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20.
DIE REVOLUTION 1918/19 IN SAARBURG
Text 1
"Bekanntmachung:
Mit dem heutigen Tage hat sich hier ein Soldatenrat mit Vertrauensmännern aus der
Bürgerschaft gebildet, dem sich Landrat und Bürgermeister angeschlossen haben.
Die Gendarmerie und sonstigen Polizeiorgane bleiben auf ihrem Posten. Sämtliche Soldaten
und Zivilpersonen haben ihren Anordnungen Folge zu leisten. Es ist nicht beabsichtigt, in die
Befugnisse der Truppenteile einzugreifen. Die Vorgesetzten behalten ihre bisherigen Rechte
im Dienst.
Ruhe und Ordnung müssen unter allen Umständen aufrecht erhalten bleiben. Das Eigentum
wird vor willkürlichen Eingriffen geschützt. Diebstähle und Plünderungen werden
standrechtlich bestraft.
Das Abreißen der Achselstücke und Achselklappen ist verboten.
Die Waffen dürfen nur von Mitgliedern des Soldatenrats abgenommen werden. Letztere sind
mit rot-weißen Armbinden und Ausweisen versehen.
Es ist mit dem Durchzuge von Truppen zu rechnen. Ansammlungen auf den Straßen sind
verboten. Kinder haben von den Hauptverkehrsstraßen fern zu bleiben. Alle Militärpersonen,
die keinem hiesigen Truppenteil angehören und nicht nach hier beurlaubt sind, haben sich
zwecks Weitertransport zu ihrem Ersatztruppenteil beim Soldatenrat zu melden.
Saarburg, den 11. November 1918
Der Soldatenrat:
Artmann Krohn Sartorius.
Die Vertrauensmänner der Bürgerschaft:
Peter Förster Ludwig Wegner J.P. Hausen."
(Saarburger Kreisblatt vom 12. November 1918)
Text 2
"Bildung einer Bürgerwehr in der Stadt Saarburg.
Mit dem heutigen Tage hat sich eine Bürgerwehr in der Stadt Saarburg gebildet. Zweck der
Bürgerwehr ist die Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit und die Sicherung des
Eigentums in der Stadt Saarburg.
Die Bürgerwehr besteht aus einem von der Stadtverordnetenversammlung gewählten Führer,
aus einer Anzahl Gruppenführern und aus Wehrleuten. Die Gruppenführer werden von ihren
Gruppen gewählt.
Die Bürgerwehr tritt in Tätigkeit, wenn Gefahr im Verzuge, oder wenn die ständige
Sicherheitswache ihrer Aufgabe nicht gewachsen ist.
Der Führer ruft die Bürgerwehr zusammen durch Anschlagen der Glocke. Auf dieses Zeichen
hin treten die Mitglieder in größter Eile bewaffnet vor dem Rathause an und melden sich dort
bei ihren Gruppenführern.
Als Abzeichen trägt die Bürgerwehr am linken Oberarm eine mit dem Dienstsiegel der Stadt
versehene weiße Binde, welche den Aufdruck "Bürgerwehr" trägt.
Morgen Vormittag um 11 Uhr wird probeweise das den Zusammentritt der Bürgerwehr
veranlassende Glockenzeichen gegeben.
Saarburg, den 15. November 1918
Der Führer der Bürgerwehr der Stadt Saarburg: Hahn."
(Saarburger Kreisblatt vom 15. November 1918)
Text 3
"An die Kreisbevölkerung.
Auf Grund der vereinbarten Waffenstillstandsbedingungen steht die Besetzung auch unseres
Heimatgebietes durch alliierte Truppen bevor. Die bestehenden Behörden werden unter
Aufsicht der Besatzungstruppen weiterarbeiten. Ich erwarte, dass die Kreisbevölkerung, die
ihre Gesetz- und Ordnungsliebe selbst in der schwersten Zeit bekundet hat, auch während der
Okkupation allen rechtmäßig erlassenen Anordnungen willig gehorcht und jede
Ausschreitung vermeidet. Zur Verhütung von schweren Vergeltungsmaßnahmen der
Besatzung fordere ich nochmals nachdrücklichst zur unverzüglichen Ablieferung aller
Schußwaffen - auch Jagdgewehren - bei den Bürgermeisterämtern auf und warne besonders
vor der in letzter Zeit festgestellten mutwilligen Explosionen von Patronen. Nichtachtung
dieser Aufforderungen kann verhängnisvoll für die einzelne Gemeinde und den ganzen Kreis
sein.
Andererseits wahrt aber auch Euere nationale Würde und das berechtigte Selbstvertrauen.
Charakterloses Benehmen wird jeden Deutschen, auch in den Augen der Feinde, verächtlich
machen.
Saarburg, den 29. November 1918
Der Landrat Dr. jur. Brügmann."
(Saarburger Kreisblatt vom 29. November 1918)
Fragen zu den Texten 1-3:
1. Die Texte geben etwas wieder von der Atmosphäre im November 1918 in Saarburg.
Was befürchten die Verfasser der Bekanntmachungen?
2. Erstelle eine Gegenüberstellung der Ereignisse 1918/19 im Reich und speziell in
Saarburg. Vergleiche! Ermittle Gemeinsamkeiten und Unterschiede!
Text 4
"Wir erheben entschieden Einspruch gegen die ungesetzliche Verordnung der provisorischen
preußischen Regierung, wonach die Gemeindevertretungen aufgelöst werden und Neuwahlen,
bis spätestens 2. März 1919 erfolgt sein sollen. Die Ausführung dieser Verordnung und damit
ein überstürztes Ausscheiden erfahrener und bewährter Stadtverordneten und
Gemeindevertreter würde vielerorts die allerschwerste Gefährdung kommunaler Interessen
zur Folge haben. In Übereinstimmung mit dem Programm des Reichsausschusses der
deutschen Zentrumspartei vom 30. Dezember 1918 stehen wir grundsätzlich auf dem Boden
des gleichen Wahlrechtes für Männer und Frauen mit Verhältniswahl und Wahlpflicht, auch
für die Gemeinden. Die näheren Bestimmungen über dieses Wahlrecht, wie die Neugestaltung
der Kommunalverfassung überhaupt, müssen aber der ordentlichen Gesetzgebung vorbehalten
bleiben, und Neuwahlen sollten erst stattfinden, wenn diese gesetzliche Grundlage geschaffen
ist. Wir verlangen, dass zu diesem Zweck die verfassungsgebende preußische
Landesversammlung schleunigst einberufen wird. Den der Zentrumspartei angehörenden
Stadtverordneten und den Gemeindevertretern wird empfohlen, in den Stadtverordneten- und
Gemeinderatssitzungen gegen die Ausführung der ungesetzlichen Verordnung schärfstens zu
protestieren und die Forderung auf baldigste gesetzliche Regelung durch Einbringung eines
Antrages in vorstehendem Sinne zu unterstützen."1
(Saarburger Kreisblatt vom 7. Februar 1919)
Fragen zum Text 4:
1. Der Text gibt eine Stellungnahme des Vorstands der Kommunalpolitischen Vereinigung
und des Beirats der Rheinischen Zentrumspartei wieder. Der Zentrumspartei geht es in
dieser Stellungnahme vom 7.2.1919 nicht nur um Legalität. Inwiefern?
2. Warum wurden nach neuem Wahlrecht "erfahrene und bewährte Stadtverordnete und
Gemeindevertreter" wohl nicht mehr gewählt? Vergleiche das bisherige preußische
Wahlrecht mit dem neu anzuwendenden Wahlrecht!
1
Am 24. Januar 1919 hatte die nach der Revolution neu ins Amt gekommene sozialdemokratische preußische
Regierung folgende Verordnung erlassen: "Die Mitglieder der Gemeindevertretungen werden in allgemeinen,
unmittelbaren und geheimen Wahlen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Jeder Wähler hat eine
Stimme. (...) Die gegenwärtigen Gemeindevertretungen werden aufgelöst. Die Neuwahlen haben an einem
Sonntage bis spätestens zum 2. März 1919 zu erfolgen. Die Mitglieder der Gemeindevertretungen bleiben bis zur
erfolgten Neuwahl in ihren Ämtern." (Siehe zu dieser Anmerkung und allgemein: Saarburg. Geschichte einer
Stadt I, a.a.0., S. 248 u.ö.!)
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