Buchbesprechung: Verena Kast: Vom gelingenden Leben

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Barbara Götz: Buchbesprechung:
Verena Kast: Vom gelingenden Leben. Märcheninterpretationen
Juni 2005
Buchbesprechung: Verena Kast: Vom gelingenden Leben.
Märcheninterpretationen. Deutscher Taschenbuchverlag,
München 2000
Was wir im Leben erreichen, hängt oft auch davon ab, was wir erwarten, und das ist
wiederum geprägt von Vorstellungen und inneren Bildern. Verena Kast stellt uns in
ihrem Buch anhand von Märchen Bilder von gelingendem Leben vor.
Im Märchen gelingt das Leben denen, „die empathisch sind, die die Fähigkeit haben,
nicht nur sich selber, sondern auch die Menschen und die Welt um sich herum
wahrzunehmen. Es gelingt aber auch denen, die dem folgen, woran sie ihr Herz
gehängt haben, also denen, die irgendeine Leidenschaft antreibt, von der sie nicht
ablassen. Und es gelingt denen, die an ihre eigenen Möglichkeiten glauben und die
grundsätzlich Vertrauen in das Leben haben.“ (S. 10 f.)
„Das Glückskind [im Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren] gehört zu
den Menschen, die einige positive Illusionen über sich selbst haben, sich etwas
erfolgreicher sehen, als sie sind, und denen gerade darum in der Regel auch sehr
viel gelingt.“ (S. 33) „Das Märchen sagt uns, daß man ein Glückskind ist, wenn man
daran glaubt, eines zu sein. [...] Sind wir vielleicht alle Glückskinder und merken es
einfach nicht? – Oder wollen wir es nicht merken?“ (S. 44)
Wir sind im Alltag immer wieder mit kleineren und größeren Problemen konfrontiert
und oft liegt es an uns, einen Ausweg daraus zu suchen und zu finden.
Märchenheldinnen und Märchenhelden vertrauen immer darauf, daß es einen Weg
gibt. Sie „tun, was in der eigenen Kraft liegt, und wenn diese erschöpft ist, dann
lassen sie sich helfen.“ (S. 11) Sie haben auch genug Vertrauen ins Leben, sich zur
richtigen Zeit einfach im Fluss des Lebens treiben zu lassen, sodass die Lösungen
wie von selbst in einem neuen Lebensabschnitt auftauchen. Aber sie „[verlassen]
sich nicht auf das Glück in einer Situation, die [sie] mit der eigenen Intelligenz
bewältigen [können].“ (S. 41)
Vielleicht hemmt uns auch manchmal der Drang, alles möglichst zukunftsorientiert zu
gestalten und schränkt die aktuellen Möglichkeiten, dass etwas gelingen kann, ein.
„In den Märchen kümmern sich Heldinnen und Helden selten um die fernere Zukunft,
das Gelingen findet im Hier und Jetzt statt.“ (S. 161) Das ist ein interessanter Aspekt,
weil wir uns ja in einem ständigen Wandel befinden und heute nicht wissen können,
was in einigen Jahren sein wird. „Was heute gelingt, kann morgen nicht mehr
gelingen, und dann muß eine neue Einstellung zum Leben gefunden werden.“
(S. 158) „Ganz besonders wichtig für das Gelingen scheint zu sein, daß nicht
vergessen wird, was einmal gut war im Leben, [...] weil die guten Erfahrungen
Quellen des Vertrauens sind und in der aktuellen Situation hilfreich sein können.“
(S. 163)
Im Märchen „Das Wasser des Lebens, das Wasser der Schönheit und das Buch der
Jugend“ bedeutet Gelingen, „die Gesundheit wieder zurückzugewinnen. Das
Märchen beschreibt aber nicht die Krankheit, [...] sondern es fragt nach dem , was
fehlt, dieses Fehlende muß ins Leben eingebracht werden, und damit ist die
Krankheit geheilt.“ (S. 85)
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Barbara Götz: Buchbesprechung:
Verena Kast: Vom gelingenden Leben. Märcheninterpretationen
Juni 2005
Viele Menschen haben immer wieder das Gefühl, ihre Entwicklung und die äußeren
Umstände möglichst genau kontrollieren zu müssen. Oft wird dadurch der Zugang zu
unserem wahren Selbst verdrängt und das Vertrauen darauf, dass auch, wenn wir
uns in unseren Ansprüchen an uns selbst ein bisschen zurücknehmen, das Leben
einen sehr positiven Weg nehmen kann. Doch wenn wir unsere Emotionen und
Ängste verdrängen, werden wir zu einem künstlichen Wesen, dem viel Urwissen
nicht mehr zugänglich ist.
Der Teufel im Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ stellt „zusammen
mit der Ellermutter – seiner Großmutter – [...] ein Stück Naturweisheit dar, die
verteufelt und in die Hölle verbannt worden ist.“ (S. 31) Oft kann es sehr
entscheidend sein, in unserer Gesellschaft des Müssens, Sollens und Könnens auch
auf unsere innere Stimme zu hören. Doch dazu nehmen wir uns oft gar nicht die Zeit.
Wir hetzen durchs Leben um möglichst viel darin unterzubringen und laufen an den
wesentlichen Dingen vorbei. Im Märchen „Von der schönen Schwanenjungfer“ zögert
der Held, einen Schwan zu erschießen. Dazu schreibt die Autorin: „Zögern ist der
Moment, wo etwas Neues werden kann. Solange wir in der alten Haltung dem Leben
gegenübertreten, zögern wir nicht. [...] Im Zögern zeigt sich, daß mindestens zwei
Tendenzen in unserer Psyche sich streiten. Dadurch erleben wir eine
Verunsicherung, und in dieser Situation kann etwas Neues aufbrechen.“ (S. 141)
Aber nicht nur das Innehalten kann entscheidend sein, es geht auch darum, den
richtigen Moment für eine Sache abwarten und dann ergreifen zu können. „Den
guten Moment abwarten können wir nur dann, wenn wir darauf vertrauen, daß er
auch kommt.“ (S. 70)
Das Buch bringt uns immer wieder die Bedeutung des Vertrauens näher, sowohl in
uns selbst, wie auch in andere Menschen und in das Leben selbst. Die
verschiedenen Märchenheldinnen und Märchenhelden zeigen uns, dass das
Gelingen im Leben etwas sehr Subjektives ist und unterschiedlich aussehen kann,
und dass auch die Wege zum Gelingen verschieden sind. Interessant ist dann die
Frage, welche Faktoren jeweils das Gelingen des Lebens beeinträchtigen oder
verhindern, wie sie überwunden werden und was das Leben letztendlich gelingen
lässt. Das sind ja auch Fragen, die für unsere eigenes Leben entscheidend sein
können. „Ein Märchen zu deuten heißt, im Spiegel des Märchens über das eigene
Leben nachzudenken.“ (S. 12)
Märchen unterstützen aber auch unsere Vorstellungskraft, die uns die Freiheit gibt,
über die Grenzen unserer aktuellen Situation hinauszusehen und neue Perspektiven
für eine Weiterentwicklung zu erkennen, denn „[g]elingendes Leben verweigert sich
nicht der Wandlung.“ (S. 17)
Neben den Erklärungen von Symbolen und Archetypen erfahren wir in dem Buch
einiges über die Mythologie verschiedener Kulturkreise, sowie über alte
abergläubische Interpretationen verschiedener Erscheinungen.
Welche Aspekte auch immer die oder der einzelne davon mitnimmt, das vorgestellte
Buch kann meiner Meinung nach in jedem Fall zu einer Erweiterung des Blickwinkels
nach außen und vor allem nach innen beitragen.
Barbara Götz
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