Peter Damm Universität GH Essen, Fachbereich Architektur, Bio- und Geowissenschaften WS H3, WS 72/73 Ethnologische Studie Schilluk - Nordostafrika Untersuchung der typischen Behausung einer naturvölkischen Kultur heutiger Zeit Schillukweiler (18, S. 91) Siehe earth.google.de Vorwort Die vorliegende Analyse einer Primitiv-Behausung, seiner Bewohner und Umgebung beinhaltet folgende Lernprozesse: 1. Suchen nach sachbezogenen Informationen 2. Bibliographieren der Informationen 3. Beschaffen der Informationen durch z.B. Fernleihbestellung, Korrespondenz mit Museen, Fachleuten oder Dokumentationsstellen 4. Aufbereiten der Informationen 5.Verarbeiten der Informationen in Form einer schriftlichen Ausarbeitung 6. Grundlegende Erkenntnisse über die Wechselbeziehungen M e n s c h - U m w e 1 t , das W o h n e n und anderes mehr. Die festgestellten Gegebenheiten beruhen alle nur auf Literaturhinweise bzw. Informationen von Forschern, die sich einige Zeit bei dem Stamm der Schilluk aufgehalten haben. Der Verfasser selbst hat diese Angaben nur verarbeitet und in der dargestellten Form zusammengestellt Bedingt durch die ständige Umstrukturierung im Inneren Afrikas ist es möglich, daß die aufgeführten Gegebenheiten den derzeitigen Stand nicht genau wiedergeben. Im Dezember 1972 Der Verfasser Diese Arbeit wurde mit freundlicher Unterstützung des Anthropos-Instituts, St. Augustin / Bonn und der Embassy of the Democratic Republic of the Sudan, Cultural Attaché's office for Western Europe, Bonn-Bad Godesberg, durchgeführt. Inhaltsverzeichnis Teil 1 Landkarten (Link > ) Übersicht Verbreitung der gesamt-nilotischen Stämme Verbreitung der süd-nilotischen Stämme Landgebiet der Schilluk 1. Beschreibung des Umsystems (Link > ) 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 Topographische Gegebenheiten Lage. Geländeformen Gewässer Bodenbewuchs Besiedlung Verkehrswege 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 Geologische Gegebenheiten Aufbau der Erdkruste Bodenbeschaffenheit Pflanzenwelt Tierwelt 1.3 Klimatische Gegebenheiten 1.4 1.4.1 1.4.2 Soziologische Gegebenheiten Ständeeinteilung Familienverband 1.5 Wirtschaftliche Gegebenheiten 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.5.5 1.5.6 Viehzucht Ackerbau Jagd Fischerei Handwerke Ernährung 1.6 Geschichtliche Gegebenheiten 1.7 1.7.1 1.7.2 Politische Gegebenheiten Sudan Schillukland 1.8 Religiöse Gegebenheiten 1.9 Menschliche Gegebenheiten Teil 2 2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 Beschreibung des Objektsystems (Link 2.2 Form 2.3 Technik Bauaufgabe Physische Kontrolle Funktioneller Rahmen Gesellschaftliches Milieu Teil 3 Modellaufnahmen Teil 4 Literaturverzeichnis ) Teil 1 Landkarten Übersicht Verbreitung der gesamt-nilotischen Stämme Verbreitung der süd-nilotischen Stämme Landgebiet der Schilluk 1 B e s c h r e i b u n g des U m s y s t e m s 1.1. Topographische Gegebenheiten 1.1.1 Lage Das zu untersuchende Gebiet liegt in Nordostafrika, im Staatsgebiet des Sudan. Das Schillukland ist ein schmaler, durchschnittlich 4 bis 5 Wegstunden breiter und 195 Meilen (Luftlinie) langer Streifen. Es beginnt einige Meilen nördlich von Kaka, 400 Meilen südlich von Khartum und reicht bis zum Lake No, wo der Bahr-el-Gebel in den Nil mündet, vom 10° 40´ bis 9° 25´ N.B. Das Nil-Ufer liegt ungefähr 400 m über dem Meeresspiegel. (11) 1.1.2 Geländeformen In diesem Gebiet gibt es keine Berge, und das Land ist nur von einigen unbedeutenden Wellenhügeln unterbrochen. Diese ziehen sich parallel zum Flußlauf des Nils, im allgemeinen von N.O. nach S.W., durch das ganze Land. In leicht gewellten Hügelreihen mit dazwischen liegenden Plateaus steigt das Gelände so allmählich zu den Nubabergen auf. Das rechte Ufer ist meist höher als das linke. Aus dem Hinterland ragen einzelne Felsspitzen ins Land hinein. Bei klarem Wetter sind sie deutlich zu sehen. Im Norden ist es die Lirigruppe, im Süden der Jebel-el-Zeraf. (4) 1.1.3 Gewässer Das gesamte Gebiet ist von Bewässerungskanälen durchzogen, welche alle vom Nil gespeist werden. km Lake No beginnt der größte Nebenstrom des Nils, der Lolo. Dieser fließt parallel zum Nil bis Tawfikia. Von der Mündung des Lolo erstreckt sich ein weiterer Arm des Nils in derselben Richtung und verbindet sich bei Lul wieder mit dem Nil. Der Palabo, im Mittellauf Urinyi und am nördlichen Lauf Luiyit genannt, fließt in die gleiche Richtung. Am nördlichen Ende des Schilluklandes mündet er in den Nil. Nil und Palabo schließen somit das Land ein. Zwischen beiden Flüssen verlaufen zahlreiche Khors (Bewässerungskanäle), die mehr oder weniger große Becken aufweisen. In der trockenen Jahreszeit sind sie nur Rinnsale, während zur Regenzeit ein Teil des Landes überflutet wird. Nach diesem Hochwasser versickern die Wasserläufe und lassen im Binnenland muldenförmige Vertiefungen, Sümpfe, Schlammpfützen, Tümpel und Morastflächen zurück. Bei großer Hitze vertrocknen auch diese. (4) 1.1.4 Bodenbewuchs Was die Vegetation betrifft, so ist das Land ein Bild der Gegensätze. Der im Süden vorherrschend tropisch üppige Pflanzenreichtum und das im Norden überwiegende Sand- und Wüstenbild greifen hier ineinander über. Im Wechsel lösen sich Wüsten, Wald, Steppen und Tropenlandschaft ab. (5) 1.1.5 Besiedlung Die meisten Orte liegen links vom Nil. Ihre jeweilige Lage kann man der Karte entnehmen. Die größten unter ihnen sind Kaka und Kodok. Die Nachbarn der Schilluk sind im Norden die Selim ( Baggara ), die sich unmittelbar am linken Ufer des Nils, soweit er nördliche Richtung hat, niedergelassen haben. Am rechten Ufer des Nils, wo er von Westen nach Osten fließt, und im Süden sind es die Dinka. Westlich vom Bahr-el-Zeraf leben die Nuer. Im Westen wohnen die arabischen Stämme des Kordofans und die Nuba. (11) 1.1.6 Verkehrswege Die Hauptverkehrsader ist der Nil. Karavanenstraßen verbinden die wichtigsten Orte des Landes. 1.2 Geologische Gegebenheiten Tektonisch-morphologische Karte von Afrika 1.2.1 Aufbau der Erdkruste Der Aufbau der Erdkruste kann hier leider nicht für das zu untersuchende Gebiet allein beschrieben werden. Dem Verfasser fehlen hierzu die Angaben. Betrachten wir also ein nächst größeres Gebiet: Zwischen dem im Osten liegenden Gebiet des Bahr-el-Ghasal, dem Tschadsee in der Mitte und dem Senegal im Westen ist das Grundgebirge auf weite Strecken von flachlagernden Sandsteinen, Kalken und Tonschiefern überdeckt. Nur stellenweise sind jungvulkanische Gesteine empor gedrungen. (15) 1.2.2 Bodenbeschaffenheit Nach den regelmäßigen Überschwemmungen des Nils bleibt besonders an seinem linken Ufer eine schwarze Humusschicht zurück. Diese 1 bis 1 ½ Meter über dem Erdboden angeschwemmte Nasse besteht aus den verschiedensten Ablagerungsstoffen. Zum größten Teil aus Nilschlamm, Gräsern und Wurzeln. In der Trockenzeit wird diese zusammengeklebte Substanz spröde, bröckelig und bildet selbst mit Sand vermischt keinen richtigen Ackerboden. Zur Zeit der Überschwemmung ist sie lehmig und ebenfalls unbrauchbar. Die den Wasserläufen entfernteren Gegenden sind fruchtbarer. Dort findet man ertragsfähigeren Boden, ockergelb, mit Gneis und zerfallenem Kalk aus Muscheln von Schnecken und Schaltieren vermischt. Hier gedeihen die Nutzpflanzen der Schilluk, falls Mangel an Wasser das Wachstum nicht stört. Die auf den Höhen gelegenen Dörfer sind dann meist betroffen. Dort dringt der leichte Regen nicht in die Saaten ein. Oft werden die noch jungen Wurzeln von den sengenden Sonnenstrahlen verbrannt. Von zwei 5 - 6 Meilen breiten Streifen abgesehen, ist das Land also vorherrschend fruchtbar. Aus diesem Grund findet man auch von Kaka bis Papojo eine Kette gut bevölkerter Dörfer. (11) 1.2.3 Pflanzenwelt Die Pflanzenwelt verarmt von Süden nach Norden. (15) Die Vegetation am und auf dem Nil besteht aus haushohem Bambus, Nilgräsern, der Wassernuß und der blühenden Ottelia. Auf dem Wasser des Weißen Nils schwimmt die pistia stralistes; sammeln sich von ihr größere Mengen an, so verstopfen sie die Eingänge zu den Khors. Im Landesinneren bestehen die kleinen Wäldchen meist aus niedrigem Holzwerk und anderen anspruchslosen Gewächsen. Sie sind am rechten Nilufer anzutreffen. Der Steppenbrand, der alljährlich über die Grassteppen dahinfegt, hinterläßt eine kahle Öde. Er hat aber auch sein Gutes, da er dem Boden den fehlenden Dünger und Kalk ersetzt. Hier einige Pflanzen, welche sich am linken Nilufer längs der Dorfkette hinziehen: Sodomsapfelstrauch ( calotropus procera ), Hexenkraut ( ubuyo ), der Seifenbaum ( balanites aegyptiaca oder higlig ), die Sykomore, als der den Schilluk heilige Feigenbaum des Nykiang und die wie Türme in die Luft ragenden Dom- und Delebpalmen der Schillukdörfer. (11) 1.2.4 Tierwelt Die Tierwelt ist so zahlreich vertreten, daß an dieser Stelle nur eine Aufzählung erfolgen kann. An den Ufern des Nils: Pelikan, Silber- und Purpurreiher, Fischadler, Blatthuhn, Rohrdommel, Krokodile und Nilpferde. Im Nil: Nilhecht, Weise (z.B. Kilnoki), giftige Wasserschlangen. An den höher gelegenen Ufern des Nils: Strandläufer, Schuhschnabel- und Schlangenhalsvogel, Wildenten, Sporengänse, Sattelstörche, Marabu, Nachtreiher, Schattenvogel, Ibisse und Klafschnäbler. Insekten: Libellen, Kohlweißlinge, Fliegen und Stechmücken. Vogelwelt im Bereich der Siedlungen: Kronenkranich, Madenhacker, Kuhreiher. Vogelwelt: Bachstelze, Spatz, Wiedehopf, Schnepfen, Wildtauben, Schwalben, weiß- und schwarzhalsige Krähe, Hausstorch als Bote der Regenzeit, der braune Milvis und Kuttengeier als Polizei des Landes. Groß- und Raubtiere etwas weiter im Hinterland: Antilope, Wasserbock, Büffel, Giraffe, Strauß und Kudu. Das endlose Steppengebiet gehört den Elefanten, den Löwen, Hyänen und Schakalen. Der Leopard wagt sich bis in die Nähe der Wohnungen. (11) 1.3 Klimatische Gegebenheiten Klimakarte von Afrika Das Land ist großen klimatischen Unterschieden ausgesetzt. Die baumlosen, wasserarmen Steppen Zentralafrikas - die kleinen Wasseradern kommen ja für das Ganze nicht in Betracht atmen die aus der Sahara kommende Luft schnell ein und kühlen sich durch den Nordwind ebenso schnell wieder ab. Nur so ist der große Unterschied zwischen den heißen Tagen und den verhältnismäßig kühlen Nächten zu erklären. Dem entspricht ja auch eine heiße und kühle Zeit des Jahres. Das Schillukland ist an Niederschlägen arm. Aus diesem Grund kann es nicht zu den Hochwaldregionen gerechnet werden. Es wird zu den in Afrika überwiegenden Steppenlandschaften gezählt. (4) Die Schilluk unterscheiden 4 Jahreszeiten: (11) a) Die Regenzeit (Ende Mai - Mitte August). Das Land wird zum Teil überflutet. Die Gräser sprießen, und es gedeiht bereits der amerikanische Mais. Die Temperatur ist feucht, drückend heiß und schwül, die Atmosphäre infolge der angeschwemmten Verunreinigungen sehr ungesund. Die Moskitos plagen die Bewohner des Landes. Der Südpassatwind herrscht vor. b) Die Erntezeit (September - Ende November). Die Kornarten reifen und werden geerntet. Die Luft ist ab und zu noch sehr schwül. Durchschnittstemperatur 300 0. Die Winde wechseln zwischen S.W. und N. c) Die Winterzeit (Dezember - Februar). Die Reservoirs trocknen aus. Es ist kühl, die Luft rein und gesund, ohne Moskitos. Das Temperatur - Minimum liegt bei 18° C. Von 9.00 Uhr vormittags bis 2.00 Uhr nachmittags weht starker Nordwind. Im Februar werden geringe Regenmengen verzeichnet. d) Die heiße- oder Ruhezeit (März - Mai). Die Winde wechseln von N., N.O. und S. Die Pflanzen verdorren. Die Natur ruht. Steppenbrände ziehen durchs Land. Die Temperatur steigt auf 40° C. Vereinzelte Regenfälle beginnen mit großen Stürmen und Windhosen. Die Schilluk zählen nach Monden. Mittlerer Jahresniederschlag 1.4. Soziologische Gegebenheiten 1.4.1 Ständeeinteilung Das Volk der Schilluk zergliedert sich in folgende Klassen: a) Die Kwaret oder königlichen Nachkommen beiderlei Geschlechts. Es gibt kein Gesetz, das gewöhnliche Schilluk in den Kwaretstand erheben könnte. b) Die Oror bilden einen Mittelstand zwischen Königshaus und niederem Volk. Es sind aus der Königsfamilie Ausgestoßene. Diese Degradierung soll dafür sorgen, daß die Zahl der Kwaret möglichst gering bleibt ( der Schillukkönig heiratet mehrere Frauen, dadurch würden die KwaretFamilien zu groß ). Es geschieht also nur zugunsten des regierenden Königs. c) Als Ocolo bezeichnet man alle Nachkommen, die nicht mit dem früheren Herrscher Nyikang blutsverwandt sind. So z.B. alle Nubier, Dinka u.s.w., die bei den Schilluk eingegliedert wurden. d) Zu den Sklaven gehören die infolge einer Schuldbegleichung in die Hände des Königs oder eines anderen Großen gelangt sind, teils auch alle ausländischen Völker, welche durch Sklavenhandel zu den Schillukfamilien geführt wurden. Sie alle sind ein Glied der Familie. Die Behandlung ist dementsprechend gut. Alle übrigen Aussiedler (Okino, Araber ....) gelten als Fremde (bony). Sie werden gehaßt und gemieden. (12) 1.4.2 Familienverband Es ist Sitte, daß der junge Mann die junge Frau bis nach der Geburt des ersten Kindes als Gast ansieht. Ihr steht es frei, in besonderen schwierigen Fällen die Ehe aufzulösen. Die Ehe und dauernde Verwandtschaft wird durch das erste Kind besiegelt. Am liebsten sehen die Schilluk einen Sohn als erstes Kind, als Kopf und Führer der Familie. Wenn kein Sohn zur Familie gehört, wird dies als große Schande betrachtet. Bald nach der Geburt wird das Kind schon zur Entbehrung gezwungen. Es schläft auf einem Fell auf der Erde. In seiner Jugend wird der Schilluk auf dem Rücken seiner Mutter fast überall hin mit genommen. Bei der Erziehung spielt die Freiheit eine große Rolle. Zucht und Ordnung ist Sklaverei. Vom fünften Lebensjahr an schläft der Sohn nicht mehr bei den Eltern. Er ist bei seinen Altersgenossen im Stall oder schläft über dem Feuergestell. Auch die Töchter schlafen in eigenen Hütten, oft unter der Aufsicht einer älteren Person. Der junge Schilluk hat hauptsächlich für das Vieh zu sorgen. Mit 14 Jahren tritt er in die Reihe der Krieger. Der Junge heiratet nicht vor dem 20., das Mädchen nicht vor dem 17. Lebensjahr. Ist ein Schilluk dem Tode nahe, so sammeln sich alle Verwandten, Hexen und “Ärzte” um den Sterbenden. In seiner Gegenwart werden dann alle Geschäfte, Erbschaften und Grabfragen erledigt. Bei großen Schmerzen verhelfen ihm die Verwandten, im besten Glauben, zu einem schnelleren Tod als Erleichterung. Das Grab des Toten verschwindet beim ersten Regen und wird bei gewöhnlichen Schilluk nicht weiter beachtet. (6, 11) 1.5 Wirtschaftliche Gegebenheiten 1.5.1 Viehzucht Die Viehzucht der Schilluk wurde erst in jüngerer Zeit intensiviert. Zum Teil wird behauptet, die Schilluk hätten ihren Viehbestand durch Raub von den Nachbarstämmen ( Dinka und Nuer ) vergrößert. (13) Das Vieh gehört der Zeburasse an. Es ist klein und gibt nur gering Milch. In den Dörfern wird jeweils das schönste Männchen zur Zucht benutzt. Die Ochsen sind Zierde und Stolz ihrer Besitzer. Die Tiere leiden sehr infolge der Moskitos und an Salzmangel. Pilzkrankheit und Rinderpest sind verbreitet. Das Kleinvieh dagegen ist zäh. Die Ziegen und Schafe gehören einer äthiopischen Rasse an. (11) 1.5.2 Ackerbau ( Hackbau ) Trotz der Intensivierung der Viehzucht spielt auch der Ackerbau noch eine wichtige Rolle. Er bildet sozusagen die wirtschaftliche Basis. (13) Was als Ackerboden im Schillukland nur in Betracht kommt, sind die Hügel, auf denen die Dörfer stehen und das weite, im Inland sich ausbreitende, plateauartige Steppengebiet. Dieser mit Gneis durchmengte, lockere, ocker-gelbe Boden ist gut. Zwei Kornarten werden hauptsächlich angebaut. Auf den Wellenketten längs der Dörfer wächst im allgemeinen das rote Sorghum. Im Mai wird gesät und im November / Dezember geerntet. Zuerst braucht der sandige Boden der Steppe eine längere Feuchtigkeit, wodurch eine Versengung des jungen Kornes in der heißen Sonne verhindert wird. Der Schilluk verrät durch die lange Erfahrung in Erwählung des Saatbodens ein gut wirtschaftliches Verständnis. Der Boden muß vorbereitet werden. Nachdem der erste Regen den Boden erweicht hat, wird das harte Gras ausgejätet. Mit einem eigens dazu bereiteten Eisen wird stundenlang Scholle auf Scholle umgehackt. Ist der Boden vom Gras gereinigt, so wird der erste stärkere Regen erwartet, und früh am nächsten Morgen wird das Sorghum gesät. In Abständen von jeweils 20 cm werden Löcher gegraben, der Samen in die Vertiefung gelegt und mit dem Fuß durch eine Erdschicht überdeckt. Zwischen den beiden Sorghumarten werden auch Catjanbohnen, Simsim, Kürbisse und Melonen gepflanzt. Zur Ernte werden die Fruchtdolden einfach abgeschnitten und nach Hause getragen. In manchen Fällen werden sie auf ein im Feld errichtetes Holzgestell gelegt. Nach längerer Zeit wird das getrocknete Korn auf einem Tennenboden mit Stöcken geklopft, und durch Wind wird das Korn von der Spreu getrennt. In geflochtenen Körben, welche auf Pfähle zum Schutze gegen Mäuse und Insekten gesetzt sind, wird das Korn im Innern des Hauses aufbewahrt. Bei guter Ernte ergeben sich pro Familie etwa 20 Körbe Etwa 3 davon sind als Tribut zu zahlen. (11) Seit einiger Zeit wird auch Reis, Zuckerrohr und Baumwolle angebaut. (1) Weit verbreitet ist auch der Tabakanbau. Die Pflanze gehört zur Sorte des virginischen Tabaks. Er wird in zwei Formen verarbeitet. Einmal gepreßt, als Art Laibchen (opum), zum anderen in loser Form. Der Tabak wird als Kau-, Schnupf- oder Rauchtabak verwendet. (11) 1.5.3 Jagd Die Jagd ist Lebensbedürfnis und Sport. Sie erstreckt sich auf alle Wildgattungen. In manchen Fällen wird mit Fallen gearbeitet. Krokodile werden mit Schlingen gefangen. Flußpferde sind auch ein beliebtes Jagdobjekt. Bei Raubtieren zeigt sich der Schilluk als mutiger Jäger. Er greift mit Schild und Speer an. Auch Elefanten wurden so von großen Jagdtrupps erlegt. Die Jagd ist also kein gesonderter Wirtschaftszweig, bringt aber trotzdem eine wichtige Ergänzung der Nahrung. (11) 1.5.4 Fischerei Die Fischerei bietet in der Regenzeit einen notwendigen Ernährungszweig. Hilfsmittel sind Netze, Reusen, Harpunen und Angeln. (11) 1.5.5 Handwerke Nur für die notwendigsten Bedürfnisse haben sich eigene Handwerke gebildet; z.B. der Schillukschmied oder der Einbaumzimmerer. Die keramischen Künste werden meist von den Frauen ausgeübt. Der Dachdecker ( bodo wat ) muß das Gras geschickt an das Kegeldach der Hütten anschmiegen. Felle werden nicht gesondert gegerbt. Holzperlen dienen als Schmuckgegenstände. Sie entstehen aus Ästen. In früheren Zeiten wurden auch Kattunstoffe selbst gewebt. Infolge Einfuhr billigerer Stoffe wurde dies eingestellt. Die Flechtkunst ist auch verbreitet ( Palmwandflechtereien und Mattenflechtereien ). Palmwand – Flechtereien (oben) Matten – Flechtereien (Mitte u. unten) Die Waffen dienen auch praktischen Zwecken. Lanzen sind zugleich Messer, Säge, Axt, Bohrer und Wurfinstrument. Nur die Speere werden zusätzlich als Schmuck betrachtet. Der Bogen ist nicht so weit verbreitet. (11) 1.5.6 Ernährung Das Fleisch ist ohne Geschmack und ohne Nährwert. Die Mehl- und Milchspeisen dagegen sind im Vergleich zu europäischen Produkten nicht allzu schlecht. Unangenehm ist bei den meisten Speisen der Mangel an Salz. Im Juli und August wird der amerikanische Mais in derselben Weise wie das Sorghum verwendet. Der Fisch ist auch, wie bereits erwähnt, ein beliebtes Küchenobjekt. Als Gemüse gibt es häufig Catjanbohnen. Das Universalgetränk der Schilluk ist eine Art Bier. 1.6 Geschichtliche Gegebenheiten Im Mittelalter lebten viele nubische Herrschafter im Vasallentum des christlichen Reiches Aloah, dessen Zentrum nicht weit vom Zusammenfluß des Blauen und Weißen Nils befand. Ein 2. ebenfalls christlicher Staat Dongola reichte mit seinen südlichen Provinzen an den Weißen Nil. Er beherrschte also jene Gebiete, welche heute die Heimat der Schilluk sind. Das Reich Aloah erlag den Angriffen des Fundschi-Volkes zwischen 1499 - 1530. Mit den Fundschi tauchen zum erstenmal die Schilluk auf. Teile davon waren den Fundschi unterworfen. Der Hauptstamm kämpfte gegen die Fundschi und gelangte bald zur Selbstherrschaft. Es entstand also zur Zeit der Fundschi das Staatswesen der Schilluk am Weißen Nil, welches sich in seiner damaligen Form in etwa bis heute bewahrt hat. (11,12,13) Es ist linguistisch nachgewiesen, daß die Schilluksprache einem ganzen Völkerkomplex gemein ist, der in den oberen Nilländern seine einzelnen Stämme und Zweige ausgebreitet hat; z.B. die Jur, die Dembo, die Schatt, die Anywak, die Aluru, die Lanam, die Jo-pa-Lwo, die Dho Lwo, die Lango und die Belande. Diese Völker gebrauchen die Schilluksprache mit nur kleinen Abweichungen. (14) Der nördliche Teil des Landes heißt Ger, der südliche Loak. (11) Völker- und Sprachenkarte von Mittel- und Südafrika 1.7 Politische Gegebenheiten 1.7.1 Sudan Republik mit einer parlamentarischen Demokratie nach brit. Vorbild. (15) Nähere Angaben werden vom Verfasser nicht gemacht, dafür aber die Gegebenheiten im eigentlichen Schillukland ausführlicher betrachtet. 1.7.2 Schillukland Das Land ist in vier große und zwei kleine Provinzen eingeteilt. a) Moam b) Kwom c) Pa Nyikang d) Tunga Die Großschechs dieser vier Provinzen sind die höchsten Häuptlinge des Landes, Räte und die einzigen autoritativen Wähler bei der Königs-wahl. Moam und Tunga sind wieder die größten Schechs unter den vier aufgezählten. Die anderen großen Provinzen sind: e) Detuok f) Detun Jede der Provinzen hat ihre eigene Gemeinde. Um jede Gemeinde gruppieren sich verschiedene etwa 5 bis 12 Dörfer. (13) 1.8 Religiöse Gegebenheiten Die Niloten bilden eine Religion für sich. Was sie mit den Galla und Semiten Afrikas gemeinsam haben sind: a) ein vager Monotheismus b) ein vager Geisterglaube c)der Ahnenkult zu a) Tieropfer Den am wenigsten intensiven Kult von allen Niloten besitzen die Schilluk. Sie warten bis das Übel vorhanden ist, opfern erst dann und meist nur unter Mithilfe oder Anrufung der Verstorbenen. Die Opfermaterie bilden: Eingeweide und Wasser. Kopf, Blut, Ohren, Eingeweide und Wasser. zu b) Die Geister erhalten keinen eigenen Kult. Sie werden meist als schädlich angenommen. zu c) Die Verehrung der Ahnen dagegen übt großen Einfluß. Die Schilluk beschränken sich auf die Verehrung der Könige und Nationalhelden. Sie legen außer der ersten Gabe nach dem Tode keine weiteren Opferspenden auf das Grab ihrer Toten. (2, 9, 11) “Bezieht man ein neues Haus, so werden einem Schaf mit der Lanze die Eingeweide herausgenommen und auf Haus und Eingang gespritzt. Jeder Anwesende spuckt einmal in das Haus, auf das Schaf und auf das Objekt, daß der Hausvater in der Hand hält. Wird ein neuer Stall bezogen, so wird ebenfalls ein Schaf geschlachtet und Knochen und Kopf am Eingang an einem Strick aufgehängt. Im Hause darf man keine Schuhe tragen, sonst kommen Mäuse heran und besetzen das Haus.” (11) 1.9. Menschliche Gegebenheiten Der Schilluk legt viel Gewicht auf sein äußeres Erscheinen. Er hat eine Vorliebe für Putz und Schmuck. Die Sorge für Bekleidung ist nicht so groß. Früher trugen die Männer keine Kleidung. Die Kleidung der Schillukmädchen dagegen besteht aus zwei, die der verheirateten Frauen aus drei Stücken. Eine Art Schamschürze ( früher aus Leder, heute aus Stoff ), ein gegerbtes Fell, von welchem die Haare nicht entfernt wurden, umschließt den ganzen Leib. Das dritte Kleidungsstück, welches nur die verheirateten Frauen tragen, ist ein Fell ohne Haare. Es wird um die Hüften gebunden. Große Sorgfalt legt der Schilluk auch auf den Haarputz. Dieser sowie die Tätowierungen sind Erkennungszeichen seines Stammes. (6) “Die H a u t f a r b e dürfte, nach den Bildern zu schließen, meist ebenso dunkel sein wie bei den übrigen Niloten. Bernatzik berichtet, daß auch heller braune Farbtöne vorkommen. Sämtliche vorliegenden Berichte bestätigen das. Das K o p f h a a r ist bei Erwachsenen vielfach zu Dauerfrisuren umgestaltet, so daß die Haarstruktur nicht deutlich zu erkennen ist, aber auf den Bildern sind doch auch zahlreiche Personen dargestellt, bei denen man deutlich sieht, daß das Haar die gleiche Form hat wie bei den Dinka, Nuer usw.: es ist sehr ähnlich dem Negerhaar, zum Teil als “Pfefferkornhaar” ausgebildet. Die K o p f f o r m ist bei allen Abgebildeten lang und schmal; die Schmalheit fällt besonders stark bei den Kindern auf, deren Haar abrasiert ist, wodurch die Form des Kopfes gut zum Vorschein kommt. Das Hinterhaupt ragt kräftig nach hinten, die Ohröffnung liegt etwa in der Mitte der Linie Nasenwurzel - Hinterhaupt. Die Kopfhöhe ist offenbar meist recht bedeutend. Das G e s i c h t . Die Stirn ist niedrig bis mittelhoch; sie dürfte sich nicht von der der Nuer und Dinka unterscheiden, weder bei den Männern noch bei den Weibern. Die Gesamtgesichtsform bietet nichts Auffallendes, bei den Männern und den Weibern gleicht sie der der übrigen Niloten. Die A u g e n . Hier ist das gleiche zu sagen. Die N a s e ist wieder, besonders bei den Männern, oft wenig negermäßig, bei den Weibern im Durchschnitt breiter, kleiner, weniger prominent negroid. Die Nasen der Kinder sind naturgemäß erheblich kleiner und flacher. Der M u n d zeigt die gleichen Eigenschaften wie bei den übrigen Niloten, also wenig negroide Merkmale ( mit Ausnahme, besonders bei den Frauen ), zum Teil überraschend wenig Prognathie und geringe Wulstung. Das K i n n ist wie bei den Dinka, Nuer usw. gebildet. Das O h r ist, wie das der anderen Niloten, im Durchschnitt recht klein, ziemlich kurz und breit, mit scharfer Profilierung, meist kleine Läppchen. Die Ohren stehen zum Teil ziemlich weit ab, was in einigen Fällen durch das Tragen nicht ganz leichten Schmuckes im Helixrand verstärkt wird. Die K ö r p e r g r ö ß e der Schilluk scheint ziemlich zu variieren; im Durchschnitt ist sie nach den Berichten der Autoren vielleicht etwas geringer als die der Dinka und Nuer. Die K ö r p e r p r o p o r t i o n e n unterscheiden sich kaum von denen der Dinka und Nuer. Es sieht allerdings so aus, als ob ein verhältnismäßig großer Hundertsatz der Leute etwas weniger langbeinig sei. Die Brüste der Weiber sind ausnahmslos gut geformt, halbkugelig. Die bedeutende Länge und Magerheit des Unterarmes fällt auf. A r m e , B e i n e, H ä n d e und F ü ß e sind in der Hauptsache ebenso gebaut wie bei den Nuer und Dinka. R a s s e n b e u r t e i 1 u n g : Die Schilluk scheinen mir durchaus Niloten zu sein, wenn sie vielleicht auch etwas mehr als die Nuer und Dinka primitive- negroide Elemente in sich aufgenommen haben.” (5) Shillukkrieger mit Lehmknötchenfrisur und Glasperlenschmuck (8, Abb. 169) Junge Schillukfrau mit einer Halskette aus Giraffenhaaren (8, Abb. 162) Teil 2 2. B e s c h r e i b u n g d e s O b j e k t s y s t e m s 2.1 Bauaufgabe 2.1.1 Physische Kontrolle “Physische Kontrolle bedeutet Steuerung von Austauschprozessen zwischen belebten bzw. unbelebten, oder belebten und unbelebten Gegenständen, im Bereich des Bauens, z.B. Herstellung von kontrolliertem Innenraumklima, Kontrolle des Lichteinfalls, der Temperatur, der Niederschläge, Windschutz, Staubschutz etc. Hinsichtlich der zu beschreibenden Beispiele primitiver Architektur kann nur von beschränkter, ständiger Steuerung der Gegenstände gesprochen werden.” (16) Folgende Tatsachen sind von Bedeutung: Um Unterkünfte zu schaffen, werden runde Hütten mit kegelförmigen Dächern errichtet. Zur Bedachung der Ställe bzw. Wohnhütten sind a) Schilfgräser, welche jedoch nicht sehr beliebt sind, da sie dumpfe Luft erzeugen, b) Steppengräser im Gebrauch. Die letzteren führten zu einem besseren Innenraumklima. Um die Lehmmauern kühler zu halten, läßt man das Bedachungsmaterial, besonders bei Ställen, tief bis zur Erde herunterfallen. Früher wurden auch Hütten mit Holzpfählen und dünner Lehmwand errichtet. Diese Bauart vermag der Witterung aber nicht so recht stand zu halten. Die jährlichen Reparaturen eingeschlossen, betrug die Lebensdauer nicht viel länger als 3 Jahre. Die Mauern aus Lehmschichten halten dagegen 8, 9 und mehr Jahre. Vereinzelt gibt es sogar Mauern, die 35 Jahre alt sind. Das sonst überall übliche “Stufendach” bietet zwar einen schönen Anblick, schützt aber nach Aussage der Schilluk nicht so sehr gegen Wind und Regen. Das solche Bedachung auch einmal Schillukbauart war, dafür bürgen die Überreste, welche von der Stufenform noch am Dach übrig sind. An jeder Schillukhütte findet sich noch solch eine Stufe als Zwischendeckung zwischen Mauer und Dach, deren Aufgabe es ist, das Regenwasser von der Lehmwand abzulenken. Diese Stufendeckung besteht aus „atägo” (Steppengras). Es wird, trotzdem es auf der Mauer aufliegt, nicht von weißen Ameisen gefressen. Die einzige Verbindung zwischen Innen- und Außenraum ist im allgemeinen die 1 m hohe und 40 cm breite ovale Türöffnung, durch welche der Mensch durchkriechen muß. Eine Matte in den verschiedensten Geflechtsmustern dient als Türverschluß. Die Matte wird nach innen geschlossen. Mittels zweier Schnüre, welche um zwei senkrecht an die Wand anliegende Stäbe gedreht werden, zieht man die Matte stramm an die äußere Hauer und verhindert auf diese Weise das Eindringen von Wind und Regen. Die Türen erlauben somit eine begrenzte Steuerung des Austauschprozesses. Türverschluß von innen Die Hütten sind leicht,. luftig - Fensteröffnungen fehlen ganz -, leicht zerstörbar, aber auch leicht wieder aufgebaut. Die Nuer haben in ihren Stallungen Löcher als Fenster angebracht. Die Schilluk dagegen nicht. Die Hütten schützen gegen Sonnenschein, sind bei Tag kühl, sicher gegen Regen und geben in den kühlen Nordwindnächten und Regentagen eine angenehme Wärme ab. Die peinliche Reinlichkeit wird von allen Kennern des Landes gelobt. Aus diesem Grund gibt es im Innern der Hütte auch keine Insekten. Gegen Gelsen (Moskitos) brennt man Feuer, um sie durch den Rauch zu verscheuchen. Der Herd sowie der Kornmörser ist außer in der Kochhütte auch noch im Hofraum angebracht. Hier wird er in schwülen Abendstunden mehr benutzt. 2.1.2 Funktioneller Rahmen „Siedlungen und Bauten sind Rahmen menschlicher Handlungen.”(16) Aus den übergeordneten Gegebenheiten ergaben sich folgende Bauaufgaben: A Feste Wohnbereiche gegliedert in: a) Wohnhütten für Familien bzw. Familienteile (z.B. Einzelwohnungen für alte Personen) b) Kochhütten c) Außenbereich B Stallungen C Tempel und Kultbauten D Freier Platz für Tanz und Vieh E Dorfbaum F Erschließungswege Diagramm eines Schilluk-Dorfes Legende: 1 Der Dorfbaum 2 Platz für Tanz und Vieh 3 Stallungen 4 Tempel u. Kultbauten 5 Erschließungswege in das Dorf 6 Einzelhütten für ältere Personen 7 Familienhütten In jedem Shilluk-Dorf spenden Fächerpalmen den ersehnten Schatten (8, Abb. 127) Handlungsstrukturen: Bedingt durch das beschriebene Klima kommt den Handlungen im Außenraum eine gleiche Bedeutung wie den Handlungen im Innenraum zu. Für jede monogamische Familie rechnet man zwei Hütten, wovon die kleinere als Küche, die andere als Wohnung dient. Die Türöffnungen sind einander zugekehrt. Die beiden Hüttenausgänge umschließt eine Umfriedung. Die Ausgänge dieser Umfriedungen wieder, die sich ebenfalls gegenüber stehen, sind übereinandergelegte Halmwände und verwehren auf dieser Weise den Vorübergehenden den Einblick in den Hofraum. Von den beiden Ausgängen der Umfriedung ist der größere, feierlichere dem Dorfplatz zugekehrt und nur dem Herrn des Hauses, den höhergestellten Dorfbewohnern und den Gästen als Ein- und Ausgang vorbehalten. Der andere, dem Feld zugekehrte Ausgang, ist für die Frauen, die Jugend usw. Diagramm einer Familienwohnung Legende: 1 Getreidekörbe (okodo) 2 Kleiderhalter (Schnur von einer Dachseite zur anderen) 3 Felle als Schlafstätten (pyen) 4 Eingang zur Hütte 5 Kornmörser (Loch in der Erde) (pain) 6 Platz für Küchengeräte 7 Feuerherd (drei Steine) (kelo) 8 Hofplatz (kal) 9 Hofausgänge Querschnitt einer Schilluk-Hütte (3 m Ǿ, 4 m Höhe) Legende: 1 Getreidekörbe 2 Wasserkrug 3 Kochgeschirr 4 Lanzenständer 5 Kleiderhaken 6 Hausdachrinne 7 Grasvorsprung nach Art der Etagen 8 Einfache äußere Begrasung Im Innern des Hofraumes gilt das selbe Gesetz wie im Hause. Hier herrscht das Gastrecht für den Flüchtling. Im Hof darf der Gast nicht stehen, die Lanzen nicht aufrecht halten oder an die Umfriedung legen. Er muß nach der Sitte des Landes die Schuhe ablegen, sich bescheiden setzen und sich mit Anstand und Zurückhaltung vor den Bewohnern des Hauses gebärden. Die Möblierung im Innern der Hütten ist einfach. Die Erde ist alles: Tisch, Stuhl. Ein paar Felle sind Lagerstätten und Platz für den Gast, ein dreibeiniges Gestell bildet das Kopfkissen. Ein oder mehrere Körbe aus Stroh von verschiedener Größe, aber gleicher Form, befinden sich als Kornspeicher im Innern der Kochhütte. Dort sind Küchengeschirr, Krüge, Töpfe, Schalen, Kornmörser usw. Der Herd ist eine einfache Aushöhlung mit drei Steinen, auf die der Topf gestellt wird. Das ist im Ganzen die übliche Kücheneinrichtung. Wie bereits erwähnt, befindet sich ein 2. Herd und 2. Kornmörser auch noch einmal im Hof. Im Mittelpunkt der Stallungen befindet sich ein ringförmiger Platz, in dem Feuer und Asche aufbewahrt, und der zugleich als Schlafstätte benutzt wird. Die eigentliche Schlafstelle besteht jedoch aus einem Gerüst aus Holz, das über dem Feuer angebracht ist. Bei kriegerischen Auseinandersetzungen bildet jede Dorfgemeinschaft eine Truppe. Gegen mächtige Feinde verbinden sich mehrere Gemeinschaften und rücken geschlossen unter Leitung des Ältesten vor. Bei Kriegen zwischen den Schilluk werden weder Dörfer verbrannt, noch Frauen als Sklaven mitgenommen. Man begnügt sich damit, dem Feind das Vieh wegzunehmen. Die Anordnung der Hütten in Kreisform um die Stallungen und den Tempel läßt eine in sich geschlossene Einheit erkennen. Besonders zur Verteidigung ausgebildete Dörfer gibt es jedoch nicht. Alles Äußere von Haus und Hof trägt dazu bei, Grad und Rangstufe der Bewohner zu zeigen. Oft sind es nur Kleinigkeiten. Die Umfriedung, welche gewöhnlich aus Sorghumstöcken hergestellt wird, ist bei dem gewöhnlichen Schilluk ohne Abschälung, locker und schlecht in die Erde gesteckt. Um der Wand größere Festigkeit zu geben, wird sie mit zwei, drei oder vier Reifen umwunden. Höher gestellte Schilluk dagegen gebrauchen geschälte Stöcke und mehr Reifen. So zeigt die Königshütte in Faschoda acht oder neun Umfriedungsreifen. Zum Bau einer solchen Wand, sowie eines Hauses leisten alle Männer des Dorfes ihre Mithilfe. Die Tempel sind ganz im Stil des Wohnhauses gehalten. Nur der am Rand der Tonwand verlängerte Etagenring unterscheidet den Tempel vom Wohnhaus. 2.2. Form „Um die Rolle der Form in der architektonischen Ganzheit ( einer Siedlung, eines Hauses ) zu beschreiben, werden die formalen Elemente und die Relationen zwischen diesen Elementen demonstriert.” (16) Charakteristische Elemente sind: Wohneinheiten, die um zentrale Stallungen, den Tempel, den Platz für Tanz und Vieh und den Dorfbaum gruppiert sind. Primär sind für den Standort der Dörfer die geringen Weidemöglichkeiten des Viehs wahrend der Trockenzeit bestimmend. Die Größen und Formen architektonischer Außenräume werden durch z.B. den Hofplatz, den freien Dorfplatz geprägt. Das Aufbauschema der Siedlungen würde auch durch Hinzufügen oder Wegnahme einiger Wohneinheiten nicht wesentlich gestört. Bei den Wohneinheiten selbst sind drei primäre Raumelemente zu unterscheiden: a) der durch zwei Zugänge erschlossene Hofplatz b) die Wohnhütte c) die Kochhütte. zu a) Der Hof zeigt eine ovale Form. zu b) Die Wohnhütte hat eine kreisrunde Form. Der Durchmesser beträgt etwa 3 m. Die Wände sind ca. 30 cm stark und 1,70 m hoch. Die Mauer ist nach oben konisch auslaufend. Das Dach zeigt eine Kuppelform. zu c) Die Kochhütte hat die gleiche Form wie die Wohnhütte, nur ist sie etwas kleiner. Sekundärelemente: Türen, Hofein- und -ausgänge, eingebaute Einrichtungsgegenstände, Wandgestaltung und Fußboden. Die Türen haben ovale Formen. Die Tore zum Hof sind übereinandergreifende Halmwände. Der Kornmörser hat eine konische Form, etwa 80 cm hoch und 40 cm im Durchmesser. Der Fußboden ist glatt gestampft. Er besteht aus einem Ton-Estrich. Bei den Scheichs und den Großen ist der Boden mit einem Mosaik aus Kaurimuscheln versehen. Dies verleiht dem Estrich noch mehr Dauerhaftigkeit. Die Hütten sind von außen mit grobem Lehmputz versehen. Der Wandverputz im Innern wird nur selten von Malereien geschmückt. Motive sind Skorpione, Eidechsen, Giraffen und Schildkröten. Malereien an einer Schillukhütte Die Anzahl dieser Sekundärelemente ist so gering, daß die primäre Raumstruktur klar erkennbar bleibt. Die Stallungen erreichen einen Durchmesser von 11 m. Die Tonwände erreichen nur eine Höhe von etwa 1,50 m. Ein einfacher breiter Strohkegel, der nach oben spitz zuläuft, ist das Dach. Da die Stallungen im Mittelpunkt des Dorfes liegen, kann man annehmen, daß dies eine Schutzmaßnahme ist, um das Vieh vor Dieben und Raubtieren besser schützen zu können. 2.3. Technik Um die Rolle der Konstruktion in der architektonischen Ganzheit zu analysieren, ist es sinnvoll, vom Begriff des „technischen Systems” definiert als „geordnete Wiederholung einer beschränkten Anzahl technischer Elemente”, auszugehen. Ein technisches System zeichnet sich durch Anpaßbarkeit (Spannweite) der Baumethoden an die Bauaufgaben aus. Chr. Norbert Schulz stellt neben die eigentlichen technischen Systeme, neben Massiv- und Skelettsysteme, die „amorphen” Konstruktionen primitiver Architektur, Bauten aus unbehauenem Stein, Lehm und anderen plastischen Materialien.“ (16) Nach dieser Definition gehören die untersuchten Bauformen zur Kategorie „amorphe” Konstruktionen. Die Kuppeln der Wohnhäuser haben einen Durchmesser von 3 m. Die Stallungen haben einen Durchmesser von maximal 11 m. Die Dachkuppel wird hierbei allerdings abgestützt. Diagramm eines Stalles ( 8 m Ǿ, 5 m Höhe) Legende: 1 Feuerherd 2 Holzgerüst über dem Feuer 4 Stricke aus Hipposfellen als Scheidewand 5 Bäume als Dachstützen 6 Stand für Kälber und Kleinvieh 7 Stand für Rindvieh 8 Ovale Öffnung als Tür Der Bau einer Hütte beginnt wie folgt: Der Mittelpunkt der zur errichtenden Hütte wird durch einen Holzpfahl festgesetzt. An den Pfahl bindet man eine Schnur. Mit einem Radius von 1,50 m wird nun der Umfang bestimmt. Der gezogene Kreis wird in einer Breite von 30 cm und einer Tiefe von 10 cm ausgegraben. Das Fundament bildet ein zerstampftes Gemisch aus Humus, Sand und Häcksel. Nun wird mit dem Bau des Mauerringes begonnen. Eine Schicht von jeweils 30 cm Höhe wird errichtet. Diese trocknet dann vier bis fünf Tage, bis man die nächste Schicht aufträgt. Innerhalb eines Monats erreicht die Tonmauer eine Höhe von ca. 1,70 m. Die Wände laufen nach oben konisch zu. Den Abschluß der Mauer bildet ein Kreis aus Tonerde, die oben sehr verdichtet angelegt wird, um das schwere Dach aufliegen zu lassen. Querschnitt eines Schilluk-Dachgerüstes Das Dach wird aus acht und mehr im Feuer gebogenen Baumästen gebildet. Es wird nach außen mit schlechteren, nach innen mit besseren Strohbündeln zusammengefaßt. Zwischen den einzelnen Balken liegt ein Gerippe aus Durrahstengeln. Den Stand des Bewohners erkennt man sofort an der großen Zahl der inneren Ringe des Daches. Ihre Zahl beläuft sich auf 20 bis 35. Die Hütten der Stämme Jur, Gang usw. dagegen sehen mit ihren geraden zusammengebundenen Ästen kegelförmig aus. Querschnitt eines Jur-Dachgerüstes Die Eindeckung der Hütten geschieht meist mit Steppengras. Die aburro (röhrichtes Sauergras), atägo ( Steppengras ) und Rispen des Fruchtgrases werden nach innen geschoben. Die äußeren dickeren Rohrhalme werden entsprechend der Kuppelform des Daches nach außen abgerundet. Die Beschreibung der Tür und des Wandputzes wurde bereits vorgenommen und kann an dieser Stelle entfallen. Der Boden sieht wie ein gescheuerter, gewalzter Tennenboden aus. Die Schillukfrauen nehmen schwarze Erde ( Humus ) mit Wasser, glätten und bestreichen den Boden. Wenn diese Schicht trocken ist, wird nochmals mit den Händen eine Häcksel- und Sandmischung aufgetragen. Zum Abschluß wird der Boden mit einem Erd - Wassergemisch abgefegt. Der gewonnene Ton - Estrich ist rißlos und sauber. Die Ställe werden in ähnlicher Weise errichtet. Sie erreichen einen Durchmesser von maximal 11 m. Zwischenstützen werden deshalb notwendig. Die Wände erreichen nur eine Höhe von 1,50 m. Das Dach entspricht dem der Wohn- und Küchenhütte. Es wird jedoch mit Schilfgräsern eingedeckt. Querschnitt eines Stalles mit Feuerherd und Schlafstelle über dem Feuer. Die Dachstützen dienen zugleich zum anbinden es Viehs. Im Mittelpunkt der Stallungen befindet sich ein ringförmiger Platz, in dem Feuer und Asche aufbewahrt werden. Er dient zugleich als Schlafstätte. Ein Gerüst aus Holz, das über dem Feuerplatz angebracht ist, bildet die eigentliche Schlafstätte. Das Material zum Bau ihrer Hütten entnehmen die Schilluk der Natur, so wie es vorliegt; Balken, Durrahstengel, Gras und Erde. (5, 6, 8, 11) Teil 3 Modellaufnahmen Wohneinheit bestehend aus Wohn- und Kochhütte mit Außenbereich Aus der Vogelperspektive sieht man Feuerstelle und Kornmörser im Hofraum Durch das Weglassen eines Teils der Dacheindeckung ist das Dachgerüst zu erkennen Teil 4 Literaturverzeichnis 1 Hugo A. Bernatzik: Neue große Völkerkunde Köln 1968 2 Herbert Tischner: Völkerkunde Frankfurt am Main 1959 3 Walter Hirschberg: Wörterbuch der Völkerkunde Stuttgart 1965 4 Fritz Klute: Handbuch der geographischen Wissenschaften / Afrika Potsdam 1930 5 Hugo A. Bernatzik: Zwischen Weißem Nil und Kongo Wien 1943 6 Diedrich Westermann: The Shilluk people Berlin 1912 7 C.G. Seligmann: The cult of Nyakang and the divine kings of the Shilluk London 1911 8. Hugo A. Bernatzik: Zwischen Weißem Nil und Belgisch - Kongo Wien 1929 9 S. Santandrea: Shilluk Luo Tribes in the Bahr-el-Ghazal Freiburg in der Schweiz 1947 10 J.P. Crazzolara F.S.G.: Zur Gesellschaft und Religion der Nuer Wien 1953 11 Wilhelm Hofmayr: Die Schilluk Wien 1925 12 Evans-Pritchar, E.E.: The divine kingship of the Shilluk of the Nilotic Sudan Cambridge 1940 13 O. Köhler: Die Ausbreitung der Niloten Berlin 1950 14 . Journal of the International Institute of African languages and cultures: Africa London 1911 15 Der Große Brockhaus Sechzehnte Auflage Band 11 S. 326 Wiesbaden 1957 16 Horst Ehlers: Haus und Siedlungsformen der Berber in Südtunesien Der Architekt, Heft 11 / 1967 S. 453 – 458 17 Frobenius, Leo: Das unbekannte Afrika München 1923