ZUSAMMENFASSUNG DIPLOMARBEIT Nina Boldt Thema Entwicklung objektbezogener Auswertungen aus der Bilddatenbank CityServer® der Tele-Info AG © Nina Boldt 1 Einführung in die Thematik Die CityServer®-Technologie ist eine Eigenentwicklung der Firma Tele-Info AG in Garbsen und wurde nach mehrjähriger Vorbereitung erstmals im Jahr 1998 vorgestellt. Aus bescheidenen Anfängen hat sich mittlerweile ein breites Anwendungsspektrum mit vielfältigen Fachanwendungen im Bereich räumlicher flächendeckender Visualisierungen entwickelt, in denen die CityServer®-Technologie besonders interdisziplinäre Aufgaben löst. Ziel dieser Arbeit war in diesem Zusammenhang die Untersuchung und Entwicklung von Verfahren im Bereich Bildauswertung. Die Bilddatenbank CityServer® enthält positionsbezogene Bilddatensätze, die kontinuierlich vom öffentlich befahrbaren Straßennetz aufgenommen worden sind. Jedem Bilddatensatz (bis zu 15 Blickwinkel zu einer Fahrzeugposition) ist die geographische Koordinate der Fahrzeugposition zugeordnet. Alle Bilder zusammen ergeben einen lückenlosen Bilddatensatz. Dabei ist jedem Bild eine Koordinate im WGS84 zugeordnet. Das Programm kann als Standalone-Version genutzt oder in ein beliebiges GIS wie zum Beispiel ESRI, MAPINFO, SMALLWORLD oder SICAD integriert werden. Für browserbasierte Offline-Anwendungen steht der WebCityServer® zur Verfügung. Die Komplexität des Themas verlangte eine eingehende Betrachtung der Gewinnung von Orientierungsparametern, die unerläßlich für die Bildauswertung sind. Es wurden verschiedene Auswertungsverfahren vorgestellt, die eine Programmimplementierung und schließlich die Anwendung durch den Nutzer nach sich zogen. Aufgaben und Ziele der CityServer®-Technologie Wie Studien ergaben, haben schätzungsweise 80 % aller Entscheidungen im kommunalen Bereich einen Raumbezug und setzen die Kenntnis raum- und infrastrukturbezogener Informationen voraus. Von Interesse sind Antworten auf die Fragen: Wo passiert was? Wo ist was geplant? Wie sieht es vorort aus? Ziel des CityServer® ist es daher, beliebige Städte oder Regionen systematisch und flächenhaft in einer digitalen Bilddatenbank zu erfassen. Die heutige CityServer®Technologie bietet eine lückenlose Sammlung geokodierter, farbiger Bilder von Städten und Regionen. Desweiteren läßt sich das georeferenzierte Bildmaterial wie oben erwähnt auch mit anderen Geoinformationssystemen verknüpfen. Durch den Ortsbezug ist ein Abgleich mit Karten, Luft- und Satellitenbildern wie auch mit Datenbanken, Planungen und Konzepten (Flurstückspläne, Flächennutzungspläne) oder beliebigen anderen geokodierten Informationen möglich. Man erhält wirklichkeitsgetreue Rundumansichten und kann sozusagen eine virtuelle Ortsbegehung am Computer vornehmen. So ist es möglich, Gegebenheiten einer Region sichten, bewerten, einordnen, planen und dokumentieren zu können, ohne direkt am Ort sein zu müssen. Diese Tatsache bringt Einsparungen von Kosten und Zeit mit sich, da Ortsbesichtigungen häufig entfallen und fördert ein effizientes und effektives Arbeiten. 2 Das Softwarepaket CityServer® bietet folgende Vorteile: • • • • • • • reale flächendeckende Veranschaulichung des öffentlichen Raumes hohe Informationsdichte nutzerfreundliche Bedienung vielfältige Einsatzgebiete und ein weites Anwenderfeld Möglichkeit der Einbindung in andere GIS-Systeme geringer Kostenaufwand im Vergleich zu sonstigen Datenerfassungskosten Zeiteinsparungen Die Fähigkeit, abstrakte Geoinformationen von Objekten, Straßen und Regionen so realitätsnah wie durch die CityServer®-Technologie vom Rechner aus betrachten zu können, begründet die vielfältigen Einsatzbereiche, die in der folgenden Übersicht exemplarisch dargestellt werden. Einsatzbereiche der CityServer®-Technologie: • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Archiv Bauordnung Bürgerbüro bzw. Webseite einer Stadt Denkmalpflege und Bodendenkmalpflege Energieversorger Entsorgung Feuerwehr/ Polizei und THW sowie Notdienste Hochbau Kirchenbau Kultur; Freizeit und Sport Liegenschaften Öffentlichkeitsarbeit und Marketing Ordnung Sanierungsträger Sozialdienste und medizinische Einrichtungen Stadtplanung / Stadtentwicklung und -erneuerung Straßen- und Tiefbau Tourismus Umwelt und Naturschutz Verkehrsbetriebe, Bahn, Flughäfen Wirtschaft Die Software CityServer® und PictureServer Das Softwarepaket CityServer® setzt sich zusammen aus den Komponenten Karte und PictureServer. Beim Aufruf des Programms CityServer® erscheint automatisch zum einen das Kartenfenster, in dem der Kartenausschnitt geöffnet wird, der den Koordinatenbereich der dazugehörigen Bilddatenbank enthält und zum anderen der so genannte PictureServer, der zur Darstellung der Bilddatensätze dient. 3 4 Aufnahmeprozeß und Datenverarbeitung Die Bilddatenbank des CityServer® entsteht, indem mit bis zu fünfzehn Kameras bestückte Fahrzeuge das öffentlich befahrbare Straßennetz abfahren und dabei in den verschiedenen Blickrichtungen fortlaufend Aufnahmen machen. Dies geschieht in so kurzen zeitlichen Abständen, daß die Fotos eines Bilddatensatzes zusammengenommen quasi einen lückenlosen 360° Rundumblick bilden. Zudem wird zu jedem einzelnen Bilddatensatz automatisch die jeweilige Koordinate im WGS84 gespeichert. Für die Arbeit an bzw. mit einem Aufnahmefahrzeug war es unerläßlich, möglichst genaue Informationen über dessen Konfiguration zu besitzen. Die genaue Definition der Einstellungen, zu denen eine genaue Positionsbestimmung der Kameras (X-, Y-, Z-Koordinate) und deren Ausrichtungswinkel zählen, spielten eine wesentliche Rolle für diese Arbeit und mußten den Anforderungen entsprechend neu ermittelt werden. Desweiteren mußten die Werte für den Zoomfaktor -also die Brennweite- im Rahmen einer Kalibrierung bestimmt werden. Konzeption objektbezogener Bildauswertungen Die im Rahmen dieser Diplomarbeit betrachteten objektbezogenen Bildauswertungen zielten auf die Frage ab, welche Informationen wie aus Bildern gewonnen werden können und gleichzeitig, welchen Nutzen für welche Zielgruppe von Anwendern diese haben könnten. Unterteilen kann man die Bildaufnahmen grob in drei Gruppen: Bilder der Straßenoberfläche, Bilder des Verkehrsgeschehens und von Kreuzungen sowie Seitenkamera- und Fassadenbilder. Aufgabe dieser Diplomarbeit war somit, zu untersuchen wie man anwendungsspezifische Informationen aus Bildern gewinnen und als neue Features in die CityServer®-Technologie integrieren kann. Im Allgemeinen ließen sich aus den oben genannten Ideen für objektbezogene Bildauswertungen folgende Fragen formulieren: 1. Welche weiteren Anwendungen sind vorstellbar, welche Funktionen wünschenswert? 2. Wer könnte den Anwenderkreis erweitern? 3. Welche Probleme treten beim bestehenden System auf, welche Änderungen machen Sinn? 4. Gibt es eine bessere Konfiguration der Kameras? 5. Wie kann man in Bildern messen? 6. Wie kann man Entfernungen vom Standort zu bestimmten Positionen im Bild berechnen? 7. Wie genau kann eine Koordinatenposition bestimmt werden? 8. Kann man Bilder entzerren und zu einem Panorama zusammenfügen? 9. Sind Einstellungen und Berechnungen soweit verallgemeinerbar, daß sie ohne großen Aufwand auf jedes beliebige Kamerasystem übertragen werden können? 10. Wie kann eine programmiertechnische Umsetzung und eine nutzerfreundliche Bedienung aussehen? 5 Theoretische Grundlagen Zunächst wurde theoretisches Grundlagenwissen zusammengetragen, das für die Bildauswertung einen wichtigen Grundstein bei der Problembetrachtung und Entwicklung von Lösungen bildet. Es wurden spezielle Arbeitsgebiete der Photogrammetrie vorgestellt und die Trennung in zwei grundsätzliche Arten der Bildauswertung aufgezeigt. Desweiteren wurden die Eigenschaften und Besonderheiten von digitalen Kameras, insbesondere von CCD-Sensoren und Objektiven erläutert. Nachfolgend wurden relevante Begriffe zum Verständnis von Aufnahme- und Abbildungsprinzipien definiert, die durch Darstellung einfacher Kameramodelle ergänzt worden sind. Abschließend wurde die umfangreiche Thematik der Transformationen behandelt, die in späteren Versuchen Anwendung fand. Bildauswertung ohne Kalibrierung Inhalt ist die Anwendung der ausführlich diskutierten Transformationen (Helmert, Affin). Unter dem Aspekt keine bekannten Parameter vorauszusetzen werden erste Erkenntnisse über die Positionsbestimmung in Bildern gewonnen. Ermittlung der Orientierungsparameter Die Ermittlung der inneren und äußeren Orientierungsparameter stellt einen wesentlichen Teil der Diplomarbeit dar. Wie im theoretischen Teil bereits abgehandelt war die Kenntnis der Orientierungsparameter unerläßlich, um andere als die bereits untersuchten Auswerteverfahren anzuwenden. Es blieb zu überprüfen, welche Ergebnisse bezüglich der Meßgenauigkeit in Bildern erreichbar sein würden. Eine große Hilfe war dabei das Entwicklungsfahrzeug der Tele-Info AG. Kalibrierung des Entwicklungsfahrzeuges Um die späteren Bilddaten auswerten zu können, mußten die individuellen Parameter wie Brennweite, Radialverzerrung und Hauptpunktverschiebung bestimmt werden. Außerdem mußte die Beziehung der Kameras untereinander festgehalten werden. Durch die gewonnenen Parameter erhält man die Abbildungseigenschaften, Positionierungen und Orientierungen der Kameras bezogen auf das gemeinsame Koordinatensystem. Es wurden unterschiedliche Kalibriermuster zur Kalibrierung eingesetzt. 6 Implementierung der neuen Anwendung in die CityServer®-Software Die Realisierung des vorgestellten Abbildungsverfahrens in die CityServer®-Software wurde mittels der objektorientierten Programmiersprache MS Visual C++ 5.0 (Microsoft) vorgenommen. Durchführung der neuen Funktion an Testfahrten Letztendlich waren drei verschiedene Komponenten zusammenzuführen, um aussagekräftige Ergebnisse zu gewinnen. Erstens standen die Aufnahmedaten der Testfahrt bereit, zweitens wurden die Straßenbebauungspläne mit der Karte verknüpft und drittens wurde das neue Berechnungsverfahren programmtechnisch realisiert und in die CityServer®-Software implementiert. Die neue Funktion sieht für den Nutzer folgendermaßen aus: Der Nutzer klickt einen Bodenpunkt eines beliebigen Bildes mit der rechten Maustaste an und wählt aus dem rechten Mausmenü die neue Funktion ‘BodenPunkt ermitteln’ aus. Es erscheint daraufhin ein Fenster mit ausführlichen Informationen über den angeklickten Punkt inklusive des Ergebnisses, nämlich der errechneten Entfernung des Punktes zum Fahrzeug (bezogen auf die entsprechende Kamera) und der Winkel des Punktes zur Fahrtrichtung sowie die Lage zum GPSSender. Alle einzeln errechneten Entfernungspunkte können abgespeichert und zusammen im Kartenfenster dargestellt werden. Gesamtergebnis Zusammenfassend läßt sich die Aussage treffen, daß ohne Berücksichtigung aller Orientierungsparameter eine Genauigkeit von 1 bis 10 Metern erreichbar ist. Fließt der Verzerrungskoeffizient K1 mit in die Berechnung ein, wird die Genauigkeit auf einen Bereich zwischen 1 und 6,25 Meter erhöht. Diese Aussagen beziehen sich auf alle Kameras insgesamt. Betrachtet man die Kameras einzeln, können Genauigkeiten von 1 bis 2,5 Meter erzielt werden. Viele Tests bestätigen diese Aussage. Gründe für Schwankungen bei der Positionsbestimmung sind zum einen sicherlich in der Ungenauigkeit beim Anklicken des entsprechenden Objektfußpunktes zu sehen, kommen aber auch durch die verschiedene Lage der Punkte im Bild zustande. Nicht zu vernachlässigen ist an dieser Stelle weiterhin die Bewegung des Fahrzeuges, die natürlicherweise gewissen unregelmäßigen Schwankungen unterlegen ist, die sich auf die Bilder übertragen bzw. sich auf sie auswirken. Die Resultate zeigen insgesamt gute Ergebnisse, die eine Einsatzfähigkeit auf jeden Fall ermöglichen. Für Straßenverkehrsämter kann diese Anwendung eine Hilfe beim Erstellen eines Schilderkatasters oder ähnlichem sein. Ein nächster Schritt in der Weiterentwicklung könnte die Attributierung angeklickter Punkte sein, um Objekte mit weiteren Informationen versehen zu können. Insgesamt gesehen stellt diese neue Funktion bereits in der heutigen Form eine Erweiterung des Anwendungsfeldes des CityServer®-Systems dar und ist für vielfältige Nutzungen vorstellbar . 7 Schlußbetrachtung Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung neuer Bildauswerteverfahren für die CityServer®-Technologie. Insgesamt bestand die Arbeit nicht ausschließlich aus einem Theorieanteil, sondern erforderte auch einen recht großen Anteil an praktischer Arbeit. Zunächst bestand die Aufgabe darin, sich in die CityServer®Technologie einzuarbeiten, um Möglichkeiten zu erkennen und neue Ideen zu entwickeln. Dazu gehörte auch, den Prozeß der Aufnahme zu begreifen. Eine Auseinandersetzung mit der Technik und dem Aufbau der Fahrzeuge war ebenso erforderlich wie die Verfolgung der Datenströme -von der Aufnahme über die Aufbereitung bis hin zur Fertigstellung für die Software. Nach erfolgter Konzeption galt es, speziell auf die CityServer®-Technologie zugeschnittene Lösungen zu entwickeln. Eine theoretische Betrachtung der Thematik Bildauswertung brachte das nötige Hintergrundwissen. Durch die eigene Entwicklung eines Testfeldes mit Durchführung von Versuchen konnten vorher theoretisch abgehandelte Verfahren erfolgreich angewendet und ausgewertet werden. Die Auswertung brachte gute Versuchsergebnisse und ermöglichte Vergleiche zwischen verschiedenen Bildaufnahmen und Transformationen. Im weiteren Verlauf der Arbeit wurden umfangreiche Kalibrierungen aller Kameras erforderlich. Die damit einhergehende praxisbezogene Arbeit machte deutlich, daß das Thema Bildauswertung in Bezug auf das CityServer®-System sehr differenziert betrachtet werden muß. Eine Arbeit speziell für die CityServer®-Technologie war eine große Herausforderung, da dieses System in dieser Form einzigartig ist und sich theoretische Verfahren nur bedingt anwenden lassen. Die Realisierung und Umsetzung neuer Bildauswertungsmöglichkeiten direkt am CityServer®-System erforderte somit viele innovative Ideen. Nach Entwicklung eines neuen Weges für die Positionsbestimmung in Bildern bestand das Ziel darin, diesen in die CityServer®Software zu integrieren (Visual C++) und vor allem die Orientierungsparameter zu nutzen. Insgesamt gesehen können die eingangs aufgestellten Fragen beantwortet werden. Erweiterungsmöglichkeiten betreffen die Meßbarkeit in Bildern der Straßenbelagskamera und Positionsbestimmung von Objekten. 8