Geschichte P fälzi sc he Revol u ti o n Revolution 1848: Warum der Aufstand der Pfälzer gescheitert ist. In der Pfalz war man sich immer schon bewusst gewesen, dass die Geschichte das letzte Wort noch nicht gesprochen hat. Auch wenn die bürgerliche Revolution 1848/49 gescheitert ist, so war die pfälzische Erhebung weit mehr als eine Episode der deutschen Geschichte. Heute sind jene Ziele, für die die Protagonisten des Vormärz und der Revolution von 1849 nicht nur ihre bürgerliche Existenz, sondern auch Leib und Leben riskierten, weitestgehend erreicht: Demokratie, Rechtstaatlichkeit, nationale Einheit und eine bundesstaatliche Verfassung. Zwar war damals die ganze Pfalz in das Geschehen eingebunden, insbesondere die größeren Dörfer und Städte. Das Zentrum der Revolution aber befand sich in Kaiserslautern. Hier versammelten sich die Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie. In der Lauterer Fruchthalle konstituierten sich der Landesverteidigungsausschuss und die Provisorische Regierung der Pfalz und hier tagte diese bis zu ihrer Flucht Mitte Juni. Doch wie kam es dazu? Die repressiven Maßnahmen der konservativen Regierungen schufen nach dem Hambacher Fest im Bürgertum eine äußerlich konservative Haltung und lähmten über Jahre liberale und demokratische Aktivitäten. Die europäische Wirtschaftskrise 1847/48, Missernten und zunehmende Verarmung in weiten Teilen der Bevölkerung verschärften die sozialen und politischen Spannungen. Die Februar-Revolution 1848 in Frankreich, in der die Franzosen die Abdankung des Bürgerkönigs Louis Philippe und die Proklamation der Republik erkämpft hatten, war der Startschuss für Arbeiter- und Bürgerrevolten in ganz Europa. Die März-Aufstände in Deutschland wurden vom Militär blutig niedergeschlagen, doch die demokratische Entwicklung ließ sich nicht mehr aufhalten. Bereits am 18. Mai 1848 trat in der Frankfurter Paulskirche das erste frei gewählte deutsche Parlament zusammen, um die Verfassung für ein einiges Deutsches Reich zu schaffen. Fast 600 Abgeordnete, meist aus dem gebildeten Bürgertum, berieten über die Grundrechte des deutschen Volkes und einigten sich nach heftigen Auseinandersetzungen am 27. März 1849 auf eine liberale Reichsverfassung. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV., vom Parlament zum erblichen Kaiser gewählt, lehnte die Kaiserwürde ab. Preußen, Österreich, Bayern und Hannover verweigerten der Reichs- 39 Ge s c h i c hte I P fä lzische Revo lut io n verfassung ihre Zustimmung; die meisten Abgeordneten wurden abberufen oder traten zurück. Damit war das Verfassungswerk gescheitert. senstuck legitimierte jedoch den „Landesausschuss für die Verteidigung und Durchführung der deutschen Reichsverfassung“ als politische Institution. Die Ablehnung der Reichsverfassung heizte die revolutionäre Stimmung in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung an. In Breslau, Düsseldorf, Elberfeld und Dresden kam es zu erbitterten Kämpfen gegen das königstreue Militär. Die Aufstände blieben auf die Städte beschränkt und wurden von den regulären Truppen niedergeschlagen. Zum Zentrum des Kampfes für die Reichsverfassung wurden Baden und die bayerische Rheinpfalz. Liberale und radikale Gruppen diskutierten die Trennung der Pfalz von Bayern und die Einsetzung einer provisorischen Regierung. Die Ablehnung der Reichsverfassung durch den bayerischen König war Hauptthema auf den Volksversammlungen in Kaiserslautern vom 29. April bis 3. Mai 1849. Nach heftigen Debatten in der Lauterer Fruchthalle setzten die gemäßigten politischen Kräfte die Einrichtung eines Landesverteidigungsausschusses durch. Zu den Mitgliedern des Ausschusses gehörten Nikolaus Schmitt (Kaiserslautern), Martin Reichhard (Speyer), Dr. Philipp Hepp (Neustadt), Karl Wilhelm Schmidt (Kirchheimbolanden), Heinrich Didier (Landstuhl), August Culmann (Zweibrücken) und andere. Am 17. Mai beschloss eine Versammlung aus gewählten Vertretern der pfälzischen Kantone mit knapper Mehrheit die Einsetzung einer „Provisorischen Regierung der Pfalz“ und die Loslösung von Bayern. In kürzester Zeit sollten Volkswehren zur Eigenstaatlichkeit organisiert werden. Die allgemeine Wehrpflicht wurde eingeführt. Große Probleme ergaben sich bei der Ausrüstung und Bewaffnung der Truppen. Im Mai begannen die revolutionären Volkswehren mit offenen Operationen gegen die bayerische Armee. Am 10. Mai vertrieben die Freischaren unter Oberst Blenker königstreue Truppen aus Ludwigshafen. Einen Tag später wurde die Bezirkshauptstadt Speyer besetzt. Die Eroberung der Festungen Landau und Germersheim scheiterte an der Gegenwehr der eingeschlossenen Soldaten und Offiziere. Während die provisorische Regierung immer noch daran arbeitete eine Armee aufzustellen und auszurüsten, rückten Anfang Juni bayerische und preußische Truppen in die Pfalz ein. Die schlecht ausgebildeten und spärlich ausgerüsteten Volkswehrsoldaten leisteten kaum Widerstand. In Kirchheimbolanden und bei Annweiler kam es zu Gefechten. Am 14. Juni besetzten preußische Truppen Kaiserslautern. Die provisorische Regierung hatte ihren Sitz zuvor nach Speyer verlegt. Heinrich von Gagern, Präsident der Frankfurter Nationalversammlung, befürchtete die Radikalisierung der politischen Bewegung und schickte den zweiten Vizepräsidenten, Jacob Bernhard Eisenstuck als „Reichskommissar“ in die bayerische Rheinpfalz, um mäßigend einzuwirken. Ei- 40 Von dort flohen die Mitglieder nach Baden. Am 17. Juni setzten die revolutionären Volkswehrsoldaten bei Knielingen über den G eschichte I P fä l z is c h e Revo l u tio n Rhein, um sich mit den badischen Revolutionstruppen zu vereinen. Als letzte von den Revolutionären gehaltene Festung ergab sich Rastatt am 23. Juli den preußischen Truppen. Die Revolution, die einen demokratischen deutschen Nationalstaat schaffen wollte, war gescheitert. Die politischen Führer der Revolution wurden strafrechtlich verfolgt. Die Flucht ins Ausland war für viele die einzige Rettung vor Todesstrafe und Kerkerhaft. Verfolgun- gen, enttäuschte Hoffnungen und ein zunehmend reaktionäres politisches Klima lösten nach der gescheiterten Revolution eine Auswanderungswelle nach Amerika aus. Die Lossagung vom Königreich Bayern, das 1816 auf dem Wiener Kongress der Pfalz zugeschlagen wurde, blieb somit eine Episode von wenigen Wochen. Die Stadt bezahlte den Aufstand nicht zuletzt mit der Besatzung eines bayerischen Strafbataillons. Die neu renovierte Fruchthalle war damals Heimstätte der pfälzischen Revolution. 41