast vor, () potentielles Vorkommen Fledermäuse: WS Wochenstube, ZQ Zwischenquartier, WQ Winterquartier, () potentielles Vorkommen LANUV NRW Stand2009: - D. Lischewski G = günstig U = ungünstig S = schlecht 3.3 Darstellung der artenschutzrechtlichen Relevanz Für die relativ kleine landwirtschaftliche Betriebsstätte innerhalb der Ortslage Elspe kann geeigneter Lebensraum in ausreichender Größe aufgrund fehlender Habitatstrukturen oder größerer Fluchtdistanzen für folgende Arten ausgeschlossen werden: Wasserfledermaus Eisvogel Feldschwirl Graureiher Grauspecht Großer Abendsegler Gartenrotschwanz Habicht Kleiner Abendsegler Raubwürger Rauhfußkauz Rotmilan Schwarzspecht Sperber Tannenhäher Teichhuhn Uhu Waldohreule Wiesenpieper Wachtel Geburtshelferkröte Kammmolch Schlingnatter Nach Aussage der Landwirtsfamilie treten Individuen von Turmfalke Waldkauz im Untersuchungsgebiet nicht auf. Die letzten Rufe eines Waldkauzes wurden vor ca. 30 Jahren vernommen. Die Zweifarbfledermaus tritt in NRW nur als Durchzügler auf, benötigt somit keine Quartiere. Wie für die weiteren gelisteten Fledermausarten stellt die Änderung der Bausubstanz grundsätzlich keine Beeinträchtigung des Jagdhabitates dar. 9 Der Abriss der innerdörflichen Strukturen im Untersuchungsgebiet stellt aufgrund der weiterhin vorhandenen Lebensraumeignung des Ortsteils keine existentielle Bedrohung für folgende Individuen dar. Haselmaus Turmfalke Mäusebussard Neuntöter Kleinspecht Turmfalke Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Populationen durch das Vorhaben nicht verschlechtert. Für folgende Tiere können durch die Beseitigung der Gebäude und Gehölze (1 Obstbaum, Heckensegment) potentielle Brutund Sommer/Winterquartiere zerstört werden: Rauchschwalbe Zwergfledermaus Kleine Bartfledermaus Großes Mausohr Braunes Langohr Bei der Besichtigung der Innengebäude Anfang April 2010 zeigten sich etliche noch nicht bezogene Rauchschwalbennester auf zwei Geschossen. Die Landwirtfamilie schilderte die Jahrzehnte alte „Lebensgemeinschaft“ als durchaus gewollt. Als Regulativ wurden in der Deele die oberen Fenster geöffnet bzw. rechtzeitig im Jahr geschlossen, wenn kein Bezug erwünscht war. Die Nester auf dem Zwischenboden wurden bemerkenswerterweise durch Gittertüren vor Katzen geschützt. Nach Aussage der Landwirtfamilie hatte die Anzahl der Rauchschwalben in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Als jedoch auf dem Festspielgelände vor wenigen Jahren für die Pferde neue Offenställe errichtet wurden, nahm auch im Dorf die Anzahl der Überflüge und Brutvorkommen wieder zu. Offenbar birgt diese Stallart gute Nistmöglichkeiten. Auch die neuen Ställe werden in Offenbauweise errichtet, so dass mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Schwalben mit „umziehen“. Im Frühjahr 2010 bezogen 3 Rauchschwalbenpaare die Nester. Die Familie trägt sich mit dem Gedanken, die Jungvögel dieses Jahres beringen zu lassen, um das zu überprüfen. Zu Beginn der Abrissarbeiten muss sichergestellt sein, dass alle Jungvögel ausgeflogen sind. Dennoch sollten auch an geeigneten Stellen des neuen Handelsgebäudes Nisthilfen (regengeschützte Bretter) für Rauchschwalben angebracht werden. Die Inaugenscheinnahme der Dachböden und Scheunen diente vornehmlich der Klärung von Fledermausvorkommen, da diese durch den Abgleich von Habitatstrukturen und –anspruch nicht eindeutig ausgeschlossen werden können. 10 Der Heuboden zieht sich über die gesamte Geschossfläche des Bauernhauses, der Zwischenboden ist auf der Hälfte vom Wohnbereich abgetrennt. Beide Dachgeschosse sind komplett einsichtig, d.h. Balken und Lattung konnten gut geprüft werden. Das Fachwerk ist nachträglich mit Ziegeln ausgefacht, so dass Hohlräume im Wandinneren oder Spalten unwahrscheinlich sind. Es wurden keine Hinweise auf Fledermausvorkommen (Winter-, Sommer- oder Brutquartier) gefunden. Nach Aussage der Landwirtfamilie sind in dem von ihnen beurteilbaren Zeitraum auch keine auf dem Hof vorgekommen, was eventuell auf den hohen Nutzungsgrad des Dachbodens zurückzuführen ist, da dieser neben der täglichen Heubewirtschaftung den Kindern und ihren Freunden als Spielfläche mit Schaukel und weiteren Geräten diente. Überfliegende Individuen im Hof wurden jedoch vereinzelt an Sommerabenden beobachtet. In den Stallungen fehlten ebenfalls Hinweise auf Rast- und Brutvorkommen. Erreichbare bzw. geeignete Kellerräume sind nicht vorhanden. Der Hinweis auf die Überflugtätigkeit von Individuen sollte jedoch ausreichen, das geplante Gebäude dauerhaft mit Fledermausquartieren (ca. 6 Stück) zu versehen. Hierfür eignen sich Fassadenquartiere, die sowohl als Sommer-, Winter- und Ganzjahresquartiere erhältlich sind. Sie sind aus einem speziell isolierenden Leichtbeton mit guter Atmungsaktivität. Die Isolierung schützt im Sommer auch vor zu hoher Hitzeeinwirkung. Die flachen Kästen können mit atmungsaktiver Fassadenfarbe dem Gebäude angepasst werden. Anzahl und Art sind im V+E-Plan festzusetzen. 3.4 Nicht gelistete Arten Auf das Vorkommen weiterer planungsrelevanten Arten, die auf den aufgeführten Messtischblättern nicht erfasst wurden – Zauneidechse und Mehlschwalbe – wurde durch den Umweltschutzbeauftragten der Stadt Lennestadt, Herrn Dr. Droste, hingewiesen. Die Zauneidechse wird im Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführt, weshalb für sie der spezielle Artenschutz anzuwenden ist. Gemäß § 44 BNatSchG zählt sie damit auch zu den streng geschützten Tierarten. Gesichtet wurden Individuen weiter nördlich im Stadtgebiet. Als Nahrungsraum kommt die Hoffläche aufgrund des geringen Bewegungsradius der Tiere und der Störanfälligkeit nicht in Frage Die Mehlschwalbe, Rote Liste 2009 NRW, Stufe 3, lebt als Kulturfolger in menschlichen Siedlungsbereichen. Als Koloniebrüter bevorzugt sie frei stehende, große und mehrstöckige Einzelgebäude in Dörfern und Städten. Die Lehmnester werden an den Außenwänden der Gebäude an der Dachunterkante, in Giebel-, Balkon- und Fensternischen oder unter Mauervorsprüngen angebracht. Industriegebäude und technische Anlagen (z.B. Brücken, Talsperren) sind ebenfalls geeignete Brutstandorte. Bestehende Kolonien werden oft über viele Jahre besiedelt, wobei Altnester bevorzugt 11 angenommen werden. Große Kolonien bestehen in Nordrhein-Westfalen aus 50 bis 200 Nestern. Als Nahrungsflächen werden insektenreiche Gewässer und offene Agrarlandschaften in der Nähe der Brutplätze aufgesucht. Für den Nestbau werden Lehmpfützen und Schlammstellen benötigt. Nach Aussagen der Landwirtsfamilie kommen im Bereich des Hofes keine Mehlschwalben vor. 3.5 Fazit Mittels einer Begehung Dezember 2009 wurde das Gebiet auf Habitatstrukturen untersucht. Es wurden mit den Gebäuden und Gehölzen Strukturen erfasst, die für die Tiergruppen Vögel und Fledermäuse als Fortpflanzungs- und Ruhestätten geeignet sind bzw. genutzt werden. Durch den Abriss entsteht ein potentieller Lebensraumverlust, der durch fachlich anerkannte Maßnahmen kompensiert werden kann. Zur Feststellung tatsächlicher Vorkommen wurde das Gelände Im Frühjahr 2010 auf Schwalben- und Fledermaushinweise überprüft. Dabei konnte das Vorkommen von Rauchschwalben eindeutig nachgewiesen und das von Fledermäusen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Da keine weiteren konkreten Hinweise auf bedeutenden Vorkommen besonders geschützter Tier- oder Pflanzenarten vorliegen, erfolgt keine Aufnahme in die artenschutzrechtliche Prüfung des Planverfahrens. 4 Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen Das Vermeidungs- und Minimierungsgebot verpflichtet den Verursacher, in allen Planungs- und Realisierungsstadien dafür Sorge zu tragen, dass Vorhaben so umweltschonend wie möglich umgesetzt werden. Es zielt auf die Prüfung von Ausführungsvarianten an dem geplanten Standort des Vorhabens. Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen können sogar bei streng geschützten Arten des Anhangs IV FFH-RL und bei europäischen Vogelarten dazu dienen, eine Verwirklichung von Verbotstatbeständen nach Art. 12, 13 FFH-Richtlinie und Art. 5 Vogelschutz-Richtlinie (umgesetzt in § 44 BNatSchG) zu vermeiden. Es wird daher vorgeschlagen, an der Fassade der geplanten Gebäude einige (ca. 6 Stück) Fledermauskästen mit Sommer- und Winterquartiereignung sowie Nisthilfen für Rauchschwalben anzubringen. (Obwohl vermutet wird, dass sich die Schwalben zügig den - vor Abriss der alten Gebäude - in Sichtweite neu errichteten Offenstall als neuen Lebensraum erschließen werden.) Weiterhin sollten die Bäume der Parkplatzbegrünung mit verschiedenartigen Nistkästen für Kleinvögel ausgestattet werden. Für die Rauchschwalbenpopulation sollen Bretter als Nisthilfen angebracht werden. 12 Für das Planvorhaben gelten somit folgende Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahme: Quartierskästen für Fledermäuse, Nisthilfen für Rauchschwalben, auch nutzbar von Mehlschwalben Nistkästen für weitere Vogelarten angemessenen Begrünung der Randflächen und des Parkplatzes Abriss nicht vor Ende der Brutzeit Errichtung von neuen landwirtschaftlichen Gebäuden vor Beginn des Abrisses, Schaffung von landwirtschaftlichen Strukturen im Neusiedlerhof vor Beseitigung selbiger auf dem alten Hof ( z.B. Umzug von Strohlager und Silage Sommer 2010) 5 Gutachterliche Empfehlung Das Untersuchungsgebiet Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 139 „Discounter Börger“ ist aufgrund seiner Struktur als unproblematisch für Tierund Pflanzengruppen einzustufen, da nicht davon auszugehen ist, dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Populationen durch das Vorhaben verschlechtert, wenn entsprechende Verminderungsund Vermeidungsmaßnahmen ergriffen werden (s.o.). Daher erfolgt keine Aufnahme in die artenschutzrechtliche Prüfung des Planverfahrens. Wilnsdorf, April 2010 13