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Filmskript zur Sendung „Volk und Staat“
Sendereihe: China
DVD-Signatur Medienzentren: 4685343
00:32 – 01:23 Kommentar
China im März 2012: Der Nationale Volkskongress kommt zu seinem Jahrestreffen in Peking
zusammen. Er zählt 3000 Mitglieder: Im Nationalen Volkskongress sind sowohl die
Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen repräsentiert, als auch die
55 Minderheiten des Landes. Er ist das höchste Entscheidungsgremium und die gesetzgebende
Versammlung in China.
01:01
Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung ist die Frage, wer Chinas neuer Staatspräsident werden
wird. Zwei Drittel der Mitglieder gehören der Kommunistischen Partei an. Die größte politische
Partei der Welt ist seit mehr als sechzig Jahren an der Macht, länger als jede andere
kommunistische Partei.
01:23 - 01:35 Xie Chuntao, Professor, Zentrale Parteihochschule der chinesischen KP
Ich habe eine Reihe ehemaliger kommunistischer Führer aus Osteuropa darauf angesprochen. Sie
haben es nicht geschafft, ihre Ideologie an eine Welt anzupassen, die sich verändert.
01:38 Kommentar
Xie Chuntao lehrt an der zentralen Parteihochschule in Peking, wo die Führungskräfte der Partei
ausgebildet werden.
01:49 Kommentar
Er ist der Herausgeber eines neuen Buches über die Chinesische Kommunistische Partei; für ihn
besteht kein Zweifel, warum die Partei noch immer an der Macht ist.
02:00 - 02:21 Xie Chuntao, Professor
Die Kommunistische Partei ist erfolgreich, weil sie Neues bereitwillig aufgreift.
Sie hat vom Westen viele nützliche Dinge gelernt. Die Grundsätze der chinesischen KP
unterscheiden sich von denen vieler anderer kommunistischer Parteien. Das ist einer der Gründe
für ihren Erfolg.
02:31 – 02:45 Kommentar
Die 3000 Mitglieder des Parlaments werden nicht direkt gewählt. Die meisten von ihnen werden
von regionalen oder kommunalen Kongressen berufen, nachdem sie von der Kommunistischen
Partei bestätigt worden sind.
02:56 – 03:18 Kommentar
Xinjiang im Nordwesten Chinas ist eines von fünf autonomen Gebieten - eine „Krisen-Region“, in
der es immer wieder zu Konflikten zwischen der Mehrheit der Han-Chinesen und der uigurischen
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Minderheit kommt. Die Hälfte der 22 Millionen Einwohner Xinjiangs gehört einer ethnischen
Minderheit an.
03:20 - 03:26 Kommentar
Eine der Abgeordneten im Volkskongress ist die Uigurin Dilina'er Abudulah; sie vertritt die Region
Xinjiang.
03:28 - 03:44 Dilina’er Abudulah
Ich weiß nicht, warum ich vorgeschlagen wurde. Sie schlagen jemanden vor, den sie für geeignet
halten, aber man muss bei der Versammlung auch noch bestätigt werden. Dann prüfen sie, ob man
geeignet ist oder nicht.
03:45 - 03:57 Kommentar
Als eine der führenden Tänzerinnen Chinas gehört Dilina’er Abudulah zur kulturellen Elite. Sie
wurde 2003 in den Nationalen Volkskongress berufen.
04:01 - 04:20 Dilina’er Abudulah, Tänzerin und Mitglied des Volkskongresses
Sie bewerten deine beruflichen Verdienste und deine Persönlichkeit und prüfen deine Kompetenz.
Man muss in der Lage sein, bei Versammlungen Probleme aus der Heimatregion anzusprechen und
öffentlich angemessen zu vertreten.
04:26 – 05:46 Dilina’er Abudulah
Ich repräsentiere die Kulturschaffenden aus dem ganzen Land. Außerdem repräsentiere ich die
dreizehn Minderheiten aus Xinjiang. Und ich bin die Vertreterin meiner eigenen Minderheit, der
Uiguren. Xinjiang entsendet sechzig Abgeordnete aus unterschiedlichen gesellschaftlichen
Bereichen: aus dem Gesundheitswesen, der Kultur, aber auch Vertreter der Bauern.
04:54
Die Erwartungen an uns sind sehr hoch. Als Volksvertreter nehmen wir nicht nur an der
Gesetzgebenden Versammlung teil, die wichtig für das ganze Land ist, sondern wir besuchen auch
die Menschen vor Ort.
05:17
Wenn wir in der Vergangenheit irgendwo in ländliche Gegenden kamen, haben wir viele verarmte
Bauern getroffen. Heutzutage besitzen sogar viele der ärmsten Bauern Schafe und sie haben die
Möglichkeit, Land zu bewirtschaften. Viele haben Tiere - Hühner, Kühe oder Schafe -, die sie
verkaufen können. Der Lebensstandard ist stark gestiegen.
05:48 – 06:19 Kommentar
Obwohl der Wohlstand insgesamt wächst, gibt es Konflikte zwischen den nach Unabhängigkeit
strebenden Uiguren und den Han-Chinesen. Im Juli 2009 kam es in der Hauptstadt Ürümqi zu
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gewaltsamen Unruhen, bei denen fast 200 Menschen getötet wurden, überwiegend Han-Chinesen.
Neun Uiguren wurden hingerichtet. Viele kamen ins Gefängnis oder flohen außer Landes. Aber
Dilina’er Abudulah lehnt die Forderung der Uiguren nach Unabhängigkeit ab.
06:20 – 07:01 Dilina’er Abudulah, Tänzerin und Mitglied des Volkskongresses
Das ist nur eine kleine Gruppe von Leuten, die Unruhe stiften wollen. Ich denke, sie wollen einfach
Ärger machen, nichts anderes. Ich sehe uns als eine große Familie. Die Chinesische Nation ist eine
geeinte, perfekte und wunderbare große Familie. Uns kann niemand auseinander bringen; das ist
meine Meinung.
07:09 - 07:33 Kommentar
Dilina’er Abudulah ist kein Mitglied der Kommunistischen Partei, aber sie unterstützt die Politik der
Regierung, insbesondere die vom Westen inspirierte Wirtschaftspolitik. „Sozialismus mit
chinesischer Prägung“ – so nennt die Kommunistische Partei ihre Politik, deren Ziel es ist,
Sozialismus und Marktwirtschaft zu verbinden.
07:33 - 07:56 Chen Mingming, Vertreter des Außenministeriums
Ich denke, beides passt gut zusammen. Wir verfolgen die Strategie, eine sozialistische
Marktwirtschaft zu entwickeln. Die entscheidende Frage ist, wie man marktwirtschaftlichen
Wettbewerb am besten mit Fairness und sozialer Gerechtigkeit in Einklang bringen kann. In diese
Richtung bewegen wir uns.
07:58 - 08:24 Kommentar
Es wird immer schwieriger, die Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und
Marktwirtschaft zu finden. Das zeigt die wachsende Zahl von Protesten und Demonstrationen
überall in China.
2011 gab es 180.000 Demonstrationen, das sind ungefähr 500 pro Tag.
08:26 - 08:42 Wang Hui, Professor, Tsinghua Universität, Peking
Wir haben bei der wirtschaftlichen Entwicklung jetzt einen signifikanten Punkt erreicht. Aber mit
der schnellen Entwicklung wachsen auch die sozialen Widersprüche; deshalb wird es in Zukunft
noch mehr soziale Konflikte geben.
08:43 - 08:55 Kommentar
Professor Wang Hui ist ein prominenter Vertreter einer Gruppe von Marxisten, der so genannten
„Neuen Linken“, einer der beiden politischen Strömungen, die außerhalb der Kommunistischen
Partei existieren. Er selbst bezeichnet sich lieber als „kritischen Intellektuellen“.
08:59 - 09:20 Wang Hui, Professor, Tsinghua Universität, Peking
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Diese Entwicklung führt dazu, dass sich die sozialen Konflikte zuspitzen; die Zusammenstöße
werden zunehmen. Das wird die Zukunft Chinas in den nächsten Jahrzehnten kennzeichnen. Das ist
meine grundsätzliche Einschätzung.
09:22 Kommentar
Die meisten Proteste richten sich gegen die Beschlagnahme von Land durch die Kommunen. Das
Land gehört zwar dem Staat, aber die Bauern haben das Recht, es zu nutzen. Wenn das Land dann
zu einem hohen Preis an Unternehmen verkauft wird, erhalten die Bauern nur eine geringe
Entschädigung.
09:43 - 09:49 Kommentar
Dieses Dorf nordwestlich von Shanghai wird dem Erdboden gleich gemacht, denn die Kommune will
Platz für Staatsbetriebe schaffen.
09:52 – 10:00 Herr Huo, Bauer
Wir haben hier Jahrzehntelang gelebt, über mehrere Generationen. Melonen und andere Früchte
wachsen entlang des Weges.
10:00 – 10:07 Frau Li, Bäuerin
Sie schießen regelrecht aus dem Boden. Sie wachsen sehr nah nebeneinander.
10:07 – 11:27 Herr Huo, Bauer
Mit den Reformen war es besser geworden. Früher waren wir ein Kollektiv. Wir haben gemeinsam
gearbeitet und gegessen. Nachdem wir das Land aufgeteilt hatten, wurde alles besser. Wir haben
Weizen und Mais angebaut und Obstbäume gepflanzt.
10:35 Jetzt ändert sich wieder alles; wir werden in ein Neubaugebiet umgesiedelt. Für die
Übergangszeit erhalten wir eine Entschädigung von der Regierung, aber um eine Wohnung für
diese Zeit müssen wir uns selbst kümmern.
10:58 Es ist eine Veränderung. Vielleicht wird es hinterher besser sein. Die Regierung gibt uns
einen zehn Quadratmeter großen Raum, den wir für ein Geschäft nutzen oder vermieten können.
Nicht alle sind glücklich. Viele wollen nicht umziehen. Wir werden in einem Hochhaus wohnen; für
alte Leute ist das nicht einfach.
11:35 – 11:39 Frau Li
Das Gebiet hier ist ein Stück vom alten Teil des Dorfes entfernt.
11:39 - 11:44 Herr Huo
Hier haben sich junge Paare vor kurzem Häuser gebaut.
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11:44 – 11:51 Herr Huo
Jetzt müssen sie wieder ausziehen und woanders eine Wohnung finden.
11:51 – 11:56 Frau Li
Ein Haus vorübergehend zu mieten, ist teuer.
11:56 - 12:12 Herr Huo
Der Staat zahlt uns nur 20 Euro pro Person für die Übergangszeit. Wenn wir aber ein Haus mieten,
müssen wir 25 Euro pro Person bezahlen. Das heißt, wir müssen
5 Euro von unserem eigenen Geld drauflegen.
12:14 – 13:03 Nachbarin
Ehrlich gesagt, unser Leben ist die Hölle. Sehen Sie, dieses Haus hat ein Bauer gebaut. Für einen
Bauern ist es nicht einfach, ein eigenes Haus zu bauen. Und schauen Sie sich jetzt um! Ein einziges
Chaos! Und die Kinder können noch nicht mal zur Schule gehen. Das mit den Bauern ist eine
Schande.
12:42 Auf nationaler Ebene ist die Politik im Allgemeinen ganz gut, aber auf kommunaler Ebene
sieht es ganz anders aus. Sie richten uns Bauern zugrunde! Sie haben uns Strom und Wasser
abgestellt, als wir weg waren. Wie sollen wir hier leben? Sie könnten uns genauso gut die Kehle
durchschneiden.
13:14 - 13:48 Frau Li
Mir gefällt es nicht, dass wir umziehen müssen. Wir sind das Treppensteigen nicht gewohnt. Aber
wir müssen umziehen. Wir können nichts dagegen tun.
Wandel ist Fortschritt. Wir sind befreit worden... Wir werden keine Bauern mehr sein. Das wird ein
neues Leben für uns. Jetzt, da sie uns das Land weggenommen haben, müssen wir uns eine andere
Beschäftigung suchen.
13:50 – 14:17 Herr Huo
Was uns Sorgen macht, sind die Kosten für die Wohnung, wenn wir pensioniert sind. Die Kosten für
die Zeit nach dem Umzug beunruhigen viele Menschen. Das alte Haus hat uns nichts gekostet.
Wenn man umzieht, fallen alle möglichen Kosten an. Wir haben nicht genug Geld.
14:17 – 14:20 Frau Li
Die Alten machen sich Sorgen, die Jungen nicht.
14:20 – 14:27 Herr Huo
Sie können losziehen und Geld verdienen, aber die Älteren haben dazu nicht mehr die Kraft.
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14:31 Kommentar
Viele Menschen sind empört über diese Entwicklung und protestieren. Aber wie verhalten sich die
Behörden, wie gehen Staat und Partei mit den Protesten um?
14:45 Kommentar
Als sich die Anwohner hier zum Protest versammelten, kamen 200 Polizisten und beendeten die
Zusammenkunft.
14:54 - 15:31 Chen Mingming, Vertreter des Außenministeriums
Viele dieser Massen-Proteste stehen im Zusammenhang mit Landenteignungen in den ländlichen
Gebieten. Diese Enteignungen sind eine Folge der städtebaulichen Erschließung. Die Proteste sind
keine wirkliche Opposition gegen das aktuelle chinesische Gesellschaftssystem. Aber wenn wir nicht
angemessen darauf reagieren, wird es große Probleme geben. Die Regierung muss im Umgang mit
diesen Massen-Protesten die Interessen der Betroffenen berücksichtigen, die ja berechtigt sind.
15:35 - 16:05 Kommentar
Die Proteste sind ein Zeichen dafür, dass China sich wandelt. Ein weiteres Zeichen ist, dass heute
bei Gemeindewahlen unabhängige Bewerber für den kommunalen Volkskongress kandidieren. Sie
erhalten keine Unterstützung von der Partei; sie haben nur die Unterstützung ihrer Wähler.
Eine der ersten Kandidatinnen war die emeritierte Professorin Wu Qing.
Sie engagiert sich seit Mitte der 1980er Jahre in der Pekinger Lokalpolitik.
16:09 - 16:21 Wu Qing, Professorin, Mitglied des kommunalen Volkskongresses, Peking
Manche Leute behaupten, ich sei gegen die Partei und den Sozialismus. Aber ich fühle mich einfach
als „Überlebende der Kulturrevolution“. Seither gibt es nichts, was mir noch Angst einjagen könnte.
16:25 - 16:30 Kommentar
Einmal in der Woche hält Wu Qing in ihrem Büro auf dem Campus der Universität eine
Sprechstunde für ihre Wähler ab.
16:30 – 18:50 Wu Qing, Professorin
Komm rein!
16:34
Als Volksvertreter hat man eine Kontroll- oder Aufsichtsfunktion; das ist das Wichtigste. Man muss
die Politik, die Gesetze und die Verfassung sehr gut kennen. Man muss an alle Menschen denselben
Maßstab anlegen. Und dieser Maßstab sollte die Verfassung sein. Dann geht es gerecht zu.
17:00 Meiner Ansicht nach hat China im Hinblick auf die Verfassung Fortschritte gemacht.
Besonders seit die Verfassung 2004 um zwei sehr wichtige Artikel ergänzt worden ist. Der eine
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befasst sich mit den Menschenrechten. Der andere mit dem Privatbesitz. Der rechtmäßige
Privatbesitz von Bürgern ist unantastbar. Das sind zwei sehr wichtige Punkte.
17:38 Gemäß der Verfassung ist der Nationale Volkskongress das höchste Organ. Aber die
Verfassung sagt auch: Keine Organisation und kein Individuum stehen über der Verfassung oder
dem Gesetz. Und doch stellt sich die Kommunistische Partei in China jederzeit über die Verfassung.
18:09 Sogar in der Satzung der Partei heißt es, dass sich die Partei der Verfassung beugen solle.
Aber so ist China eben. Selbst in der Partei gibt es nicht genügend Kontrolle. Deshalb führt ihre
absolute Macht auch zu absoluter Korruption. Das ist ein sehr großes Problem.
18:35 Aber ich bin zuversichtlich, was Chinas Zukunft angeht. Warum? Weil immer mehr
Menschen sich ihrer Rechte bewusst werden und dafür kämpfen.
Sie engagieren sich für ihre Rechte. Deshalb bin ich ganz optimistisch.
18:55 - 19:22 Kommentar
Korruption ist heute ein Hauptproblem für die chinesische Gesellschaft – ja, sogar eine Bedrohung.
Die Korruption ist eine Folge des rekordartigen Wirtschaftsaufschwungs der letzten dreißig Jahre;
sie durchzieht alle Ebenen von Wirtschaft und Politik. Dennoch überwiegen die Vorteile der
Wirtschaftspolitik, jedenfalls nach Meinung der chinesischen Liberalen.
19:23 - 19:38 Xu Youyu, Professor, CASS
Wir sind uns der Schattenseiten der Marktwirtschaft bewusst, aber wir konzentrieren uns auf ihre
positiven Auswirkungen. Auf China hat die Marktwirtschaft einen positiven Einfluss.
19:38 – 20:00 Kommentar
Professor Xu Youyu ist ein bekannter Vertreter der chinesischen Liberalen. Sie sind neben der
„Neuen Linken“ die zweite politische Strömung außerhalb der Kommunistischen Partei. Westliche
Beobachter sehen sie als eine Art Sozialdemokraten. Für die Liberalen ist der Kapitalismus eine
Voraussetzung für Chinas Aufschwung, aber auch sie fordern politische Reformen.
20:02 - 20:29 Xu Youyu, Professor, Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften
(CASS)
Für China wären politische Reformen der beste Weg, um friedliche, demokratische Veränderungen
zu erreichen. Ich bin überzeugt, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung, Religions- und
Gedankenfreiheit brauchen. Es sieht oft hoffnungslos aus, aber das ist meine Überzeugung; dafür
trete ich ein. Auch wenn meine Hoffnung allmählich schwindet.
20:31 - 20:48 Kommentar
Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht für Chinas Liberale, Marxisten und Unabhängige an
erster Stelle. Für sie und für 500 Millionen andere Chinesen ist das Internet zu einer Art Ventil für
die freie Meinungsäußerung geworden.
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20:49 – 21:34 Wang Hui, Professor Tsinghua Universität, Peking
Wir brauchen einen Raum, einen öffentlichen Raum, für öffentliche Debatten und Diskussionen.
Das ist sehr wichtig. Die Situation der Medien ist nicht gut. Wir wissen, dass es Zensur gibt. Aber
es geht nicht nur um Zensur. Die Medien sind abhängig von der Macht. Aber sie sind auch
abhängig von Interessengruppen, die auf Sensationsmache aus sind, um Geld zu verdienen. Das
hat eine ernsthafte Diskussion erschwert. Viele, insbesondere junge, Menschen wollen sich
unbedingt an der Diskussion beteiligen, vor allem im Internet.
21:44 – 22:25 Isaac Mao, Journalist und Blogger
Sie vergraben etwas. Das wurde aus sehr großer Entfernung gefilmt.
Dieser Film ist ursprünglich über soziale Netzwerke in China an die Öffentlichkeit gelangt, aber
dann ist er auf Anweisung der Zensurbehörden jedes Mal wieder entfernt worden, wenn jemand
versucht hat, ihn zu posten. Heute kann man das auf YouTube oder auf ausländischen Webseiten
sehen, weil die Behörden die Beiträge dort nicht löschen können.
22:27 - 22:55 Kommentar
Im Sommer 2011 brachte ein Zugunglück die chinesische Regierung in Schwierigkeiten: Zwei
brandneue chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge waren zusammen gestoßen. Die Behörden
versuchten, den Unfall zu vertuschen und die Wracks zu beseitigen. Das chinesische EisenbahnMinisterium gab eine Direktive heraus, wie die Medien über das Unglück berichten sollten.
22:55 – 23:42 Isaac Mao, Journalist und Blogger
Direkt nachdem der Unfall passiert war, haben die Leute gar nicht so stark reagiert. Aber dann
gingen ein paar Internetnutzer vor Ort an die Unfallstelle. Sie sahen, wie furchtbar es tatsächlich
war, und fanden heraus, dass der Vertreter der Eisenbahnbehörde die Helfer angewiesen hatte, ein
ganzes Abteil zuzuschütten. Sie haben nicht einmal überprüft, wie viele Menschen darin waren oder
ob noch jemand am Leben war. Das hat für große Empörung gesorgt und eine große Debatte im
Internet entfacht. Dieser Vorfall hat viele Menschen wach gerüttelt.
23:49 – 24:06 Kommentar
Isaac Mao ist einer der bekanntesten Blogger in China. Seine Organisation gibt chinesischen
Internet-Nutzern technische Tipps, wie sie die Internet-Zensur umgehen können. Zensoren hat es
immer gegeben; aber erst jetzt werden ihre Praktiken einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
24:09 – 25:04 Isaac Mao, Journalist und Blogger
Niemand kann der Zensur entgehen; kein einziges Unternehmen schafft das. Die Zensur greift in
das Leben jedes Einzelnen ein. Sie richtet sich ja nicht nur gegen Politik oder Pornographie. Viele
Dinge werden gesperrt. Das geht auf Kosten unserer Lebensqualität. Wir sind überzeugt, dass wir
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technische Verbesserungen brauchen, um die Zensur zu umgehen. Wir wollen den Leuten zeigen
wie das geht. Und zwar nicht nur den Spezialisten und Computerfreaks. Auch die normalen Leute
brauchen das entsprechende Wissen. Ich glaube nicht, dass die Regierung es schaffen wird, das
ganze Internet vom Rest der Welt abzukoppeln. Das ist unmöglich.
25:07 - 25:17 Kommentar
Blogs und Mikroblogs sind zu einer Art politischer Plattform geworden. Hier kann man Dinge sagen,
die man sonst nirgendwo äußern kann.
25:21 – 27:28 Huan Xiuli, Journalistin und Bloggerin
Ich habe im Frühling 2006 mit dem Bloggen angefangen. Damals arbeitete ich für die Zeitung
„People’s Daily“ – das offizielle Presseorgan der Kommunistischen Partei.
Es war schwer für mich, mich frei zu äußern. Als Journalistin fühlte ich mich aber verpflichtet, die
Wahrheit zu sagen. Deshalb fing ich mit meinem Blog „Die Wahrheit hinter den Nachrichten“ an.
Hinter den Nachrichten, die normale Leute lesen, steckt vieles, was Journalisten wissen, aber nicht
sagen dürfen.
26:00 Früher war der Zugang zu Informationen beschränkt. Als ich noch bei „People’s Daily“
arbeitete, wusste ich noch nicht mal vom Massaker auf dem Tiananmen-Platz im Jahr 1989. In den
1990er Jahren war das Internet noch neu und nur wenige Leute hatten Zugang dazu. Später habe
ich im Internet viele Informationen und Meinungen über das Ereignis gefunden. Im Internet kann
man lernen, wie gute politische Systeme arbeiten. Das Internet ist für die Wirtschaft lebenswichtig;
deshalb fördert der Staat es. Er kann viel Geld damit verdienen. Aber der Staat kann die
Kommunikation und den Informationsfluss im Netz nicht kontrollieren. Das Netz ist zu groß. Die
Regierung will es kontrollieren, aber sie schafft es nicht. Es gibt zu viele Nutzer und zu viele
Informationen.
27:05 Das Internet ist eine bedeutende Macht, die vieles verändert, was in China falsch läuft.
Vielleicht können wir zumindest auf eine Zivilgesellschaft hoffen, in der sich die Menschen trauen,
ihre Meinung zu sagen und zu handeln, damit sich etwas ändert. Wir können zumindest darauf
hoffen.
27:32 – 28:12 Chen Mingming, Vertreter des Außenministeriums
In China spielt die Öffentlichkeit heute ziemlich genau die Rolle, die die Opposition im Westen hat.
Die Öffentlichkeit gewinnt immer mehr an Einfluss. Die chinesische Öffentlichkeit wird immer
unabhängiger in ihrem Urteil, und die Regierung muss die öffentlichen Interessen und Anliegen
sehr ernst nehmen. Es gab zahlreiche Fälle, in denen Initiativen von Bürgern zu politischen
Veränderungen und Korrekturen auf Seiten der Regierung geführt haben - und zwar in einem
positiven Sinn.
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28:13 Abspann
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