Predigt im Gottesdeinst am 31.12.98 in Bernloch und Meidelstetten

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Predigt am 31.12.10 in Oslo
zu Jes 30, 15-17
Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige
Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet,
so würde euch geholfen; durch Stillesein und
Hoffen würdet ihr stark sein.
Aber ihr wollt nicht und sprecht: »Nein, sondern auf Rossen wollen wir dahinfliegen«, darum werdet ihr dahinfliehen, »und auf
Rennern wollen wir reiten«, - darum werden
euch eure Verfolger überrennen. Denn euer
tausend werden fliehen vor eines einzigen
Drohen; ja vor fünfen werdet ihr alle fliehen,
bis ihr übrigbleibt wie ein Mast oben auf einem Berge und wie ein Banner auf einem
Hügel.
Ob dieser Text heute passt? Zu unserer
Situation zwischen den Jahren?
Ich will es gleich ein wenig kritisch sagen: Alle für den Altjahresabend vorgesehenen Predigttexte wiegen zentnerschwer und atmen, überspitzt gesagt,
Schwermut, Sorge und Weltenjammer.
Umkehr, Revision, Selbstkritik und
schwere Entscheidungen scheinen angesagt zu sein.
So dass man mit einem Ausleger zu diesem Text fragen muss:
„Ist es denn unchristlich, an diesem
Abend schlicht erleichtert zu sein, dass
der ganze Jammer der zurückliegenden
Monate wenigstens der Jahreszahl nach
ein Ende hat? Ist es unchristlich, an diesem Abend einmal nicht über Wohin und
Wozu des Lebens räsonieren zu wollen?
Ist es unchristlich, an diesem Abend mit
euerwerk und Gläserklingen den Zauber
zu begehen, der „jedem Anfang innewohnt“?
Ist es nicht auch angemessen, dem barmherzigen Gott zu bitten: Schließe du die
Mühen dieses Jahres, schenke allen einen
neuen Anfang?“
Und doch ist es auch bei diesem harten
Umkehrwort des Jesaja ein großartiges
Angebot, wenn er sagt: durch Stillesein
und Hoffen würdet ihr stark sein.
die in Bündnissen ihr Heil sucht und die
nun zum Angriff Sanheribs geführt hat.
Dieser läßt sich nicht länger an der Nase
herumführen.
Ein Bußruf begegnet uns hier – und noch
dazu einer, dem niemand zuhört.
__________________
„Was hat Gott damit zu tun?“
So dachten die Israeliten, als sie sich mit
Ägypten verbünden wollten und gegen
Assyrien, die große Besatzungsmacht,
aufbegehrten.
Jesaja verwendet scharfe Bilder:
In beißender Ironie kehrt er die Militärparolen ins Gegenteil – nicht ihr werden mit
Roß und Wagen voranstürmen, eure Offensivwaffe ist für euch eine Nummer zu
groß. Sie wird zur schmählichen Flucht
gut sein, zu mehr nicht.
Botschafter berichten, daß die Truppen
des Königs Sanheribs von Assyrien nicht
wie erhofft in der Küstenebene vorbeiziehen, sondern sich auf Jerusalem zubewegen.
Hektische Aktivität beginnt: In höchster
Eile werden Botschaften zu den Verbündeten gesandt, die Truppe wird aufgestellt, besonders die Eliteeinheit der Reiter (V. 16), die Stadt wird für die Verteidigung vorbereitet. Alles ist in Eile; es
darf keine kostbare Zeit verloren werden.
Da tritt Jesaja auf. Eindringlich redet er:
"In Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung,
in Stillehalten und Vertrauen findet ihr
Stärke"
Doch er hat, wie schon oft, keinen Erfolg.
Die Leute sind zu sehr in ihrem Denken,
in ihrer Angst vor dem Feind gefangen,
um ihm zuhören zu können. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Während König Hiskia und seine Leute auf
Rüstung und militärische Bündnisse gesetzt haben, hat Jesaja mit klarem Blick
schon früh einen "Riß in der Mauer" dieses
Volkes erkannt.
Er wendet sich gegen Reitertruppen, die
man bei überraschenden Angriffen einsetzt. Auch greift er die Machtpolitik an,
Eure Heldenparolen, dass ein paar von
euch die anderen verjagen, nach dem
Motto “sieben auf einen Streich“ werden
ins Gegenteil verkehrt.
Es wird sein wie eine Mauer, die plötzlich
bricht, wie Töpfe, die völlig zertrampelt
werden.
Der kümmerliche Rest wird sein wie eine
in menschenleerer Landschaft zurückgelassene Fahnenstange, mit der man von
Berg zu Berg Nachrichten weitergibt.
Aber der König und die Maßgeblichen
bleiben bei ihren Illusionen: es besteht
keine Gefahr. Keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.
Was du, Jesaja, als Riß in der Mauer
siehst, ist nichts Ernstes.
Sie wollen auch nicht hören, was Gott zu
sagen hat.
Rede, was angenehm ist, sagen sie.
Und: Lass uns mit Gott in Ruhe.
Mit unserem Paktieren kriegen wir die
Sache schon in den Griff. Man braucht
nur den richtigen Verbündeten.
Wir können doch nicht in Ruhe untätig
herumsitzen und unseren eigenen Untergang erwarten.
- Das, was damals geholfen hätte, das,
was immer noch darauf wartet, dass
Menschen es in ganz anderen Situationen
ausprobieren, ist:
Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so
würde euch geholfen; durch Stillesein
und Hoffen würdet ihr stark sein
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Unser Lebensgefühl ist in vielem anders.
Das kraftprotzige „Lasst uns“ aus unserem Predigttext, der blinde Optimismus –
ist uns vielleicht eher fremd.
Bräuchten wir nicht eher ein Lob auf das
Kraftvolle, Zupackende? Müsste uns nicht
Mut gemacht werden zum Selbstvertrauen anstelle von Angst durch fundamentale Anfragen?
Und doch hören wir heute Abend heraus,
dass wir gestärkt werden sollen, aufgebaut, ermutigt.
Aus dem Stillehalten wächst Stärke und
Vertrauen, nämlich die Stärke, vor Gott
wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen
und das Notwendige zu tun.
Diese Stille führt zur Gelassenheit, weil
ich merke, daß nicht alles von dem abhängt, was andere tun, was von außen
kommt, sondern daß unser Geschick und
der Lauf der Welt von dem umfangen ist,
der die "Zeit in Händen" hält.
Wer zur Stille kommt, zur Ruhe, gibt für
einen Moment das Heft aus der Hand.
Er läßt die Dinge los, gibt die Rastlosigkeit des Alles-machen-wollens auf.
Er kann sich und die Welt Gott überlassen.
Die Stille befreit von Zwängen, auch von
Denkzwängen, die nur entweder den
Lärm und die auf mich eindringenden
Kräfte und Mächte oder das Aufgeben
sieht.
Stille macht offen für neue Möglichkeiten.
Stille ist nicht Stummheit wie ein Fisch,
sondern hat eine Richtung: Ps 62,2: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft.
Das Jahr 2010 wurde von vielen als „Jahr
der Stille“ ausgerufen und ich habe im
ersten Gemeindebrief dieses Jahr darüber geschrieben.
Vertrauen in Gott anstelle von falscher
Sicherheit – das war das Anliegen des
Propheten Jesaja.
Aber ihr wollt nicht – sagte er zu seinen
Landsleuten.
die einer Welt, die mit Gott nicht
rechnet, ist klar.
Es sind andere Ziele, wenn ich weiß, dass
Gott das Fundament von allem ist und
der Bezugspunkt.
Wenn wir nach seiner Perspektive fragen.
Das ist das Besondere daran, eine
Gemeinde zu sein.
Das gilt es ernst zu nehmen und zu leben.
Weiter haben wir formuliert:
„In einer säkularisierten Umgebung
zeigen wir in die Richtung des Glaubens,
stützen die Suchenden und ermutigen die
Zweifler, bestärken die Glaubensfesten
und geben den Engagierten Einsatzorte
für ihre Gaben.“
Was wollen wir?
Was ist unser Anliegen als Gemeinde?
Wo stehen wir in einer Zeit des rasanten
Tempos, wo man schnell reagieren muss?
Was ist Gottes Hilfe in einer Zeit, in der
alles immer weiter gesteigert werden
muss, in der man gleichzeitig fragen
muss: Geht denn alles immer so weiter?
Wir haben uns in diesem Jahr Gedanken
gemacht im Gemeindekirchenrat, mit
einer kleinen Arbeitsgruppe.
Wir haben an einem Leitbild als Gemeinde gearbeitet, das genau die Frage stellt:
„Was hat Gott damit zu tun?“
Die Überschrift des ersten von 4 Leitsätzen heißt:
„1. Unsere Gemeinde ist Gottes
Gemeinde“
Und weiter:
„Für uns als christliche Gemeinde ist Gott
selbst das Fundament und die Mitte.
Unser Leben und Arbeiten soll von Gottes
Perspektive bestimmt sein.“
Dass das eine andere Perspektive ist als
„Wir wollen die gute Nachricht von
Gottes Liebe weitersagen und einen
Nährboden bieten, auf dem Glauben
wachsen kann.“
Stille vor Gott, Ruhe im Vertrauen, Hoffnung auf den Gott, der auch mich halten
wird, das wollen wir in aller Bescheidenheit einüben, dazu wollen wir uns heute
Mut machen lassen.
Nicht die Nervosität soll uns umtreiben,
sondern die gesammelte Stille.
Nicht die Verzweiflung soll uns anstacheln, sondern getroste Hoffnung wird
uns bewegen.
Nicht die Angst vor Schwäche wird uns
stark machen, sondern die Stärke, die
Gott gibt.
Gott will helfen - durch Stillesein und
Hoffen kann er uns stark machen
Im Abendmahl wollen wir uns für genau
das Zeit nehmen:
Zeit zur Umkehr.
Ruhe und Gelassenheit, Schweigen.
Vertrauen und Hoffen.
Amen.
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