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30.06.04
500 Teilnehmer beim Pflegekongress in
Saarbrücken
Demenz ist die große
Herausforderung
„Zuerst muss die Seele bewegt werden“: Neue Wege in der
Pflege Demenzkranker fordert Professor Erwin Böhm
(Wien). Das von ihm entwickelte „Psychobiografische
Pflegemodell“ sieht eine radikale Abkehr vom traditionellen
Ansatz der Altenpflege vor, die eher an den geistigen und
körperlichen Defiziten Demenzkranker ansetzt. Im Saarland
sind aktuell bis zu 25 000 Menschen an Demenz erkrankt;
im Jahr 2030 werden es in Deutschland schon
schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen sein.
Vor diesem Hintergrund stieß der Vortrag Böhms im
Rahmen des Pflegekongresses unter dem Motto „Neue
Wege in der Behandlung dementiell erkrankter Menschen“,
den der Diözesan-Caritasverband Trier
grenzüberschreitend mit dem „Service RBS –
Seniorenakademie und Fortbildungsinstitut“, Luxemburg,
organisiert hatte, auf reges Interesse. Vor rund 500
Mitarbeitern aus Pflegeberufen und Schülern der Alten- und
Krankenpflegeschulen betonte Böhm am 29. Juni im
Burbacher Bürgerhaus: „Eine gute Altenpflege ist immer
eine rehabilitative Pflege.“ Für Böhm ist die Biografie des
Kranken der Schlüssel dazu, um verwirrte alte Menschen
verstehen und ganzheitlich betreuen zu können. Erlebnisse
und Erfahrungen in Kindheit, Jugend und Alter und die
damit verbundenen Gefühle sowie seine Vorlieben und
Ängste prägen den Menschen. Diese Erkenntnis können
sich Pflegende zu nutze machen, indem sie bestimmte
„Schlüsselreize“ aus der persönlichen Biografie des
Menschen einsetzen, um seinen Lebenswillen zu
reaktivieren. Zwar kann dadurch die Krankheit nicht geheilt
werden, aber Symptome lassen sich lindern und das
Verhalten des Kranken positiv verändern: Der
Pflegebedürftige erhält dadurch ein Stück mehr
Lebensqualität.
Böhm appellierte an die Pflegenden, ihre Toleranzschwelle
zu vergrößern: Anstatt den eigenen Maßstab von
„Normalität“ anzusetzen, sollten Pflegende fragen, was für
einen Demenzkranken „normal“ sei. Demente Menschen
dürften nicht als „verrückt“ abgestempelt, sondern
höchstens als „eigenartig“ verstanden werden. Böhm erhielt
für seinen Vortrag lang anhaltenden Applaus.
Im Anschluss an seinen Vortrag berichteten Vertreter von
Altenheimen in Berbourg und Mersch/Luxemburg über die
Erfahrungen, die dort mit dem „Psychobiografischen
Pflegemodell“ gemacht werden. Dabei wurde klar: „Pflege
nach Böhm“ verlangt von Schwestern und Pflegern ein
hohes Maß an Einsatz und Einfühlungsvermögen, müssen
sie sich täglich doch mit der individuellen Lebensgeschichte
der Betreuten auseinandersetzen und darauf eingehen.
Ziel der Tagung war es, Schwestern und Pflegern an Hand
von Theorie und Praxisbeispielen neue Möglichkeiten in
der Pflege verwirrter alter Menschen aufzuzeigen. Die
menschenwürdige, ganzheitliche Betreuung
Demenzkranker wurde vom stellvertretenden Diözesan-
Caritadirektor Winfried Görgen, der saarländischen
Sozialministerin Dr. Regina Görner und der
luxemburgischen Familienministerin Marie-Josée Jacobs
als eine wichtigsten Herausforderungen in der Zukunft
bezeichnet.
Winfried Görgen betonte die besondere Verantwortung der
katholischen Einrichtungen und Dienste der Altenpflege:
„Nur wenn wir lernen, sensibel mit der Erkrankung
umzugehen, kann es uns gelingen, Demenzkranken
möglichst lange soviel Lebensqualität wie möglich zu
erhalten“, so Görgen in seinem Grußwort. Für katholische
Träger von Altenheimen und Sozialstationen sei dies ein
besonders wichtiger Aspekt in der Pflege alter Menschen.
Dr. Regina Görner hob hervor, dass nicht nur in den
stationären Altenhilfeeinrichtungen, sondern auch in der
häuslichen Pflege neue Konzepte Beachtung finden sollten.
Daher sollten auch pflegende Angehörige im
„Psychobiografischen Pflegemodell“ nach Böhm angeleitet
werden.
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