Nachhaltiger Konsum: Zum Stand der Forschung

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Arbeitspapier 0002/2002
Discussion Paper
Nachhaltiger Konsum: Zum Stand der Forschung
Corinna Fischer
November 2002
In diesem Papier wird Forschung aus der Psychologie und Soziologie dargestellt1, die sich mit
umweltfreundlichem oder nachhaltigem Konsumverhalten von Individuen und Haushalten
beschäftigt. Energie ist dabei in der Regel ein Anwendungsfeld unter anderen. Reine
Forschung zum Energieverbrauchsverhalten gibt es wenig. Forschung, die sich ausschließlich
auf Elektrizität bezieht, ist mir nicht bekannt. Ein Grund dafür liegt in der eingenommenen
Perspektive. Nicht ein bestimmtes soziotechnisches System steht im Vordergrund, sondern
entweder der Umweltschutz (dann werden verschiedene umweltrelevante Handlungsfelder
untersucht) oder die Verbraucherperspektive (dann geht es um Bedürfnisfelder, und
Bedürfnisse richten sich nun einmal nicht auf Elektrizität oder Gas, sondern auf
Energiedienstleistungen.)
1. Repräsentative Umfragen.
Seit Anfang der neunziger Jahre werden in der empirischen Sozialforschung repräsentative
Umfragen zu Umweltbewusstsein und / oder Umwelthandeln durchgeführt. Beispiel ist die
regelmäßig durchgeführte Studie "Umweltbewusstsein in Deutschland" (Preisendörfer 1999,
Kuckartz 2000; Kuckartz & Grunenberg 2002).
Unter "Umweltbewusstsein" fällt
beispielsweise die wahrgenommene Wichtigkeit des Umweltschutzes oder die Zustimmung
zu bestimmten umweltpolitischen Maßnahmen. Unter "Umweltverhalten" geht es zum einen
um Verhaltensbereitschaften ("Wären Sie bereit, x Pf mehr für Ökostrom zu bezahlen?"), zum
anderen um sog. "selbst berichtetes Verhalten" ("Beziehen Sie Ökostrom?") Das tatsächliche
Verhalten kann so nicht überprüft werden. Diese Studien geben einen guten Überblick über
Trends und ermöglichen eine Analyse von Unterschieden nach soziodemographischen
Merkmalen (Alter, Geschlecht, Ost- oder Westdeutschland...) Sie beanspruchen nicht,
Kausalzusammenhänge erklären zu können.
Energiebezogene Ergebnisse der neuesten Umweltbewusstseinsstudie (Kuckartz &
Grunenberg 2002) sind beispielsweise: Drei Prozent der Befragten beziehen Ökostrom, 8%
geben an, dies zu beabsichtigen. 87% der Befragten geben an, beim Kauf von
Haushaltsgeräten auf einen niedrigen Energieverbrauch zu achten, dabei gibt es seit 1996 eine
leichte Steigerung. 64% der Befragten sind allerdings nur dann bereit, mehr für
energiesparende Geräte zu bezahlen, "wenn es sich auf längere Sicht rechnet".
2. Umweltpsychologie
Umweltbewusstsein und Umweltverhalten. Die Psychologie begann Mitte der achtziger Jahre,
sich mit Fragen des Umweltbewusstseins und Umwelthandelns zu befassen. Zunächst stand
das Bemühen im Vordergrund, zu definieren, was "Umweltbewusstsein" als psychologisches
Konstrukt überhaupt ist, es zu operationalisieren und Instrumente zu seiner Messung zu
entwickeln. (z.B. Urban 1986, Schahn & Holzer 1990). Bis heute gibt es in der Psychologie
keinen Konsens darüber, was unter Umweltbewusstsein zu verstehen ist. Oft wird es
beschrieben als Kombination aus kognitiven Elementen (Umweltwissen), emotionalen
Elementen (Betroffenheit von Umweltzerstörung) und sog. "konativen" oder motivationalen
Elementen (Absicht zum Umwelthandeln). Ernst Hoff sieht Umweltbewusstsein als
Kombination aus Denken (Verständnis ökologischer Zusammenhänge), Moralvorstellungen
und Kontrollüberzeugungen (subjektive Annahmen darüber, inwieweit man seine Umwelt
beeinflussen kann) (Hoff & Lecher 1995).
1
Beides geht meistens ineinander über.
2
Untersucht wurde auch der Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und
Umwelthandeln. Konsumverhalten war dabei ein Teilbereich des Umwelthandelns. Es stellte
sich heraus, dass es keinen sehr engen Zusammenhang gab. In der Folge wurden die Modelle
verfeinert (Diekmann & Preisendörfer 1992, Preisendörfer & Franzen 1996). Zum einen
stellte man fest, dass der Zusammenhang enger war, wenn man Handeln in einem konkreten
Handlungsfeld mit den Einstellungen in genau diesem Feld in Beziehung setzte (z.B
Einstellungen zu Energiesparen und tatsächliches Sparverhalten). Dagegen gab es nur einen
schwachen Zusammenhang zwischen allgemeinem Umweltbewusstsein (z.B. Wichtigkeit des
Umweltthemas) und Handeln in einem konkreten Handlungsfeld. Außerdem wurden eine
Reihe weiterer Variablen entdeckt, die das Handeln beeinflussen (siehe für einen Überblick
über die Forschung zu Umweltbewusstsein und Umwelthandelnde Haan & Kuckartz 1996).
Dazu gehören:
-
Moralvorstellungen (z.B. Breit & Eckensberger 1998) und Verantwortung (z.B. Kals 1996)
Kontrollüberzeugungen (z.B. Peter & Kaufmann-Hayoz 2000)
Anreize (z.B. Diekmann & Preisendörfer 1991)
Kosten (es wurde festgestellt, dass Umweltbewusstsein in low-cost-Situationen mehr
Einfluss auf das Handeln hat als in high-cost-Situationen, z.B. Diekmann & Preisendörfer
1998)
- "Handlungsangebote" (gegebene Handlungsmöglichkeiten unter den äußeren Bedingungen)
- soziale Normen und Einbindung in soziale Kontexte. (z.B.Steinheider et al. 1999)
- Wahrnehmung und Bewältigung von Umweltbedrohungen (z.B. Martens 1999)
- Rechtfertigungsstrategien (z.B. Diekmann & Preisendörfer 1994).
Ein weiterer Schritt war, verschiedene Faktoren miteinander in Beziehung zu setzen und so
das Umwelthandeln theoretisch zu modellieren. Ein spezielles Modell des Umwelthandelns
entwickelten Fietkau und Kessel. Außerdem wurden Handlungsmodelle aus anderen
Bereichen der Psychologie angewendet, um Umweltverhalten zu erklären. Besonders beliebt
waren die "Theorie geplanten Verhaltens" von Ajzen sowie das Norm-Aktivations-Modell
von Schwartz. Nach Fietkau und Kessel wird das umweltrelevante Verhalten beeinflusst
durch Wissen, Einstellungen bzw. Werte, Verhaltensangebote, Anreize und "Feedback", d.h.
die Wahrnehmung des eigenen Verhaltens und seiner Konsequenzen. Diese Faktoren
interagieren, wie in Abb.1 dargestellt.
umweltbezogene
Einstellungen
/
Werte
Verhaltensangebote
umweltrelevantes
Wissen
umweltrelevantes
Handeln
Handlungsanreize
wahrgenommenes
Verhalten u.
Konsequenzen
Abb.1: Modell des Umwelthandelns nach Fietkau & Kessel 1981, S.10
Das "Norm-Aktivations-Modell" wurde entwickelt, um altruistisches Verhalten zu erklären.
Demnach wirken zwei Arten von Normen auf das Verhalten einer Person ein: die sozialen
Normen ihrer Umgebung, und die verinnerlichten persönlichen Normen, mit denen eine
Person ihre eigenen Ansprüche an sich selbst formuliert. Das Handeln in einer
3
Entscheidungssituation (z.B. für oder gegen umweltfreundliches Verhalten) hängt davon ab,
ob das persönliche Normensystem "aktiviert" wird. Schwartz beschreibt den Prozess der
Aktivierung detailliert und benennt verschiede Persönlichkeitsmerkmale und Eigenschaften
der Situation, die darauf einwirken. (Schwartz & Howard 1981). Auf Umweltverhalten
angewendet wurde die Theorie z.B. von Fuhrer & Wölfing 1997, eine Anwendung speziell
auf Energieverhalten ist mir nicht bekannt.
Die "Theorie geplanten Verhaltens" ist eine allgemeine sozialpsychologische
Handlungstheorie. Demnach ist jede Handlung einerseits von der Intention bestimmt (dem
bewussten Entschluss, diese Handlung auszuführen), andererseits von der wahrgenommenen
Verhaltenskontrolle (also der subjektiven Einschätzung, wie einfach oder schwierig die
Ausführung der Handlung wird). Die Intention ihrerseits wird wiederum beeinflusst von den
Einstellungen gegenüber der Verhaltensweise (z.B. Umweltbewusstsein), der sogenannten
"subjektiven Norm" und wiederum der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle. Unter der
"subjektiven Norm" versteht man die subjektive Erwartung, wie die soziale Umgebung die
Handlung bewerten wird. Eine dritte Theoriestufe erklärt, wie ihrerseits die Einstellungen,
subjektiven Normen und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle zustande kommen.
Wortmann (Wortmann 1994) zeigte die Nützlichkeit dieses Modells für das Handlungsfeld
"Strom- und Heizenergiesparen". Bamberg & Braun (Bamberg & Braun 2001) stellten mit
seiner Hilfe fest, dass Umweltbewusstsein (als Einstellung) einen indirekten Einfluss auf die
Bereitschaft ausübt, Ökostrom zu beziehen.
subjektive Norm
wahrgenommene
Verhaltenskontrolle
Handlung
Einstellungen
Handlungsintention
Abb.2: Theorie geplanten Verhaltens nach Ajzen (Ajzen 1991)
Interventions- und Diffusionsstudien. In Interventionsstudien wurde – meistens experimentell
– erprobt, mit welchen Instrumenten das umweltgerechte Handeln gefördert werden kann.
Dabei wird eine Versuchsgruppe mit einer bestimmten Maßnahme konfrontiert und ihr
Verhalten mit dem einer Kontrollgruppe verglichen, die der Maßnahme nicht ausgesetzt war.
Diffusionsstudien reichen etwas weiter: Sie untersuchen, wie sich ein umweltgerechtes
Verhalten in einer Population selbsttätig verbreiten kann. Gegenüber den bisher dargestellten
Ansätzen haben diese Untersuchungen den Vorteil, dass meist auch das tatsächliche Verhalten
erhoben wurde und nicht nur die Verhaltensintention oder das "selbst berichtete Verhalten".
Eine Besonderheit bilden Untersuchungen von Mosler (Mosler 1999b, Mosler & Tobias 2000
Mosler 1999a), der sich der Computersimulation bedient, um die Diffusion von
Umwelthandeln zu untersuchen. (Siehe für einen Überblick über Interventions- und
Diffusionsmethoden Mosler & Gutscher 1998). Mit dem Energienutzungsverhalten
beschäftigten sich u.a. Linneweber 1995, Mosler 1997 und Wortmann 2000. Im Vordergrund
stand dabei das Energiesparen.
Ebenfalls in diese Kategorie kann man Evaluierungen real gelaufener Kampagnen und
Projekte zählen (z.B. Bruppacher 2001; speziell zum Energiesparen Prose, Hübner & Kupfer
1993, Michelsen & Ebert 1997, Kielmann & Matthies 1998).
Auf
diese
Weise
wurde
eine
Vielzahl
Verhaltensbeeinflussung identifiziert, z.B.
psychologischer
Techniken
zur
4
- Hinweisreize ("Prompts"): "Prompts" sind auffällige Schilder an handlungsrelevanten
Orten, wie etwa "Licht aus?" an der Haustür. Auch ein Label kann als "Prompt" angesehen
werden
- Informationen: Wichtig ist, dass die Informationen verständlich und handlungsrelevant sind.
So sind Tipps zu leicht umsetzbaren Energiesparmöglichkeiten erfolgreicher als allgemeine
Informationen über den Klimawandel und die Wichtigkeit des Energiesparens.
- Modelle: Modelle sind Vorbilder, die das gewünschte Handeln demonstrieren. Um
erfolgreich zu sein, müssen sie u.a. glaubhaft und sympathisch sein. Auch muss sich die
Zielperson mit dem Modell identifizieren können (z.B. ähnliche soziale Schicht).
- Feedback: Feedback über den eigenen Energieverbrauch muss leicht verständlich sein und
häufig, am besten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbrauch gegeben
werden. Besonders hilfreich ist Feedback darüber, inwieweit sich auch andere an einer
Energiesparaktion beteiligen und was bereits damit erreicht wurde.
- (öffentliche) Selbstverpflichtungen: Hier verpflichtet man sich beispielsweise zu einer
bestimmten Einsparmenge. Selbstverpflichtungen bauen einen moralischen und sozialen
Druck auf, dem Bild gerecht zu werden, das man damit von sich entworfen hat
- "Foot-in-the-door-Technik": Es wird argumentativ an einer bereits umweltfreundlichen
Verhaltensweise der Zielperson angeknüpft. Man bezieht sich auf ein angenommenes
positives Selbstbild der Person als Umweltschützer/in und versucht, dies auszubauen. ("Ich
weiß ja, dass Du bereits Energiesparlampen nutzt; hast Du nicht auch Interesse an
energiesparenden Haushaltsgeräten?")
- Schneeballsysteme: Hier setzt man auf die Verbreitung eines Verhaltens, indem
MultiplikatorInnen andere überzeugen. Die Methode ist recht voraussetzungsvoll, so
müssen die MultiplikatorInnen glaubhaft und beliebt sein und viele Kontakte besitzen
(Mosler, Gutscher & Artho 1996).
- Verschiedene Kommunikationstechniken und -medien: Hier wurde z.B. festgestellt, dass
Kommunikation über Massenmedien erfolgreicher ist, um eine Kampagne bekannt zu
machen. Persönliche Kommunikation ist hingegen erfolgreicher, wenn jemand zum
Mitmachen gebracht werden soll.
Die Grenzen zu Werbepsychologie und zum Social Marketing, die in Teil 3. dargestellt
werden, sind fließend.
Rational Choice, Spieltheorie und Soziale Dilemmata. Diese Forschung ist sowohl in der
Psychologie als auch in der Soziologie beheimatet. Die beiden Grundannahmen sind, dass es
sich bei natürlichen Ressourcen um Kollektivgüter handelt und dass Menschen sich
prinzipiell rational, d.h. nutzenmaximierend verhalten. Die Ressourcen (beispielsweise die
Atmosphäre) werden gemeinsam genutzt, woraus jeder Nutzer einen individuellen Profit
zieht. Durch die gemeinsame Nutzung kann es aus unterschiedlichen Gründen schnell zur
Übernutzung und Schädigung der Ressource kommen: beispielsweise, weil die Information
fehlt, wie viel die Ressource "verträgt", weil die Information über das Verhalten der anderen
Nutzer fehlt, und vor allem aufgrund eines Interessenkonflikts: Der Beitrag, den der einzelne
zur Schonung der Ressource leisten kann, ist minimal. Schont er nun die Ressource, während
alle anderen sie weiter (über-)nutzen, so erreicht er möglicherweise für die Ressource gar
nichts, muss aber auf den individuellen Profit verzichten. Das Verhalten von Menschen in
solchen Situationen wurde mit theoretischen Ansätzen aus der rational choice-Tradition und
Spieltheorie zu erklären versucht, in der Computersimulation und im Experiment erforscht.
Daraus ergaben sich verschiedene Methoden, mit solchen Ressourcendilemmata umzugehen.
Sie ranken sich alle um Koordination und Kommunikation zwischen den verschiedenen
Nutzern. So können Informationen über die Nutzung ausgetauscht, Abkommen geschlossen
oder Selbstverpflichtungen eingegangen werden. Nutzen verschiedene Gruppen eine
Ressource, so können sie Leiter wählen, die die Koordination innerhalb und zwischen
5
Gruppen übernehmen. (Foddy & Smithson 1999, Vatter 2001, Mosler & Brucks 2002).
Dilemmaforschung speziell zum Thema Energie ist mir noch nicht bekannt, ich habe mich
aber auch noch nicht eingehender damit beschäftigt.
3. Nachhaltiger Konsum und Lebensstilforschung
In der Markt- und Konsumforschung, aber auch unter Umweltsoziologen ist seit einigen
Jahren das Thema "Nachhaltiger Konsum" populär geworden. (Balderjahn & Will 1997,
Günther, Fischer & Lerm 2000, Umweltbundesamt 2001, Hansen & Schrader 2001,
Umweltbundesamt 2002, Scherhorn & Weber 2002). Damit finden im Vergleich zur
Umwelthandelnsforschung zwei Verschiebungen statt: Einerseits eine Erweiterung des Fokus
von "Umwelt" auf "Nachhaltigkeit", andererseits eine Verengung möglicher
Handlungsformen auf das Handeln als Konsument.
Dabei gibt es zwei grundsätzliche Richtungen. Die Arbeiten etwa der Arbeitsgruppe "Neue
Wohlstandsmodelle" am Wuppertal-Institut sind darauf ausgerichtet, grundsätzlich neue
Vorstellungen vom Lebensqualität mit den dazu passenden alternativen Lebensweisen in der
Gesellschaft zu verankern. Sie identifizieren bisherige industriegesellschaftliche
Grundvorstellungen und Werte als naturzerstörerisch, so dass sie durch neue ersetzt werden
müssen. Dabei geht es vor allem um eine Entkopplung von Güterreichtum und
Lebensqualität: "Gut leben statt viel haben". Um diese Idee auszufüllen, werden alternative
Leitbilder etwa zur "Entschleunigung" oder Regionalisierung entworfen (Boeser, Schörner &
Wolters 2000, Scherhorn & Winterfeldt 2000).
Eine andere Richtung geht differenzieller und empirienäher vor. Es wird angenommen, dass
es gruppenspezifisch unterschiedliche Konsummuster gibt, die in der Gesellschaft zu
identifizieren sind und an die sich gruppenspezifisch unterschiedliche Strategien zur
"Ökologisierung" anknüpfen lassen. Ein beliebtes Instrument zur Erforschung und
Beeinflussung dieser Muster ist die Lebensstil- und Milieuforschung (Umweltbundesamt
1997, Reusswig 1998, Hofmann, Maase & Warneken 1999, Hunecke 2000, Rink 2002). Eine
Lebensstilgruppe oder ein soziales Milieu (die Begrifflichkeiten werden nicht ganz einheitlich
benutzt) ist eine Anzahl von Menschen, die einen typischen Komplex von Merkmalen teilt.
Dabei verbinden sich objektiv-sozialstrukturelle Merkmale (Alter, Berufsgruppe,
Bildungsstand) mit subjektiven Merkmalen (Werte, Lebensziele, alltagsästhetische
Präferenzen – beispielsweise bevorzugte Wohnungseinrichtungen, Treffpunkte oder
Freizeitbeschäftigungen). Es wird angenommen, dass diese Merkmale nicht zufällig und rein
statistisch zusammentreffen, sondern ein sinnhaftes Ganzes und einen sozialen
Zusammenhang bilden: Die Mitglieder einer Lebensstilgruppe erkennen sich untereinander
und bewegen sich am liebsten unter Ihresgleichen. Ein Beispiel ist das "Technokratischliberale Milieu" nach dem SINUS-Institut: ein Milieu jüngerer, gebildeter Menschen, in der
Regel beruflicher Aufsteiger, die Werte verfolgen wie: Neue Erfahrungen machen, Erfolg,
Selbstverwirklichung und hohen Lebensstandard. Sie betreiben eine gezielte Karriereplanung,
haben ein starkes Bedürfnis nach Selbstdarstellung und wollen neben der Arbeit auch das
Leben genießen.
Die Annahme ist nun, dass jede Lebensstilgruppe auch einen typischen Bezug zum Thema
"Ökologie" hat. So könnte man beispielsweise ein traditionelles, landwirtschaftlich geprägtes
Milieu am Besten mit Appellen an die Sparsamkeit und Bezügen zur heimatlichen Region
erreichen. Ein modernes, technikgläubiges Milieu ließe sich dagegen von neuen,
ökoeffizienten Technologien begeistern.
Dieser Ansatz hat eine Flut von Studien ausgelöst, die "Konsumstile" in einzelnen
umweltrelevanten Handlungsfeldern zu identifizieren versuchen. So gibt es "Mobilitätsstile",
6
"Wohnstile" – und eben auch "Energieverbrauchsstile" (Reusswig 1994, Schoenheit 1995,
Niedergesäß & Winkler 2000).
Als Anwendung ergeben sich aus den Forschungen zu nachhaltigem Konsum gezielte
Marketingstrategien, mit denen Konsumenten für ein bestimmtes Verhalten oder Produkt
gewonnen werden sollen. Beispielsweise wird die Wirkung eines bestimmten Labels für
Grünen Strom getestet, ganz ähnlich wie die Wirkung einer Verkaufsbroschüre oder
Chipsverpackung (Roe et al. 2001). Bei Lebensstilansätzen wird nach lebensstilspezifischen
Methoden der Ansprache gesucht. (Kleinhückelkotten & Neitzke 1999). Manchmal richten
sich Marketingstrategien auf ein bestimmtes Produkt, im Energiebereich, etwa Grünen Strom
(Wüstenhagen 2000, Birzle-Harder & Götz 2001, Bird, Wüstenhagen & Aabakken 2002) oder
Solaranlagen (Hübner & Felser 2001). Andere stehen in der Tradition des "Social Marketing":
Erreicht werden soll eine bestimmte Form sozialen Handelns, beispielsweise Energiesparen
(Beispiele aus dem Umweltbereich Maibach 1993, McKenzie-Mohr 2000; aus dem
Handlungsfeld Energiesparen: McKenzie-Mohr 1994, Prose, Hübner & Kupfer 1994).
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