SE Lese(r)forschung, WS 2012/13 (Prof. Bachleitner) Beschreibung Im ersten Teil des Seminars werden Konzepte der Leser- und Leseforschung, die sich an der Schnittstelle von Buch- und Literaturwissenschaft situiert, vorgestellt und diskutiert. Der zweite Teil behandelt Teilgebiete des Forschungsfeldes wie die Analyse der textimmanenten Leserfigur (reader response criticism), die Rekonstruktion der Lektüre einzelner historischer Leser, die Beschäftigung mit Modalitäten und Wirkungen des Lesens sowie Werken, die großen Erfolg beim Publikum hatten, Besonderheiten des Lesens von Frauen und die Darstellung des Lesens in literarischen Werken. Anforderungen 1) Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählen jeweils ein Thema aus den ab 20.11. angeführten Themenvorschlägen und verfassen dazu eine schriftliche Seminararbeit (60% der Beurteilungsgrundlage) im Umfang von ca. 25 Seiten. Die Arbeit soll möglichst bis Mitte Februar abgegeben werden, der letztmögliche Abgabetermin ist das Ende der gesetzlichen Nachfrist am 30. April 2013. 2) In den drei Sitzungen ab 16.10. werden grundlegende Beiträge zur Leserforschung diskutiert. Die Referatspflicht (20%) wird dadurch erfüllt, dass man entweder zwischen 16.10. und 30.10. ein Impulsreferat oder ab 20.11. ein Referat über das gewählte Spezialthema hält. Bei den Impulsreferaten sollen nicht mechanisch die Inhalte referiert, sondern darüber hinaus durch das Aufwerfen von im Text enthaltenen Fragen und Problemen sowie Hinweise auf den Referentinnen und Referenten frag- bzw. diskussionswürdig scheinende Punkte Impulse zur Diskussion gegeben werden. Dauer der Referate ca. 15-20 Minuten, das Verfahren des pars pro toto wird vor allem bei größeren Stoffmengen angebracht sein. Die Präsentation der Namen, Daten und allfälliger Textstellen per Powerpoint ist erwünscht, ebenso das Hochladen von Materialien (Präsentation, Abstract) auf der elearning-Plattform. Die Referate zu Spezialthemen können bis zu 30 Minuten dauern. 3) Am 20.11. wird ein Zwischentest (20%) durchgeführt, bei dem die Lektüre der unter 1-6) genannten Aufsätze und Kapitel überprüft wird. Die zu lesenden Texte werden als Scans auf der elearning-Plattform zur Verfügung gestellt. 4) Es besteht Anwesenheitspflicht, Mitarbeit in Form von Wortmeldungen ist sehr erwünscht. Programm 9.10. Einleitung 16.10. 1) Robert Darnton: Erste Schritte zu einer Geschichte des Lesens (36 S.) 2) Alfred Messerli: Leser, Leserschichten und -gruppen, Lesestoffe der Neuzeit (59 S.) 23.10. 3) E. Schön: Geschichte des Lesens (85 S.) 4) H. Bonfadelli: Leser und Leseverhalten heute (57 S.) 30.10. 5) R. Chartier: Einleitung. In: Die Welt des Lesens (46 S.). 6) Jost Schneider: Sozialgeschichte des Lesens, Kap. 0 und 4 (165 S.) 6.11. (entfällt) 13.11. Zwischentest über 1) – 6) 20.11. Der Leser/die Leserin im Text Susan R. Suleiman, Inge Crosman (ed.): The Reader in the Text: Essays on Audience and Interpretation. Princeton 1980; Jane P. Tompkins (ed.): Reader-Response Criticism: From Formalism to Post-Structuralism. Baltimore 1980; Wolfgang Iser: Der implizite Leser. München 1972; Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. München 1976; Stanley Fish: Is There a Text in this Class? Cambridge, Mass. 1980. Lesergeschichten: Autobiographien, Lektüreprotokolle … I 1) Carlo Ginzburg: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600. Frankfurt: athenäum 1979 2) J.-J. Rousseau: Confessions (1789) 3) Johann Heinrich Jung-Stilling: Lebensgeschichte (1777) 27.11. Lesergeschichten: Autobiographien, Lektüreprotokolle … II 4) Ulrich Bräker: Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg (1788), Etwas über William Shakespeares Schauspiele (1780) 5) Karl Philipp Moritz: Anton Reiser (+ 5. Teil von Karl Friedrich Klischnig: Aus dem Leben des K. Ph. M.) (1794) 6) Franz Michael Felder: Aus meinem Leben (1904) (dazu: Reinhard Wittmann: Der lesende Landmann. Zur Rezeption aufklärerischer Bemühungen durch die bäuerliche Bevölkerung im 18. Jahrhundert. In: R. W. Buchmarkt und Lektüre im 18. und 19. Jahrhundert. Tübingen 1982, S. 1-45; Reinhard Siegert: Aufklärung und Volkslektüre exemplarisch dargestellt an Rudolph Zacharias Becker. Frankfurt 1978) 11.12. Literarische Massenphänomene 1) Das Wertherfieber (dazu zuletzt Martin Andree: Wenn Texte töten. Über Werther, Medienwirkung und Mediengewalt. Paderborn 2006.) 2) Das ‚Rousseaufieber’ (Dazu: Robert Darnton: Leser reagieren auf Rousseau: Die Verfertigung der romantischen Empfindsamkeit. In: R. D.: Das große Katzenmassaker. Streifzüge durch die französische Kultur vor der Revolution. München: Hanser 1989,S. 245-298.) Lesemodalitäten, Lesemotivationen und -wirkungen Erich Schön: Der Verlust der Sinnlichkeit oder Die Verwandlungen des Lesers. Mentalitätswandel um 1800. Stuttgart 1987; St Clair: The Reading Nation, ch. 20; Lyons: Le Triomphe du livre, chap. 11: La pratique de la lecture: nouvelles orientations; Roger Chartier: Muße und Geselligkeit (Lesewelten, Kap. 4); Alfred Messerli: Vom imaginären zum realen Leser. Zur Bedeutung des Vorlesens im 18. und 19. Jahrhundert. In: Scripta volant, verba manent. Basel 2007, S. 243-270; Heather J. Jackson: Romantic readers. The evidence of marginalia. New York: Yale UP 2005; Thomas Anz: Literatur und Lust. Glück und Unglück beim Lesen. München: Beck 1998. 18.12. Lesepädagogische Diskussionen J. G. Heinzmann: Über die Pest der deutschen Literatur (1795) J. A. Bergk: Die Kunst, Bücher zu lesen (1799) … (Weiteres in der Bibliographie der Quellen in Schön: Der Verlust der Sinnlichkeit) Weibliche Lektüre V. Woolf: A Room of One’s Own (dazu Jaqueline Pearson: Women’s Reading in Britain 1750-1835. Cambridge 1999; Kate Flint: The Woman Reader 1837-1914. Oxford 1993; Alan Richardson: Literature, Education, and Romanticism. Reading as Social Practice 1780-1832. Cambridge 1994) Dienstbotenlektüre Rolf Engelsing: Dienstbotenlektüre im 18. und 19. Jahrhundert. In: R. E. Zur Sozialgeschichte deutscher Mittel- und Unterschichten, S. 180-224; Marina Tichy: Alltag und Traum. Leben und Lektüre der Dienstmädchen im Wien der Jahrhundertwende. Wien 1984. 8.1. Lesen in der Literatur: Idealisierung, Polemik oder Tatsachenbericht? Don Quijote, Werther, Madame Bovary, … Literatur des 20. Jahrhunderts (dazu Günter Stocker: Vom Bücherlesen: zur Darstellung des Lesens in der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Heidelberg 2007; und ders.: „Lesen“ als Thema der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. In: Int. Archiv für Sozialgeschichte der Literatur 27, 2002, H. 2, S. 208-241.) 15.1. Ist Lesergeschmack klassifizierbar? Jost Schneider: Sozialgeschichte des Lesens. Berlin/NewYork 2004; Pierre Bourdieu: La distinction. Critique sociale du jugement. Paris 1979 (dt. Die feinen Unterschiede. 22.1. Lesen und Medienwechsel: Von der Gutenberg-Galaxis zum Pixel-Salat? Elizabeth L. Eisenstein: The Printing Revolution in Early Modern Europe. Cambridge 1983; Sven Birkerts: Die Gutenberg-Elegien. Lesen im elektronischen Zeitalter. Frankfurt 1997; Jay David Bolter: Writing Space: Computers, Hypertext, and the Remediation of Print. 2nd ed. Mahwah/NJ: Lawrence Erlbaum, 2001; George P. Landow: Hypertext 2.0: Being a revised, amplified edition of Hypertext: The Convergence of Contemporary Critical Theory and Technology. Baltimore: Johns Hopkins University Press, 1997. Reader: Robert Darnton: Erste Schritte zu einer Geschichte des Lesens. In: R. D.: Der Kuß des Lamourette. München. Hanser 1998, S. 98-134. Alfred Messerli: Leser, Leserschichten und -gruppen, Lesestoffe der Neuzeit. In: Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Hg. v. Ursula Rautenberg. Bd. 1: Theorie und Forschung. Berlin, New York: De Gruyter 2010, S. 443-502. Erich Schön: Geschichte des Lesens. In: Handbuch Lesen. Hg. von Bodo Franzmann u. a. München 1999, S. 1-85. Heinz Bonfadelli: Leser und Leseverhalten heute. In: Handbuch Lesen. Hg. von Bodo Franzmann u. a. München 1999, S. 86-143. Roger Chartier: Einleitung. In: Die Welt des Lesens. Von der Schriftrolle zum Bildschirm. Frankfurt, New York, Paris: 1999, S. 11-57. Jost Schneider: Sozialgeschichte des Lesens. Berlin/NewYork 2004, Kap. 0 und 4. Andere allgemeine Literatur: Georg Jäger: Historische Lese(r)forschung. In: Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland. Hg. v. Werner Arnold, Wolfgang Dittrich und Bernhard Zeller. Wiesbaden: Harrassowitz 1987, S. 485-507. Histoires de la lecture. Un bilan de recherches. Sous la direction de Roger Chartier. Paris 1995. Histoire de l’édition française. Sous la direction de Roger Chartier et Henri-Jean Martin. Paris 1982-86. William St Clair: The Reading Nation in the Romantic Period. Cambridge 2004. Matthias Bickenbach: Von der Möglichkeit einer inneren Geschichte des Lesens. Tübingen 1999. Hans-Joachim Griep: Geschichte des Lesens. Von den Anfängen bis Gutenberg. Darmstadt 2005. Manguel, Alberto: A History of Reading. London 1997.