Vor und nach dem Angriff Der Vorlauf des Luftangriffs auf Guernica ist kurz. Die national-spanische Führung verfolgte das Operationsziel, mit der Eroberung von Bilbao die Kontrolle über Nordspanien und zugleich einen kriegswichtigen Hafen zu gewinnen. Es mußte verhindert werden, daß sich die republikanischen Truppen in die Befestigungsanlagen Bilbaos, den sogenannten Eisernen Ring, zurückzogen. Dazu hätten diese Truppen Guernica passieren müssen, wobei sie auf die Unversehrtheit der steinernen Flußbrücke zwischen der Kernstadt und dem ostwärtigen Vorort Renteria angewiesen waren. Am Morgen des 26. April 1937, also wenige Stunden vor dem Angriff und daher auf der Grundlage aktueller Lageinformationen, vereinbarten die Stabschefs der Spanier und der Legion Condor die Sperrung der Rückzugstraße. Absicht war es, die Renteria-Brücke einschließlich der zu- und wegführenden Straßen unpassierbar zu machen sowie Truppen und Kriegsmaterial im Raum vor der Brücke zu bekämpfen. Dazu hat der deutsche Stabschef, von Richthofen, in seinem persönlichen Tagebuch (also nicht im Kriegstagebuch) vermerkt, daß sofort drei Staffeln Ju 52-Behelfsbomber (18 Flugzeuge) zusammen mit drei He 111 und einer Do 17 als leichten Bombern sowie drei italienischen Bombern SM 79 eingesetzt werden sollten und zwar „…auf Straße und Brücke … hart ostwärts Guernica. Dort muß zugemacht werden, … soll endlich ein Erfolg gegen Personal und Material des Gegners herausspringen.“ Zu ergänzen ist, daß etwa 3 bis 6 nationalspanische Ju 52 in die Angriffskräfte eingegliedert waren. Ein in Italien archivierter schriftlicher Einsatzbefehl weist die Besatzungen an, darauf zu achten, daß die Stadt Guernica nicht getroffen wird. Die deutschen Staffelführer der eingesetzten Bombergruppe haben wiederholt versichert, als Ziel sei ihnen die Brücke und die Vorstadt Renteria befohlen worden. Die Flugzeuge flogen ab 1630 Uhr mit mehreren Wellen und – um gegnerischem Flak-Feuer zu entgehen - in Höhen zwischen 2 und 4 km in den Zielraum ein, wobei zuerst ein Probeanflug ohne Bombenabwurf erfolgte. Es wurden Bomben in einer Menge von 22 t abgeworfen. Damit entsprachen Kräfteansatz und Bombenlast der militärischen Lage und der Bedeutung des Ziels. Die Masse der Kräfte (deutsche, italienische und spanische mit den Typen Ju 52 und SM 79) wurde in ungefährer Nord-Süd-Ausrichtung eingesetzt und kam damit zwangsläufig über den Ortskern von Guernica. Die übrigen (nur deutschen) Flugzeuge griffen von Osten an. Die Flugwege beider Angriffsteile kreuzten sich bei der Renteria-Brücke. Die Wiedergabe eines entsprechenden Bildes aus der Abhandlung Guernica: el bombardeo (Jesús Salas Larrazábal, 1981) verdeutlicht den Ablauf. Es zeigt nicht nur die Lage der großen Bombenkrater, die den Flugweg bestimmen lassen, sondern auch Einzelheiten wie die Unterbringungsorte republikanischer Truppenteile (Nr. 9. – 12.). Diese Quelle ist auch Grundlage der entsprechenden schematischen Skizze in Dr. Hagenas Mölders-Buch. Die Lage der Trichter innerhalb und außerhalb der Anflüge kann heute nicht mehr bestimmten Besatzungen oder Formationen zugeschrieben werden. Aber es ist zu vermuten, daß einzelne Flugzeuge ihre Position im Verband nicht halten konnten und sich außerhalb des Nord-Süd-Anflugkorridors bewegten. Allen gemeinsam ist das Unvermögen, den kleinen Zielraum mit der vorhandenen technischen Ausrüstung und unter den taktischen Gegebenheiten – insbesondere aus großer Höhe – mit guter Trefferwahrscheinlichkeit zu bekämpfen. Noch während des Angriffs brannten die Holzhäuser der Altstadt nieder. Die Wasserleitung war zerstört; dies und der dichte Rauch verhinderten einen wirkungsvollen Löscheinsatz. Etwa drei Viertel der Stadt gingen verloren. Das historische „Parlament“ mit dem heiligen Baum der Basken blieb erhalten. Indessen war das Operationsziel erreicht: Der Rückzugsweg der republikanischen Truppen war für einen Tag unterbrochen, einige Bataillone saßen fest und erlitten bei Folgeangriffen weitere Verluste. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung werden ohne Nachweis in politisch beeinflußter Überlieferung mit bis zu 3000 angegeben. Die Agentur United Press verbreitete in einer ersten Meldung, es habe 100 Tote gegeben. Ein Polizeibericht listet 266 getötete Zivilisten und mehrere Hundert Verletzte auf. Aus Kirchenbüchern Guernicas ergibt sich eine Zahl von 63 Toten. Ein britischer Sonderkorrespondent in Bilbao nannte einen Tag nach dem Angriff – die Stadt brannte noch – die Zahl der Opfer mit 1645 Toten und 880 Verwundeten. Am Morgen des 27. April gab der baskische Präsident eine emotionale Erklärung zur „Entweihung der heiligsten Stätte aller Basken“ ab und richtete einen Appell an den „Heroismus und Widerstandswillen“ der Bevölkerung. Der schon erwähnte britische Korrespondent griff dies auf und veröffentlichte in der Londoner Times einen Artikel, in dem er erklärte: „Der Zweck des Bombardements sei offensichtlich die Demoralisierung der Zivilbevölkerung und die Zerstörung der Wiege der Baskischen Rasse (Basque race) gewesen.“ Dieser denkwürdige Artikel ist der Ausgangspunkt für die Legende, Franco habe sich fremder Söldner bedient, um das Selbstverständnis des baskischen Volkes zu treffen. Und Guernica sei einem gezielten Terrorangriff zum Opfer gefallen, der dem Hitler-Regime dazu gedient habe, ein Konzept zur Terrorisierung wehrloser Zivilbevölkerung zu erproben. Tatsächlich war der Angriff auf die Brücke von Guernica ein taktischer Einsatz, der wenige Stunden zuvor in einer prekären Gefechtssituation geplant wurde. So wie es auf beiden Seiten des Spanischen Bürgerkriegs Tag für Tag geschehen mußte.