P E U L A : DIE DREI SÖHNE Alter: ab 14 Jahre Gruppengröße: 20 – 25 Personen Dauer: ca. 90 Minuten Material: Einladung zur Testamentvorlesung (1 Exemplar pro Teilnehmer) Beschreibung der drei Söhne, ein Exemplar der Erklärung des Rechtsanwaltes an das Komitee. Ziel: Eine Debatte über jüdische Werte anzuregen Einleitung: Die heutige Jugend ist sehr an der Frage „Wer ist ein guter Jude“ interessiert. Folgende Bemerkung wird häufig vernommen: „Ja, er ist Mitglied einer Synagoge, aber sieh Dir einmal an, wie er sich geschäftlich benimmt!“ Oder: „Ich muss nicht in die Synagoge gehen, um eine guter Jude zu sein. Wichtig sind meine ethnischen Prinzipien“. Was sind die Merkmale eines guten Juden? Die Geschichte der „Drei Söhne“ ist eine Programmtechnik, in der eine Gruppe in einer interessanten Weise in eine Debatte gezogen werden kann, um die Antworten auf diese Frage zu finden. Dieses Programm kann als Bühnenaufführung oder ohne jegliche Vorbereitung durchgeführt werden. Der Leiter der Gruppe kann einen Rabbiner oder Lehrer aus der Umgebung einladen, der nach durchgeführter Debatte seinen Standpunkt über die Definition eines guten Juden darstellen soll. Durchführung: 1. Es ist ratsam, nicht mehr als 25 Teilnehmer in der Gruppe zu haben, es sei denn sie wird vor der Debatte aufgeteilt in kleinere Untergruppen mit eigenen Leitern. In einem solchen Fall können sie sich nachher wieder vereinen, um ihre Resultate zu vergleichen. 2. Es soll sofort mit der Vorlesung der Erklärung des Anwaltes über das Testament begonnen werden, ohne irgendwelche Einleitung oder Kommentar. Der Anwalt kann auch als Vorsitzender oder Diskussionsleiter dienen, oder ein Madrich kann ausgewählt werden. 3. Nach der Vorlesung sprechen drei Teilnehmer, die die drei Söhne darstellen, einige Minuten, um ihre Ansprüche auf die Erbschaft zu vertreten. Die Teilnehmer werden dann aufgefordert abzustimmen, welcher Sohn, nach ihren ersten Eindrücken, der beste Jude ist. 1 4. Der Anwalt lässt dann die Anwesenden an der Diskussion teilnehmen, entweder in der Form von Fragen und Antworten oder durch ein Kreuzverhör der drei Söhne, einer nach dem anderen. Dieser Teil soll nicht mehr als 30 Minuten in Anspruch nehmen. Nachher findet die endgültige Abstimmung statt, und die Entscheidung wird kundgegeben. 5. Jede Gruppe muss beschließen, welchem Sohn die Erbschaft zusteht. Es wird keine korrekte Antwort angegeben. Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Gruppe auch die Befugnis hat, alle drei Söhne als Erben abzulehnen und die Erbschaft unter verschiedenen philantropischen Institutionen zu verteilen. 2 Wir laden sie zur Vorlesung des Testaments des verstorbenen M O R R I S G O L D B E R G ein welche (Ort) __________________________________________ (Datum) _______________________________________ stattfinden wird. Angesichts der sonderbaren Bedingung, die das Testament enthält und da die Durchführung desselben nur mit Hilfe und der reiflichen Überlegung einer gewählten Gruppe von Bürgern, unter denen Sie sich befinden, erfolgen kann, wird der führende Anwalt der Gemeinde das Testament in Anwesenheit der DREI SÖHNE des Verschiedenen vorlesen. 3 ERKLÄRUNG DES ANWALTS: Ich habe ein sonderbares Dokument in meiner Hand. Es ist das Testament des verstorbenen Morris Goldberg, einer führenden Persönlichkeit unserer jüdischen Gemeinde, der vor einer Woche verschied. Ich bin sein Anwalt und als solcher ist es meine Pflicht, sein Testament in der Anwesenheit seiner drei Söhne vorzulesen. ****************** DAS TESTAMENT VON MORRIS GOLDBERG Dies ist das Testament von Morris Goldberg. Es ist mein Wunsch, dass mein ganzes Vermögen demjenigen meiner Söhne gegeben werden soll, der als bester Jude anerkannt wird. Zu diesem Zweck wird mein Anwalt ein Komitee von würdigen Juden ernennen, um zum nötigen Entschluss zu kommen. Falls das Komitee beschließen sollte, dass keiner meiner Söhne ein guter Jude genannt werden kann, oder falls es zu keinem Beschluss kommen kann, dann soll mein Vermögen gleichmäßig unter verschiedenen jüdischen wohltätigen Institutionen verteilt werden, deren Namen auf einem separaten Bogen verzeichnet sind (die mein Anwalt, falls nötig, bekannt geben wird). Sie, meine Damen und Herren, sind als Mitglieder dieses Komitees ausgewählt worden, um die nötige Entscheidung zu treffen. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit während Ihnen persönliche Angaben über die drei Söhne – Henry, David und Joseph Goldberg – präsentiert werden. 4 HENRY GOLDBERG Henry Goldberg, der älteste Sohn, ist der reichste der Brüder. Er ist Inhaber von verschiedenen großen Unternehmen, einschließlich einer großen Immobilien-Firma. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Henry ist ein religiöser Jude. Er ist Mitglied einer Synagoge, wo er die größten Beiträge zahlt und trägt außerdem freigebig zu anderen jüdischen und zionistischen Zwecken bei. Henry Goldberg besucht am Schabbat immer die Synagoge, auch wenn er geschäftlich auf Reisen ist. In seinem Heim werden der Schabbat und die Feiertage gehalten. Alle seine Kinder erhielten gewissen jüdische Erziehung. Außer seiner regelmäßigen Synagogenbesuche am Schabbat, nimmt Henry an keinen anderen Aktivitäten in der Synagoge oder anderen Organisationen in der Gemeinde teil. Die einzige Ausnahme bildet die „Rechtliche Hilfe“, die solchen Personen, die keine Mittel für Anwaltsdienste besitzen, Hilfe in juristischen Angelegenheiten bietet. (Dies ist mein besonderes Interesse). Wenn er aufgefordert wird, in Synagogenkomitees oder anderen Gruppen mitzuwirken, lautet seine Antwort: „Ich bedauere, aber meine Geschäfte und meine Arbeit in der Rechtlichen Hilfe lassen mir keine Zeit übrig. Sie wissen doch, dass ich großzügig zu allen würdigen Zwecken beisteuere. Mehr kann ich nicht tun.“ Henry war neulich eine sehr umstrittene Person. Der städtische Entwicklungsrat, dessen Ziel es ist, die Wohnverhältnisse Bürger aller Einkommensverhältnisse zu verbessern, erklärte, dass ein Wohnprojekt von sehr teuren Wohnungen, „The Glades“,, das von Herrn Goldberg gebaut wurde, nicht allen Rassen zugänglich sei und dass Mitgliedern von Minderheiten davon abgeraten würde, es sogar nur anzusehen. Henry sagte in einer Erklärung: „Ich billige nicht Rassenabsonderung. Ich baue aber Privatwohnungen und bin den Käufern und der Gemeinschaft dafür verantwortlich, dass der gesellschaftliche Rahmen, in dem sie leben wollen, nicht verletzt wird.“ 5 PROFESSOR DAVID GOLDBERG Professor David Goldberg, der zweite Sohn, ist Atheist. Er ist ein Intellektueller und Gelehrter, der an der Universität Philosophie unterrichtet. Er verschmäht die Ansichten seines älteren Bruders, die er „blinde religiöse Konformität“ nennt. Als David kurz vor seiner Bar-Mitzwa stand, wurde sein bester Freund von einem Lastwagen überfahren. David betete für seinen Freund, der , nachdem er mehrer Tage im Koma lag, starb. David kam zum Schluss, dass es keinen Gott gibt und weigerte sich seine Bar-Mitzwa zu feiern. Seit damals hat David kein Interesse and der Religion. Er gehört keiner Synagoge an und lässt seinen Kindern keine religiöse Erziehung angedeihen. Seine Frau ist mit ihm einstimmig. Trotz seiner Einstellung zu religiösem jüdischen Leben, ist David seit jeher in säkularen jüdischen Gruppen tätig, insbesondere mit denen, die sich der Rettung verfolgter Juden im Ausland widmen. Hitlers Angriff auf die Juden hat David sehr erschüttert und er wurde ein begeisterter Anhänger der Idee eines jüdischen Heimatlandes. Als der jüdische Staat in Israel entstand und sofort angegriffen wurde, beriet er sich mit seiner Frau und meldet sich zur Haganah. Er wurde am linken Bein verwundet, und kam leicht aber für immer behindert zurück. Sein Arzt bestand auf der Reduzierung seiner Lehrstunden. Sein älterer Bruder Henry hat sehr generös zur Deckung der enormen ärztlichen Spesen beigetragen. Aus Dankbarkeit weigerte sich David seinem Bruder Henry den Rücken zu wenden, als die „The Glades“-Affäre ans Tageslicht kam. Soweit es seine körperliche Behinderung erlaubt, ist er auch politisch aktiv und ist Mitglied des Rates für Rassenbeziehungen. 6 JOSEPH GOLDBERG Joe Goldberg, der jüngste Sohn, ist mit einer nicht-jüdischen Frau verheiratet. Sie ist zum Judentum übergetreten und ist ein aktives Mitglied der Synagoge und ihren Damenkomitees geworden. Joe ist zwar Mitglied der Synagoge, ist aber nicht aktiv und besucht die Synagoge nur ab und zu. Wie er erklärt, versucht er noch immer seine Ansichten über Religion und seine Auffassungen von Gott, Judentum und Zionismus klarzustellen. Joe ist ein ernster Mensch, der die Bibel schon fünfmal gelesen hat und sehr viel jüdische Literatur liest. Er diskutiert seit zehn Jahren mit seinem Bruder Henry, der sagt: „ David kann ich verstehen. Er hat keinen Glauben. Er weiß wenigstens, wo er steht. Aber Du bist nie aufgewachsen. Du bist verwirrt und wirst immer verwirrt bleiben.“ Joe ist im bürgerlichen und politischen Leben der Stadt tätig. Er ist ein führendes Mitglied des örtlichen Erziehungskomitees. Als der städtische Entwicklungsrat seinen Bruder in der „The Glades“-Angelegenheit angriff, schrieb Joe seinem älteren Bruder: „Während ich mir darüber noch nicht im Klaren bin, wo ich mit meinem Glauben an Ritual und Theologie stehe, so glaube ich aber, dass, wenn mein Judentum überhaupt eine Bedeutung hat, es richtig handeln bedeutet. Ich löse daher jegliche Verbindung mit dem „Glades“-Entwicklungsprojekt auf. Henry hat seither mit Joe kein Wort gewechselt. Joe und seine Frau haben deshalb viele Diskussionen gehabt, weil seine Frau mit Joes Handlungsweise nicht einverstanden war. „Es gefällt Dir, den Held zu spielen“, sagte sie, „wenn Du aber so ein großer gesellschaftlicher Reformer bist, warum hast Du denn gewartet, bis der Rat Henry angegriffen hat? Du wusstest ja die ganze Zeit, dass nicht jeder dort wohnen konnte! Wann ist Henrys Geld für Dich unantastbar geworden? Und außerdem, wenn Du Prinzipien hast, wieso wohnen wir dann in einer solch netten weißen Umgebung?“ 7