Freie Universität Berlin Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft SS 2003 PS Einführung in die Umweltsoziologie Dozentin: Dr. Corinna Fischer Referenten: Ralf Behn, Ulrike Saul 10.06.2003 Umweltbewusstsein und Umweltverhalten: Warum wir Wasser predigen und Wein trinken 1. UMWELTBEWUSSTSEIN 1.1 Definition Umweltbewusstsein ist die Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mir der Bereitschaft zur Abhilfe (SRU, 1978) Umweltbewusstsein als Konstrukt, das nicht direkt festgestellt/gemessen werden kann Charakteristika von Umweltbewusstsein sind Frage der operationalen Definition 1.2 Allgemeine Methoden der Umweltbewusstseinsforschung basiert auf Befragung one-shot Prinzip Fokus auf Teilgruppen Lokaler/ regionaler Bezugsrahmen 1.3 Vier Forschungstraditionen der Umweltbewusstseinsforschung Bei der demoskopischen Forschung wird in Repräsentativstudien politisch nutzbares Wissen über die Einstellungen der Befragten zum Thema Umweltschutz untersucht. Zeitliche Veränderungen: Umweltbewusstsein in der BRD hat seit 80er Jahren zugenommen Die psychometrische Risikoforschung untersucht, wie hoch Menschen Umweltrisiken einschätzen und welche Faktoren die Höhe dieser Risikobewertung beeinflussen. Umweltrisiken werden allgemein sehr hoch eingeschätzt Die Forschung zur subjektiven Repräsentation des Umweltthemas untersucht mit qualitativen Methoden das Verstehen und Erklären der Umweltthematik im Alltag. Umweltkrise als mehrdeutiges Phänomen Die Forschung zur kognitiven Struktur des Umweltbewusstseins begreift das Konstrukt Umweltbewusstsein als individuelle Einstellung und versucht diese zu messen und zu erklären. 1.4 Die kognitive Struktur des Umweltbewusstseins Ecology Scale von Maloney und Ward (1973) als Messinstrument zur Erfassung von Umweltbewusstsein Komponenten von Umweltbewusstsein durch Subskalen erfasst mit insgesamt 130 Items o Knowledge Scale (Wissen über Umweltprobleme) o Affect Scale (emotionale Betroffenheit durch Umweltprobleme) o Verbal Commitment Scale (Bereitschaft zum umweltverträglichen Handeln) o Actual Commitment Scale (tatsächliches umweltbezogenes Verhalten) Ergänzung um Untersuchungen zum Einfluss soziodemographischer Größen (Alter, Schulbildung, Geschlecht), Persönlichkeitsmerkmale und soziale Bedingungen 2. UMWELTVERHALTEN 2.1 Was ist Umweltverhalten? Zwei Perspektiven des Umweltverhaltens: o Umweltverhalten ist eine logische Konsequenz oder sogar Bestandteil des Umweltbewusstseins (u.a. Maloney und Ward, 1973) o Umweltverhalten als alltägliches Handeln, das nur von außen betrachtet umweltrelevant ist wissenschaftlicher Wandel von Umweltverhalten als umweltschützendes Element (in den 70er Jahren) hin zur Erfassung des Alltagsverhaltens (seit den späten 80er Jahren) Definition: Umweltverhalten ist aus einer Außenperspektive betrachtetes Handeln, das für die Umwelt relevant ist. Der Akteur selbst kann sein Handeln als umweltrelevant betrachten – muss dies aber nicht (Homburg/Matthies, 1998) 2.2 Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten Spezifische umweltbezogene Einstellungen (bzw. verschiedene Komponenten eines Einstellungskomplexes, wie bei Maloney und Ward) Korrelation zwischen… Umweltverhalten und Bereitschaftskomponente > UV und emotionaler bzw. Meinungskomponente > UV und Wissenskomponente Allgemeine umweltbezogene Werthaltungen Die Beziehung zwischen allgemeinen umweltbezogenen Werthaltungen und Umweltverhalten ist noch geringer als die von spezifischen umweltbezogenen Einstellungen und Umweltverhalten. Fazit: Der nahe liegende Zusammenhang von Umweltbewusstsein und Umweltverhalten hat sich in zahlreichen Studien als gering bzw. moderat erwiesen. 2.3 Methodologische Erklärungen für den geringen Zusammenhang Verletzung des Korrespondenzprinzips: Das Umweltbewusstsein wird allgemein gemessen, das Umweltverhalten hingegen sehr spezifisch. 2.4 Inhaltliche Erklärungen für den geringen Zusammenhang Moderierende Drittvariablen (Moderatoren): Einstellungen können nur unter bestimmten Bedingungen, die in der Person oder in der Situation liegen, in tatsächliches Umweltverhalten umgesetzt werden. Es existieren zwei Typen von Moderatoren: interne (personale) Moderatoren, z.B. spezifisches Handlungswissen externe (situative) Moderatoren, z.B. soziale Normen Moderatoren erhöhten die Korrelation zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten in vielen Untersuchungen. Altruistische (bio- und anthropozentrische) und egozentrische Motive Gegensätzliche Forschungsergebnisse hinsichtlich Einfluss von altruistischen und egozentrischen Motiven auf das Umweltverhalten Aus Sicht des Handelnden selbst (Motive aus subjektiver Sicht) spielen altruistische Motive in der Regel eine größere Rolle als egozentrische Motive. Soziodemographische Variablen Ältere Menschen verhalten sich umweltschonender als jüngere. Frauen erzielen höhere Werte beim selbstberichteten Umweltverhalten. bisher wenig Forschung auf diesem Gebiet Verhaltensgewohnheiten??? Literatur: Schütz, H.: Umweltbewusstsein in Deutschland – Das Beispiel Abfall, in: W. Joußen, A.G. Hessler (Hrsg.): Umwelt und Gesellschaft, Berlin 1995, S.65 – 88 de Haan,G., Kuckartz, U.: Umweltbewusstsein, Opladen 1996, S.39 - 62 Homburg, A., Matthies E.: Umweltpsychologie, Weinheim 1998, S.37 – 81 und S. 121 - 156