1815 bis 1849/52

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„Einführung in die Geschichte der Neuzeit“
Grundkurs BA
Sitzung 6
1815-1849/52
I. Der Wiener Kongress 1814/15
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Übernahme der territorialen "Flurbereinigung" Europas durch Napoleon
(Auflösung geistlicher und anderer kleiner Staaten in Italien und
besonders in Deutschland); Fortführung und Korrektur der territorialen
Neuordnung zugunsten Preußens (Gewinn von Rheinland, Westfalen,
nördliches Sachsen), Österreichs (Gewinne in Norditalien und
Dalmatien), Russlands (Gewinn Polens und Finnlands) und der
Niederlande (Gewinn des späteren Belgiens).
Wiederherstellung des europäischen Gleichgewichts der fünf Großmächte
Russland, Großbritannien, Frankreich, Preußen, Österreich, mit
Hegemonie (Übergewicht) Russlands. Frankreich bleibt deshalb auf
Drängen Großbritanniens in den Grenzen von 1792 erhalten;
Wiedereinführung der Monarchie dort.
Architekt der Neuordnung ist der österreichische Minister Metternich.
An die Stelle des "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation" tritt der
Deutsche Bund als Staatenbund ohne monarchisches Oberhaupt.
Oberstes Organ ist der Bundestag in Frankfurt/Main, ein ständiger
Gesandtenkongress der Mitgliedsstaaten unter österreichischem Vorsitz.
Die Großmächte Österreich und Preußen gehören nur mit einem Teil
ihres Staatsgebietes zum Bund. Eine Volksvertretung gibt es nicht.
II. Restauration und Heilige Allianz 1815-1830
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Herausforderung der Restauration (Wiederherstellung) absoluter
Fürstenherrschaft durch das Erbe der Revolutionszeit: a) Nationalismus
schwächt das dynastische Prinzip besonders in Deutschland und Italien;
b) Säkularisierung durch weiter fortschreitende Aufklärung unterminiert
die Legitimation von Herrschaft durch Gottesgnadentum; c) die
Bevölkerung und insbesondere das durch Aufklärung, Wachstum der
Staatsbürokratien und beginnende Industrialisierung stärker werdende
Bildungs- und Besitzbürgertum fordern Mitspracherechte
zwischen
1814 und 1820 Einführung von Verfassungen (Konstitutionen) und
Volksvertretungen mit eingeschränkten Rechten nach französischem
Vorbild in den süddeutschen Mittelstaaten (Bayern, Baden,
Württemberg).
1815 "Heilige Allianz" zwischen weiterhin absoluten Monarchien
Russland, Österreich und Preußen: Einigung über Solidarität und
Intervention gegen alle nationalen und liberalen Bestrebungen, um
Gottesgnadentum und absolute Fürstenherrschaft in ganz Europa zu
verteidigen.
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Æ 1819 Karlsbader Beschlüsse: Im Deutschen Bund Verbot und
Verfolgung der nationalistischen Burschenschaften (gegründet 1815,
Wartburgfest 1817), Überwachung der Presse und der Universitäten.
Æ 1820/21 Österreichische Truppen schlagen die italienische
Nationalbewegung nieder.
Æ 1822/23 Niederschlagen einer liberalen Revolution in Spanien durch
Frankreich, dessen König der Heiligen Allianz beitritt. Nur Großbritannien,
in dessen politischem System das Parlament immer weiter an Einfluss
gegenüber der Monarchie gewinnt, unterstützt die liberalen Bewegungen.
Revolten und Unabhängigkeitserklärungen der Kolonien Spaniens und
Portugals in Süd- und Mittelamerika (1810-1829): Absichten der Heiligen
Allianz zu Interventionen scheitern am Widerspruch der USA (MonroeDoktrin 1823) und Großbritanniens, das mit seiner überlegenen Flotte
den Atlantik beherrscht.
1821-1830 Griechischer Freiheitskampf gegen das osmanische Reich:
Während Österreich (Metternich) den griechischen Aufstand als nationale
Revolution verurteilt, werden die christlichen Griechen außer von
Großbritannien auch von Frankreich und Russland gegen die
mohammedanischen Osmanen unterstützt. Außerdem rivalisieren
Russland und Österreich um die Vorherrschaft auf dem Balkan. Die
Heilige Allianz zerbricht darüber und über die Revolution in Frankreich
1830.
III. Die europäischen Revolutionen von 1830/32
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Den Startschuss gibt wieder Frankreich mit der Julirevolution 1830
(gegen zunehmend absolutistische Tendenzen des Königs, der abdanken
muss) Æ "Bürgerkönigtum" mit Parlamentarisierung der Verfassung und
Demokratisierung des Wahlrechts.
Abspaltung des katholisch-liberalen und teilweise französischsprachigen
Belgiens von den protestantischen Niederlanden. Etablierung eines
parlamentarisch-konstitutionellen Systems, das gegen einen Angriff der
Niederlande mit französischer Hilfe erfolgreich verteidigt wird.
Unruhen erzwingen jetzt auch in den norddeutschen Mittelstaaten
(Sachsen, Hannover, Hessen-Kassel, Braunschweig) Verfassungen.
Preußen und Österreich bleiben dagegen absolute Monarchien. Das
Hambacher Fest 1832 wird zur Kundgebung liberaler und nationaler
Gruppen aus ganz Deutschland.
National-liberale Aufstände in Mittelitalien, die jedoch von
österreichischem Militär niedergeschlagen werden, während die von den
Aufständischen erhoffte französische Hilfe weitgehend ausbleibt.
In Polen provoziert der Versuch des Zaren, polnische Truppen gegen die
französische und belgische Revolution einzusetzen, 1830 einen Aufstand
gegen die russische Herrschaft, der blutig niedergeschlagen wird.
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IV. Die Zeit des "Vormärz" 1830-1848
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1833 Frankfurter Wachensturm: Der von Studenten angezettelte
Putschversuch am Ort des Bundestages provoziert erneute Pressezensur
und Unterdrückung liberaler Opposition durch die Regierungen des
Deutschen Bundes. Dennoch organisiert die Opposition sich hier wie
anderswo in Europa zunehmend im Untergrund.
Allerdings gibt es auch Berührungspunkte zwischen monarchischen
Regierungen und liberaler Opposition in Deutschland. So vereint die
französische Forderung nach der Rheingrenze 1840 beide Seiten im
Protest. Der vom preußischen König angeregte Weiterbau des Kölner
Doms als nationales Symbol findet ebenso die Unterstützung der
Liberalen. Diese begrüßen auch den wirtschaftlichen Zusammenschluss
der meisten deutschen Staaten unter Preußens Führung, jedoch ohne
Österreich, im 1834 gegründeten Deutschen Zollverein.
1846/47 Hungerunruhen in ganz Europa und der Schweizer Bürgerkrieg,
der mit einem Sieg der Liberalen und einer neuen Schweizer
Bundesverfassung nach US-amerikanischem Vorbild endet, sind Vorboten
einer neuen revolutionären Welle.
V. Die Revolutionen von 1848/49
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Frankreich:
– Februar 1848 nach Barrikadenkämpfen Ausrufung der Republik
– Juniaufstand der Arbeiter für Fortsetzung der Revolution wird blutig
niedergeschlagen
– Dezember 1848 wird Napoleon III. (Neffe des ersten Napoleon) zum
Präsidenten gewählt, der nach Volksabstimmungen (Plebiszite)
– 1852 Kaiser wird (plebiszitäre Diktatur).
Deutscher Bund:
– März 1848 Aufstände u.a. in Berlin, Wien und München, unter Druck
berufen die Fürsten liberale "Märzministerien" ein
– April 1848: Frankfurter Vorparlament beschließt Wahlen zur deutschen
Nationalversammlung; Versuche zur Ausrufung der Republik werden von
Truppen des Deutschen Bundes niedergeschlagen
– Mai 1848 Eröffnung verfassunggebender Nationalversammlungen für
den Deutschen Bund in Frankfurt und für Preußen in Berlin, eines
verfassunggebenden Reichstags für Österreich in Wien
– Mai-August 1848 Feldzug gegen Dänemark für einen Anschluss
Schleswig-Holsteins an einen deutschen Nationalstaat, der wegen des
Widerstands von England, Russland und Frankreich dagegen erfolglos
bleibt
– September 1848 in Frankfurt niedergeschlagener Aufstand von links
gegen die Nationalversammlung
– Winter 1848/49 Auflösung der preußischen Nationalversammlung und
des österreichischen Reichstags und Oktroyierung von Verfassungen mit
ungleichem Wahlrecht (Preußen: Dreiklassenwahlrecht) und nur
begrenzten Kompetenzen der Parlamente durch die Monarchen
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– April 1849 Ablehnung der von der Frankfurter Nationalversammlung
angetragenen erblichen Kaiserkrone eines Deutschen Reiches (ohne
Österreich) durch den preußischen König
– Mai-Juli 1849: "Reichsverfassungskampagne" im südwestdeutschen
Raum zur militärischen Durchsetzung der Frankfurter Reichsverfassung
gegen die Monarchen wird durch preußische Truppen niedergeschlagen;
gleichzeitig besiegt österreichisches Militär mit russischer Hilfe die
liberalen Revolutionäre in Ungarn
– 1850 Wiederherstellung des Deutschen Bundes in der alten Form
– 1851 in Österreich sogar Abschaffung der oktroyierten Verfassung und
neoabsolutistische Regierung (bis 1859)
Italien: März 1848 bis August 1849 Krieg Piemont-Sardiniens und der
italienischen Nationalbewegung gegen Österreich, das seine Hegemonie
über Italien jedoch erfolgreich verteidigt.
Ursachen des Scheiterns der Revolutionen:
– Widerstand der alten Gewalten, die die Kontrolle über den zentralen
Machtfaktor Militär behalten oder bald wiedergewinnen können
– Interventionen des Auslands (Schleswig-Holstein-Frage, Ungarn,
Italien)
– Gegensätze in der Revolutionsbewegung zwischen
Liberalen/Konstitutionellen und Demokraten/Radikalen, Bürgern und
Arbeitern, Stadt und Land; in Deutschland zudem Spaltung in
Großdeutsche (Deutsches Reich mit Österreich) und Kleindeutsche (ohne
Österreich), sowie Spaltung in die Anhänger eines Bundesstaates und die
eines Staatenbundes; in Deutschland und Italien auch Überforderung
durch die Doppelaufgabe, gleichzeitig eine liberale Verfassung und einen
Nationalstaat zu schaffen.
Folgen: Die alten Gewalten können ihre Machtstellung größtenteils
erhalten. Aber auch die oktroyierten Verfassungen geben den
aufstrebenden liberalen und bürgerlichen Eliten vor allem in Preußen
neue politische Instrumente in die Hand, zumal die fortgesetzte
Industrialisierung ihre gesellschaftliche Position kontinuierlich weiter
stärkt. Der Ausbau der kleindeutschen Wirtschaftseinheit wird Hebel für
eine Zusammenarbeit mit den alten Gewalten bei der Schaffung des
Nationalstaats, ohne das weitergehende Ziel innerer Reformen
aufzugeben. Allerdings deutet die Ausdifferenzierung der innenpolitischen
Landschaft in Konservative, Liberale/Konstitutionelle,
Demokraten/Radikale, Arbeiterbewegung und Katholisch-Klerikale
während der Revolution von 1848/49 schon an, dass dafür nur noch
schwer ein gemeinsamer Nenner zu finden sein wird.
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