Neuronale Korrelate der Lautheit in funktionellen MRT

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39. DGMP Tagung 2008 in Oldenburg
Neuronale Korrelate der Lautheit in funktionellen MRTAktivierungskarten
Markus Röhl; Stefan Uppenkamp
Medizinische Physik, Universität Oldenburg, 26111 Oldenburg
Auf der Ebene der Basilarmembran finden wir einen gut verstandenen Wirkungskomplex von Mechanismen, der
dafür sorgt, dass die Wahrnehmung der Schallintensität einen Dynamikbereich von 120 dB überdecken kann. Zu
den bekannten Kodierungsstrategien zählen neben der effektiven Kompression durch die Aktivität der äußeren
Haarzellen etwa die Erhöhung der Feuerrate einzelner Neurone, die Ausbreitung der Zone aktiver Neurone und
die Einbeziehung von Fasern mit einer höheren Reizschwelle. Wie kommt nun auf kortikaler Ebene ein konsistenter Lautheitseindruck zu Stande? Ziel dieser Studie ist es, die Frage an Hand der genauen Charakterisierung
der neuronalen Korrelate zu beantworten, die sich mittels der funktionellen Kernspintomographie messen lassen.
Stand der Forschung
Welche Bereiche im Kortex reagieren sensitiv auf eine Änderung der Lautheit? Generell ordnet die große Mehrzahl der bisherigen experimentellen Studien, die nach neuronalen Korrelaten der Lautheit Ausschau halten, die
Aktivierung anatomisch entweder dem Gyrus temporalis transversus (Gtt, Heschl Gyrus) und/oder dem Gyrus
temporalis superior (Gts) zu [1-11]. Ein Teil der Studien [2, 5-7, 10, 11] ordnet die schallspezifische Aktivierung
noch explizit den Bereichen anterior und posterior vom Heschl Gyrus zu, zum Beispiel dem Planum temporale.
Allgemein wird im Gtt und/oder im Gts auch eine Korrelation der BOLD-Signalintensität und/oder der Anzahl
aktivierter Voxel zum dargebotenem Schalldruckpegel respektive Lautstärkepegel beobachtet. Bei einer Parzellierung in die Teilbereiche Heschl Gyrus und dessen anteriore und posteriore Bereiche zeigt sich insbesondere
der Heschl Gyrus [6] sensitiv zur Lautstärke während in den anderen beiden Bereichen entweder nur über eine
schwache [6], oder über gar keine [5] Sensitivität zum Schalldruckpegel respektive Lautstärkepegel berichtet
wird.
Der große Teil der fMRT-Studien zeigt eine Vergrößerung des Aktivierungsgebietes mit zunehmendem Schalldruckpegel respektive Lautstärkepegel, also eine Zunahme der Anzahl aktivierter Voxel [3-8]. Andere stellen
hingegen etwa für harmonische Tonkomplexe [3] oder Sinustöne [12] keine Änderung fest. Die wenigen Studien
die diese Zunahme quantitativ erfassen, charakterisieren sie als nichtlinear zum Schalldruckpegel [7, 8]. Ferner
zeigt sich eine frequenzabhängige Ausbreitung der Aktivierung, wobei wider erwarten hohe Frequenzen einen
größeren Bereich als niedrige Frequenzen aktivieren [7]. Insbesondere beobachten letztere, dass die Anzahl der
aktivierten Voxel als Funktion des Schalldruckpegels nicht direkt dem Lautstärkepegel folgt.
Eine in einem festen Volumenbereich stattfindende Erhöhung der BOLD-Signalintensität als Analogon zur Feuerrate der Neuronen wurde auf kortikaler Ebene mittels funktioneller Kernspintomographie überwiegend beobachtet [2, 3, 5-7, 9-11, 13], Ausnahmen sind selten [4]. Es gibt aber unterschiedliche Aussagen dazu, ob der
Anstieg überwiegend linear zur Intensität [3, 11] oder nichtlinear [5-7] erfolgt. Strittig ist auch die Bezugsgröße.
So wird einerseits ausschließlich von einer Korrelation zum Lautstärkepegel berichtet [3], andererseits ein Zusammenhang sowohl für den Lautstärke- als auch für den Schalldruckpegel gesehen [11]. Insbesondere stellen
letztere in Analogie zum Recruitment einen stärken Anstieg gegenüber dem Schalldruckpegel bei Schwerhörenden fest, wobei der Anstieg gegenüber dem Lautstärkepegel für Schwer- und Normalhörende gleich ausfällt.
Wie lassen sich die Diskrepanzen in den Aussagen der einzelnen Studien erklären? Der Hauptgrund mag in der
zu geringen Zahl von im Mittel 10 Versuchspersonen liegen. Weiterhin sind auch die Art der verwendeten akustischen Stimuli – Sinustöne, Tonkomplexe, Rauschen – und der dargebotene Dynamikbereich von Bedeutung.
So besitzen reguläre Schallmuster oder musikbehaftete Stimuli bereits eine spezifische neuronale Aktivierung
[14] bzw. erweisen sich Sinustöne wegen der Erzeugung von Nichtlinearitäten im Innenohr psychoakustisch als
ungünstig. Hierbei ist weiterhin anzumerken, dass in keiner der Studien, obwohl Aussagen über die Lautheit
formuliert wurden, diese im Kernspintomographen individuell gemessen wurde. Tatsächlich fällt die Lautheitsskalierung individuell aber sehr unterschiedlich aus [15]. Eine weitere Ursache liegt in der Kontrolle der Aufmerksamkeit der Probanden. Diese zeigt als Zunahme der Anzahl aktivierter Voxel im Hörkortex eine Interaktion zur Lautheit [16]. Ferner beeinflusst die serotonerge Modulation die Nerventätigkeit auch im Hörkortex [17,
18]. Die Größe der auf Schall ansprechenden Gebiete variiert weiterhin anatomisch und funktionell mit der musikalischen Erfahrung bzw. dem musikalischen Talent [19]. Diese sieben Faktoren vergrößern die intra- und
interindividuellen Varianz erheblich und konfundieren so den einzigen Hauptuntersuchungsfaktor der bisherigen
Studien, den Schalldruckpegel.
39. DGMP Tagung 2008 in Oldenburg
Studie
Ziel unserer Studie ist, Aussagen über die neuronalen Korrelate der Lautheit zu formulieren und dabei mögliche
Konfundierungsgrößen zu berücksichtigen bzw. zu erfassen. Hierzu wurde eine Gruppe von 50 gesunden, normalhörenden männlichen Versuchspersonen rekrutiert. Der Einfluss der individuellen Lautheitsempfindung
wurde durch eine 11-stufige Lautheitsskalierung in der Hörkabine und im Kernspintomographen erfasst. Dabei
wurde konstantes rosa Rauschen mit einer Dauer von 5 Sekunden als akustischer Stimulus verwendet. Dieses
Rauschen ist an die Energieverteilung in den Frequenzbändern des Gehörs mit einer zu hohen Frequenzen abfallenden spektralen Leistung angepasst. Die Lautheitsskalierung im Kernspintomographen wurde dem Versuchsparadigma des „sparse temporal sampling“ [20] mit einer TR von 15s und einer TA von 2.7s angepasst und besteht aus Blöcken nach dem Schema EPI-Scan – Darbietung – Antwort (Skalierung). Die Situation ist für die
Versuchsperson - abgesehen von der etwas längeren TR - mit der der verwendeten EPI-Aufnahme identisch.
Letztere wurde unter Darbietung von Schalldruckpegeln in Inkrementen von 10dB bis unterhalb eines Wertes,
der von der Versuchsperson als „sehr laut“ bezeichnet wurde, durchgeführt. Die Aufmerksamkeit der Probanden
wurde durch eine gezielte Einweisung und Vorbereitung auf den Versuch, eine Versuchsaufgabe, eine individuelle Befragung während des Versuchs und eine Messung der Herzrate während der Untersuchung im Kernspintomographen kontrolliert. Der Einfluss der serotonergen Modulation wurde durch zwei Fragebögen abgeschätzt.
Personen mit Krankheiten oder einer Medikamentation, die mit dem Körperkreislauf und/oder dem serotonergen
System in Verbindung stehen, wurden vom Versuch ausgeschlossen. Weiterhin wurden die Probanden zu ihrer
musikalischen Erfahrung befragt und absolvierten einen Musikalitätstest. Die statistische Auswertung wird sowohl mit einem allgemeinen linearen Modell als auch mit einer blinden Quellenanalyse durchgeführt. Letztere
sollte im Stande sein, unabhängige Regionen im Hörkortex aufzudecken, die sich für bestimmte Lautstärkepegel
bzw. Lautheiten spezialisiert haben.
Bisherige Ergebnisse
Eine erste wichtige Frage des Experiments betrifft die Verallgemeinerung der Lautheitsempfindung. Beurteilen
die Probanden die dargebotenen Geräusche im Kernspintomographen, einer lärmbehafteten Umgebung, in ihrer
Lautheit so wie in der schallisolierten Hörkabine? Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt der Studie (N=24) davon
aus, dass diese Frage zu bejahen ist. Zwar liegen die Hörschwellen im Kernspintomographen um zirka 10 dB
höher als in der Hörkabine, die mittleren Lautheitsfunktionen jenseits der Hörschwellen zeigen aber ein nahezu
identisches Verhalten. Eine weitere wichtige Frage stellt sich nach stimulusinduzierten Bewegungsartefakten.
Sie würden die Abgrenzung der schallsensitiven Bereiche und das Wachstumsverhalten entsprechender neuronaler Korrelate konfundieren. Um sie zu unterbinden wurden keine aufeinanderfolgenden Stimuli mit Schalldruckpegeln dargeboten, die sich um mehr als 50 dB SPL unterscheiden. Wie die bisherigen Ergebnisse zeigen,
gibt es keine signifikante Korrelation zwischen dem Schalldruckpegel der dargebotenen Stimuli und der Bewegung der Versuchspersonen während einer Messung. Damit kommen wir zur Frage, welche neuronalen Korrelate
sich aus den funktionellen Aktivierungskarten ableiten lassen. Generell wurde eine schallspezifische Aktivierung
im Heschl Gyrus beobachtet. Die mittlere BOLD-Signalintensität und die Anzahl aktivierter Voxel in diesem
Bereich steigen mit zunehmendem Schalldruckpegel monoton. Dabei fällt der Verlauf der beiden Wachstumsfunktionen unterschiedlich aus.
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