Erfahrungen bei der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit in der anwendungsorientierten Hochschulbildung Modelle und Wege am Beispiel der Ausbildungskooperation ZUSTFHH I Stationen der Zusammenarbeit Erste Kontakte (1980 bis 1990) Der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Pestel, besucht 1980 die VR China. Das Land benötigt dringend Fachkräfte für das mittlere Management in der aufstrebenden Industrie. Die anwendungsorientierte Ingenieurausbildung der deutschen Fachhochschulen scheint ein geeignetes Modell. Zwischen dem niedersächsischen Ministerium und der Staatlichen Erziehungskommission wird in einer Absichtserklärung die Zusammenarbeit mit niedersächsischen Fachhochschulen vereinbart. Es folgen Besuche von Fachdelegationen und Gutachtergruppen aus Niedersachsen zur Vorbereitung von Entwicklungsprojekten und Informationsbesuche von SEK und PEKZhejiang in Niedersachsen. In einem gemeinsamen, vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht und dem Gouverneur der Provinz Zhejiang XUE Ju unterzeichneten Protokoll wird 1985 der Beitrag des Landes Niedersachsen zum Aufbau der Technische Fachhochschule Hangzhou erklärt. Eine Gutachterkommission unter Beteiligung der FHH prüft nun die Förderungsvoraussetzung der TFH Hangzhou. Der erste Austausch von deutschen Experten zur Beratung in Hangzhou und chinesischem Fachpersonal zur Fortbildung in Hannover setzt ein. 1990 wird ein deutsch-chinesischer Fördervertrag unterzeichnet. Die TFH Hangzhou soll sich zu einer Hochschule nach Vorbild der deutschen Fachhochschulen entwickeln. Die Projektförderung wird der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) übertragen. Das GTZ-Projekt: Einführung von praxisorientierten Studiengängen an der TFH (1991 bis 1999) Ziel des Projekts ist die Einführung von praxisorientierten Studiengängen um ein anwendungsorientiertes Hochschulausbildungsmodell zu gestalten. An der TFH wird ein Projektbüro unter Leitung des ehemaligen Rektors der FHH, und nunmehr im Unruhestand befindlichen Herrn Professor Graubner, eingerichtet. Es müssen die Voraussetzungen für die Entwicklung des Praxisbezugs und der Anwendungsorientierung geschaffen werden, d.h. der Aufbau bzw. Ausbau von Laboren und Werkstätten mit Hilfe von deutschen Fachkräften und deutscher Ausstattung mit Maschinen vorangetrieben, die kontinuierliche Beratung durch deutsche Experten vor Ort gewährleistet, die Fortbildung von chinesischen Lehrkräften in Deutschland betreut und die Kontakte mit der Industrie hergestellt werden. Herr Professor Graubner und anschließend seine Nachfolger in dem Amt des deutschen Teamleiters Herr Professor Hey (Fachhochschule München) und Herr Dr. Höhne (Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden) schöpfen aus der Erfahrung und Kompetenz ihrer Hochschulen und werben ihre Fachkollegen aus den Bereichen und Elektrotechnik und Maschinenbau als Experten für die Hochschule in Hangzhou an, die inzwischen den Namen Hangzhou Institut für Angewandte Technology (HIAT) bekommen hat. Am Ende der achtjährigen Projektlaufzeit haben mehr als 30 chinesische Lehrkräfte eine Fortbildung an niedersächsischen Fachhochschulen erhalten und mehr als 30 deutsche Experten an der Hochschule in Hangzhou gearbeitet oder Vorlesungen gehalten, eine Reihe von Laboren und Werkstätten für praktische Übungen in den Studiengängen der Elektrotechnik und des Maschinenbaus sind eingerichtet. Die Hochschule kann mit ihrem Deutschlandbezug Profil gewinnen und sich in der chinesischen Hochschullandschaft gut platzieren, der Projekterfolg wird seitens des BMZ hoch bewertet. Die Wirkung dieser Maßnahmen auf die weitere Gestaltung des Curriculums am HIAT, der Unterrichtsmethoden, auf den Einsatz von Laboren bei der Ausbildung der Ingenieurstudierenden blieb allerdings hinter den deutschen Erwartungen an eine anwendungsorientierte Ausbildung zurück. In dieser Hinsicht, das kann jetzt rückblickend gesagt werden, haben beide Seiten die eigene Verwurzelung in den unterschiedlichen Bildungstraditionen unterschätzt. Ein wichtiges Ergebnis dieser Jahre und gewissermaßen in Folge der Projektförderung entstanden, ist das Amt für Auslandsangelegenheiten, das in dieser Zeit am HIAT eingerichtet wird und das mit drei deutsch sprechenden Kolleginnen, als Übersetzerinnen und Dolmetscherinnen, als Deutschlehrerinnen und bei der Organisation von Veranstaltungen, der Vorbereitung und Begleitung des Personalaustausches ständig im Einsatz ist. Das DAAD-Projekt „Förderung von fachbezogenen Partnerschaften in Entwicklungsländern“ (1998-2001) Noch während der Laufzeit des GTZ-Projektes wird seitens des HIAT der Wunsch nach Ausweitung der Unterstützung beim Aufbau einer Abteilung ‚Kunst und Design’ zunächst mit dem Schwerpunkt ‚Modedesign’ an die FHH herangetragen. FHH und HIAT bestätigen 1996 ihre Zusammenarbeit in einer Hochschulvereinbarung und erhalten durch das Land Niedersachsen und die PEK Unterstützung bei der Umsetzung weiterer Expertenentsendungen nach China und für Fortbildungsaufenthalte in Deutschland. Auf der Grundlage einer Expertise von Frau Professorin Tuula Salo können aus dem gerade neu aufgelegten DAAD-Programm für ein deutsch-chinesisches Kooperationsprojekt Mode-Design Mittel eingeworben werden. Die Zusammenarbeit kann damit auf einen weiteren Bereich mit hoher deutscher Ausbildungskompetenz ausgeweitet werden. Vor dem Hintergrund der GTZ-Projekterfahrungen zielen die geplanten Maßnahmen von vornherein auf eine Annäherung der Curricula mit der Perspektive der Einrichtung von festen gemeinsamen Studienprogrammen. Der Prozess soll durch folgende Maßnahmen in Gang gebracht und flankiert werden: Gemeinsame Kooperation mit der Industrie sowie mit den internationalen Fachmessen Einrichtung ständiger Sprachkurse (chinesisch/deutsch/englisch) für alle Beteiligten Austausch von Dozenten: als Weiterqualifizierung des chinesischen Lehrpersonals in Hannover (zur Entwicklung der Internationalisierungskompetenz und Erprobung innovativer, ganzheitlicher innovativer Lehrmethoden), zur Projektarbeit in Kleingruppen, und für gemeinsame internationale Kurzzeit- und Semesterprojekte in China und in Deutschland Organisation von gemeinsamen Ausstellungen von Projektarbeiten und deren Veröffentlichungen abwechselnd in Hangzhou und in Hannover Austausch von Studierenden im Hauptstudium Anfertigen von Diplomarbeiten im Gastland (Betreuung möglichst in Zusammenarbeit mit der Industrie) Harmonisierung der Studienpläne (Aufnahmemodalitäten und –voraussetzungen, Praktikumsordnungen, Lehrbücher, Inhalte und Themen der Projekte, Durchführungen der Prüfungen und Diplomarbeiten, Benotungen und Benotungskriterien) In den folgenden vier Jahren werden in Fortbildungen chinesischer Dozenten in Hannover, in Kurzzeitdozenturen deutscher Experten in Hangzhou, in Gruppenprogrammen mit deutschen und chinesischen Studierenden die unterschiedlichen Traditionen des Lehrens und Lernens deutlich sichtbar und die Entfernungen vermessen, die es auf dem Weg hin zu gemeinsamen Studienprogrammen noch zurückzulegen gilt. Trotz gleichartiger Benennung der Studienbereiche gibt es erhebliche Unterschiede in der Durchführung von Studium und Lehre, begründet in dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Länder. Am schwerwiegendsten fällt auf, dass die meisten Lehrenden im HIAT über keinerlei Berufserfahrung als Designer verfügen. Da sich der Fachbereich Kunst und Design zu Projektbeginn noch im Aufbau befindet, fehlen auch die notwendigen Maschinen und Anlagen für den Realisierungsbereich, was die Durchführung wichtiger Experimente oder anwendungsbezogener Industrieprojekte erschwert. Außerdem stößt die sprachliche Verständigung ohne Dolmetscher auf enge Grenzen. Trotz dieser Einschränkung tauschen sich die Beteiligten sowohl auf der Ebene der Dozentinnen und Dozenten als auch der Studierenden in dieser Zeit, insbesondere durch die gemeinsame Projektarbeit, sehr intensiv aus, lernen sich kennen und schätzen. Sie erkennen und erproben das Potential, das in der Zusammenarbeit sowohl hinsichtlich des wachsenden Bedarfs an qualifizierten Fachkräften für den chinesischen Binnenmarkt liegt als auch für die Qualifizierung der deutschen AbsolventInnen im internationalen Wettbewerb. Das Projekt trifft in eine Phase, in der der immense Bedarf an qualifizierten Fachkräften für die chinesische Wirtschaft deutlich wird und ein großer ‚Run’ auf die Hochschulen im In- und Ausland einsetzt. Über die eigentliche Zusammenarbeit im Designbereich hinaus gibt es auch neue Impulse für die Zusammenarbeit bei der Ausbildung von chinesischen Fachkräften im Ingenieurbereich. Es liegt nahe, das Experiment einer kooperativen Ausbildung von Ingenieuren und Designern zu wagen und ein Modell zu entwickeln, wonach HIATStudierende nach einer Vorbereitungsphase in China und einer längeren Studienphase an der FHH zu einer chinesisch-deutschen Doppelqualifikation geführt werden können. Vertragliche Festigung im Jahr 2000 Bildungspolitische Erklärung zwischen dem Land Niedersachsen – Provinzregierung Zhejiang und Vereinbarung von Konzepten zur Errichtung internationaler Studiengänge (HIAT-FHH) Im Frühjahr 2000 wird während des Besuches des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kultur das Interesse beider Seiten an der Verstärkung der Hochschulzusammenarbeit erklärt, wobei „ in erster Linie die Beziehungen der Provinz Zhejiang mit den Fachhochschulen des Landes Niedersachsen entwickelt werden, damit die anwendungsorientierte Ausbildung an den chinesischen Hochschulen gefördert werden kann.“1 Als gegenwärtige Hauptpartner werden das Hangzhou Institut für Angewandt Technologie und die Fachhochschule Hannover genannt. Die Erklärung wird im März 2000 von Herrn Minister Oppermann und dem Präsidenten der Provinzerziehungskommission Herrn HOU Jingfang unterzeichnet. Bei derselben Gelegenheit verständigen sich die Präsidenten der genannten Hochschulen auf ein Konzept zur Errichtung elf internationaler Studiengänge in den Fachbereichen Bioverfahrenstechnik, Design und Medien, Elektro- und Informationstechnik sowie Maschinenbau. Sie sollen den chinesischen Studierenden die Möglichkeit zur Erlangung zweier Abschlüsse - das Bachelor-Degree des HIAT und das deutsche Fachhochschuldiplom - eröffnen. Nach zwei Jahren Grundstudium inklusive einer sprachlichen Vorbereitung durch Deutschkurse am HIAT sollen die Studierenden das Studium an der FHH fortsetzen und in drei weiteren Studienjahren beenden können. Das Studium umfasst somit 2 plus 3 Studienjahre und wird daraufhin kurz ‚2plus3-Programm’ genannt. Das Hangzhou Institut für Angewandte Technologie bekommt in dieser Phase einen neuen Namen und firmiert fortan unter Zhejiang Keji Xue Yuan oder ‚Zhejiang University of Science and Technology’ – unter uns Deutschen kurz ZUST. 1 Gemeinsame Erklärung der Erziehungskommission der Provinz Zhejiang und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur zur Hochschulzusammenarbeit, Hannover/Hangzhou, 10. März 2000 II Die Ausbildungskooperation im ‚2plus3-Programm’ In der Erprobung (2000 bis 2005) Das Studium baut sich in drei Phasen auf. 1.bis 4. Semester Grundstudium an der ZUST fachlichen Grundlagen bis zum Vordiplom an der ZUST Studienbegleitender Deutschunterricht (insgesamt ca. 900 Stunden) Zu Beginn des 4. Semesters Feststellung der fachlichen Eignung durch eine deutsch-chinesische Fachkommission Feststellungsprüfung Deutsch durch das niedersächsische Studienkolleg der Universität Hannover Zulassung in das 3. Fachsemester im gewählten Studiengang an der FHH 5. und 6. Semester an der FHH Brückenjahr an der FHH, mit einem speziell abgestimmten Fächerkanon und durch TutorInnen begleitet, betreut durch die ProgrammleiterInnen in den Fachbereichen und im Internationalen Büro Weiterer Deutschunterricht studienbegleitend an der FHH 7. bis 10. Semester an der FHH Reguläres Fachstudium inklusive Praktika bis zur Diplomarbeit Präsentation der Diplomarbeit an der FHH – Dipl.Ing. (FH) oder Dipl. Des. (FH) Präsentation der Diplomarbeit an der ZUST und Verleihung des chinesischen Bachelor-Degree Mit 36 ‚2plus3- Studierenden’ macht sich der erste Jahrgang zum Wintersemester 2002/03 auf den Weg nach Deutschland. 31 von ihnen landen in Hannover und fünf in Nürnberg an der Simon Ohm Fachhochschule. Begleitende Maßnahmen Chinesisch-deutscher Sprachlehreraustausch: Schon in der Vorbereitung des Programms war klar, dass der sprachlichen Vorbereitung der Studierenden große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss und eine verstärkte Förderung des Deutschunterrichts erforderlich ist. Die Verbesserung der Sprachausbildung durch Lehrerentsendung wird in der Bildungspolitischen Erklärung ausdrücklich erwähnt. Seit dem Jahr 2000 wird die Deutschabteilung der ZUST mit einem Studienrat aus dem Niedersächsischen Schuldienst kontinuierlich verstärkt. Er bereitet die ‚2plus3Studierenden’ zusammen mit den chinesischen Kolleginnen und Kollegen auf die Feststellungsprüfung Deutsch vor und ist Mitglied der Prüfungskommission des Studienkollegs der Universität Hannover. Die Verweildauer der niedersächsischen Lehrer in dieser Mission betrug bisher zwischen zwei bis drei Jahre. Im Jahr 2001 beginnt die erste chinesische Deutschlehrerin aus der ZUST ihre zwölfmonatige Fortbildung in Hannover. Ihr Programm konzentriert sich auf die Vertiefung der Kenntnisse in deutscher Sprache und Landeskunde sowie der Methodik und Didaktik ‚Deutsch als Fremdsprache’ am Niedersächsischen Studienkolleg der Universität Hannover. An der FHH erteilt sie Anfangsunterricht in chinesischer Sprache und Landeskunde. In den nächsten Jahren erweitert sich das Aufgabenspektrum der nachfolgenden chinesischen Kolleginnen und Kollegen um die Betreuung der ‚2plus3Studenten’. Chinesisch-deutscher Dozentenaustausch Die Fortbildungsaufenthalte der chinesischen Lehrkräfte und Professoren in Hannover dienen der Kenntnisvertiefung für die anwendungsorientierte Ausbildung und sind gerichtet auf die Methoden des seminaristischen Unterrichts, die Gestaltung von Laborübungen, Praxisphasen und Projekten, die Studienreform im Bolognaprozess, den Vergleich der Curricula und ihre Angleichung. Die deutschen Kurzzeitdozenturen in Hangzhou finden häufig in Begleitung von Studierenden statt und bieten den ‚2plus3-Studierenden’ in Vorbereitung ihres Studiums in Hannover fachbezogene Themen oder Entwurfsprojekte in Gruppenarbeit mit ihren künftigen Kommilitonen aus Hannover. Gruppenfortbildung für Deutschlehrer/innen Da der Fortbildungsbedarf im Kollegium der Deutschlehrer, insbesondere unter den zahlreichen jungen Kolleginnen und Kollegen ohne eigene Deutschlanderfahrung groß ist, finden seit 2004 in unregelmäßigen Abständen auch Gruppenfortbildungsprogramme zwischen vier und sechs Wochen Dauer in Hannover statt. In Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Studienkolleg der Universität Hannover orientiert sich das Programm an aktuellen Themen der deutschen Gesellschaft, bietet Einblicke in das deutsche Bildungswesen und ausreichend Gelegenheit zur didaktisch-methodischen Reflexion und Arbeit an ausgewählten Sprachschwierigkeiten. Zwischenbilanz Die Programmentwicklung in Zahlen: Entwicklung der Diplomabschlüsse (Stand: September 2007) Auffällig ist die Verschiebung der Abschlüsse auf der Jahresachse. Danach benötigt die Mehrzahl der Studierenden mindestens ein Semester länger, als vorgesehen für den Abschluss. Vier Semester Hauptstudium in den Ingenieurstudiengängen bzw. 5 Semester für das Designstudium, bemisst die Regelstudienzeit. Die tatsächliche Studienzeit in diesen Studiengängen betrug im FHH -Durchschnitt in 2006 plus 2 Semester gegenüber der Regelstudienzeit. Es überrascht daher nicht, dass die ersten Jahrgänge der Programmstudierenden, die ja das volle Studienprogramm des Hauptstudiums durchlaufen, die vorgesehene Studienzeit überschreiten. Verzögerungen ergaben sich im ersten Anlauf durch nicht bestandene Prüfungen und verspätete Praktika, in manchen Fällen verlängerte sich das Studium auch wegen finanzieller Engpässe. Der Studienerfolg ist für die Programmstudierenden zudem mit einer Reihe von besonderen Herausforderungen verbunden. Ich möchte dies unter den Stichworten Zeitund Energieeinsatz, Selbständigkeit, Integrationsbereitschaft und Zielgerichtetheit erläutern und fasse die Erfahrungen aus den ersten vier Programmjahren mit insgesamt 100 Studierenden zusammen. Zeit- und Energieeinsatz Während der ersten beiden Studienjahre an der ZUST müssen sich die Studierenden erhöhten Leistungsanforderungen stellen, denn das Erlernen der deutschen Sprache ist zusätzlich zu 38 Wochenstunden Vorlesungen und Übungen an der ZUST zu leisten. Es kommen 14 Kontakt-Stunden Deutschunterricht zu dem regulären Arbeitspensum hinzu. Wenn man die notwendigen Zeiten für das Nacharbeiten einrechnet, ergibt das schon in den ersten zwei Jahren eine bis zum Rand gefüllte sieben Tage Woche Nachdem die Hürden der fachlichen Qualifizierung inklusive Vordiplom und die Deutschprüfung, erfolgreich überwunden sind, haben viele Studierende die Hoffnung, die größten Anstrengungen lägen nun hinter ihnen. Aber dies ist weit gefehlt, werden sie bald in Deutschland erkennen, wo die größte Herausforderung mit dem Studienprogramm Teil 2 und 3 noch vor ihnen liegt. Meistens erst an der deutschen Hochschule wird deutlich: die Kenntnisse der deutschen Sprache und der Fachsprache reichen noch nicht aus, um den Vorlesungsstoff und die vortragenden Professoren gut zu verstehen, insbesondere in den sprachintensiven Fächern fühlt sich so manche/r zunächst verloren. Es gibt keine Lehrbücher, aus denen vorgetragen wird und nachgearbeitet werden kann, sondern es müssen Notizen zum Nacharbeiten des Stoffes in den Vorlesungen und Seminaren erstellt werden. Man ist unerfahren im Umgang mit den Geräten in den Laboren und Werkstätten, beim Schreiben von Laborberichten und nicht gewohnt, Fragen zu stellen und Hypothesen zu äußern, ungewohnt sind auch Aufgabenstellungen, in denen alternative Lösungen gesucht und diskutiert werden sollen. Bei allen Hilfestellungen, die durch die Programmleiter/innen, TutorInnen und den Deutschunterricht angeboten werden, hängt der tatsächliche Studienerfolg nicht unerheblich von der eigenen Motivation zum Studium in Deutschland, der Eigeninitiative und Selbständigkeit einer und eines jeden ab. Selbständigkeit und Integrationsbereitschaft Die ‚2plus3-Studierenden’ sind bei ihrer Einreise nach Deutschland zwischen 20 und 22 Jahre alt, sie sind somit einige Jahre jünger als ihre Kommilitonen an der Fachhochschule und sie kommen als Einzelkinder aus behüteten Verhältnissen. Sowohl in der Familie als auch auf dem chinesischen Campus hatten sie noch nicht viele Entscheidungen in eigener Sache zu treffen. Die Wahl des Studiums fiel in enger Abstimmung mit den Eltern, der Tagesablauf und die Einbindung in die Gemeinschaft auf dem Campus ist durch das Wohnen in Mehrbettzimmern im Studentenwohnheim und die Einnahme aller Mahlzeiten in der Mensa festgelegt, der Besuch von Lehrveranstaltungen in Klassenverbänden nach festem Stundenplan vorgegeben. Sie mussten sich bisher wenig um Fragen der Alltagsbewältigung Sorgen machen und wenige haben schon einmal ‚gejobbt’ oder ein Praktikum gemacht. Deutschland bedeutet somit nicht nur eine Herausforderung hinsichtlich der fremden Sprache und Kultur, sondern bedeutet den Eintritt in eine neue Lebensphase, die Selbständigkeit und Selbstorganisation sowohl im Studium als auch im Leben abfordert. Die enge Verknüpfung von Leben und Studieren ist aufgehoben, weitgehende Selbstversorgung wird notwendig, den Tag muss man sich selbst strukturieren, es gibt keine Anwesenheitspflicht in den Lehrveranstaltungen, der unmittelbare Einfluss und die Unterstützung durch die Familie nimmt ab. In einer solchen Situation bildet die Gruppe der Landsleute natürlich ein wichtiges Bezugsfeld und einen Entlastungsraum für aufgebauten Stress. Jeder, der sich selbst länger in einer fremden Kultur bewegt hat, kann das verstehen. Die Kontaktpflege der chinesischen Kommilitonen miteinander darf aber nicht als Alternative zum Kontakt mit anderen Studierenden und anderen Zeitgenossen praktiziert werden sondern sollte Anlass bieten, auch diese in die Gruppenaktivitäten einzubinden und mit der chinesischen Kultur bekannt zu machen. Hier versuchen wir in einem interkulturell ausgerichteten Betreuungskonzept Anstöße zu geben und Initiativen zu unterstützen. Zielgerichtetheit Durch ein ganzes Bündel von Angeboten und Maßnahmen, angefangen bei einem dreiwöchigen Orientierungsprogramm nach der Einreise und einer Reflexionsphase zur Halbzeit im Februar, über den chinesischen Austauschlehrer im Internationalen Büro, hin zu den deutschen Professoren und Deutschlehrern an der FHH, den Tutorinnen und Tutoren versuchen wir den Studierenden den Übergang von der chinesischen in die deutsche Hochschule und ein Zurechtfinden in Deutschland zu erleichtern. Die Unterstützung beim Studium als auch die Angebote zur Freizeitgestaltung greifen aber immer nur dann, wenn die Studierenden bereit und in der Lage sind, diese auch aktiv zu nutzen. Die Anforderung an die persönliche Leistungsbereitschaft in diesem Programm kann ohne ein eigenes Interesse an dem Studienfach und ohne eigene Vorstellung, welche Kenntnisse und Fähigkeiten man für einen späteren beruflichen Einsatz erwerben möchte, ohne Neugier und Bereitschaft, sich auf Fremdes einzulassen nicht erfolgreich bewältigt werden. Hierin liegt die persönliche Energiequelle aus der zu schöpfen ist. In den Auswahlgesprächen der Prüfungskommissionen sind deshalb Gründe und Gedanken der Kandidatinnen und Kandidaten zu dem Thema, warum sie die Anstrengungen des Studiums in Deutschland auf sich nehmen wollen und auf welches Ziel sie mit dem Studium hinsteuern, zur Feststellung der Eignung für dieses Programm sehr wichtig. Bis heute haben mehr als 160 Studierende allein an der FHH an diesem Programm teilgenommen und die ersten beiden Jahrgänge haben es inzwischen überwiegend erfolgreich durchlaufen. Durch Einbindung weiterer Hochschulpartner konnte die ZUST die Aufnahmekapazität erweitern und nun jährlich insgesamt rund 150 Studierende an sieben deutschen Fachhochschulen platzieren. Seit dem Jahr 2005 werden die Studienbewerber für das ‚2plus3-Programm’ als Studierende im Chinesisch-deutschen Institut immatrikuliert und auf ihr Studium an den Partnerhochschulen vorbereitet. Das 2plus3-Modell im Bolognaprozess: 2006 – 2010 Im Juni 1999 tagen die europäischen Kultus- und Wissenschaftsminister in Bologna und beschließen weitreichende, in die nationale Struktur der Studiengänge und –abschlüsse eingreifende Reformen zur Schaffung eines europäischen Hochschulraumes „als Schlüssel zur Förderung der Mobilität und arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung seiner Bürger und der Entwicklung des europäischen Kontinents insgesamt“2. Die Ziele der Hochschulreformen sind Internationale Vergleichbarkeit der Studienabschlüsse herstellen Mobilitätshemmnisse zwischen den Hochschulen der Mitgliedsstaaten beseitigen Die Durchlässigkeit zwischen europäischen Bildungseinrichtungen und europäischen Arbeitmarkt erleichtern und Das lebenslange Lernen fördern (LifelongLearningProgramme) Als Maßnahmen zur Realisierung dieser Ziele bis zum Jahr 2010 gelten verbindlich die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge Modularisierung des Studienangebots Einführung des Kreditpunktesystems ECTS Einführung des Diploma Supplements Qualitätssicherung durch Akkreditierung und Evaluation Für die gestuften Studiengänge gilt: der Bachelor ist im ersten Zyklus, der Master im zweiten Zyklus nach einem Erwerb von insgesamt 300 Kreditpunkten zu vergeben. Das Curriculum soll schon auf die Berufsfähigkeit nach dem ersten Abschluss ausgerichtet sein. Der Aufbau des Curriculums in Modulen bedeutet: mehrere Lehrveranstaltungen werden zu einem Themenkomplex/ Lerneinheiten gebündelt. Das Leistungspunktsystem nach ECTS misst den Arbeitsumfangs für ein zu erbringendes Studienergebnis in Credits: Für den Erwerb eines Credits werden im Durchschnitt 30 Zeitstunden angenommen, in einem Studiensemester sind 30 Credits zu erreichen. Die gesamte Arbeitsbelastung ist auf 900 Stunden pro Semester einschließlich 2 Der Europäische Hochschulraum – Gemeinsame Erklärung der Europäischen Bildungsminister am 19. Juni 1999, Bologna in: HRK Service-Stelle Bologna, Beiträge zur Hochschulpolitik 8/2004 vorlesungsfreier Zeit oder 1800 Stunden pro Studienjahr bemessen. Die Akkumulation von Credits an verschiedenen Hochschulen oder im (berufsbegleitenden) Teilstudium ist möglich Die Transparenz des Studienverlaufs wird während des Studiums in verschiedenen Bildungseinrichtungen durch ‚Learning Agreements’ und ‚Transcript of Records’ gewährleistet und abschließend in einem ‚Diploma Supplement’ dokumentiert. Hier richtet sich der Blick auf die Modifizierung durch die Umstrukturierung der Studiengänge an der FHH im ‚2plus3-Programm’. Die FHH hat im Jahr 2006 das gesamte Studienangebot auf die Bachelor-MasterSturuktur ausgerichtet. Für den konsekutiven Aufbau von Bachelor- und Masterstudiengäng an der FHH ergibt sich danach folgendes Bild Anwendung im 2plus3Programm Die Einführung der Bachelor/Master-Struktur für alle FHH-Studiengänge im Jahr 2006 war Anlass zur Überarbeitung der Vereinbarung über die kooperative Ausbildung von chinesischen Fachkräften mit der ZUST. Entsprechend der neuen Studienstrukturen und – abschlüsse wurde zwischen den Fakultäten für jeden Studiengang die einzelnen Studienphasen in ihrem Leistungsumfang nach Credits definiert: Aufbau der Studienphasen nach Credit Akkumulation, Beispiel3 (vgl. Anlage 1) Das Studienprogramm im Vorbereitungsjahr an der FHH wird entsprechend der Wahl des Studiengangs mit jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer in einem ‚Learning Agreement’ individuell vereinbart: Individuelles Learning Agreement für das Brückenjahr, Beispiel4 (vgl. Anlage 2) Die Anwendung des Learning Agreements für das Brückenjahr bedeutet zwar zunächst einen größeren bürokratischen Aufwand, erhöht aber die Transparenz und Verbindlichkeit für alle Beteiligten. Der aktuelle Programmablauf auf einen Blick 3 Kooperation zwischen der Zhejiang University of Science and Technology (ZUST) und der Fachhochschule Hannover (FHH), Chinesisch-deutscher Doppelabschluss in den Studiengängen „Energietechnik“, „Informationstechnik“ und „Nachrichtentechnik“, Annex 4 Studienvertrag (Learning Agreement) Akademisches Jahr 2006/2007, FHH - International Office Die chinesisch-deutsche Sommerschule im Juli 2007 Zur Entwicklung von Reziprozität im Austausch In diesem Sommer fand die erste Begegnung zwischen Tutorinnen und Programmstudierenden schon bei einer chinesisch-deutschen Sommerschule an der ZUST statt. Anhand von Themen aus dem zukünftigen Fachstudium an der FHH ging es zwei Wochenlang vormittags in kleinen Gruppen um Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und nachmittags übten die Gäste aus Hannover im Tandem mit den chinesischen KommilitonInnen die chinesische Sprache und Schrift. In gemeinsamen Freizeit- und Sportaktivitäten, bei Ausflügen zum Westsee, bei Taiji und Kalligraphie, beim gemeinsamen Kochen nach chinesischen und deutschen Rezepten in der Großküche der Mensa gab es reichlich Gelegenheit für Gespräche und Austausch. Für die meisten FHH Teilnehmer/innen war diese Sommerschule der erste Besuch in China. Sie waren von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft ihrer Gastgeber sehr beeindruckt und sind nun bestrebt, diese in Deutschland zu erwidern. Denn sie haben auch eine Vorstellung vom weiten Weg bekommen, den die chinesischen Studierenden nicht nur geographisch gesehen nach Deutschland zurücklegen müssen. Als die chinesische Gruppe in Hannover ankam, traf sie auf viele bekannte Gesichter und neue Freunde. Das Interesse der deutschen Studierenden ist erwacht; die Tutorinnen und Tutoren begreifen ihren Einsatz im ‚2plus3-Programm’ als Chance zur eigenen Vorbereitung auf ein Auslandssemester in China. III Zusammenfassung und Ausblick An dieser Stelle möchte ich kurz zurückblicken auf das Ziel, mit dem die Zusammenarbeit gestartet ist. Im GTZ-Projekt hieß es „die Einführung von praxisorientierten Studiengängen um ein anwendungsorientiertes Hochschulausbildungsmodell zu gestalten.“ Wie das Produkt genau aussehen sollte und wann es marktfähig sein würde, konnte damals noch nicht vorausgesagt werden. Doch nach 10 Jahren chinesischdeutscher Entwicklungszusammenarbeit war das Terrain für das hier beschriebene Sandwichprogramm ‚2plus3’ bereitet. Es hat sich als Modell einer chinesisch-deutschen Ausbildungskooperation zur Qualifizierung chinesischer Fachkräfte für den mannigfaltigen Einsatz in den sehr bedeutsamen und stetig wachsenden chinesisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen bewährt. Das Programm steht regelmäßig auf dem Prüfstand und es wächst mit der chinesisch-deutschen Hochschulzusammenarbeit im gemeinsamen Interesse der Qualifizierung unserer Studierenden für den internationalen Arbeitsmarkt. Ein solches Projekt wächst jedoch nicht ohne verlässliche und kompetente Partner in den Fakultäten und in den koordinierenden Stellen, nicht ohne Enthusiasmus für die Sache nicht ohne Unterstützung durch Hochschulleitungen und die Politik. Wir hoffen, dass wir weiterhin damit rechnen können. Die Zusammenarbeit bei der Projektbegleitung, der Betreuung der einzelnen Austauschmaßnahmen, die Abstimmung über die Entwicklungsziele, in jeglicher Hinsicht hat die Kooperation zwischen ZUST und FHH bisher hervorragend funktioniert. Das Engagement und die Professionalität, die von chinesischer Seite eingebracht wurden, haben zur Verwurzelung der chinesisch-deutschen Partnerschaft in den Hochschulen wesentlich beigetragen. Was bleibt zu tun? Es gibt einige Baustellen: Weitere Verzahnung der Curricula, Einbindung deutschsprachiger Module im Fachunterricht an der ZUST Entwicklung der Reziprozität im Austausch – Studiengänge mit Vertiefungsrichtung China an deutschen Fachhochschulen Stärkere Einbindung von Praxispartnern in das Programm Vernetzung aller Partner Pflege eines Alumni-Netzwerks Hangzhou, den 21. September 2007 Beate Blümel, Leiterin des Internationalen Büros der Fachhochschule Hannover