Schwule Rechtsradikale in Hamburg – Teil der Community

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Schwule Rechtsradikale in Hamburg – Teil der Community?
Mit dem Aufmacher Rechtsrum weckte das Hamburger Schwulenmagazin hinnerk im Februar
2010 Erwartungen, die es nicht einlöste, denn die vorgestellten Personen sind lediglich mehr
oder weniger konservativ. Vier der auf Seite 17 erwähnten „rechten Kerle“ hätten sich
geweigert, weltanschaulich im Gleichklang mit dem fünften genannt zu werden, denn nichts
verband in ihrem politischen Denken Friedrich Alfred von Krupp, Philipp zu Eulenburg Hertefeld, Heinrich von Brentano und verbindet den „eingefleischten Junggesellen“
(Bernhard Vogel) mit dem national-sozialrevolutionären Ernst Röhm. Sich mit dessen
Nachfahren und Anhängern in der gegenwärtigen Hamburger Schwulen - Community zu
beschäftigen, hat hinnerk erst im Novemberheft 2011 begonnen.
Auf Grund eines gemeinhin kurzen und vielfach gefilterten historischen Gedächtnisses ist
man gewohnt, in Schwulenbewegung und schwuler Community etwas irgendwie diffus
Linkes zu sehen. Outen sich Schwule als CDU- nah oder auch als gläubige Katholiken,
geraten sie in Erklärungszwang, begegnen sie doch Blicken, die nur eines signalisieren: „Wie
kann man nur“?
Nun gibt es keinen Zweifel, dass die dritte deutsche Schwulenbewegung ein Abkömmling der
als links apostrophierten 68er Bewegung ist und zunächst in Hochschulstädten Fuß gefasst
hatte. Anders sieht es mit der ersten deutschen Homosexuellenbewegung von 1871 bis 1933
und mit der zweiten von 1945 bis 1968 aus, deren Träger aus allen politischen Lagern kamen,
die vor allem aber dem aufgeklärten, liberalen bürgerlichen Milieu entstammten. Stand
Magnus Hirschfeld, der Begründer des Wissenschaftlich humanitären Komitees (WhK), den
Sozialdemokraten nahe, so vertrat Friedrich Radszuweit (1876 – 1932), Gründer des Bundes
für Menschenrechte (BfM) der Weimarer Republik, neben sozialdemokratischen auch
konservative und nationalistische Positionen. Den sexualpolitischen Zielen des Bundes für
Menschenrechte fühlte sich wiederum Ernst Röhm verbunden, der mit seiner homosexuellen
Veranlagung nicht hinter dem Berg gehalten und zu ihr ausdrücklich gestanden hatte.
Homosexuell zu sein, ist ideologieunabhängig im Gegensatz zum Umgang der Ideologien mit
Homosexualität und Homosexuellen.
Und infolgedessen ist die mir im Vorfeld des Vortrags oft gestellte Frage „Schwule Nazis –
gibt es so was?“ zu beantworten mit: „aber natürlich – es gab und gibt schwule Nazis. Und
obendrein war seit den frühen 1930er Jahren der Ausdruck „schwuler Nazi“ ein Kampfbegriff
der Gegner des Nationalsozialismus, der als terminus technicus auch in der Nachkriegszeit
Wirkkraft entwickelte, beginnend mit Samuel Igras 1945 erschienenem Buch Germany’s
National Vice und weitergeführt u. a. in Scott Lively und Kevin Abrams Studie The Pink
Swastika – Homosexuality in the Nazi Party aus dem Jahre 1995, in der das Bild vom „Rosa
Winkel“ durch das des „Rosa Hakenkreuzes“ ersetzt und die Ansicht vertreten wird, das
nationalsozialistische Deutschland sei ein maßgeblich von Homosexuellen geführter Staat
gewesen. Wie verbreitet das Klischee des homosexuellen Nazis ist, zeigen Jonathan Littells
Roman Die Wohlgesinnten aus dem Jahre 2006 und die Äußerungen des führenden
israelischen Holocaustforschers Israel Gutman im Zusammenhang mit der Enthüllung des
Berliner Homosexuellendenkmals im Mai 2008. Für ihn sind die Lage des Denkmals in der
Nähe der Holocaustgedenkstätte und das Denkmal selbst ein Skandal, weil es den Unterschied
zwischen der Auslöschung von 6 Millionen Juden und der Ermordung von nur 10.000
Homosexuellen verwische, zumal die Deutschen ausschließlich deutsche Homosexuelle
umgebracht hätten und diese vielfach Nationalsozialisten gewesen seien (1).
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So schwer verständlich nach der Homosexuellenverfolgung der NS-Zeit vielen erscheint, dass
es nach wie vor Homosexuelle gibt, die sich als schwule Nazis verstehen und die sich selbst
auch so bezeichnen, so virulent ist NS-Tradition bis heute in doppelter Hinsicht: einerseits bei
den nationalsozialistischen und nationalistischen Gruppierungen, andererseits in schwulen
Fetischen, die Uniformen und Gewaltpraktiken der NS-Zeit in spielerischer bzw. spielerisch
verstandener Form weiterführen. Beides ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern z. B.
auch in den USA, in Österreich, Frankreich, Schweden oder Großbritannien nachweisbar, wo
zur rechtsextremistischen Szene immer auch tonangebend Homosexuelle gehörten und
gehören wie Michel Caignet in Frankreich, Russell Veh in den USA (2), Martin Webster
(*1943) oder Nicky Crane (1958-1993) in England, mit dessen Einfluss auf die schwule
Londoner Skinhead-Szene sich Max Schaefers Roman Children of the Sun beschäftigt.
Die Hamburger rechtsextremistische schwule Szene als Teil der Schwulen Community in St.
Georg ist von Mitte der 1970er bis Ende der 1980er Jahre eng mit dem Wirken von Michael
Kühnen verbunden. Michael Kühnen wurde 1955 in Bonn – Beuel geboren. Er stammte aus
einem katholischen, rheinisch – liberal geprägten Elternhaus. 1974 bestand er das Abitur, ging
als Zeitsoldat zur Bundeswehr und studierte an der Bundeswehrhochschule in Wandsbek.
Als Schüler war Kühnen der Jugendorganisation der NPD beigetreten, doch tendierte er in
den folgenden Jahren weiter nach rechts. Wegen seiner politischen Betätigung wurde er 1977
aus der Bundeswehr entlassen. Seit dieser Zeit bis zu seinem Tod im April 1991 führte
Kühnen das Leben eines Revolutionärs: ohne feste Einkünfte, von Ort zu Ort reisend, radikale
Aktionen vorbereitend und durchführend, Interviews gebend, acht Jahre lang in Celle und
Butzbach Freiheitsstrafen verbüßend. Hier interessiert Kühnens Biographie nur insoweit, als
sie Berührungen mit Hamburg und dem Thema Homosexualität aufweist.
Die Zersplitterung der linksradikalen Szene hatte ihr Pendant bei der extremen Rechten.
Gruppen entstanden, schlossen sich zusammen, spalteten sich, standen sich oft feindselig
gegenüber, versöhnten sich bisweilen, änderten häufig ihren Namen, lösten sich auf oder
verschwanden ganz einfach in der Versenkung.
Kühnen gehörte u. a. zur „Erbe-und-Auftrag-Vereinigung zur Förderung des monarchischen
Gedankens e.V.“, auch als „Hansa-Bande“ bekannt geworden, und zum „Freizeitverein
Hansa“, auch „SA-Sturm 8. Mai“ genannt, und führte mit diesen Gruppen unterschiedliche
rechtsextremistische Aktionen durch.
Am 26. November 1977 gründeten Kühnen und Christian Worch in Wandsbek die
„Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS), deren Gründungsdatum später auf den 8. Mai
1977 vorverlegt wurde (3).
Das Verkehrslokal der ANS lag in der Hamburger Innenstadt, unweit des Hauptbahnhofs in
St. Georg, und zwar am Spadenteich. Es trug den Namen Endstation. Inhaber war der in
Hamburg als Nazi - Lothar bekannte Franz Lothar Babiarcyk -Wrobel (4). Von seinem Lokal
ging im Mai 1978 die überregional beachtete und Empörung auslösende „Eselsmaskenaktion“
aus: Mit Eselsmasken versehene Männer trugen um den Hals große Plakate mit den Texten
„Ich Esel glaube noch, daß in deutschen KZ’s Juden vergast wurden“ und „Ich Esel glaube an
die 'Vergasungslüge' und will an Israel zahlen, zahlen, zahlen“ (5).
Bald änderte Wrobel den Namen seines Lokals in Can Can. Nach dem Bericht eines
Zeitzeugen war es zweigeteilt: Der vordere Raum zum Spadenteich hin war ein Stricherlokal,
in dem Freier männliche Prostituierte treffen und mit ihnen handelseinig werden konnten;
anschließend ging man in eine der zahlreichen Absteigen St. Georgs oder in den Hausflur
oder Keller eines benachbarten Hauses.
Zum hinteren Raum hatten Strichjungen und Freier keinen Zugang. Dort trafen sich die
rechtsradikalen Kameraden Wrobels, z. B. Kühnen und Worch.
Wrobel gehörte zu beiden Bereichen – er war ein bekennender schwuler Nazi.
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Möglicherweise diente die Stricherkneipe Can Can als Alibi für den Rechtsradikalen-Treff im
Can Can. Nach Aussage meines Gewährsmanns hat Wrobel unter den männlichen
Prostituierten und Freiern nicht auffällig für seine rechtsextremistischen Ideen geworben,
doch habe er bisweilen die Jungen in propagandistischer Absicht zu Bus-Ausfahrten
eingeladen. Mit welchem Erfolg, ist unbekannt.
Kühnen wurde im August 1978 festgenommen, zunächst zu einer Bewährungsstrafe und am
13. September 1979 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Seinen Stellvertreter
Christian Worch verhaftete man im März 1980; auch er erhielt eine längere Freiheitsstrafe.
Damit waren die beiden Gründungsväter der ANS zunächst außer Gefecht gesetzt (6).
Während in Hessen mit Arndt-Heinz Marx und Thomas Brehl Personen zur Verfügung
standen, die Kühnens Vorstellungen authentisch umsetzten, war die Lage in Hamburg nach
der Inhaftierung des in der Hansestadt aufgewachsenen und beheimateten Christian Worch
weniger stabil. Als von Worch als Vertreter und Nachfolger eingesetzt empfand sich Michael
Frühauf.
Der 1956 in Hamburg geborene Frühauf hatte den ein Jahr älteren Kühnen 1978 kennen
gelernt. Frühauf bewunderte Kühnen, schloss sich ihm an und beteiligte sich seit dieser Zeit
an Aktionen von NPD und ANS (7).
Frühauf stammte aus einem Milieu, das ihn viel eher als sein Vorbild für eine rechtsradikale
Karriere prädestinierte: Sein Vater war SS-Obersturmbannführer, der den „alten Zeiten“
nachtrauerte; die Großmutter war eine treue NPD-Wählerin; als gute Bekannte der Familie
bezeichnete Frühaufs Mutter Herbert Kappler und Admiral Erich Raeder (8).
Nachdem Frühauf die „Mittlere Reife“ erhalten hatte und nachdem er von der Bundeswehr als
zu unsportlich und als zu unreif abgelehnt worden war, wurde er Rechtsanwaltsgehilfe. 1981
bestand er überdies die Rechtshelferprüfung. Beruflich war Frühauf erfolgreich und hatte es
bis 1981 zum Bürovorsteher einer angesehenen Rechtsanwaltkanzlei gebracht.
In persönlicher und sozialer Hinsicht aber scheint Frühauf große Defizite aufgewiesen zu
haben, die es ihm schwer machten, in der ANS anerkannt zu werden und sich durchzusetzen.
Seit dem Frühjahr 1980 suchte Frühauf seine Stellung zu festigen mit Rundbriefen, mit
„Richtlinien“ für die Mitglieder der ANS, mit Hilfe eines internen Sicherheitsdienstes (den es
als Institution allerdings nur in Frühaufs Phantasie gab) und durch Kontakte zu Worch und
Kühnen (sei es brieflich, sei es durch Besuche in der Haftanstalt Celle), deren Ziel es war,
seine Maßnahmen zu legitimieren. Anlässlich des 92. Geburtstages Hitlers organisierte er eine
Feier in der Neuschönningstedter Gaststätte Fiss am 19. April 1981 (9).
Vor allem aber beteiligte sich Frühauf aktiv an der seit Mitte des Jahres 1980 innerhalb der
rechten Szene ausgebrochenen „Schwulen- und Verräterdiskussion“, deren Anfänge nicht
geklärt sind. Sei es, dass der Anstoß von der rechten Szene außerhalb der ANS kam, sei es,
dass diese Diskussion ihren Ursprung in der ANS selbst hatte, nachdem Kühnen und Worch
nicht mehr zur Verfügung standen und ein Machtvakuum entstanden war – die neue
Führungsgruppe der Hamburger ANS hatte nichts Eiligeres zu tun, als diese „Schwulen- und
Verräterdiskussion“ in ihren eigenen Reihen zu führen und sie zu einer entscheidenden
politischen Frage zu stilisieren. Über die Ursachen dieser Haltung lässt sich nur spekulieren:
War es Profilierungssucht? Wollte man sich gegen Angriffe, schwul zu sein oder Schwule zu
dulden, zur Wehr setzen (10)? Besaß man so wenig Selbstvertrauen und war man so schwach,
dass man überall Verräter vermutete und deshalb einen eigenen Sicherheitsdienst aufzog?
War es zur Sicherung der eigenen Macht opportun, einen Sündenbock zu finden für alles, was
nicht wunschgemäß lief; und waren als Sündenbock die Homosexuellen in der eigenen
Bewegung besonders geeignet? Meiner Ansicht nach geht die Vehemenz dieser Diskussion
vor allem auf die Paranoia Michael Frühaufs zurück. Nicht ohne Grund witterte er überall
Verräter, hatte er sich doch selbst dem Verfassungsschutz angedient (11). Vermutlich in dem
Bemühen, dies zu vertuschen, beschuldigte er Kameraden, Verräter zu sein (12).
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Und Frühauf ist es, der zum Kampf gegen Homosexuelle in den eigenen Reihen und darüber
hinaus aufrief, während anderen Mitgliedern der ANS die sexuelle Orientierung der
Kameraden weitgehend gleichgültig war und Frühaufs ständige Polemik gegen die
Homosexuellen auf die Nerven ging (13). Seine strukturell homophobe Einstellung hatte ihren
Ursprung in der elterlichen Erziehung. Darüber hinaus scheint er in sexueller Hinsicht
außerordentlich verklemmt gewesen zu sein. Seine Minderwertigkeitskomplexe kompensierte
er mit großsprecherischem Gerede und Geschreibe. Als Alias -Namen verwendete er für sich
„Oberst Alexander Brand“. Das alles war weit weg von Professionalität.
Die „Schwulen- und Verräterdiskussion“ innerhalb der ANS erreichte einen ersten
Höhepunkt in zwei „Intern-Informationen“. Die „Intern Information Nr. 1“ wurde am 6. März
1981 von Michael Buchmann anonym herausgegeben. Sie wirft dem Kameraden P. S.
homosexuelle und päderastische Neigungen vor (über die der Verfasser Buchmann
möglicherweise von Frühauf informiert worden war, der sich in seiner Eigenschaft als
Rechtsanwaltshilfe Einblick in eine Strafakte gegen S. verschafft hatte). Die „InternInformation Nr.1 (= „Info 1“) forderte, derartige Personen, bei denen es sich um
Volksschädlinge handele und die dem Ansehen der nationalen Sache Schaden zufügen, aus
dem rechten Lager 'total und radikal' zu isolieren (14).
Die „Interne Information Nummer 2“ trägt das Datum „Hamburg, den 21. Wonnemonat 92 i.
J. d. F. (1981)“ (d. h. 21. Mai im 92. Jahr des Führers bzw. 1981). Auch sie erschien anonym,
doch besteht kein Zweifel daran, dass sie von Frühauf verfasst worden ist. Am 11. Mai hatte
er den Entwurf zu „Info 2“ Friedhelm Enk zum Lesen gegeben (15). Die Reinschrift fertigte
Frühauf am 19. Mai auf der Schreibmaschine seiner Mutter an (16). In diesem Schriftstück
heißt es (17): „Diese Information wurde verfasst von der zentralen Ermittlungsstelle für
Agententätigkeiten, Tätigkeiten von Homossexuellen [sic] und anderen Perversen sowie
Kriminellen ohne politische Motivitation [sic] in der nationalen Szene. Bei den hier
geschilderten Angaben handelt es sich um keine Gerüchte, sondern um jederzeit nachprüfbare
Tatsachen. Diese Information versteht sich als Ergänzung und Zusammenfassung der bereits
am 6. Lenzing 91 i. J. d. F. [d. h. 6. März 1981] von anderer Seite erschienenen Intern
Information Nr. 1, weil hier auch u. a. das Thema Homossexualität [sic] behandelt wird. Diese
Information wird insbesondere an Verleger von Publikationen 'rechts von der NationalZeitung' versandt, mit der Bitte um Würdigung des folg[enden] Inhalts mit einer Notiz in den
Publikationen. Die übrigen Empfänger werden um Verbreitung im 'Schneeballsystem'
gebeten. Nur so kann eine geeignete Streuwirkung erreicht werden. In den Fällen, bei denen
der Absender dieser Information bekannt ist, bitte ich um entsprechende
Empfangsbestätigung.
Allgemein stellen wir folgendes fest: Homossexuelle [sic] oder andere sexuell Annormale
[sic] sind für die Arbeit im nationalen Bereich nicht tragbar, weil diese und alle sexuellen
Abarten nicht mit der nationalen Idee vereinbar sind. Gerade von diesen Abartigen wurde der
'Fall Röhm' des Dritten Reiches verteufelt. Wir verstehen nicht, warum das nationale Lager
durch diese bewundertswerte [sic] Tat in tiefe Schuld stürzte. Gewiß meinen die Befürworter
(d. Verteufelung des 'Falles Röhm'), daß es die fehlenden Schwulen waren, die am Ende des
Krieges zum Sieg fehlten. Wir würden dann auf die Lorbeeren verzichten“.
Anschließend denunziert Frühauf den Kameraden P. S. (*1957 in Hamburg). Er teilt Adressen
und Telefonnummern der Erst- und Zweitwohnung von S:s Eltern mit, bezeichnet ihn als
Päderasten, nennt Einzelheiten eines Gerichtsverfahrens, bringt zusätzliche
Tatsachenbehauptungen, beschuldigt ihn, mit dem Verfassungsschutz zusammenzuarbeiten.
Wie wenig fundiert Frühaufs Vorwürfe sind, zeigen zwei Sätze. Der eine bezieht sich auf den
Päderastievorwurf und lautet: „Es liegt eine rege Korrespondenz zwischen…Sch… und der
S.P.D. (Arbeitskreis f[ür] Rechtswesen, Dr. Gerd Wehling, SPD-Bundestagsfraktion)
…zwecks Legalisierung der Päderastie (Abschaffung des § 175 StGB!) vor“. Der andere zielt
auf Schönmanns Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz: „Da ein Verrat nicht
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nachgewiesen werden kann, nehmen wir zu Gunsten des Beschuldigten an, daß er sich nur
wichtig machen wollte“.
Abschließend heißt es in der „Info 2“: „Es wird festgestellt, daß die Beschuldigten Johannes
Bügner und P…S… dem national-politischen Lager schwersten Schaden zugefügt
haben…Die Beschuldigten Bügner und S…. werden hiermit einstimmig aufgefordert, mit
sofortiger Wirkung jeglichen Kontakt zu nationalen Leuten, Kameraden und Organisationen
abzubrechen. Anderenfalls werden wir wissen, uns vor solchen Elementen zu schützen“ (18).
Was Frühauf in „Info 2“ zusammenfasste, war von ihm schon vorher mehrfach vertreten
worden: So hatte er am 3. Mai 1981 in einem Brief an Worch verlangt, dass sich das rechte
Lager von Homosexuellen trennen müsse (19). Am 11. Mai hatte er den Entwurf der „Info
2“ Friedhelm Enk nicht nur zum Lesen gegeben, sondern ihn auch aufgefordert, die darin
genannten Personen zu liquidieren (20). Und um den 18. Mai hatte Frühauf in einem
Telefonat mit Babiarcyk-Wrobel erklärt, „in bezug auf Verräter…müsse ein Exempel statuiert
werden“ (21).
Was mit Sätzen wie „man werde sich vor solchen Elementen zu schützen wissen“, „man
müsse sich von den Homosexuellen trennen“, „man solle ein Exempel statuieren und Verräter
und Homosexuelle liquidieren“ gemeint war oder gemeint sein konnte, sollte sich am 28. Mai,
dem Himmelfahrtstag 1981, zeigen: Zu einer „Vatertagsfeier“ trafen sich in Wegners
Wohnung in der Großen Brunnenstraße Frühauf und Enk. Später kamen der
Wohnungsinhaber Wegner sowie die Brüder Olaf und Torsten König hinzu. Man trank etwas
Alkohol, hörte Musik, wie sie Rechtsradikale mögen, und schwadronierte über Verräter und
Schwule. Frühauf und Enk schaukelten sich in ihren Attacken gegenseitig hoch: Statt zu
reden, seien Nägel mit Köpfen zu machen. Während Enk sich Verräter vornehmen wollte,
bestand Frühauf darauf, dies mit Schwulen zu tun. Es fielen Worte wie „umnieten“, „platt
machen“, „liquidieren“.
Ursprünglich hatte man das Exempel an dem kräftigen und starken P. S. statuieren wollen,
doch wusste man nicht, wo und wie man seiner habhaft werden konnte. So fiel die Wahl
schließlich auf den schwächeren und wohl auch vertrauensseligeren Johannes Bügner (* 1954
in Bärenbach/Hunsrück). Ein Anruf im Can Can ergab, dass er sich in diesem Lokal aufhielt.
Nachdem Enk die Zustimmung des Führers und Leiters des Sicherheitsdienstes Frühauf für
die Durchführung der Aktion erhalten hatte, übernahm er die Initiative. Die fünf Männer
begaben sich gegen 20.30 Uhr nach St. Georg und stellten ihr Auto auf dem Parkplatz hinter
der Dreieinigkeitskirche ab. Enk betrat das Lokal Can Can im Gebäudekomplex, in dem sich
heute die AIDS-Seelsorge befindet (Spadenteich 1-3), ließ sich Bügner, den er gar nicht
kannte, zeigen, trank mit ihm ein Bier, erzählte ihm etwas von einem Brief Kühnens, den man
ihm geben wolle, sagte, man habe vor, in einem Gespräch mit Frühauf zu versuchen, die
durch „Info 2“ ausgelösten Irritationen auszuräumen, und bat Bügner, mit ihm nach draußen
zu kommen. Auf Bügners Einwand, Frühauf könne ja auch in das Lokal kommen, reagierte
der Wirt Wrobel mit der Bemerkung, dass Frühauf wegen der „Info“ Lokalverbot habe (22).
Arglos verließ Bügner das Lokal und stieg in das bereitstehende Auto, in dem der Fahrer und
Frühauf gewartet hatten. Zu viert fuhr man in Richtung Lübeck. Bei Stemwarde bog man in
die Feldmark ab – angeblich um auszutreten. Nachdem Bügner das Auto verlassen hatte und
urinierte, streckte Enk ihn mit zwei Faustschlägen nieder. Danach stach er – wenig
professionell und wie in einem Rausch - auf ihn ein: 22 Messerstiche und Schnitte wurden
gezählt. Die Leiche schleifte man in einen Straßengraben, Tatmesser und Handschuhe wurden
auf der Rückfahrt in der Alster entsorgt. Am Hauptbahnhof sammelte man die
zurückgebliebenen Kameraden ein und fuhr anschließend in die Große Brunnenstraße, wo
man die Tat begoss.
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Am nächsten Tag, dem 29. Mai 1981, zeigte Frühauf in Begleitung zweier Rechtsanwälte den
Mord an. Die fünf Komplizen wurden am selben Tag festgenommen (23).
Der Tathergang ist unstrittig: Enk brüstete sich bei der Vernehmung mit dem Mord: er habe
Bügner im Auftrag Frühaufs liquidiert. Dieser war während der Niedermetzelung Bügners
genötigt worden, aus dem Auto auszusteigen und sich alles anzusehen. Selbst zugestochen
hatte er nicht.
Kontrovers diskutiert wird dagegen, welche Rolle Michael Kühnen in dieser Mordsache
spielte. Der Spiegel, das Hamburger Abendblatt und Die Zeit (24) legten in ihrer
Berichterstattung nahe, dass Kühnen aus der JVA Celle heraus den Mordbefehl erteilt habe.
Im Spiegel (25) wird diese Ansicht mit drei Indizien begründet – und zwar 1. mit Frühaufs
und Enks Besuch bei Kühnen in Celle am 20. Mai 1982; 2. mit dem Erscheinungstermin der
„Info 2“ am 21.5., d. h. am Tag nach dem Besuch bei Kühnen, und 3. mit Enks Aussage, dass
er „im Auftrag gefangener Oberer 'eine straffe Organisation'“ habe aufbauen sollen.
Hierzu ist zu bemerken:
1. Es ist richtig: am 20. Mai 1981 fuhren Frühauf und der kurz zuvor aus der Haft entlassene
Friedhelm Enk, der polizeilich bei Frühauf gemeldet war, tatsächlich aber bei Willi Wegner in
der Großen Brunnenstraße in Altona lebte, nach Celle. Enk besuchte dort einen Bekannten,
während Frühauf allein in der Justizvollzugsanstalt mit Kühnen zusammentraf, freilich im
Beisein zweier Kriminalbeamter. Über das Gespräch zwischen Frühauf und Kühnen liegen
Notizen der beiden Überwachungsbeamten, eine Aussage Kühnens ein Jahr später, in der er
jegliche Mitverantwortung für den Mord bestritt, und Äußerungen Frühaufs unmittelbar nach
diesem Gespräch vor. Danach habe Kühnen Enk zum Stellvertreter und Gauleiter in Hamburg
gemacht (26) – eine insofern unklare Bemerkung, als nicht gesagt ist, wessen Stellvertreter
Enk sein sollte: der von Kühnen oder Frühauf. Und unklar ist auch, warum Kühnen für
Hamburg einen Gauleiter neben Frühauf ernannt haben soll.
Am 25. Mai 1981 schrieb Kühnen an Enk: „Habe Michael Frühauf [am 20. Mai] einiges über
politische Aktivitäten gesagt…haltet ein paar Kameraden zusammen und denkt an den
'Freizeitverein Hansa'“(27).
In den Notizen der Überwachungsbeamten heißt es über das Gespräch, Frühauf habe Grüße
von Alexander Brandt ausgerichtet. „Damit konnte…Kühnen nichts anfangen. Er wußte nicht,
daß…Frühauf sich dieses Namens bediente…Frühauf erklärte…Kühnen, man müsse sich von
Leuten wie Bügner und S. distanzieren. Der erste sei 'schwul' und der zweite ein
'Kinderficker'. Beide gehörten nicht in ihre Reihen und müßten raus, einfach weg. Weiter
meinte…Frühauf, Alexander Brandt werde sich um die besprochene Sache wie um Bügner
und S… kümmern…Kühnen gab den Rat, man müsse sich davor hüten, daß V-Leute in die
ANS eingeschleust würden. Befehle, Befugnisse oder Vollmachten gab…Kühnen bei diesem
Besuch nicht heraus…“ Sind diese Notizen korrekt, hat Kühnen keinen Mordbefehl erteilt.
2. „Info 2“ beruht inhaltlich auf der „Info 1“ des Michael Buchmann vom 6. März. Ihren
Entwurf hatte Frühauf am 11. Mai Enk zum Lesen gegeben. Die Reinschrift fertigte Frühauf
am 19. Mai auf der Schreibmaschine seiner Mutter an. Nach Celle fuhren er und Enk erst
einen Tag später. Somit existiert kein originärer Zusammenhang zwischen dem Besuch
Frühaufs bei Kühnen am 20. Mai und dem Erscheinen der „Info 2“ Einen Tag später.
3. Eine straffe Organisation aufzubauen, ist nicht gleichbedeutend mit einem Mordbefehl.
Die Welt vom 1. Juni 1981 druckte die dpa-Meldung ab, wonach Enk behauptete, „er habe
einen Auftrag ausgeführt, gegen 'Homosexuelle, Perverse und Verräter scharf vorzugehen'“.
Diese Wortwahl entspricht Frühaufs Äußerungen und Polemiken.
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Um den 27. Mai drohte Frühauf, er werde Kühnen informieren, falls Enk die Befehle des
Sicherheitsdienstes der ANS (der ja nur in Frühaufs Phantasie existierte) nicht ausführe. Bei
Kühnen aber wollte Enk nicht in Ungnade fallen (28).
Detlef Grumbach fasste 1991 folgendermaßen zusammen (29): „Welche Rolle Kühnen
spielte, wurde nie geklärt. Vieles spricht dafür, daß er aus dem Knast heraus im Gespräch mit
Frühauf den Befehl gegeben hat. Er selbst hat dies stets geleugnet und dem V-Mann die
Schuld gegeben“, mit dem Frühauf einen Tag vor dem Mord Kontakt gehabt hatte (30).
Letzteres hält auch M. Bernhardt (31) für möglich und Kühnens Mitstreiter Thomas Brehl
(32) und so mancher Beobachter des Prozesses gegen die Täter (33).
Solange Kühnen die ANS führte, hatte es keine homophoben Aktionen gegeben. Warum
sollte er diese aus der Strafanstalt gefordert und darüber hinaus die Ermordung eines
Homosexuellen befohlen haben? Und ist Kühnen zuzutrauen, dass er die Durchführung einer
derart wichtigen Entscheidung Dilettanten überlassen hätte? Ich halte deswegen Kühnens
Äußerung im Interview mit dem Allgemeinen Deutschen Sonntagsblatt vom 14. Februar 1982
für sachlich richtig: „Ich bin…davon überzeugt, daß in den Reihen der ANS so etwas wie der
Fall Bügner nie passiert wäre, wenn ich selber oder wenn Christian Worch weiterhin die
Kontrolle über die Truppe gehabt hätte und die Jungs sich nicht selber überlassen worden
wären“.
Der Mord an Bügner war auf holsteinischem Gebiet verübt, die Täter sind am 29. Mai in
Hamburg festgenommen und dort am 30. Mai nach Ausstellung des Haftbefehls in
Untersuchungshaft genommen worden.
Nachdem zunächst die Generalbundesanwaltschaft das Verfahren wegen Verdachts eines
Vergehens nach § 129a StGB (Bildung einer terroristischen Vereinigung) an sich gezogen
hatte, stellte sie es am 23.7. ein und überwies die Akten zuständigkeitshalber der
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck (34). Deren Anklageschrift gegen Enk,
Frühauf, Wegner sowie O. und T. König trägt das Datum 21. Dezember 1981 (35).
Der Prozess gegen die fünf Angeklagten fand vor der Großen Strafkammer als Jugendkammer
des Landgerichts Lübeck am 19., 20, 27., 29. April, 4., 6., 11., 13., 18., 25. (Plädoyer der
Staatsanwaltschaft) und 27. Mai statt und schloss mit der Urteilsverkündung am 3. Juni 1982:
Enk und Frühauf erhielten wegen gemeinschaftlichen Mordes eine lebenslängliche
Freiheitsstrafe; die drei übrigen Angeklagten kamen mit geringen zeitlichen Strafen davon
(36).
Während Enk das Urteil akzeptierte, fühlte sich Frühauf zu Unrecht verurteilt. Jahrelang
bemühte er sich um die Aufhebung der Freiheitsstrafe (37). Er bestritt vehement mit seiner
„Internen Information 2“ und der Hetze gegen Homosexuelle Enk zur Tat angestiftet zu
haben. Frühauf sah sich als Opfer von Falschaussagen Enks und fühlte sich vom Hamburger
Staatsschutz, in dessen Diensten er sich wähnte, im Stich gelassen.
Mit seinen Enthüllungen während des Prozesses, mit dem Verfassungsschutz
zusammengearbeitet zu haben (38), hatte sich Frühauf zwischen alle Stühle gesetzt: Der
Staatsschutz dachte nicht daran, für ihn die Kastanien aus dem Feuer zu holen, und die
Rechtsextremisten sahen in ihm einen Verräter und distanzierten sich von ihm. Zu einer
Auseinandersetzung über die ideologischen Ursachen des Homosexuellenmordes kam es in
dieser Szene nicht: Der Kühnen-Flügel zeigte sich betroffen und sandte ein
Kondolenzschreiben an die Eltern des ermordeten Johannes Bügner, die in Bärenbach, in der
Nähe von Simmern im Hunsrück lebten.
Enk betrachtete Frühauf als Verräter, den er in den Justizvollzugsanstalten bedrohte und mit
Hilfe anderer Gefangener schikanierte; auch scheint es Morddrohungen von seiner Seite
gegeben zu haben (39).
8
Betrachtet man Enk, dem Homosexuelle letzten Endes gleichgültig waren, der aber Verräter
hasste, und den durch und durch homophoben Frühauf, so fällt einem die Rede Himmlers in
Posen ein, in der er vom Anständigbleiben angesichts Tausender getöteter Menschen sprach.
Enk wäre nach Himmlers Geschmack gewesen – und auch Frühaufs Vater, der freilich als
Alkoholiker endete – aber sicher nicht Michael Frühauf, der den getöteten Homosexuellen
nicht ertrug und seinen Tatanteil nicht wahrhaben wollte. Für ihn war die Hetze gegen
Schwule und Verräter eine Art Indianerspiel, nur dass am Ende ein Toter am Marterpfahl
hing.
Das Urteil gegen Frühauf hatte im Revisions- und im Wiederaufnahmeverfahren Bestand.
Dennoch sind kritische Fragen an das Gericht zu stellen: Andreas Proksa schrieb am 19. Juni
1982 unter der Überschrift Gefahren durch „gesteuerte Spinner“ – Besorgte Bürger fragen:
Gibt es Polit-Kriminalität als Folge einer amtlichen Unterweisung? „Während der
Verhandlung…verteidigte sich Frühauf mit dem Hinweis, sein Kontaktmann zum
Verfassungsschutz habe ihm, wenn er bei Straftaten bloß inaktiv dabei sei, Straffreiheit
zugesichert. Die lebenslange Freiheitsstrafe ersparte ihm diese Einlassung nicht. Andererseits
ließ das Gericht zwei nahe liegende Fragen ungeklärt: warum nämlich ausgerechnet der VMann dem Täter Enk laut dessen Aussage den Mordbefehl gegeben hat, und ob nicht dies und
Frühaufs Hinweis auf die Straffreiheit-Zusicherung möglicherweise Indizien dafür sind, daß
er von der Bluttat schon vorher wußte?“ - Der Hamburger Verfassungsschutz als Initiator des
Mordes an einem Homosexuellen? Leider keine völlig absurde Idee, war doch erst ein Jahr
zuvor nachgewiesen worden, dass Schwule in Hamburg von der Polizei bespitzelt,
fotografiert, durch Einwegspiegel in Toiletten beobachtet und auf Rosa Listen erfasst wurden.
Der Mord an Bügner und der Prozess in Lübeck hatten überregional Aufsehen erregt. Dass er
aber die rechte Szene erschütterte und dass dieser „der Schrecken um den Mord“ tief saß, wie
Thomas Brehl behauptet (40), ist zu bezweifeln, so sehr das auch für Kühnen oder Brehl
gegolten haben mag. Die Kontroverse über das Verhältnis von Rechtsextremismus und
Homosexualität war mit dem Stemwarder Mord und dessen Folgen jedenfalls nicht beendet –
im Gegenteil, sie sollte erst richtig beginnen.
Zunächst aber gelang es Kühnen, die durch den Mord an Bügner und den Lübecker Prozess
verunsicherte ANS zu stabilisieren.
Kühnen hatte man im Dezember 1982 aus der Haft entlassen, obwohl er zu einer weiteren
Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Die vom Gericht verhängte Auflage, zu niemandem
aus dem rechtsextremistischen Bereich Kontakt aufzunehmen, ignorierte er. Innerhalb kurzer
Zeit gelang es ihm, versprengte rechtsextremistische Gruppen am 15. Januar 1983 zur
ANS/NA (Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten) zusammenzuschließen
(41). Ideologisch fühlte er sich Röhm und den Brüdern Strasser verbunden, „die den Aufbau
eines 'sozialistischen revolutionären Großdeutschlands' zu ihrem politischen Ziel erklärten.
Vehement lehnen sie den 'verbürgerlichten Hitlerismus' ab“ (42).
Am 26. Juni 1983 gründeten Kühnen und Brehl im hessischen Langen (der damaligen
„Hauptstadt der Bewegung“) darüber hinaus die AAR (Aktion Ausländerrückführung) (43).
Diese Gruppe wurde nur fünf Monate später zusammen mit der ANS/NA und dem
„Freundeskreis Deutsche Politik“ von Innenminister Zimmermann verboten. Der Vollzug des
Verbots, d. h. die Auflösung der ANS/NA, die zu diesem Zeitpunkt bundesweit über 300
meist jugendliche Mitglieder hatte, erfolgte am 7. Dezember 1983.
Kühnen tauchte in Frankreich unter, wo sich insbesondere der rechtsextremistische und offen
schwul lebende französische Intellektuelle Michel Caignet (*1954) seiner annahm. Caignet
hatte im Pariser Vorort Courbevoie einen Verlag, in dem französisch- und deutschsprachige
neonazistische Schriften erschienen. Außerdem gab er seit 1986 die rechtsnationale
Hochglanz-Schwulenzeitschrift Gaie France Magazine (am 27. Mai 1992 wegen pädophiler
9
Tendenzen verboten) heraus mit Texten zu Kunst und Kultur und – z. T. pornographischen –
hochwertig gedruckten Fotos nackter Knaben und junger Männer.
Am 25. Mai 1984 war Caignet neben Kühnen und Brehl anwesend, als in Madrid das Komitee
Adolf Hitler (KAH) zur Vorbereitung von Feierlichkeiten zu Hitlers 100. Geburtstag
gegründet wurde. Kühnen bezeichnete Caignet als einen „leidenschaftlichen, immer einsatzund opferbereiten Nationalsozialisten“. Ihn hatte er als einzigen Ausländer zum
Ehrenmitglied der ANS ernannt, und ihm war das goldene Ehrenabzeichen der ANS verliehen
worden (44).
Am 8. Oktober 1984 meldete die Tageszeitung (taz), dass Kühnen aus Frankreich
abgeschoben und festgenommen worden sei. Ende Januar 1985 wurde er ein weiteres Mal zu
einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Diese nutzten seine Gegner, um die Macht in
der rechten Szene zu erringen. Dazu bedienten sie sich des seit Mitte 1980 schwelenden
Konfliktes um das Verhältnis von Rechtsextremismus und Homosexualität. Wie Frühauf 1981
mit Attacken gegen Homosexuelle in den eigenen Reihen versucht hatte, seine Position in der
ANS zu stärken, so instrumentalisierte Jürgen Mosler Mitte Juli 1986 die
Homosexuellenfrage für seinen Kampf um die Macht in der von Kühnen als Folgegruppe der
verbotenen ANS/NA gegründete GNF (Gesinnungsgemeinschaft Neue Front) und in der FAP
(Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei), die von Mitgliedern der ANS/NA bzw. GNF
unterwandert wurde und somit als Nachfolgeorganisation der ANS/NA bezeichnet werden
kann (45).
Die von Mosler herbeigeführte Auseinandersetzung um Homosexualität und Homosexuelle in
den eigenen Reihen sollte erhebliche Folgen für die gesamte rechtsextremistische Szene in der
Bundesrepublik Deutschland haben.
Auslöser war ein Interview, das Michel Caignet dem französischen Kulturmagazin Masques
gegeben und in dem er sich zu seiner Homosexualität bekannt hatte. Daraufhin wurde
Caignet, der Vertraute und Weggefährte Kühnens, der diesen während seines Untertauchens
in Frankreich unterstützt hatte, auf Betreiben Moslers am 10. Juli 1986 „von seinen Ämtern
wegen erwiesener Homosexualität, die im Gegensatz zur nationalsozialistischen reinen Lehre
steht“, enthoben (46).
Auf einem Gautreffen der GNF/Landesparteitag der FAP in Grevenbroich am 19. und 20. Juli
1986 und in der polemischen Schrift Der Kampf geht weiter wurde der „Kampf gegen
Homosexuelle innerhalb und außerhalb unserer Reihen“ proklamiert. Kühnens Einspruch aus
dem Gefängnis heraus unter Berufung auf seine Führungsposition in der GNF verhallte
ungehört (47). Mosler bekräftigte seinen Anti-Homosexuellen-Kurs in einem von fast allen
Mitgliedern der Führungsriege der FAP unterzeichneten Manifest, das in der Augustausgabe
der Neuen Front – Publikation des nationalen Widerstands (NFP) erschien. Hierin werden die
Schwulen als „Verräter am Volk“ bezeichnet und ursächlich für Aids verantwortlich gemacht.
Für die Unterzeichner des Manifests ist Homosexualität eine „lebenszerstörende…krankhafte
Abnormität, die es zu bekämpfen gilt, wo immer wir sie finden…Für uns Nationalsozialisten
ist…der Schutz der Volksgesundheit eine besondere Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe,
alles ekelhafte und gefährlich Kranke vom Volk fernzuhalten. Bei Homosexualität handelt es
sich um eine Krankheit…die gesunde Völker auszurotten geeignet ist…Sie ist seelischen
Ursprungs und schwer heilbar“. Ein Schwuler könne „niemals ein treuer Nationalsozialist
sein. Schwule sind Verräter am Volk und damit an uns. Wer sich mit einem Schwulen einlässt
oder ihm die Möglichkeit verschafft, sich in unsere Gesinnungsgemeinschaft einzuschleichen,
macht sich des Verrats schuldig und ist nicht mehr unser Kamerad“. Moslers Position
entspricht derjenigen Himmlers, des Hauptverantwortlichen für die Homosexuellenverfolgung
der NS-Zeit. Übernommen wurde sie in England von dem Skinhead-Musiker Ian Stuart
Donaldson, der sich 1992 folgendermaßen über seinen als Schwulen geouteten Kollegen
Nicky Crane äußerte: „It’s a big shame that he turned out to be a homosexual because he
10
could have been a good nationalist. It just goes to show that nationalism and homosexuality
do not fit in together, because nationalism is a true cause and homosexuality is a perversion.
Nicky Crane left, and I think that it was the best thing he could have done, but he should have
left a hell of a lot earlier” (48). Wie tief der Hass gegen den an Aids gestorbenen Nicky Crane
war, belegt der Zusatz des Club 28 zu Marko Niilo Kristian Järvinens Würdigung des
Skinhead – Musikers Ian Stuart Donaldsson: „Bottomboy Crane died of an aids related
disease in december 1993. Rot in peace“. Dies entspricht der taz-Schlagzeile „Neonazi
Kühnen leider kein AIDS?“ (49)
Kühnen nahm den Fehdehandschuh auf: er verließ aus Protest gegen Moslers homophobe
politische Linie die GNF und verbot die Nutzung seines Namens in der GNF und deren
Publikationen. Dies geschah am 4. August 1986, doch sollte der Austritt erst später öffentlich
gemacht werden, um der neuen Führung Gelegenheit zu geben, „die notwendigen
Konsequenzen und Änderungen durchzuführen“, d. h. die homophobe Erklärung vom 19. Juli
zurückzunehmen.
Der Aufschub sollte bis zum 1. September gelten, doch berichtete die taz in ihrer Ausgabe
vom 13. Oktober, dass Kühnens Austritt „erst jetzt…bekannt gemacht“ worden sei (50).
Mosler war nicht bereit gewesen, Kühnens Forderungen zu erfüllen, sondern verlangte dessen
Unterwerfung; andererseits misslang es ihm, das gesamte rechte Spektrum hinter sich zu
scharen. Als Kühnen dies erfuhr, machte er seinen Austritt rückgängig und gründete aus der
JVA heraus die „Neue Front Widerstand“ als rechtmäßige Nachfolgeorganisation der ANS.
„Was Nationalsozialismus wirklich ist, wissen wir besser als die Moralinquisition“. Im
Oktoberheft (Nr. 36) der Neuen Front W heißt es dann auch: „Hände weg von Michael
Kühnen“ und „Verleumder am Werk – doch: Unsere Ehre heißt Treue zu Michael Kühnen“
(51).
Durch den von Mosler im Sommer 1986 ausgelösten Homosexuellenstreit spalteten sich FAP,
FAP - Frauenschaft, NF (Neue Front), DFF (Deutsche Frauen Front) in einen antischwulen
und einen Schwule tolerierenden Flügel um Kühnen (52). Tolerieren aber bedeutete nicht
Akzeptanz: Kühnen und seine Anhänger traten zwar für die strikte Trennung von Privatsphäre
und öffentlicher Betätigung ein – oder mit Worchs Argumentation (in seiner
Loyalitätserklärung unter dem Titel Die Farbe der Treue): die sexuelle Orientierung seiner
Mitstreiter interessiere ihn genau so wenig wie die Frage, ob sie Vegetarier oder Fleischesser
seien (53). Aber sie erwarteten von den schwulen Kameraden auch, dass sie ihre
Homosexualität nicht öffentlich werden ließen, d. h. dass man sie verheimlichte. Dies führte
dazu, dass führende Personen des Kühnen-Flügels sich nicht über ihre Sexualität äußerten
oder dass sie eine homosexuelle Veranlagung bestritten. Dies gilt insbesondere auch für
Kühnen und Brehl, denen von unterschiedlicher Seite unterstellt wurde, homosexuell zu sein.
Nachdem Kühnen sowohl am 10. als auch am 13. Oktober 1986 in der taz als schwul
bezeichnet worden war und der von Klaus Wolschner gewählte Untertitel am 13. Oktober
Neo-Nazi-Führer bekennt sich zur Homosexualität gelautet hatte, richtete Michael Kühnen
aus der JVA Butzbach einen Leserbrief an diese Zeitung, der am 24. 10. abgedruckt wurde.
Kühnen akzeptiert Wolschners Artikel weitgehend, stellte dann aber klar: „Falsch ist die im
Untertitel des Artikels aufgestellte Behauptung, ich hätte mich persönlich zur Homosexualität
bekannt. Meine Haltung ist in all den Jahren meiner politischen Arbeit stets gewesen und
bleibt es, daß ausschließlich Haltung und Leistung im Kampf zählen und nichts anderes –
schon gar keine privaten Bettgeschichten. Das nehme ich aus grundsätzlichen Erwägungen
auch für mich in Anspruch“ (54). In der rechtsextremistischen Szene der Bundesrepublik
Deutschland hat es kein Coming Out einer Führungsperson vergleichbar Russel Veh, Michel
Caignet, Nicky Crane oder dem großen Vorbild des Kühnen-Flügels – Ernst Röhm – gegeben.
11
Moslers Kampfansage beantwortete Kühnen mit einer 66 Seiten umfassenden Schrift unter
dem Titel Nationalsozialismus und Homosexualität. Kühnen vertritt darin die Ansicht, dass
Homosexualität und Nationalsozialismus nicht nur vereinbar, sondern dass Schwule für
Führungsaufgaben besonders geeignet und damit geradezu unerlässlich für den politischen
Kampf seien. Kühnens Schlussfolgerung lautet: „Homosexualität ist eine natürliche Erbanlage
und von der Natur aus dazu bestimmt, es einer kleinen Anzahl von Männern zu ermöglichen,
sich völlig unbeeinflusst von persönlichen Interessen ganz der kulturellen Entwicklung und
dem Dienst der Gemeinschaft zu widmen“. Aber diese positive Sicht gilt nur für den betont
männlichen Schwulen als Teil der rechten Bewegung. Anders beurteilt Kühnen die
„weiblichen, perversen und unmännlichen Homosexuellen“. Diese seien Ausdruck jener
Pervertierung…, mit der die europäische Dekadenz die homosexuelle Veranlagung zu
infizieren versucht und zu einem Teil der allgemeinen Kulturzerstörung gemacht hat…Jene
Homosexuellen können selbstverständlich so wenig zu uns gehören, wie alle anderen
extremen Ausprägungen unseres Zerfallzeitalters“ (55).
Gewidmet hat Kühnen seinen Essay Johannes Bügner mit den Worten: „Ich widme diese
Schrift dem Blutzeugen unserer Bewegung Johannes Bügner“. Damit griff Kühnen bewusst
auf die Ereignisse des Himmelfahrtstages 1981 in Hamburg und Stemwarde zurück.
Vielleicht hatte er damit auch andeuten wollen, dass Moslers politisches Denken unweigerlich
zur Ermordung weiterer Homosexueller führen werde.
Wann Kühnen seinen Essay verfasst hat, ist unklar. In Frage kämen:
1. Die Monate nach dem Mord an Bügner oder die Zeit während des Prozesses gegen Bügners
Mörder. Hierfür könnte der Widmungstext sprechen.
2. Die Wochen nach Moslers Manifest. Allerdings nimmt Kühnen nirgends darauf Bezug.
3. Die Zeit des französischen Exils.
Da Kühnen in den ersten beiden Fällen seine Studie während der Haft hätte schreiben müssen,
ist Letzteres am wahrscheinlichsten, weil Kühnen im französischen Exil Zeit und Zugang zur
Literatur für die Arbeit an der umfangreichen Schrift hatte und weil Michel Caignet Druck
und Vertrieb der Broschüre übernahm.
Erschienen ist die Schrift viele Wochen nach Moslers Kampfansage. Doch ist auch in diesem
Fall der Zeitpunkt unklar: Am 10. September 1986 veröffentlichte Michel Caignet in der
Zeitschrift Neue Zeit eine Erklärung, in der es heißt: „Man könnte einfach nicht begreifen, daß
ich gleichzeitig Nationalsozialist und schwul bin. Bei manchen Kameraden herrscht sittlich
die Meinung, daß man als Nationalsozialist nicht schwul sein darf und als Schwuler
obligatorisch gegen das eigene Volk und seine Interessen aktiv sein muß“. Und Caignet fährt
dann fort: „Zuletzt möchte ich aber allen Kameraden eine Schrift zukommen lassen, die in
meinen Augen das Thema der Homosexualität von einem nationalsozialistischen Standpunkt
aus sachlich behandelt. Auch kommt der Autor, unser Kamerad Michael Kühnen, zu dem
Schluß, daß Nationalsozialismus und Homosexualität vereinbar sind. Für mich ist diese
wissenschaftliche Analyse selbstverständlich viel mehr wert, als die Übernahme fremder
Dogmen von Seiten einiger Kameraden und der Bezug auf die griechische und römische
Antike lieber als die Übernahme biblischer Predigten, die über den verhängnisvollen Einfluß
der Kirche bis ins Dritte Reich gedrungen sind“ (56). Daraus lässt sich schließen, dass die
Broschüre zu diesem Zeitpunkt oder etwas später versandt worden sein muss, denn am 10.
Oktober meldete die taz, die ein eigentümlich starkes Interesse für Kühnen an den Tag legte:
„Aus der Haftanstalt Bruchsal heraus veranlasste Kühnen jetzt den Druck einer schon vor
einiger Zeit von ihm geschriebenen Broschüre 'Nationalsozialismus und Homosexualität'…“.
Und drei Tage später berichtet Klaus Wolschner in einem 6-Spalten-Artikel in der taz, dass
Kühnens Austrittserklärung vom 4. August „erst jetzt…bekannt gemacht [worden sei]. Ein
anderer schwuler Neonazi –Michel Caignet…verschickt gleichzeitig Kühnens gründliche
Auseinandersetzung mit dem Problem 'Nationalsozialismus und Homosexualität'“ (57).
12
Kühnens Essay ist häufig als Bekenntnisschrift und als sein Coming out bezeichnet worden.
Dies wurde sowohl von Kühnen als auch von Brehl und Worch energisch bestritten. Kühnen
betonte, dass im Kampf Haltung und Leistung zählten – und sonst nichts, „schon gar keine
Bettgeschichten…Nachdem im Zusammenhang mit dem Thema Homosexualität diese
Haltung verworfen wurde, habe ich die…Broschüre publizieren lassen, um das Problem auch
weltanschaulich zu untersuchen und Vorurteile abzubauen, die weltanschaulich unsinnig und
organisatorisch schädlich sind. Mit persönlichen Bekenntnissen hat das nichts zu tun“ (58).
Kühnens Broschüre Nationalsozialismus und Homosexualität ist Voraussetzung für die
Polemik Anmerkungen zu Michael Kühnen: Nationalsozialismus und Homosexualität,
erschienen in Rotterdam, doch kann es sich bei der Ortsangabe auch um eine Mystifizierung
handeln. Der Verfasser gibt sich nicht zu erkennen. Wiederholt und zugespitzt wird in dieser
Schrift die Position der Mosler-Fraktion: Man sah die „Bewegung“ am Scheideweg und
schlussfolgerte, es sei nun an jedem, seine Wahl zu treffen. „Entweder zusammen mit
Homosexuellen und anderen Schiefgewickelten an der Hochkultur- und Dekadenzschraube
drehen – oder mit den Letzten, 'auf die der Herr [vermutlich Hitler] gesehen hat', in aller
Frische Sümpfe anlegen! Denn es wird hohe Zeit!“ (59)
Der Homosexuellenstreit des Jahres 1986 verschärfte sich, und die Spaltung der
rechtsextremistischen Szene vertiefte sich, als Ende September 1987 durchsickerte, dass
Kühnen HIV-positiv sei. Für seine Gegner in der rechtsradikalen Bewegung ein gefundenes
Fressen, für seine Freunde eine schwierige Situation mit Erklärungsbedarf.
„Wir wissen: Er hat sich angesteckt, er ist HIV-positiv“, heißt es in einem Interview mit
Kühnen, das der Stern am 24. September 1987 veröffentlichte. Darin versuchen die
Journalisten Kromschröder und Poelchau, den inhaftierten Michael Kühnen als auf der ganzen
Linie – politisch und menschlich – Gescheiterten darzustellen: „…Sie haben doch
Berufsverbot in ihren eigenen Reihen. Man hat sie praktisch geschlachtet in der Tradition der
NS-Bewegung, als Schwulen nämlich. Oder, wie es Ihre in der FAP Hannover
untergekrochenen ehemaligen Gefolgsleute…in einem Aufkleber formulierten: 'Schwule –
nein danke!'“. Nun habe man „auch seinen Stellvertreter Thomas Brehl als 'stockschwul'
ausgeschlossen“. Der Mord an Bügner habe gerade nicht die „heilsame Schockreaktion
ausgelöst“, wie Kühnen meine, sondern eine „große Schwulenhatz“.
Kühne antwortete gelassen: Er habe gehofft, dass man aus „dieser Tragödie“ gelernt hätte.
„Aber offensichtlich muß man manche Lektionen ständig wiederholen“ – eine Bemerkung,
die besondere Aktualität und Relevanz erhalten hatte durch die Ermordung des jungen
Hannoveraner Skinheads und FAP-Mitglieds Gerd-Roger Bornemann am 3. Februar 1987,
nachdem er zuvor von dem Kameradschaftsführer Jörg-Gabriel (=Hein) Kiem in Gegenwart
des FAP-Gruppenführers Siegfried Müller vergewaltigt worden war (60) – beide im übrigen
Gegner Kühnens und Anhänger Moslers.
Kühnens Schlussfolgerung in dem Stern-Interview lautete: „Die Leute, die mich stürzen
wollten, haben die Sache doch nur zum Vorwand genommen, um in einer emotional
aufgeheizten Atmosphäre einen politischen Machtkampf zu führen“.
Und dieser Machtkampf war durchaus nicht zu Ungunsten Kühnens entschieden, wie sich
nach seiner Haftentlassung am 2. März 1988 zeigen sollte.
Weniger souverän reagierte Kühnen auf die Konfrontation mit seiner HIV-Infektion:
Einerseits blieb er seiner Linie treu, sich nicht zu seinem Privat- und Sexualleben zu äußern,
andererseits drohte er, mit „allen juristischen Mitteln“ gegen beide Journalisten vorgehen zu
wollen, weil sie ihn „nach dem Motto, ich sei schwul und HIV-positiv, festzunageln“ suchten.
Unter der Überschrift Neonazi Kühnen leider kein AIDS? geht K. Wolschner am 17. Oktober
1987 auf die Meldung des Sterns vom 24.9. und auf das Dementi von Christian Worch mit
13
dessen Verweis auf die Bestätigung eines negativen Testergebnisses durch den Butzbacher
Gefängnisarzt ein.
Wie dem Stern war auch der tageszeitung vor allem die Sensation der HIV-Infektion Kühnens
wichtig, die im übrigen in der taz flugs zu Aids mutierte, obwohl es in Wolschners Artikel um
etwas ganz anderes geht – nämlich um den Homosexuellenstreit im rechtsextremistischen
Lager und um die Vorstellung einer homophoben Anti-Kühnen-Broschüre des
Rechtsextremisten Ernst Tag, deren Anhang eine Rechtfertigung von Hitlers Vorgehen gegen
Röhm ist. Und so lautet auch der Untertitel des taz-Artikels: „'Spaltung' der Neonazi-Szene
wenige Monate vor der Haftentlassung Michael Kühnens / Anhänger bestreiten seine AIDSInfektion, bestätigen aber Homosexualität / Kühnen-Gegner: Homosexuelle haben 'kein
Existenzrecht''. Dass Kühnens Anhänger keinesfalls dessen Homosexualität bestätigt haben,
sondern diese Behauptung nur auf Wolschners Interpretation der Kühnen-Schrift
Nationalsozialismus und Homosexualität als Bekenntnisschrift beruht, sei nur am Rande
vermerkt. Während bis heute bestritten wird, dass Kühnen homosexuell gewesen sei, bestehen
an seiner HIV-Infektion und an seinem Tod an den Folgen von AIDS auch im kühnentreuen
Lager keine Zweifel. Zurückgeführt wird diese Infektion freilich nicht auf sexuelle Kontakte
welcher Art auch immer, sondern auf die bewusste Infizierung Kühnens – vermutlich
während seiner Haftzeit – durch Institutionen wie CIA oder Verfassungsschutz.
In einem Interview mit Christa Ritter, das im Februar 1989 in der Zeitschrift Tempo erschien,
äußerte sich Kühnen folgendermaßen zu der Krankheit, die er in sich trug und an der er 2½
Jahre später sterben sollte: „Bei Aids…macht mich die Propaganda gegen die Promiskuität
misstrauisch. Bisher ist Aids eine kleine Seuche. Ich verstehe das hysterische Geschrei nicht.
Wahrscheinlich steckt ein handfestes Interesse dahinter: Leute wie Gauweiler wollen die
verlorenen Schafe mit Flammentod und Peitsche in die Schranken der Bürgerlichkeit
zurücktreiben. Das ist eine mittelalterliche Moral, die unserem Lebensgefühl widerspricht.
Der Nationalsozialismus ist Lebensfreude, nicht Lebensfeindlichkeit. Homosexualität hat es
immer und überall gegeben. Warum sollte sie der christliche Gott auf einmal durch eine
Seuche bekämpfen?“
Trotz vermuteter Homosexualität und zunehmender Sichtbarkeit seiner Erkrankung – Kühnen
war im rechtsextremistischen Milieu politisch nicht erledigt. Nach seiner Haftentlassung am
2. März 1988 agitierte er bundesweit und seit dem Mauerfall deutschlandweit.
Nach zahlreichen von Christian Worch (FAP) und Günter Deckert (Hilfsgemeinschaft
Nationaler Gefangener – HNG) initiierten Gesprächen zwischen 1986 und 1988 gelang es
dem Hamburger Rechtsanwalt Rieger am 8. Januar 1989, eine Gemeinsame Erklärung
zwischen dem Kühnen- und dem Mosler-Flügel zu erreichen, die den Homosexuellenstreit
scheinbar beilegte (61). Moslers Kommentar zu dieser „Einigung“: „Unsere Ideologie bleibt
unerschütterlich – sie steht für ein sauberes deutsches Volk! Und sie steht gegen ein
überfremdetes und entartetes Volk. Entartung gilt es mit allen Mitteln zu bekämpfen…Schluß
mit den Punkerhaarschnitten, Schluß mit dem modischen Firlefanz mit Ohrringen bei
Männern“ (62).
Aber Mosler zog sich ins Privatleben zurück. Kühnen schien sich durchgesetzt zu haben, doch
war der Konflikt, ob Homosexualität und Rechtsextremismus vereinbar seien, nicht beigelegt,
sondern unter den Teppich gekehrt (63). Hartmann ist Recht zu geben, wenn er schreibt:
„Über Homosexualität wird nicht mehr diskutiert. Intern hat sich der Druck auf Schwule
hingegen eher verstärkt“ und „bei der Frage der Befürwortung oder Ablehnung der
Homosexualität scheiden sich bei den Rechtsradikalen die Geister“ (64). Dies sollte Kühnen
nach dem Mauerfall erfahren. Nachdem er in der ehemaligen DDR zunächst erheblichen
Zulauf verbuchen konnte, distanzierten sich in der DDR sozialisierte Rechtsextreme bald von
ihm, weil sie nicht länger von Ostberliner Hooligans, die das Nazi-Zentrum in der
14
Lichtenberger Weitlingstraße als „Tuntenhaus“ bezeichneten, mit Homosexuellen in
Verbindung gebracht werden wollten (65).
Wenn sich auch die Hamburger FAP im Homosexuellenstreit hinter Mosler gestellt hatte (66),
ließ Lothar Wrobel keinen Zweifel daran, dass er auf Kühnens Seite stand, hatte er 1981 doch
schon Frühauf wegen dessen schwulenfeindlicher Haltung Hausverbot erteilt.
Dietrich Kuhlbrodts Einschätzung aus dem Jahr 1991 (67): „einigermaßen betreten registrierte
Hamburgs schwule Szene, daß der Neonazi Kühnen einer der ihren war. Unter seiner Ägide
mutierte das Stammlokal der Rechtsradikalen, die 'Endstation', zur Schwulenkneipe 'Can
Can'“, ist eher seiner journalistischen Formulierungskunst als der Realität geschuldet.
Einerseits bleibt festzuhalten, dass das „Can Can“ im vorderen Teil eine Stricherkneipe war,
deren Besucher (Freier, Strichjungen, zufällige Gäste) über die rechtsextreme Gesinnung des
Inhabers und über den Neonazi-Treffpunkt im hinteren, abgeschlossenen Teil des Lokals
nicht informiert waren bzw. darüber nicht Bescheid gewusst haben mussten. Andererseits
scheint die rechtsextremistische schwule Szene in Hamburg nur von wenigen Interessenten
und deren eingefleischten Gegnern wahrgenommen worden zu sein. Denn Erkundungen in
den Jahren 2009 bis 2011 ergaben, dass kaum jemand wusste, dass es in St. Georg ein
Verkehrslokal rechtsextremistischer Schwuler gegeben habe. Selbst Alt-Hamburger
Szenegänger, die in den 1930er bis 1950er Jahren geboren waren, hielten meine
Nachforschungen für abstrus oder absurd – von „so’ was“ hatten sie noch nie gehört.
Am 2. März 1988 wurde Kühnen aus der JVA Butzbach entlassen; am 3. April trafen er und
Brehl in Hamburg ein. Brehl schreibt in seiner Autobiographie (68): „Kühnens Weg führte
ihn zunächst zu einem seiner ältesten Mitstreiter, der auf St. Georg eine Kneipe betrieb und
dort als 'Nazi-Lothar' weithin bekannt war. Lothar Wrobel war in jungen Jahren bereits
Mitglied der Wiking-Jugend gewesen, später war er Aktivist der alten Hamburger ANS, die
aus dem 'SA-Sturm-8.-Mai' hervorgegangen war. Vor seiner alten Pinte, 'Endstation', hatte
seinerzeit die berühmte 'Eselsmaskenaktion' ihren Anfang genommen. In dem bereits von den
negativen Folgen der Multikultur gezeichneten Problemviertel Hamburg-St.-Georg, bildete
Lothars Kneipe einen regelrechten Kontrapunkt zu all den üblen Kaschemmen mit
ausländischen Rauschgiftdealern [,] und so wundert es wenig, daß Lothar trotz seiner
Gesinnung auch in Polizeikreisen eine gewisse Achtung und Sympathie erfuhr“.
Kühnen und Brehl sind im alten, dem ursprünglichen „Can Can“ gewesen, das in der ersten
Ausgabe von Hamburg von hinten (1982) folgendermaßen vorgestellt wird: „Can Can. (1)
Spadenteich 5. Tel. 246051. Nähe Hbf. Geöffnet von 10-4 Uhr.
Wochenende durchgehend. Bier 0,3 ltr. ab DM 2,50. Apollinaris 0,25 ltr. DM 2,50. StricherKneipe in der Nähe des Hauptbahnhofes (2 min.) Station auf dem Rundlauf
Hbf./Götterstuben/Lonely Boy. Belegte Brote und kleine Speisen von DM 2,50 bis 4,50“ (69).
Als Adresse des „Can Can“ wird an anderer Stelle Spadenteich 1 angegeben.
Eine ausführliche Schilderung des „Can Can“ enthält Paul Mahnkes Artikel Ideologischer
Eiertanz – Homosexuelle Neonazis rücken sich das extreme Weltbild zurecht, erschienen in
der Wochenpost am 1. April 1993: „Die Kellerbar 'Can Can' in Hamburg – St. Georg ist eine
Anhäufung von Geschmacklosigkeiten. Hamburg-Nippes neben Plastikblumen, dazwischen –
lange noch nach Aschermittwoch – Tannengrün mit Christbaumkugeln. Den verbleibenden
Platz füllen verschiedene Flaggen, vergilbte Girlanden und ein ausgestopftes Krokodil. Es ist
ungewöhnlich hässlich für eine Schwulenkneipe. Ungewöhnlich auch das Publikum der Bar.
Das 'Can Can' ist Treffpunkt homosexueller Neonazis. Hinter der Theke heften Aufkleber
rechtsextremer Parteien, darüber prangt eine große Plakette mit Stahlhelm und Reichsadler.
Wenn der Kellner in Stimmung ist, zeigt er das Waffenarsenal: einen Morgenstern…und eine
15
Gaspistole. Unter dem Tresen liegt ein 'Schweinetreiber', der starke Elektroschocks
verteilt…Homosexuell und rechtsextrem, eine merkwürdige Mischung…Lothar Wrobel, Wirt
des 'Can Can' [,] macht aus seiner Homosexualität keinen Hehl. Aber auch nicht aus seiner
rechten Gesinnung. Der bieder gekleidete Mann flaniert gern mit Hakenkreuz - Anstecker
durch St. Georg. Hitlers Geburtstag am 20. April macht er in seiner Kneipe zum Feiertag…In
[folgender]Weise wird man in Wrobels Wohnung [(70)] empfangen, erzählt ein Strichjunge:
'Wenn du in die Tür kommst, steht da so eine große Puppe in SS-Uniform. Die macht den
Hitlergruß. Wenn du dann weitergehst, siehst du massenweise Militärzeugs'.
Der Kneipier, in der Schwulen-Szene nur als 'Nazi-Lothar' bekannt, war ein enger Freund von
Michael Kühnen…Im 'Can Can' und in Wrobels Vorgängerkneipe 'Endstation' war Kühnen
Stammgast. Hier rekrutierte er Nachwuchs für die ANS. In einer Schwulengruppe, die sich
lange mit den Nazi-Umtrieben im 'Can Can' beschäftigte, weiß man, daß Kühnen nach seiner
letzten Haftentlassung bei Wrobel gewohnt hat und daß 'Nazi-Lothar' zu Kühnens Beerdigung
nach Kassel gefahren ist. Dennoch will sich Wrobel in der Öffentlichkeit nicht zu seiner
Gesinnung äußern. 'Passen Sie auf, daß man Ihnen nicht den Hals umdreht!' drohte Wrobel
auf eine 'Wochenpost' - Anfrage, wie er Homosexualität und Nationalsozialismus unter einen
Hut bekommt“. Und weiter heißt es: „Seit Michael Kühnen vor zwei Jahren starb, ist es um
seine Hamburger Lieblingskneipe 'Can Can' stiller geworden. Lothar Wrobel klopft zwar
weiterhin nazistische Sprüche, wird aber von weiten Teilen der Schwulenszene
gemieden…Die Zahl der Besucher in der früheren Stricherbar 'Can Can' hat in letzter Zeit so
sehr abgenommen, daß sogar die Strichjungen ausbleiben…“.
Der aufmerksame Leser oder Zuhörer wird gemerkt haben, dass an diesem Text – abgesehen
von der Vermengung der Beschreibung des Lokals mit derjenigen der Wohnung Lothar
Wrobels – etwas nicht stimmt: Die Rede ist von einem Kellerlokal – und das ist das „Can
Can“ am Spadenteich nicht gewesen. Ob Kühnen je in dem beschriebenen Lokal war, ist
unklar. Was Mahnke beschreibt, hat mit der ehemaligen „Endstation“, die in „Can Can“
umbenannt worden war, nichts zu tun, sondern ist ein neues Lokal an neuem Ort mit altem
Namen und altem Inhaber. Hamburg von hinten (Ausgabe 1993/94) nennt als Adresse
Danziger Straße 63 (71) und gibt an: „Die Einrichtung ist so eigenwillig wie Chef Lothar (hier
seit 1988) [(72)]: Flaggen hängen quer über die Straße, helle Wände, viele Blumen, Obst- und
Karnevalgirlanden, braune Theke, Sitzecken und ein Straßengarten. Publikum ist etwas
gemischt. Hier unterhält man sich, viele Freundespaare, keine Aufreissatmosphäre.
Gelegentlich gemeinsame Busfahrten, z. B. nach Sylt“.
Es ist schon interessant: Sooft Hamburg von hinten das „Can Can“ auch nennt, über den
ideologischen Hintergrund des Lokals hüllt sich das schwule Adressbuch in Schweigen.
Dabei fanden im „Can Can“ allem Anschein nach Jahr für Jahr Feiern zu Hitlers Geburtstag
statt. Belegt ist dies für den 100. Geburtstag am 20. April 1989. Detlef Grumbach: „An
'Führers' 100. Geburtstag 1989 fand in der Schwulenkneipe 'Can Can' eine Feier statt, und
noch heute steht dort mit Lothar ein 'ganz altgedienter Kamerad' hinter’m Tresen, der
angeblich 'noch aus dem Führerhauptquartier' kommt“ (73).
Inzwischen ist das „Can Can“ Geschichte (74). Heute befindet sich in seinen Räumen das
„Bellini“. Geschichte ist auch Nazi-Lothar. Und Geschichte ist Michael Kühnen. Nach seinem
Frühjahrsbesuch 1988 in Hamburg scheint er nicht mehr in der Hansestadt gewesen zu sein.
Er starb am 25. April 1991 in einem Krankenhaus in Kassel. Seine Einäscherung fand am 3.
Mai statt, die Beisetzung der Urne erst am 3. Januar 1992.
Kühnens Tod löste ein ansehnliches Medienecho aus (75).
Als zynischer Nachruf aus der rechtsextremen Ecke auf den an AIDS verstorbenen Michael
Kühnen ist der Artikel Der säkularisierte Liebestod von Kaspar Schlich zu verstehen: Für ihn
ist AIDS gleichsam die Quintessenz der Homosexualität: Homosexuelle sind eine
Hochrisikogruppe, sie stellen einen Sumpf dar, den es im Interesse des Volkes trockenzulegen
gelte, was nur bedeuten kann, dass Homosexuelle auszurotten seien (76).
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Letzten Endes ist es diese Sicht auf Homosexualität und Homosexuelle, die in rechtsradikalen
und rechtsextremistischen Gruppierungen nach wie vor vertreten wird (77) und gegen die
auch einflussreiche Rechtsextremisten wie Michael Kühnen und Christian Worch oder
Thomas Brehl und Axel Reitz als Mitglieder des KDS (Kampfbund Deutscher Sozialisten)
mit ihren Internetartikeln Weg mit der Schwulenkeule und vergleichbaren Äußerungen wenig
oder nichts auszurichten vermochten (78).
Im Dezember 1971 gründete der Berliner Wachmann Jürgen Neumann (*1945) die
„Deutsche Homophile Organisation“ (DHO), die scharf gegen die linken Gruppen der neuen
Schwulenbewegung polemisierte (79).
Neumann war stellvertretender Kreisvorsitzender des Berliner Landesverbandes der NPD,
kehrte aber seiner Partei den Rücken wegen deren Haltung zu Homosexualität und
Homosexuellen. So habe ihm der damalige Parteivorsitzende Adolf von Thadden (1921-1996)
während einer Autofahrt gesagt: „Wenn wir an die Macht kommen, wird es das Problem der
Homosexualität nicht mehr geben“ (80).
Am 19.3.1972 organisierte Neumann „als einer der ersten, wenn nicht gar als erster in
Deutschland, eine öffentliche Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Berlin - Plötzensee
'zum Gedenken an die Homophilen, die während des NS-Regimes im KZ umkamen' – so der
Text auf der Kranzschleife“ (81).
Dennoch: Neumann vertrat nach wie vor rechtsradikale Positionen. Dies hatte zur Folge, dass
die weit vorangetriebene Zusammenarbeit mit der Hamburger IHWO (der „Internationalen
Homophilen Welt-Organisation“) letzten Endes scheiterte (82).
Heute gehört Neumann wieder der NPD an; 2009 kandidierte er bei den Bundestagswahlen im
niedersächsischen Wahlkreis Hameln-Pyrmont-Holzminden.
Anfang Dezember 1991 wurde in Hamburg ein Flugblatt in Umlauf gebracht, mit dem sich
eine AMG als „Gemeinschaft männlicher Gays“ vorstellte. Nicht geklärt wird, wofür das „A“
steht – ob für „Arbeitsgemeinschaft“ oder für „Aktion“. Ebenso wenig ist eine presserechtlich
verantwortliche Adresse angegeben worden.
Erhalten haben dieses Flugblatt u. a. die Buchhandlung „Männerschwarm“ am Neuen
Pferdemarkt und der „Revolt Shop“ von Michael Hartleben in der Clemens-Schultz-Straße.
Die AMG bezeichnet sich in dem Flugblatt als „zunächst auf Hamburg“ konzentrierte
Geheimgesellschaft und Verteidigungsgemeinschaft gegen homophobe Angriffe. Man wolle
nicht „länger hinnehmen, daß dumme Heteros in Gesellschaft und Politik in irgendeiner
Weise versuchen, ihre Rechte als Staatsbürger weiterhin einzuengen und zu beschneiden“.
AMG lehnt das angeblich vor allem von Linken propagierte Wort „schwul“ ab, weil es aus
der Heterowelt stamme und negativ besetzt sei.
AMG sieht in vielen Frauen Feinde der Gays, weil diese Homosexuelle als Konkurrenten im
Kampf um die Gunst von Männern sähen, missbilligt die Übernahme heterosexueller
Rollenklischees durch Homosexuelle, kann sich nicht mit tuntigem Verhalten anfreunden.
Offen sei AMG „zunächst nur…für deutsche Gays. Gays von AMG haben natürlich nichts
gegen ausländische Gays“.
Von den „männlichen Ausländern insbesondere mohammedanischen Glaubens, die in der
Bundesrepublik ständig leben wollen“, erwartet AMG, „daß sie Gays mit Achtung und
Respekt begegnen. Das Gay-tum hat in Mitteleuropa seit dem Altertum in Gesellschaft und
Politik immer eine große Rolle gespielt“.
Während AMG ein „zwangsweises Outing“ ablehnt, verlangt man, Flagge zu zeigen, z. B. auf
Werbeplakaten mit der Aufschrift „Gay = OK“ oder „Gays – die besseren Männer“.
17
Ein zweites Flugblatt trägt im Briefkopf das Datum 15.12. 1991, am Schluss aber heißt es:
„Hamburg, im März 1992“. Dieses Flugblatt greift auf 1½ von 3 Seiten Rosa von Praunheim
scharf und unter der Gürtellinie an; es kritisiert das von ihm vorgenommene Outing anderer
Männer, bezeichnet ihn als HIV positiv und dennoch promiskuitiv lebend, beschreibt
denunziatorisch dessen Penis, Anusbereich, seine sexuellen Präferenzen und „fordert alle
anständigen Gays auf, Rosa von Praunheim zusammenzuschlagen“.
Im zweiten Teil des Textes greift AMG erneut Übergriffe von Migranten, insbesondere
Türken, gegen Homosexuelle auf und fordert die Abschiebung kriminell gewordener
Ausländer nach deren Abteilung. „Dabei sollten die Gays ganz allgemein darauf dringen, daß
bei Körperverletzung und räuberischer Erpressung bei Tätern unter 21 Jahren nur dann das
Jugendstrafrecht angewandt wird, wenn entsprechende Regelungen in dem Heimatland
gegeben sind“.
Darüber hinaus vertritt AMG die Auffassung, diejenigen Richter, die homophobe kriminelle
Taten zu milde bestrafen, künftighin mit Namensnennung an den Pranger zu stellen. „Das
muß ja nicht in beleidigender Form geschehen“.
Erneut wird das von Linken und 68ern verwendete Wort „schwul“ zur Bezeichnung von
Homosexuellen scharf abgelehnt. Darüber hinaus macht man sich lustig über eine Sendung
von Pink Channel am 28.2.1992 und die darin thematisierte vergebliche Suche nach
Mitgliedern von AMG.
Das Bündnis kein Fußbreit den Faschisten veröffentlichte am 2. Juni 1995 Informationen über
„AMG – Arbeitsgemeinschaft männlicher/maskuliner Gays“: „Nach ihrem ersten Auftreten
im „Nationalen Infotelefon Schleswig-Holstein“ und „in Form eines Flugblattes in Hamburg“
im Jahre 1992 sei sie erst im Sommer 1994 wieder in Erscheinung getreten, nachdem die
„Hamburger Stadtzeitschrift Szene“ (83) sich „in einem Artikel…mit dem Thema
homosexuelle Nazis“ auseinandergesetzt und „sich auf die Hetzschriften 'Homophobe
Ausländer' von AMG“ bezogen hatte. Daraufhin habe die AMG Drohbriefe an die Redaktion
der Szene und an Szene-Abonnenten gesandt. Darin wird der Szene-Artikel als
diskriminierend bezeichnet, da er „mit dem Inhalt unseres Flugblattes nicht übereinstimmt
und uns als Faschos und Nazis verleumdet und insbesondere gegen Schwule hetzt“. Man sei
„durchaus bereit, auch homophobe Inländer in unsere Feindliste aufzunehmen“. Die
Redaktion der Szene habe Anzeige gegen die AMG erstattet; diese werde von dem
rechtsextremistischen Rechtsanwalt Rieger vertreten.
Das Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten vermutete, dass „es sich bei den Mitgliedern von
AMG um Leute aus der schwulen Lederszene in Hamburg handelt“.
Nun sind diese Darlegungen nicht über alle Zweifel erhaben: Die AMG tritt nicht erst 1992,
sondern Ende 1991 in Erscheinung; statt e i n e s Flugblatts sind z w e i herausgegeben und
möglicherweise gezielt an schwule Institutionen verteilt worden. Und wenn die Mitglieder der
AMG unbekannt sind, wie konnte Rieger deren Verteidigung übernehmen? Für die
Vermutung, dass die Mitglieder der AMG aus der Hamburger Lederszene stammten, gibt das
Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten keinen Beleg. Vor allem aber ist der Tenor der
Flugblätter anders als das Pamphlet im „Nationalen Infotelefon Schleswig-Holstein“, auf das
sich das erwähnte Bündnis bezieht.
Die beiden Flugblätter zielen:
1. auf Attacken homosexuellenfeindlicher Ausländer gegen Homosexuelle – zweifellos ein
Thema rechter Polemik;
2. auf den Gebrauch des Wortes „schwul“ als Eigenbezeichnung. Hierbei ist „rechts“ der
Angriff des Flugblattes gegen die Linken als Befürworter und Verbreiter dieses Begriffs, nicht
aber die Kritik an der Verwendung dieses Wortes;
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3. auf die Ablehnung des Outings prominenter Homosexueller gegen deren Willen durch
Außenstehende – eine durchaus nachvollziehbare Position;
4. auf eine obszöne Abrechnung mit Rosa von Praunheim – die ist weder rechts noch links,
sondern degoutant.
Vorausgesetzt, die AMG war nicht nur ein schlechter Witz (wofür u. a. die Passage über
Frauen, die in den Gays Konkurrenten im Kampf um die Männer sehen, spräche), liebte sie
Geheimnistuerei und Mystifikation: „Gays von AMG und Interessenten treffen sich
regelmäßig am 1. eines jeden Monats ab 23.00 Uhr in Hamburg im Bereich
Mühlenstieg/Königsreihe“, also in Wandsbek. Ort und Zeitpunkt lassen indes an der
Ernsthaftigkeit der Verfasser oder des Verfassers zweifeln, sich mit irgendjemandem treffen
zu wollen. Und so ist dort auch nie ein AMG-Mitglied entdeckt worden, wohl aber hatte man
Personen nach ihnen suchen sehen, worüber sich das zweite Flugblatt lustig macht.
Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass die AMG ein Einmannunternehmen war. Der
Verfasser der Flugblätter könnte eine Person gewesen sein, die im Bereich
Mühlenstieg/Königsreihe wohnte, die die Hamburger Schwulenszene gut kannte und Kritik an
dem äußerte, was ihr missfiel. Sollten die Angaben über Rosa von Praunheims Körperbau,
sexuelle Vorlieben und HIV-Infektion stimmen, könnte es sich um einen abservierten oder
verschmähten Liebhaber handeln.
Wie auch immer: die AMG ist Vergangenheit, und zwar nicht nur als (angebliche) Gruppe,
sondern auch im Hinblick auf den eingeschlagenen Kommunikationsweg über Flugblätter.
Nicht Vergangenheit aber ist dezidiert oder diffus rechtsextremistisches Denken auch im
schwulen Milieu. Wer die Gruppen mit politischen Inhalten durchgeht, die sich bei
GayRomeo präsentieren, wird rasch auf solche stoßen, die sich an das rechte Spektrum der
schwulen Community wenden. Auf sie haben im März 2006 Robert Niedermeier und Jörg
Fischer in der Schwulenzeitschrift Sergej unter dem Titel Doitsche Bois hingewiesen. Das
damals gezeichnete Bild hat sich in den letzten fünf Jahren nicht grundsätzlich geändert.
Stichtag meiner Recherchen ist der 5. Dezember 2010. Von knapp 110 sich als politisch
verstehenden Gruppierungen bei GayRomeo stehen allerdings lediglich vier vermutlich weit
rechts:
Martialisch (im Logo junger Held mit Stahlhelm) präsentieren sich „Thor_und_Tyr“ (126
User, Freiburg) und „Thor_und_Tyr_PRIVAT“ (12 User, Freiburg).
Zu „Thor_und_Tyr“ heißt es:
„Dies ist ein Club für deutsche Nationalisten. Einfach melden, eintreten und den Austausch
suchen!
Thor ist der germanische Gott des Donners, ihm haben wir den 'Donnerstag' zu verdanken.
Tyr ist der germanische Kriegsgott, ihm ist der Dienstag gewidmet.
Deshalb sind in unserem Club jeden Dienstag und Donnerstag Feiertage!“
Um im Club „Thor_und_Tyr_PRIVAT“ Mitglied zu werden, muss man sechs Monate
Mitglied im erstgenannten Club gewesen sein.
Zu nennen ist weiterhin die „Kameradschaft_Berlin“.
Dagegen handelt es sich bei dem Club „Storch Heinar“, der an Thor Steinar denken lässt, um
Satire. Er stellt sich vor als „Modeverrückter Führerstorch mit einer Vorliebe für
gutaussehende Braunstörche“ und gibt „88 User“ an, wobei „88“ das Zahlensymbol für „Heil
Hitler“ ist. Dieser Club spielt in parodistischer Absicht mit den braunen Versatzstücken.
19
Ich bin mir nicht sicher, ob diese satirische Absicht auch für die folgende Anzeige gilt oder ob
sie ernst gemeint war: Zwischen Ende November und dem 16.12.2010 war bei GayRomeo die
Annonce ID 7375299 geschaltet. Sie lautete: „Deutsche-Burschen. Neu – 38.181cm. 95
kg…Position: eher Top. „ZWEI DEUTSCHE BURSCHEN FICKEN BLANK IN DEINEN
ARSCH“. Hamburg-Hannover-Deutschland.
Die Männer bezeichneten sich in der Anzeige als „Gay“, als Raucher und hoben Glatze,
wenige Piercings und viele Tattoos hervor.
Weiterhin hieß es: „DU BRAUCHST ES HART UND KONSEQUENT, DU WILLST
DEINEN DEUTSCHEN KAMERADEN DIENEN. HARTE MACKER. LEDER SEX
ERWARTET DICH! DIE DEUTSCHEN FICKKOLBEN ERWARTEN DICH!“
Die Fotos zeigten 1. Rückenansicht eines Skinheads; auf seinem T-Shirt stand „Deutschland“;
2. einen Skin in Tarnkleidung mit einer MP im Anschlag; 3. ein aus der Lederkleidung
ragender Penis; 4. Ganzpic: Skin in Lederkleidung mit entblößtem Penis, der Arm ist
tätowiert, über dem Skinhead die NPD-Fahne; 5. Rückenansicht - tätowiert.
Verlinkt waren die „Deutschen Burschen“ mit den inzwischen ebenfalls gelöschten Profilen
„Bullhooligan“ und „Bullwarrior“.
Schon der Sergej-Artikel Doitsche Bois erwähnte den „CLUB-GERMAN-BOYS“. Gegründet
worden war er am 5. Dezember 2005 mit Sitz in Hamburg; am 4. Januar 2011 hatte er 440
Mitglieder, von denen 190 ihr Profil mit dem des Clubs verlinkt hatten. Bis zum 4. 1. 2011
wurde der CLUB-GERMAN-BOYS 87245 Mal angeklickt Am 6.5.2011 ist dieser Club aus
mir unbekannten Gründen gelöscht worden.
Der GayRomeo - Auftritt dieses Clubs war ausgesprochen umfangreich. Hierin hieß es:
„Erwünscht:
Alle Bürger, die sich für INLÄNDISCHE POLITIK, DEUTSCHE KULTUR & TRADITION
und für DEUTSCHLAND allgemein interessieren.
Alle Bürger, die politisch KONSERVATIV sind…Alle Demokraten, die HEIMATLIEBEND
und PATRIOTISCH sind.
Alle Bürger, die Deutschland lieben und die gerne Deutsche sind (gerne auch Soldaten und
Christen)…auch alle ANDEREN NATIONALITÄTEN, die Deutschland mögen, sind hier
natürlich gern HERZLICH WILLKOMMEN!!!...
NICHT ERWÜNSCHT:
Linksextreme, Linksradikale, Linksfaschisten, Autonome, Kommunisten, Anarchisten.
Feindlichkeiten gegenüber ethnischen Gruppen und Religionen.
Rechtsextreme, Rassisten, Neonazis…Pöbeleien, Verfassungswidrigkeiten“.
Die „Login-Seite“ zeigte eine goldene Germania mit Siegeskranz vor schwarz-rot-goldener
Flagge. „Schwarz-rot-gold“ dominierte das offizielle Bildprogramm der Seite.
Die 239 Fotos in 24 Galerien zeigten keinerlei Akt- oder gar pornographische Aufnahmen,
während die Homepages derer, die die Bilder zur Verfügung stellten, einen eindeutig
schwulen Charakter haben.
Das „Club-Forum“ umfasste am 4. Januar 2011 dreiundvierzig Seiten; seine Beiträge
unterstützten Thilo Sarrazin und dessen Ansichten. Aufgespießt wurden immer wieder
Probleme mit Migranten – vor allem aus der Türkei und arabischen Staaten. Positiv eingestellt
war man gegenüber Erika Steinbach, während insbesondere die GRÜNEN, die LINKE,
islamische Verbände sowie türkische Migranten abgelehnt wurden. Unterstützung fanden die
Zeitung Junge Freiheit und die Partei „Die Freiheit“. Bekämpft wurden Anglizismen in der
deutschen Sprache.
20
Die Tendenz des Clubs war „Deutschland vor allem“, „Deutsche zuerst“, wobei
Deutschtümelei die meisten Beiträge durchzog. Rechte und rechtsextremistische Positionen
wurden nach der Devise „Man wird doch noch darüber sprechen dürfen“ verbreitet.
Am 5. Oktober 2010 stellte der Club-Administrator „GerMaN-MaRiO“ folgenden Text von
Mathilde Ludendorff ins Forum:
„Sei Deutsch.
Sei wahr, sei zuverlässig. Sei stolz, sei stark.
Sei furchtlos, sei beherrscht.
Sei bewusst Deines Blutes.
Sei Hilfe dem Edlen.
Sei Vernichtung dem Bösen.
Sei herzeigen dem Volke.
Sei Feind den Feinden“.
In der Antwort des Club-Administrators auf meine Frage, wie man als Schwuler rechts sein
könne, ohne sich selbst zu schaden, heißt es: „…Man muss seine Neigung nicht immer
politisieren, - viele denken, nur weil sie eine schwule Minderheit sind, müssten sie
automatisch auch linke Partei [Parteien] wählen, die sich der Minderheit annimmt
[annehmen].
Nur kurioserweise kümmern sich diese linken Parteien gerne um Moslems, welche sie bei
jeder Gelegenheit sogar noch verteidigen, - dabei sind doch gerade viele Moslems extrem
intolerant und hasserfüllt gegenüber Schwulen.
Insofern kann man genauso sagen, daß ein Schwuler, der links wählt, ebenso seiner eigenen
Art schadet, weil die Linken ja gerne Diejenigen verteidigen, die Schwule hassen und
ablehnen, - nämlich die Moslems.
Schwule haben heutzutage bei uns im Land so viele Rechte, daß es nicht mehr Not tut,
automatisch linksaussen sein zu müssen.
Außerdem kann man subjektive Interessen zugunsten des Vaterlandes auch mal hinten
anstellen und muss nicht ständig seine sexuelle Neigung politisieren“.
Geht man von dem zwischenzeitlich gelöscht gewesenen GayRomeo-Auftritt des ClubsGerman-Boys aus, handelte es sich bei ihm nicht um eine neonazistische Gruppierung. Aber
mit seiner Polemik gegen islamische Migranten, mit der Nähe zu Mathilde Ludendorff und
deren Berufung auf das deutsche Blut, mit der im Club-Forum deutlich gewordenen
Unterstützung Horst Mahlers und mit der Forderung, „das subjektive Interesse zugunsten des
Vaterlandes“ hintanzustellen (immerhin wurde und wird in rechten Kreisen so Röhms
Ermordung gerechtfertigt), stand dieser Club sehr weit rechts und kann meiner Ansicht nach
als rechtsradikal bezeichnet werden.
Seit dem 11. Juni 2011 ist der Club German Boys „wegen großer Nachfrage wieder da und
von GAYROMEO…OFFIZIELL genehmigt“. Bis zum 7.11.2011, 19.00 Uhr waren 4040
Zugriffe zu verzeichnen. Die Mitgliederzahl betrug zu diesem Zeitpunkt nach eigenen
Angaben 125 Personen. Die Tendenz des Clubs ist – folgt man dem Profiltext – nicht
geändert worden.
Der Administrator des Clubs German Boys war im Januar 2011 identisch mit demjenigen des
am 20. Februar 2006 gegründeten Clubs Fun-in-Hamburg. Dieser Club ist bis zum 26. Januar
2011 (11.00 Uhr) 114.233 Mal angeklickt worden und war – und ist es wieder - verlinkt mit
Club-German-Boys. Seine Forum- Eintragungen betreffen vor allem die Suche nach
schwulem Sex, schildern und empfehlen einschlägige Treffpunkte im Raum Hamburg. Von
den am 26.1.2011 gezeigten 190 Fotos in 25 Galerien waren nur vier pornographisch.
21
Ergiebig sind Recherchen mit Hilfe von Signalwörtern wie Odin, Lonsdale, Deutscher
Bursche/Kerl/Offizier, wenn es gelingt, Kontakt zu den Profilinhabern herzustellen (84)
Die schlussfolgernde Vermutung des Bündnisses keinen Fußbreit den Faschisten aus dem
Jahre 1995 über Mitglieder bzw. Hintermänner der „Arbeitsgemeinschaft Männlicher (oder
Maskuliner) Gays“ (AMG) ist viel sagend: Man tippte auf die Hamburger schwule
Lederszene: Wer anders sollte hinter dieser martialischen Selbstverteidigungstruppe gegen
homosexuellenfeindliche Angriffe stehen als die kämpferisch aussehenden und auftretenden
Uniform- und Lederfaschisten?
In dieselbe Richtung hatte acht Jahre zuvor ein Artikel des Arbeiterkampfes (85) gewiesen, in
dem es heißt: „Zudem gibt es Berührungspunkte zwischen einer gewissen Schwulenszene, die
dem Männlichkeitswahn, verbunden mit einer Vorliebe für Leder, Sadomasochismus u. ä.
besonders frönt, und dem Neonazismus mit seiner Männerbündelei, der einigen Freiraum für
das politisch begründete Ausleben dieser privaten Vorlieben bietet“.
Und auch Dietrich Kuhlbrodt setzte in seinem Nachruf auf Michael Kühnen „die Leute in
schwarzem Leder“ in Beziehung zu „dem schwulen Nazi…, der in seiner geilen schwarzen
Uniform aus Spiel Ernst gemacht hatte“.
Sagte ich hier in der Buchhandlung „Männerschwarm“, die schwulen Hamburger Leder- und
Uniformliebhaber stünden den schwulen Neonazis nahe, erginge es mir wie vor 34 Jahren
dem Arbeiterkampf, der in einem Artikel behauptet hatte, „Neonazis würden sich in Hamburg
- St. Georg in einer 'Schwulenkneipe' treffen. Die schwulen Mitglieder des KB (86) waren
empört, in Nazinähe gerückt zu werden“.
Und dennoch: Der „Motorrad- und Leder Klub (MLK) Schwarz-Rot-Gold“, der in seiner
Politischen Grundsatzerklärung von 1988 den doppelköpfigen Adler des Heiligen Römischen
Reiches sowie einen Mann in Lederkluft mit zugehörigen Accessoires ablichtet und der
Motorrad, Leder, Kameradschaft und Patriotismus programmatisch in den Vordergrund stellt,
bemühte sich in mehreren Sätzen ausdrücklich um Abgrenzung nach rechts, weil er die
Gefahr sah, vereinnahmt zu werden „durch reaktionäre und totalitäre wie zum Beispiel
neofaschistische Kräfte“.
Und was ist von „nazi“- Gayseiten, was von „a Jewish teacher into concentration-camp role
play“ zu halten oder von Anzeigen wie: „Hard sskin top iso ssubs who can clean boots
properly, bruders alpha dogs and m88s. Whites only. Stay safe to stay pure“ oder “Nazi
skinhead thug, fat, middle aged, tatts, will abuse worthless scum. I will hurt you and rape you
if I want and take your money going to ask for a photo fuck off. I am not play acting I am a
fucking nazi” (87).
Und wer es lieber in deutscher Sprache lesen möchte: “Vereinzelte Gestalten betraten das
Mietshaus…Das Haus machte keinen leeren Eindruck…Die Männer, die hineingingen, trugen
teilweise knöchellange Ledermäntel, einige von ihnen hatten große Tüten oder Taschen in der
Hand, manche sahen aus wie Bankangestellte…Canitz…kannte die Codes nicht…raffte…sich
auf und ging…zu dem Haus…Er stieg die Treppen hoch…In der vierten Etage gab es eine
einzige Tür, die Wohnung musste sich über das ganze Stockwerk erstrecken. Canitz klingelte.
Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, der Mann aus dem Club von neulich stand ihm
gegenüber…Der uniformierte Mann musterte ihn von oben bis unten. Geh in das erste
Zimmer links, dort findest du alles, was du brauchst…Aus dem Zimmer auf der rechten Seite
ertönte Musik, Zarah Leander…Ein ältliches Wohnzimmer…Der Raum war dunkel und
22
verraucht. Auf dem Sofa saßen küssende Männer in Uniformen, ein paar sangen zu der
Musik, Champagnergläser in die Luft erhoben…
Gut, nicht wahr? Der unbekannte Bekannte flüsterte ihm ins Ohr. War ein Filmset, sie haben
gerade abgedreht, wir konnten es so übernehmen für heute…Canitz ging den Flur entlang, ein
weiterer Raum…Canitz…stockte der Atem. Er sah kopulierende und masturbierende Männer
in SS-Uniformen. Hier vögelte sich eine ganze SS-Truppe quer durch den Raum! Akkurat
gescheitelte Lackaffen, erhitzte Versicherungsangestellte, biedere Leute in Reithosen und
Schaftstiefeln, die SS-Armbinde über dem Hemd, Schirmmützen lagen am Boden. Waren die
alle wahnsinnig geworden? Canitz…betrat den Garderobenraum. Zwei Typen waren an ein
Metallspind gelehnt ineinander verkrallt, Uniformen hingen an Kleiderständern, er schaute sie
mit spitzen Fingern kurz durch. SA, SS, alles dabei. Die alten braunen, dann die schwarzen
Eliteuniformen, Hemden in diversen Größen, Stiefel neben Stiefel. Auf einem Glastisch lagen
Insignien zum Anstecken, Reichsadler, rote Armbinden, irgendwelche Orden. Canitz verließ
den Raum voller Wut…Er erstarrte. Direkt vor ihm beugte sich Robert Fischhauer über einen
mageren Mann. Dr. Robert Fischhauer in gestärkter SS-Uniform! Der geschwätzige
Robbie…heute Professor an irgendeiner kalifornischen Universität…öffnete den Gürtel seiner
Hose und zog ihn langsam aus. Fleischhauers breiter Mund war zu einem bissigen Lächeln
gefroren, als er seinen polierten Schaftstiefel auf das Gesäß des beinahe Nackten stellte, den
Ledergurt in der Hand schwingend. Die Zähne funkelten auf, als er das erste Mal zuschlug.
Canitz blieb fassungslos stehen. Er schaute in das verzerrte Gesicht des ansonsten so
verfeinerten Lyrikspezialisten, drehte sich um und eilte an dem Türsteher vorbei aus der
Wohnung. Als er ihn zurückhalten wollte, sagte Canitz atemlos: Es gibt Grenzen, und das
hier, mein Lieber, das ist meine Grenze“ (88).
Was veranlasst Männer, sich militärische Tarnanzüge überzuziehen, sich in SS- oder SAUniformen zu kleiden und Menschen als KZ- Gefangene zu quälen, zu demütigen und zu
entwürdigen? Und was veranlasst Männer, sich als KZ-Gefangene anzubieten und sich brutal
agierenden „Wächtern“ oder „Wärtern“ auszuliefern?
Eine Antwort auf diese Fragen gibt Kuhlbrodt, wenn er davon spricht, dass die schwulen
Nazis in ihren geilen Uniformen „aus Spiel Ernst“ gemacht hätten.
In eine ähnliche Richtung weisen die Forschungen von Paula Diehl, Andreas Heilmann und
Kurt Möller im Sammelband Was ein rechter Mann ist. Einige Thesen und Fragen zu der hier
angeschnittenen Problematik lauten :
1. Uniformen sind „Symbolpolitik staatlicher Macht“ (89). Sind sie auch im schwulen Bereich
Ausdruck von Symbolpolitik – und wenn ja, welcher?
2. An Hand der Vorschriften des Reichssicherungshauptamtes zu den Tragevorschriften von
Uniformen für die SS lasse sich verdeutlichen, „wie die schwarzen Uniformen der SS den
weißen, männlichen, zum Kämpfer trainierten Körper als Ideal völkischer Körperlichkeit in
Szene setzen sollte“. Insofern komme „innerhalb dieser Symbolpolitik eine idealisierte
Vorstellung von Männlichkeit zum Ausdruck“ (90). – Haben die Fetische Uniform und Leder
in der Schwulenszene eine ähnliche Funktion – nämlich die Modellierung der männlichen
Körper und damit deren Idealisierung?
3. Konstituiert Uniform nicht in der rechten wie in der schwulen Szene
Gruppenzusammenhang (91)? Worin liegen die Unterschiede?
4. Ist es möglich, von einer Mimikry des rechten Uniformfetischismus in der Schwulenszene
zu sprechen (92)? – „Sind mimetische Aneignung von Männlichkeit geeignet, die
symbolische Definitionsmacht an sich zu reißen und spezifische Männlichkeitsnormen zu
23
usurpieren“ (93) – und damit die Rechtsextremen ihrer „symbolischen Ressource“ zu
berauben?
5. „Werden die spezifischen Symboliken und kulturellen Ausdrucksformen rechtsextremer
Männlichkeit“ (94) von schwulen Uniform- und Lederfetischisten in Attitüde – in Camp –
verwandelt und damit politisch inhalts- und wertlos?
Ist also das, was in der schwulen Leder- und Military-Szene passiert, möglicherweise nur
Spiel ohne alle ideologische Implikation? Davon versuchte schon 1991 der aus dem weit links
angesiedelten „Kommunistischen Bund Westdeutschlands“ (KBW) kommende Thomas
Vollhaber den Journalisten Detlef Grumbach zu überzeugen (95). Statt „Spiel“ (Kuhlbrodt)
benutzte Vollhaber das Wort „Inszenierung“ – und dieser Inszenierung sexueller Gewalt oder
von Gewaltexzessen unterwerfe man sich freiwillig, während niemand aus eigenem Antrieb
ins KZ gegangen sei. Für Vollhaber ist es absurd, von der Teilnahme an sexuellen
Inszenierungen auf politische Überzeugungen zu schließen.
Doch scheint Thomas Vollhabers vor zwanzig Jahren gegebene Antwort nicht jeden zu
überzeugen. Dies belegt Reimut Reiches Analyse „eines homosexuellen Angestellten…, der
zwischen Harmoniewünschen und einer sadomasochistischen Liebe zu Uniformen und allerlei
modisch-nationalsozialistischen Accessoires vom Haarschnitt bis zu Springerstiefeln
schwankt“. Reiche fragt sich, ob dieser Mann ein genuiner Neonazi sei oder eine Person, die
lediglich eine „Rolle zum Zweck des Lustgewinns“ spiele. Das Ergebnis der Analyse: „Für
die hier beschriebene Funktion des zugleich echt und unecht. So und auch nicht so, wurde der
Ausdruck Hybrid-Nazi gewählt“. Der Artikel von Lorenz Jäger (L.J.), der in der FAZ über
Reimut Reiches Forschungen informierte, variiert Reiches Begriff „Hybrid-Nazi“ gleich
zweimal und spricht sowohl vom „Kostüm-Nazi“ als auch in der Nachfolge von Susan Sontag
als „Camp-Nazi“.
Wie man es auch dreht und wendet: jeder dieser drei Begriffe enthält den Wortteil „Nazi“ und
verweist damit auf eine gewisse Affinität zu Gewalt und Terror, über die der Einzelne sich in
der Regel keine Rechenschaft gibt (96). Letzten Endes geht es um eine der homosexuellen
Szene angepasste Inszenierung extrem heteronormativer Männlichkeit als
Unterdrückungsmechanismus. Insider werden bei einer derartigen Inszenierung sexuelle
Erfüllung erfahren, Außenstehende werden sie als zutiefst verstörend empfinden und sie strikt
ablehnen
Anmerkungen
1 Vgl. zu dem Komplex „schwuler Nazi“:
Grumbach: Die Linke und das Laster,
Scott Lively und Kevin Abrams: The pink swastika,
Scott Lively: Homosexuality and the Nazi Party,
Israel Gutman: Homoseksualiście nie byli automatycznie skazani na zagładę,
ders: Holokaust homoseksualistów?
Vgl. hierzu auch den Beitrag Holocaust Academic Pans Monument to Nazis’ 'Gay Victims'“
der Deutschen Welle vom 29.5.2008. Darin heißt es: „'The location was particularly poorly
chosen for this monument. If visitors have the impression that there was not a great difference
between the suffering of Jews and those of homosexuals, it’s a scandal', Gutman said,
according to AFP…Gutman, himself a Holocaust survivor, said the Nazis persecuted
24
'exclusively German' homosexuals, many of them Nazis. They were 'victims of internal
political battles within the NSDAP', the Nazi party of Adolf Hitler, he said”.
2 Gründer der National Socialist League in den USA im Jahre 1974; vgl. Praunheim,
Filmsequenz Russell Veh.
3 Der 8. Mai 1945 ist das Datum der Kapitulation Deutschlands.
Vgl. zur Gründung der ANS: Bernhardt: Sein Kampf, S. 10; Claus/Müller S. 117; Eckhoff, S.
6; Hartmann S. 12 Anm. 2; Urteil gegen Enk/Frühauf S. 28.
4 Der korrekte Name ist Franz Lothar Babiarcyk-Wrobel. Auf der Meldekarte war zunächst
Lothar, dann Franz unterstrichen. Geboren wurde er am 6. Dezember 1940 in Flensburg. 1968
kam er nach Hamburg und wohnte zunächst in der Langen Reihe 76. Anfang 1970 zog er an
den Spadenteich 5, Ende 1972 in die Gurlittstraße 50, 1974 in die Hopfenstraße auf St. Pauli.
Nach weiteren Wohnungswechseln lebte er seit 1979 in der Greifswalder Straße 66.
Gestorben ist „Nazi-Lothar“ am 22. Januar 2008.
Für die ausführlichen Recherchen beim Standesamt Süd in Flensburg sowie beim Standesamt
Wandsbek danke ich dem Hamburger Archivar Ulf Bollmann.
In den Akten erscheint häufig die Namensform Babiarcyak. Beide Versionen des ersten Teils
des Namens enthält das Urteil gegen Enk/Frühauf S. 66, 78f, 96, GPA Frühauf:
Anklageschrift.
Zum „Can Can“ vgl. weiterhin Anm. 69 sowie Schönmann im Feature von R.Korn.
5 Vgl. unterschiedliche Angaben des Datums und des Wortlauts bei Eckhoff: S. 6 bzw. 10;
siehe Urteil des Landgerichts Hamburg gegen Edgar Geiss vom 6. April 1979
(Internetfassung, S. 3); Eckhoff S. 6; Meyer/Rabe S. 135.
6 Vgl. Brehl, Bewegte Zeiten Teil I S. 12; Eckhoff S. 10, v. Haken; Hartmann S. 12 Anm. 2;
Maegerle/Fromm S. 19; Urteil gegen Enk/Frühauf S. 29.
7 Vgl. Urteil gegen Enk/Frühauf S. 29, Feature von R. Korn.
8 Vgl. Ursula Sühl: Lebenslauf Michael Frühaufs, geschrieben vermutlich im September
1981, S. 7. In: GPA Sühl (242-1II Gefängnisverwaltung II:12). Vgl. auch Feature von R.
Korn.
9 Vgl. Urteil gegen Enk/Frühauf S. 30-38; Anklageschrift gegen Enk/Frühauf vom
21.12.1981 S. 28f.
Zum Besuch bei Worch am 3.4.1981 vgl. Urteil S. 52f; zum Brief an Worch vom 3. Mai 1981
vgl. Anklageschrift S. 25f; zum Brief an Kühnen vom 14. Mai vgl. Anklageschrift S. 27; zum
Besuch bei Kühnen am 20. Mai 1981 vgl. Urteil S. 63f, 110, Grumbach: DornRosa S. 9; zur
Geburtstagsfeier am 19. April 1981 vgl. Urteil S. 32, 107.
10 So war im Spiegel-Artikel Mischt mit (Der Spiegel 19/1982 vom 10.5.1982) zu lesen:
„Beizeiten hatte der Verfassungsschutz…'mitgekriegt, daß da eine ganze Reihe von Leuten
sind, die homosexuelle Neigungen haben'. Und das war auch in der braunen Szene alltäglicher
Gesprächsstoff. Michael Kühnen beklagte sich: „'wie NPD, Wikingjugend und andere, die uns
als Konkurrenz betrachten, sagten, da sind auch Schwule drin'“.
11 So am 3. April 1981 (vgl. Urteil gegen Enk/Frühauf S. 105), so am 27. Mai 1981 (vgl.
Urteil S. 53f.). Vgl. weiterhin das Feature von R. Korn.
25
12 So denunzierte Frühauf am 8. Oktober 1980 Ohst gegenüber Kühnen (Urteil S. 45), im
Dezember 1980 ein weiteres Mitglied gegenüber Bügner (Urteil S. 45f.) und Johannes Bügner
gegenüber den Brüdern König (Urteil S. 62).
Die Beschäftigung des Landgerichts Lübeck mit den Verdächtigungen von Mitgliedern der
Hamburger ANS als Verräter durch Frühauf und mit dem internen Sicherheitsdienst Frühaufs
durchzieht das gesamte Urteil gegen Enk/Frühauf (vgl. S. 31, 43, 45, 59-67, 70, 73f, 108-112,
116, 118f, 121).
13 Die Auseinandersetzung der Richter mit Frühaufs Kampf gegen die Homosexuellen in
den eigenen Reihen durchzieht das gesamte Urteil gegen Enk/Frühauf (vgl. S. 43, 45, 59-65,
72-74, 108-110, 112, 118f, 121).
14 Zitat: Urteil gegen Enk/Frühauf S. 45; vgl. weiterhin zur „Info 1“ Urteil S. 44-48;
Eckhoff S. 8 (mit falschem Datum), Korn.
15 Frühauf forderte Enk überdies dazu auf, die darin erwähnten Personen als Verräter zu
liquidieren (vgl. Urteil gegen Enk/Frühauf S. 61).
16 Anklageschrift gegen Enk/Frühauf vom 21.12.1981 S. 28.
17 Unterstreichungen wie im Original.
18 Die „Info 2“ ist abgedruckt im Urteil gegen Enk/Frühauf S. 49f. Vgl. auch das Feature
von R. Korn.
19 Anklageschrift S. 25f.
20 Urteil gegen Enk/Frühauf S. 61. Eine ähnliche Bemerkung während eines Treffens mit
Enk am 8. Mai 1981: Urteil S. 109f.
21 Urteil gegen Enk/Frühauf S. 67, 116.
22 Babiarcy(a)k-Wrobel hatte Frühauf um den 25. Mai mit der „Prügel seines Lebens“
gedroht, „wenn er sich och einmal im 'Can Can' blicken lasse“ (Urteil gegen Enk/Frühauf S.
67).
23 Vgl. zum Mordfall Bügner:
Anklageschrift S. 32-38; Urteil gegen Enk/Frühauf S. 70-91, 128; Bernhardt, Sein Kampf
S. 8; Brehl Teil IV S. 14; Claus/Müller S. 110, 118; Eckhoff S. 8; Grumbach, DornRosa S. 9;
Korn; Osterkorn, Fememord; Osterkorn, Wir wollten unsere Reihen säubern; Roggenkamp;
Der Spiegel 24/1981; 19/1982; Die Welt vom 1.6.1981.
24 Der Spiegel vom 8.Juni 1981 und 10.5.1982; Hamburger Abendblatt vom 1.6.1981; Die
Zeit vom 23.4.1982.
25 Der Spiegel 24/1981.
26 Anklageschrift S. 29.
27 Urteil gegen Enk/Frühauf S. 69. Enk antwortete am 27. Mai 1981.
26
28 Urteil gegen Enk/Frühauf S. 70. Vgl. auch das Feature von R. Korn.
29 DornRosa S. 9.
30 Vgl. Urteil gegen Enk/Frühauf S. 68.
31 Bernhardt, Sein Kampf.
32 Brehl, Bewegte Zeiten Teil IV S. 14.
33 Vgl. Proksa; Knörzer am 20.4.1982.
34 Vgl. GPA Frühauf Bl. 2A – 2B, 105.
35 Vgl. GPA Frühauf – 8.
36 Vgl. zu Prozess und Urteil: Bernhardt, Sein Kampf S. 8; Eckhoff S. 8; Knörzer in
Lübecker Nachrichten vom 20. 4., 21.4., 26.5., 4.6. 1982; Korn; Proks; Roggenkamp; Der
Spiegel 19/1982; taz vom 4.6.1982: Neo-Nazi Fememord –Lebenslänglich für die Mörder;
Flensburger Tageblatt vom 4.6.1982: Zweimal lebenslänglich in Lübecker „Fememord“Prozeß. Vorsitzender Richter: Ein heimtückisches Verbrechen.
37 Vgl. hierzu u. a. den Beschluss des 5. Strafsenats des BGH vom 21. Dezember 1982, die
Revision der Angeklagten Frühauf und Wegner als unbegründet zu verwerfen.
38 Vgl. Holmar Knörzer: Angeklagter: „Ich war Verfassungsschutz-Agent“. Sensationeller
Auftakt im Lübecker „Fememord“-Prozeß.
39 Vgl. zu den schweren Spannungen zwischen Enk und Frühauf in den JVA Lübeck und
Fuhlsbüttel die GPA Frühauf.
40 Bewegte Zeiten, Teil IV S. 14.
41 Brehl: Bewegte Zeiten, Teil II S. 8-10.
42 Hartmann S. 12 Anm. 2.
43 Brehl: Bewegte Zeiten, Teil II S. 28.
44 Grumbach: DornRosa S. 8; Hartmann S. 6.
45 Hartmann S. 9.
46 Hartmann S. 9, 14 Anm. 49; vgl. auch Claus/Müller S. 118; Grumbach: DornRosa S. 9.
47 Hartmann S. 9.
48 Bernhardt: Sein Kampf S. 10; Hartmann S. 10; The Sun vom 30.7.1992; Jäsä; Schaefer S.
327.
27
49 taz vom 17.10.1987.
50 Vgl. Bernhardt: Sein Kampf S. 10; Hartmann S. 2, 10; Claus/Müller S. 118; Grumbach
DornRosa S. 9; taz vom 10. und 13. Oktober 1986.
51 Vgl. Hartmann S. 10; Arbeiterkampf (AK) 280 vom 9. März 1987 S. 28.
52 Hartmann S. 10.
53 Brehl: Bewegte Zeiten Teil IV S. 18; Claus/Müller S. 121.
54 Vgl. zu dieser Position auch das Interview von Kromschröder und Poelchau mit Kühnen
im Stern vom 24.9.1987.
Im Interview mit Christa Ritter in Tempo (Februar 1989) heißt es:
Frage: „Man erzählt sich, daß du schwul bist. Stimmt das?“
Antwort: „Zu meinem Privatleben sage ich nichts“.
55 Kühnen: Homosexualität und Nationalsozialismus S. 58 und 61; vgl. Claus/Müller S.
118-123; Eckhoff S. 18; Hartmann S. 3-6.
56 Hartmann S. 2f., 12 Anm. 1.
57 taz vom 13. Oktober 1986.
58 So im Leserbrief an die taz, dort veröffentlicht am 24.10.1986.
Zum Thema „Bekenntnisschrift“ hat sich ausführlich Thomas Brehl in seiner politischen
Biographie „Bewegte Zeiten“ geäußert: Die Vorgänge in Grevenbroich bezeichnet er darin als
Putsch, Mosler und seine Anhänger als Putschisten. Ausgehend von dem Faltblatt Der Kampf
geht weiter! fragt Brehl: „warum…setzen sie plötzlich den Kampf gegen Homosexuelle ganz
oben auf die Agenda“. Anschließend heißt es bei Brehl: „Man wußte natürlich, daß Kühnen
diesen Anti-Schwulenkurs niemals mittragen würde. Zu tief saß noch der Schrecken um den
Mord an Johannes Bügner… Als Grund für das Verbrechen war Bügners Homosexualität
angegeben worden… [H]erauskam, daß Enk nur das Werkzeug gewesen war und der
Anstifter Michael Frühauf in den Diensten des Verfassungsschutzes gestanden hatte.
Für Kühnen…war das ein…traumatisches Erlebnis. Einen zweiten 'Fall Bügner' wollte
er…vermeiden. Hinzu kam die politische Nähe zu Ernst Röhms Plänen einer 'Zweiten
Revolution'…so muß festgestellt werden, daß Kühnen einen 'Anti-Schwulen-Feldzug'
für…unsinnig, ja sogar kontraproduktiv hielt…Die Brisanz des Themas hatte aber Kühnen
wohl doch unterschätzt…Der Verdacht[,] Kühnen könne selber schwul sein, bekam durch
seine kompromisslose Haltung in dieser Frage immer wieder neue Nahrung…Aber er
war…nicht der Mann, der aus tagespolitischen Erwägungen sein Fähnchen in den Wind hielt
und…vielleicht selbst in den immer lauter klingenden 'Anti-Schwulenchor' einstimmen
würde. Dabei spielten auch persönliche Erfahrungen eine große Rolle. Kühnens Exil…wäre
ohne die tatkräftige Hilfe eines altbewährten Aktivisten der europäischen Bewegung nicht
möglich gewesen. Es war Michel Caignet, der für Quartier und Geld gesorgt hatte…Zwar war
Caignet schwul und machte keinen Hehl daraus, Kühnen aber war nicht bereit, jemanden mit
solchen Verdiensten und erduldeten Leiden nur wegen dessen sexueller Präferenz fallen zu
lassen. Daß er eine kulturelle Schwulenzeitschrift mit Namen 'Gaie France' herausgab, machte
ihn in den Augen mancher Eiferer zur Unperson [,] und so wurde später immer wieder der
'Fall Caignet' als Auslöser für den gegen Kühnen gerichteten Putsch genannt, obwohl ich mir
28
sicher bin, daß man sich in Ermangelung eines 'Fall[es] Caignet' bestimmt auch sehr schnell
andere Gründe geschaffen hätte.
Verschiedentlich wird…kolportiert, Kühnen selbst habe die Maßnahmen gegen sich und seine
Getreuen ausgelöst, indem er die Schrift 'Nationalsozialismus und Homosexualität'
herausgegeben habe und des weiteren dies eine Bekenntnisschrift sei und damit Kühnens
eigene Homosexualität unwiderlegbar erwiesen [sic]. Hiergegen helfen nur knallharte Fakten:
1. ist besagte Schrift keine Bekenntnisschrift, sondern lediglich der Versuch [,] sich dem
brisanten Thema ruhig und sachlich zu nähern, indem man das Phänomen in einen
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang rückt [,] und 2. hat die Herausgabe der Schrift
den Putsch nicht ausgelöst, sondern umgekehrt…Erst die mit dem 19. Juli 1986 ausgelösten
Ereignisse veranlassten Kühnen zur Veröffentlichung seiner Gedanken zu diesem heiklen
Thema.
…Mittlerweilen hatte ich…das Faltblatt 'Der Kampf geht weiter!' gelesen…Beim Lesen
konnte und sollte man…den Eindruck bekommen, daß Schwule das Grundübel menschlicher
Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart seien und daß man notfalls mit brachialen
Mitteln gegen dieses Übel vorgehen müsse. Spätestens jetzt wurde mir klar, daß Kühnen
diesen wissenschaftlichen, emotionsgeladenen Blödsinn in Bausch und Bogen verdammen
würde, konnte er von einfachen Gemütern ja geradezu als Einladung für einen neuen 'Fall
Bügner' verstanden werden…
Kühnen…zog sofort und knallhart die Konsequenzen, legte alle Ämter nieder und zog sich
aus der Gesinnungsgemeinschaft, die nicht mehr die seine war, augenblicklich
zurück…Hatten sie diese Reaktion Kühnens befürchtet oder gar erhofft“? (Th. Brehl, Bewegte
Zeiten Teil IV Kap. Der Putsch gegen Kühnen S. 13-115; vgl. auch KDS: Die häufigsten
gegen den KDS erhobenen Vorwürfe mit kurzer Stellungnahme.)
59 Vgl. auch Hartmann S. 10.
60 Vgl. Thomas Brehl: Bewegte Zeiten Teil IV S. 19; Wikipedia: Liste der Todesopfer
rechtsextremer Gewalt in Deutschland (dort unter „vor 1990“, 11. Eintragung); Artikel Rechte
Armee Fraktion in Der Spiegel vom 10.8.1987.
61 Vgl. Brehl: Bewegte Zeiten Teil V S. 27; Brehl: Nachtrag zu meinen
Lebenserinnerungen, 23.11.2009. In: KDS (Kampfbund Deutscher Sozialisten); Eckhoff S.
19; Hartmann S. 11; Grumbach, DornRosa S. 9f.
62 Vgl. Grumbach: DornRosa S. 9f, Hartmann S. 7.
63 Die Homosexuellenproblematik wird bei den Rechtsradikalen ähnlich wie in der
Katholischen Kirche oder beim Militär behandelt: man verschweigt das Phänomen,
diskriminiert Homosexuelle und grenzt sie aus – und dennoch ist das Problem allgegenwärtig,
und dennoch gibt es Homosexuelle in allen Bereichen dieser Institutionen.
64 S. 11.
65 Vgl. Brauner Nebel über Berlin. In: Siegessäule 6/2011 S. 5.
66 Dasselbe taten die „Gaue“ Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, während Hessen und
Bayern zu Kühnen hielten und die „Gaue“ Bremen, Baden-Württemberg und Berlin sich
darüber zerstritten, wem sie sich anschließen sollten (Hartmann S. 10).
67 Szene Hamburg 6 (1991) S. 26-28.
29
68 Bewegte Zeiten Teil IV S. 36.
69 Hamburg von hinten 1982 S. 143. Vgl. weiterhin Hamburg von hinten Ausgabe 1984/85
S. 114 („Eine neue Spiegelwand verbessert das Interieur“; Ausgabe 1986/87 S. 93, 188.
70 Die Anklageschrift gegen Enk/Frühauf gibt als Wrobels Adresse an: Hamburg 1,
Danziger Straße 66 [S.4] (vgl. GPA Frühauf).
71 S. 110.
72 Davor soll das „Can Can“ für kurze Zeit in der Greifswalder Straße 60 gewesen sein.
Heute befindet sich hier die „Heilpraktiker Akademie“, die ihrerseits das „Yellow“ abgelöst
haben soll.
73 DornRosa S. 7.
74 Die Ausgaben 1998 und 2000 von Hamburg von hinten erwähnen das Lokal nicht mehr.
75 Wolfgang Gast schrieb am 26.4.1991 in der taz, Kühnen sei „aller Wahrscheinlichkeit
nach an der Immunschwäche AIDS gestorben…Sein offenes Bekenntnis zur Homosexualität
hatte in den letzten Jahren die militante Neonazi-Szene gespalten – Gerüchte über eine HIVInfizierung wurde von seinen Gegnern ebenso gestreut, wie sie von seinen Anhängern als
Lüge zurückgewiesen wurden…Bis zum Streit um seine Homosexualität war Kühnen
unumstritten die Nummer 1 unter den militanten Rechten“.
Gast irrt insofern, als sich Kühnen nie dazu bekannt hatte, homosexuell zu sein. Und unrichtig
ist auch seine Behauptung, daß Kühnens Anhänger die AIDS-Erkrankung ihres Führers
geleugnet hätten – sie führten sie nur nicht auf homosexuelle Handlungen, sondern auf ein
Attentat von CIA oder Staatsschutz zurück.
Mag Kühnens Homosexualität auch wahrscheinlich sein – bewiesen ist sie nicht: Dennoch
wird sie von den Verfassern vieler Nachrufe behauptet (vgl. u. a. Hoffmeister, Kuhlbrodt).
In der Nationalzeitung vom 3.5.1991 (S.8) heißt es „Zum Tode von Kühnen: Im Alter von 35
Jahren ist Michael Kühnen verstorben. Todesursächlich soll Aids sein. Ihm wurde
Homosexualität nachgesagt. Zu bedenken ist, daß er insgesamt neun Jahre in bundesdeutschen
Gefängnissen saß, wo die Infizierungsgefahr groß ist“, womit der Verschwörungstheorie über
Kühnens Erkrankung Raum gegeben wurde.
Vgl. weiterhin zu Tod und Einäscherung: Eckhoff S. 11; Kuhlbrodt; Lies; Der Spiegel
48/1991 S. 132f. (Artikel „Staub zu Puderzucker“). Constantin von Hoffmeister, der Kühnen
einen Monat zu früh sterben lässt: „Like Karl Marx before him, he was a brilliant theoretician
of labor and liberation. He was born on the 21st of June 1955 and dies on the 25th of March in
1991. He was homosexual and died of AIDS…He spent eight years in prison for his political
beliefs”.
Michel Caignet bezeichnete Michael Kühnen in Gaie France als charismatische
Persönlichkeit und fügte u. a. hinzu: „Eine seiner ersten Aktivitäten brachte ihm Ruhm und
viel Sympathie ein – und seine ersten Monate Gefängnis. Mit einigen Kameraden hatte er sich
ein Schild um den Hals gehängt: 'Ich bin ein Esel. Ich glaube noch an das Märchen von 6
Millionen vergaster Juden'…Er rehabilitierte Ernst Röhm. Seine Bewegung wird einen
Gedenktag gegen die Reaktion haben – am 30. Juni zur Erinnerung an die Nacht der langen
Messer“.
76 Hartmann S. 8.
30
77 Hartmann S. 8.
78 Siehe auch Brehl: Die häufigsten gegen den KDS erhobenen Vorwürfe:
„5. Der KDS ist ein 'Schwulenverein'.
'Ihr duldet ja Homos und habt Kühnen zu Eurem Vorbild erkoren', klingt es aus
'wohlmeinenden Kreisen'…Unsere Antwort: Der KDS nimmt in der Tat eine ausgesprochen
neutrale Haltung zum Thema 'Homosexualität' ein, weil wir eine politische Bewegung sind
und dieses Thema gerne Sexualwissenschaftlern und Moraltheologen überlassen…Unser
Standpunkt ist unmissverständlich: Was zwei erwachsene Menschen in gegenseitigem
Einverständnis hinter verschlossenen Türen tun, ist deren Sache und geht keinen
Außenstehenden was an, die Bewegung schon gar nicht…
Was Michael Kühnen betrifft, so ist er tatsächlich für viele KDS - Mitglieder…leuchtendes
Vorbild. Eine Homosexualität Kühnens ist…nicht bewiesen. Er war verlobt und seine oft
zitierte aber von kaum jemandem gelesene Schrift 'Nationalsozialismus und Homosexualität'
ist keine 'Bekenntnisschrift'…Zu den Umständen seines Todes gibt es auch nur wenig
gesicherte Erkenntnisse…
Und fest steht…, daß der Vorwurf der Homosexualität immer wieder als Waffe unserer
Gegner gegen verdiente Kameraden eingesetzt wird, selbst Christian Worch war schon Opfer
solcher Vorwürfe und jüngstens wieder Axel Reitz. Mit einem Handstreich könnten wir
unseren Gegnern diese 'Waffe' aus der Hand schlagen, indem wir auf die zugeraunte
Bemerkung 'Der ist doch schwul!' grundsätzlich antworten: 'Na und?!'“
Vgl. Claus/Müller S. 124f; negativ zu Brehl: Heimdall S. 3f.
Vgl. hierzu auch die von R. Reimanns Artikel Aufmarsch der Kuschelnazis ausgelöste
Kontroverse. Reimanns Text ist satirisch gemeint, zeichnet aber das Bild vom „schwulen
Nazi“ und bestärkt damit dieses Klischee. Der Text ist somit homophob – und das
ausgerechnet in der taz! Dies betont Gay Dissenter im Gay West-Beitrag Antifaschismus zum
Abgewöhnen am 31. März 2009. Dort heißt es: „Der taz-Artikel…richtet sich nicht gegen
Nazis, auch nicht gegen schwule Nazis, er richtet sich gegen Schwule schlechthin“. Insofern
reihe sich die taz ein „in eine prominente Reihe bekennender linker Schwulenhasser…,die ihr
Projekt der Reinerhaltung des Volkskörpers mittels der Aufklärung über die vermeintliche
homosexuelle Natur der Nazis betreiben“. (Gay-Dissenter bezeichnet als homophobe Linke:
Bertolt Brecht, die Blues Brothers, Deix, Gorki, Jelinek, Wilhelm Reich.)
Den taz-Artikel veröffentlichte am selben Tag das rechtsradikale Altermedia Deutschland –
Störtebeker-Netz. Altermedia vertrat hierbei die Ansicht, dass „den meisten NPD-Mitgliedern
die sexuelle Orientierung ihrer Parteigenossen gleichgültig“ sei. „Was jeder für sich meint in
seinem Schlafzimmer tun zu müssen, geht ohnehin niemanden etwas an. Was anderes ist es
aber, wenn solche Zeitgenossen meinen [,] ihre Umgebung daran teilhaben lassen zu müssen
und außerdem erwarten, dass es alle anderen außerdem ganz toll zu finden haben“. Doch hatte
Altermedia die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die „61 responses“ zeigen ein ganz
anderes Bild:
„Igitt! Der Kühnenflügel meldet sich mal wieder zu Wort“.
„So was hat in einer deutschen Bewegung absolut NIX verloren!!“
„Um es einmal klar zu sagen: Homosexualität war, ist und bleibt eine sexuelle Perversion!
Begreift das endlich! Eine Schwuchtel könnte ich niemals als Kamerad akzeptieren. Diese
Volksverräter sollte man kastrieren oder besser gleich erschießen. Wirklich human ist es, dass
[sic] Volk vor diesem krankheitsverbreitendem ekelerregendem [sic] Pack zu schützen!“
(Klartext, 2. Mai 2009, 20.06 Uhr).
31
„Genauso ist es. Arschficker und Gutmenschen haben im NW [im Nationalen Widerstand]
NIX verloren!...ihr seid für mich keine Kameraden, wenn ihr so was toleriert. Schwule und
Lesben sind einfach nur krank und nicht national. Es ist völlig egal [,] wie männlich oder
feminin jemand ist…Schwuchtel bleibt Schwuchtel…“ (Sebastian Müller, 10.5.2009, 21.35
Uhr).
79 Wolfert S. 77f.
80 Wolfert S. 134.
81 Wolfert S. 134 mit Bezug auf pikbube (1972) 2:7.
82 Wolfert S. 143-146.
83 Szene 4/1994.
84 Vgl. GayRomeo – Profile:
Nr. 668066: lonsdale 222 (Gelsenkirchen)
Nr. 45659: LonsdaleBln_A
Nr. 1315157: Deutscher-Kerl (München) – zu sehen ist ein Mann in einer Art SA-Uniform
Nr. 5929065: OdinHH – das Profil enthielt als Logo ein Sonnenrad mit stilisierten SSRunen; jetzt ist ein Logo zu sehen, das im Stil des Wikingerschmucks
vermutlich den am Baum hängende Odin zeigt.
Nr. 7067499:
Stand Ende September 2011:
Nordic-face 18 „unterwegs im Namen Odins, Stadt: Hamburg Germania“.
Dieses Profil enthielt folgende Fotos:
a) Mann, bekleidet mit schwarzem T-Shirt, worauf ein Eisernes Kreuz zu sehen ist; die
Aufschrift in Frakturschrift lautet: Hart und zäh! (in den Farben weiß/rot/gelb)
b) Nordland Rulez:
norwegische Flagge
c) Boots
„seh ich da ausgeschlafen aus“
Foto des Mannes; auf seiner Kleidung ist deutlich das Logo „Lonsdale London“ zu sehen.
d) Foto: wie unter a).
e) Der oben abgebildete Mann in anderer Körperhaltung – aber bekleidet wie unter c).
Sprüche:
„Odin statt Jeans“
„Der Gott der Eisen schuf wollte keine Knechte“
Texte: In ihnen wird zweimal von „Gefolgschaft“ gesprochen.
Fotoalbum:
Nordic:
Mann in Uniformen
Filmplakat „Napola“ – mit dem Text „Elite für den Führer“
Skin:
Rulez:
Sonnenrad mit stilisierten SS-Runen
„Odin statt Jesus“
Norwegische Flagge
32
„Welpenstunde“ vor einem Führer (junge Männer mit nacktem Oberkörper stehen vor einem
Uniformierten; Einkleidung)
Boots:
u.a. Springerstiefel
Suff ist Pflicht:
2Fotos: „Sauf“-Aufschriften auf T-Shirt
Verlinkt mit OdinHH – „Bruder…Odin sei mit Dir!“
Änderung der Fotos neben dem Profiltext im Oktober 2011:
1. Foto entspricht demjenigen vor der Änderung.
2. Norwegische Flagge mit der Unterschrift: „Nordic Viking-Land“
3. wie 1.
4. Mann in Uniformversatzstücken mit der Unterschrift „Nordic“
Fotoalbum:
Seit dem 2. Oktober:
Odal:
Mann in Uniformversatzstücken
Mann in Wehrmachtsuniform
Mann in Uniformversatzstücken; Unterschrift: „Nordic“
TyR:
Mann - „Gerne auch mal in goiler Skinkluft“
Springerstiefel mit weißen Schnürbändern
Nordic face:
„Yeah Fuck!“
Der Mann in Skinuniform greift sich kräftig in den Schritt
Mann mit nacktem behaarten Oberkörper mit der Unterschrift: „haarig, saugoil“.
LaF:
NB 574
Boots
Mann mit großer Zigarre im Mund: „Zigarren gehören ins Maul“
„Saufen ist goilest“
Signet: „Good Night - I bin breit“.
Escort ID 8857950: sskinhure
Der Mann ist von seinem „BoSS: Bomberglatze“ beauftragt worden, ein Callboy-Profil zu
eröffnen.
Escort ID 8152085: weissgesenkeltersub
Im Profil heißt es u. a. „Menschlicher Abfall für tabulosen weissgesenkelte Skinzz und
Kameraden in schwarzer LEDERuniform“
„WARNING!!! NOT POLITICALLY CORRECT!“
85 AK Nr. 280 vom 9. März 1987.
86 KB: Kommunistischer Bund.
87 Schaefer S. 164.
88 Zora del Buono: Canitz’ Verlangen, S. 114-117.
33
89 S. 21, vgl. Auch S. 209-220.
90 S. 22, auch S. 209-220.
91 S. 29.
92 S. 64.
93 S. 64.
94 S. 64
95 KZ-Phantasien? – Gespräch über Sexualität und Politik.
96 Reiche schreibt über seinen Analysanden (S. 169f.): Er „blieb fasziniert nicht nur von den
Emblemen, Parolen und Gesten des Nationalsozialismus, sondern ebenso von dessen
Aktionen, seinen Aufmärschen und Morden…Diese Faszination stand zwar im Dienst der
sexuellen Erregung…,aber sie ging doch gleichzeitig über den Bereich hinaus, den man…als
das Sexuelle fasst. Im Rückblick auf diese Analyse beschäftigt mich am stärksten die Einsicht
in das Gewahrwerden der Unausweichlichkeit der Ästhetisierung gewaltförmiger,
zerstörerischer und mörderischer geschichtlicher Vorgänge. Medium und Haftmittel dieser
Ästhetisierung ist die sexuelle Erregung“.
Literaturangaben
AMG: In: Antifaschistische Informationen, Rechte Organisationen in Hamburg, Nr. 1 vom
2.6.1995. Herausgegeben von: Bündnis keinen Fußbreit den Faschisten. [email protected]
Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck gegen Enk, Frühauf,
Wegner, O. und T. König vom 21.12.1981. Staatsarchiv Hamburg 242-1II
Gefängnisverwaltung II:8, insbesondere S. 32-38
Anonym: Anmerkungen zu Michael Kühnen: Nationalsozialismus und Homosexualität.
Schriftenreihe Stimmen zur Zeit, Heft 1. Rotterdam [1986]
Antifaschismus zum Abgewöhnen. Stellungnahme zu Rudolph Reimanns taz-Artikel
Aufmarsch der Kuschelnazis vom 30.3.2009.
http://gaywest.wordpress.com/2009/03/31/antifaschismus-zum-abgewöhnen
Hamburg von hinten: Bruno Gmünder Verlag Berlin:
Ausgabe 1982 (hrsg. Ernst Meibeck, Redaktion: Bruno Gmünder, Christian von Maltzahn)
Ausgabe 1984/85 (hrsg. Ernst Meibeck, Redaktion: Christian von Maltzahn)
Ausgabe 1986/87 (hrsg. Bruno Gmünder)
Ausgabe 1993/94 (hrsg. und Redaktion: Ralf Waldau)
Ausgabe 1998 (Autor: Michael Huber)
Ausgabe 2000 (Autor: Lothar Andrée)
34
Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS): Die häufigsten gegen den KDS erhobenen
Vorwürfe mit kurzer Stellungnahme.
www.kds-im-netz.net/schriften/archiv/vorwuerfe.htm
Mischt mit. Panne bei den Hamburger Fahndungs-Behörden: In einem Fememord-Prozeß
gegen Neonazis ist auch ein V-Mann angeklagt. In: Der Spiegel 19/1982 vom 10.5.1982
MLK (Motorrad- und Lederklub Schwarz-Rot-Gold): Politische Grundsatzerklärung.
Neustadt/Holstein 17.9.1988
Nazi Nick is a panzi. In: The Sun, 30.7.1992 (s. auch unter Malinski, Brandom)
Skinheads: Rechte Armee Fraktion. In: Der Spiegel 33/1987 vom 10.8.1087
Solche Elemente: Fememord unter Neonazis: Nach Art des Dritten Reiches wurde ein
schwuler Mitkämpfer getötet – im Auftrag?. In: Der Spiegel 24/1981 vom 8.6.1981
Urteil des Landgerichts Lübeck gegen Enk, Frühauf, Wegner, O. und T. König vom 3.Juni
1982
Abrams, Kevin E: Homosexuality in the Nazi Party.
http://constitutionalistnc.tripod.com/hitler-leftist/id12.html
Bernhardt, Markus: Die besseren Kameraden (Interview mit Jörg Fischer). In: Gigi Nr. 32
(Juli/August 2004) s. 10f.
Bernhardt, Markus: Braun statt Aloha? In: BOX (September 2008) S. 4
Bernhardt, Markus: Von „Multischwuchteln und Schwulen als Perversion der Gesellschaft“.
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Berhardt, Markus: Sein Kampf. In: Gigi Nr. 32 (Juli/August 2004) S. 8-10
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