Diagnostik im Unterricht

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Was heißt Lesekompetenz?
Das Konzept der Lesekompetenz, an dem sich z.B. PISA orientiert, stammt aus der
angelsächsischen literacy-Tradition. Mit reading literacy wird die Fähigkeit bezeichnet, Lesen
in unterschiedlichen, für die Lebensbewältigung bedeutsamen Verwendungssituationen
einsetzen zu können. Lesekompetenz ist damit mehr als einfach nur lesen können. Sie ist „ein
wichtiges Hilfsmittel für das Erreichen persönlicher Ziele, Bedingung für die
Weiterentwicklung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten und Voraussetzung für
die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben,“ so das PISA-Konsortium.
In der PISA-Studie wird unter Lesekompetenz die Fähigkeit verstanden, »[…] geschriebene
Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu
verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu
sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen« (Baumert u.a. 2001, S.10). Lesen
wird hierbei nicht nur auf schriftliche Texte bezogen, der Textbegriff der Studie umfasst
neben den so genannten ›kontinuierlichen Texten‹ – Erzählung, Darlegung, Beschreibung,
Argumentation, Anweisung – auch ›nicht kontinuierliche Texte‹ – Diagramme / Graphen,
Tabellen, schematische Zeichnungen, Karten, Formulare, Anzeigen.
Drei Dimensionen der Lesekompetenz Jugendlicher wurden untersucht:



die Ermittlung von Informationen,
das Verstehen und Interpretieren der Aussagen von Texten (Beziehungen zwischen
Aussagen herstellen, schlussfolgern, Kategorien in einem unbekannten Kontext
anwenden und verstehen),
die kritische Bewertung von Inhalt und Form von Texten (Bewertung der Merkmale
eines Textes, kritische Bewertung unter Zuhilfenahme von bestimmtem Wissen)
Die im Test erzielten Leistungen wurden wiederum fünf Kompetenzstufen zugeordnet. Auf
der Kompetenzstufe 1 wird z.B. ein oberflächliches Verständnis einfacher Texte erreicht, die
mit Hilfe von Alltagswissen zu verstehen sind. Hier sind etwa Informationen zu ermitteln, die
direkt dem Text zu entnehmen sind, z.B. vier Kriterien eines guten Turnschuhs, die im Text
direkt genannt werden. Auf der Kompetenzstufe 4 können Schüler/innen ein genaues
Verständnis komplexer Texte entwickeln, die Mehrdeutigkeiten, Sprachnuancen oder den
eigenen Erwartungen widersprechende Elemente enthalten. Sie können aus Informationen, die
in verschiedenen Textteilen versteckt sind, logisch begründete Schlussfolgerungen ziehen.
Dazu gehört z.B. die Bewertung zweier Briefe über das Thema Graffiti unter Bezugnahme auf
die Art und Weise, wie einer oder beide Briefe geschrieben sind.
Der Anteil von Schüler/innen, die lediglich die Kompetenzstufe I erreichen, liegt in
Deutschland bei 13 Prozent; fast zehn Prozent erreichen nicht einmal diese Stufe. Damit kann
etwa ein Viertel der Jugendlichen nur auf einem elementaren Niveau lesen (OECDDurchschnitt: 18 Prozent). Im Hinblick auf selbstständiges Lesen und Weiterlernen sind diese
Schüler/innen – von denen fast die Hälfte in Deutschland geboren ist, in Deutschland
geborene Eltern hat und zu Hause deutsch spricht – als potenzielle Risikogruppe zu
betrachten. Im oberen Leistungsbereich werden in Deutschland durchschnittliche Ergebnisse
erzielt. Die höchste Kompetenzstufe wird von neun Prozent der Schüler/innen erreicht.
Die Testergebnisse der PISA-Studie ergaben, dass die individuelle Lesekompetenz eines
Menschen insbesondere von seiner kognitiven Grundfähigkeit, seiner Dekodierfähigkeit,
seinem Lernstrategiewissen und seinem persönlichen Leseinteresse abhängig ist. Schülerinnen
und Schüler mit ausgezeichneter Lesekompetenz verfügen demnach über ein hohes Maß an
kognitiver Grundfähigkeit, sind in der Lage die korrekte Bedeutung von Sätzen rasch zu
erfassen (=Dekodierfähigkeit), haben ein breites Wissen in Bezug auf Effektivität und
Anwendbarkeit von Lernstrategien und zeigen Interesse und Freude am Lesen.
Diagnostik im Unterricht - Umgang mit förderdiagnostischen Verfahren
Von Anne Nellen, Institut für Qualitätsentwicklung, April 2005
Rückblick zum Begriff Förderdiagnostik
Seit den frühen Achtziger Jahren gibt es in der Sonderpädagogik eine Diskussion über „gute“
Diagnostik. Die bis dahin praktizierte Selektions- oder Statusdiagnostik war vom
medizinischen Krankheitsmodell geprägt und mit dem Infragestellen des alten Behinderungskonzeptes in Misskredit geraten. Behinderung wird heute nicht mehr als objektiver
Tatbestand definiert, der sichtbar und/oder messbar an einem Defizit (bei den Sinneswahrnehmungen, der Motorik oder der Intelligenz bzw. dem Verhalten) der einzelnen Person
festgemacht wird. Behinderung ist ein soziales Konstrukt. Gesellschaftlich festgelegt ist,
welche Störungen oder Abweichungen wir als Behinderungen wahrnehmen: z.B. das Hinken
eines Menschen als Körperbehinderung, andere Störungen aber nicht, z.B. mangelnde
Beziehungsfähigkeit bezeichnen wir nicht als Liebesbehinderung.
Besonders problematisch sind die Begriffe Lernbehinderung und Verhaltensauffälligkeit. Die
Erfahrung zeigt, dass es nur bis zu einem gewissen Grad von der Intelligenz eines Schülers
abhängt, ob er in der Regelklasse erfolgreich lernen kann. Andere wesentliche Faktoren für
Schulerfolg oder –misserfolg sind vor allem der soziale Familienhintergrund und Motivation,
aber auch Faktoren wie Klassenzusammensetzung, Verhalten, Haltung der Lehrerperson und
der Schule, Fördermöglichkeiten und Unterstützungssysteme etc. Das gleiche gilt für
Verhaltensauffälligkeiten.
Keine Diagnostik kann menschliche Entwicklung genau genug prognostizieren. Im alten
Modell der Behinderung wurden überdauernde Eigenschaften des Individuums, wie z.B. die
Intelligenz durch psychometrische Individualtests getestet .Wurde ein Defizit attestiert,
erfolgte eine Einweisung in die entsprechende Institution (Sonder- oder wie es jetzt euphemistisch heißt Förderschule), in der solche Menschen „passten“. Danach war Diagnostik
nicht mehr nötig außer bei Auffälligkeiten.
Merkmale von Förderdiagnostik
Die sich seit den achtziger Jahren entwickelnde Diskussion um Integration und Inklusion
erforderte eine Förder(ungs)diagnostik, die die Leistungen und Möglichkeiten eines Menschen in seinem konkreten Umfeld erhebt und beschreibt, so dass auf dieser Grundlage
Fördermöglichkeiten entwickelt werden können, die auf den jeweiligen Menschen, den
jeweiligen Bildungsort und mögliche Unterstützungssysteme zugeschnitten sind.
Die Frage ist nicht mehr wie bei der Selektionsdiagnostik: Wo kann das Kind am besten
gefördert werden? sondern: Was braucht das Kind, um sich optimal entwickeln zu können
und wie können wir das unterstützen bzw. möglich machen?
Diagnostik im Unterricht ist der Kern der Förderdiagnostik im Umfeld Schule. Neben der
Analyse der Lernprozesse und –ergebnisse geht es bei der Planung von Förderung auch um
Analysen der Ressourcen, die es beim Schüler, im Elternhaus und in anderen Unterstützungssystemen gibt (im Sinne einer Resilienz).
Förderdiagnostik ist situationsbezogen, in der Schule hat sie deshalb vor allem die konkreten
Situationen und Inhalte im Blick, in und mit denen SchülerInnen handeln und lernen. Sie
vermeidet Verallgemeinerungen, stattdessen versucht sie so genau wie möglich das Verhalten
und Ergebnis in einer Situation zu beschreiben, mit den Anteilen aller Beteiligten
einschließlich des Diagnostizierenden.
Sie unterscheidet sich von der Selektionsdiagnostik nicht durch die Verfahren. Alle Verfahren, die Auskunft geben können über die Leistungen und Möglichkeiten, werden unter der
oben genannten Fragestellung und im Hinblick auf Zeitökonomie genutzt: normierte Tests,
Lernstandserhebungen, Selbsteinschätzungen und Beobachtungen.
Förderdiagnostik ist prozessorientiert. Der Prozess ist wichtiger als das Produkt. So interessiert bei einem Intelligenztest weniger der IQ, sondern wie der Proband mit den unterschiedlichen Testaufgaben, mit Schwierigkeiten und Frustrationen umgeht, welche
Selbsteinschätzung er äußert, aber auch, in welchen Bereichen seine Stärken liegen, damit die
Förderung so geplant werden kann, dass Stärken genutzt und weiter entwickelt werden bzw.
die Schwächen weit möglichst gemindert oder ausgeglichen werden können.
Förderdiagnostik ist dialogisch: Nur gemeinsam im Austausch mit allen Beteiligten kann man
sich der Wahrheit annähern. Deshalb sind die Selbstauskunft des Schülers/der Schülerin und
das gemeinsame Gespräch über Ziel, Vorgehen und Ergebnisse der Überprüfung zentral.
Diagnostik ist immer hypothesengeleitet. Sie unterscheidet sich vom alltäglichen mitlaufenden Diagnostizieren durch die Bewusstmachung von Hypothesen. Förderdiagnostik ist
orientiert an Entwicklungs-, Wissens- und/oder Wirkungsmodellen.
Ein Beispiel: Die Lehrperson ist der Meinung, dass in ihrer Klasse einige SchülerInnen nicht
altersgemäß, d.h. zu langsam und mit vielen Fehlern lesen.
Sie will wissen, ob diese Hypothese wahr oder falsch ist. Sie sucht ein Verfahren, das
Schnelligkeit und Genauigkeit beim Lesen misst und einen Vergleichsmaßstab (durch eine
Eichstichprobe von Gleichaltrigen) bietet. Sie macht ein Screening mit einem
Gruppenlesetest. Dann vergleicht sie die Ergebnisse mit ihren Einschätzungen. Bei
Diskrepanzen oder sehr schwachen Leistungen muss sie genauer hinschauen. Im ersten Fall
überlegt sie, woran es liegen könnte, dass ihre Einschätzung und das Ergebnis so weit
auseinander fallen: Vielleicht ist sie vom lauten Vorlesen ausgegangen und stellt nun fest,
dass die Schülerin, die doch immer so fließend und betont vorgelesen hat, nicht in der Lage
war, genau und d.h. sinnverstehend zu lesen. Sie hat Vorlesen mit sinnentnehmenden Lesen
verwechselt. Der andere Schüler, der sich beim lauten Vorlesen schwer tut, kann dagegen
vielleicht schnell und genau sinnerfassend leise lesen.
Wenn SchülerInnen besonders langsam und ungenau lesen, ist ein Individualtest notwendig,
der an normierten Lesetexten, d.h. Texten, die möglichst von ähnlicher Schwierigkeit sind, die
individuellen Lese- und Verbesserungsstrategien beobachtbar machen. Beispiele für solche
Aufgaben gibt die » Hamburger Leseprobe. Kompetenzorientierte Aufgaben wie die von
IGLU- bzw. PISA geben auch Auskunft, vor allem wenn SchülerInnen sie lösen und dabei
ihre Überlegungen begleitend mitteilen.
Diese Daten, egal ob es sich um Selbstauskünfte der Lernenden, Testdaten,
Aufgabenlösungen oder Beobachtungen handelt, können nun in die Unterrichtsplanung
eingehen. Die Lehrperson verknüpft sie mit ihrem Wissen über Lernen und ihren
Erfahrungen, welches nützliche Hilfestellungen sind, welche Teilkompetenz als nächstes
„dran“ ist, welche Aufgabenstellungen und Lernarrangements dem Schüler helfen. Das ist die
Grundlage für Förderung, die sie plant, wohl wissend: „Ein wichtiger Bestandteil
diagnostischer Kompetenz ist daher die Fähigkeit, die Spannungen auszuhalten und reflexiv
zu verarbeiten, die sich daraus ergeben, dass misslingende Lernprozesse immer wieder auch
die Grenzen eigener methodisch-didaktischer und kommunikativer Fähigkeiten spüren
lassen.“ [HORSTKEMPER,M. (2004): Diagnosekompetenz als Teil pädagogischer
Professionalität. In: Neue Sammlung, 44.Jg. H.2, S. 209]
Ablaufplan: Überprüfung der Lernvoraussetzungen
1) Ich mache mir meine Hypothesen und Absichten klar. Von welcher Hypothese gehe
ich aus, und was will ich genau wissen?
Dabei entscheide ich mich:
- ob ich eher grobe Informationen über die gesamte Lerngruppe in einem definierten
Bereich des Unterrichts haben will, um Unterricht zu planen oder ob ich Angaben zu
den Kenntnissen und Fähigkeiten einzelner SchülerInnen haben will, um sie besser
unterstützen zu können. Häufig ist es sinnvoll, erst ein Screening der Gesamtgruppe in einem
Lernbereich zu machen und dann zu entscheiden, über welche SchülerInnen ich dazu mehr
Informationen brauche.
- zu welchem Zeitpunkt ich diese Information haben möchte: am Anfang um die Lernausgangslage besser zu kennen, oder am Ende einer Lerneinheit, um Lernfortschritte
festzustellen;
- für ein ökonomisches Vorgehen: ich werde Verfahren bevorzugen, die sich gut in meinen
Unterricht einpassen und die zeitsparend ausgewertet werden können;
- ob ich Wissen oder Kompetenzen überprüfen will– auch wenn die Unterscheidung nicht
immer ganz trennscharf zu machen ist, ist sie für die Auswahl der Verfahren doch wichtig,
weil ich sonst nicht herausbekomme, was ich eigentlich wissen möchte;
-
ob ich Verhalten untersuchen will; häufig überdeckt auffälliges Verhalten die Leistung.
- Ich trenne diese Überprüfungssituationen von der Benotung: Die Ergebnisse werden nicht
benotet, aber der Lernfortschritt kann im Sinne der Individualnorm in die Note einfließen.
2) Ich plane mein Vorgehen:
- Ich entscheide mich für bestimmte Verfahren, Methoden, Instrumente , evtl. in einer
bestimmten Folge: z.B. Selbsteinschätzungsbogen, dann Screening mit der Klasse,
anschließend Einzeltest. Oder bei einer SchülerIn: zwei unterschiedliche Verfahren z.B.
Rechtschreiben: erst HSP, dann Analyse eines Eigentextes mit AFRA.
- Ich schätze den Zeitbedarf für Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und
Rückmeldung.
- Ich überlege, mit welchen Personen ich ein Gespräch haben werde über die Ergebnisse
und meine Folgerungen daraus.
3) Ich plane auf der Grundlage der neuen Kenntnisse die anschließenden Lernprozesse.
Beispiele für Diagnoseverfahren
Im Folgenden sind einige Beispiele für Diagnoseverfahren im Lernbereich Lesen aufgelistet,
häufig sind sie schon regelmäßiger Bestandteil des Unterrichts, z.B. summative
Lernkontrollen. Dann werden sie eher zur Benotung benutzt und weniger zur Diagnose des
Könnens und zur Planung der Weiterarbeit.
Absichten, Ziele und mögliche Verfahren zur Feststellung von Leseleistungen der
SchülerInnen, Einschätzung der Ergebnisse
Die tabellarische Darstellung stellt jeweils Aussagen für eine Lerngruppe (linke Hälfte) und
Aussagen in Bezug auf einen einzelnen Schüler bzw. eine Schülerin (rechte Hälfte) gegenüber.
1. (Vor-)Wissen, Fertigkeiten feststellen
Am Anfang mit
einer neuen
Lerngruppe:
Vorwissen und
Selbsteinschätzung
erfahren
Verfahren:
(Vor-)Wissen erkunden
mit Beispielaufgaben und
Aufträgen, durch
mündliches oder
schriftliches Fragen bzw.
Fragebögen zu
Vorerfahrungen und
Am Ende einer
Einstellungen. Mögliche
Lerneinheit, vor
Fragen: Was ist für dich
einer
Leistungskontrolle leicht, was ist schwierig
zu lesen? Wo bist du
Wissen,
sicher/noch unsicher –
Fertigkeiten
was hat dir bisher
feststellen
geholfen - was/wen
brauchst du noch zur
Unterstützung? etc.
Antworten
veröffentlichen, d.h.
sammeln, evtl. bündeln,
Absichten klären,
begründen, und weiteres
Vorgehen planen,
festlegen, dann mit
Schülern besprechen.
Endziel: Auf dieser
Etwas über den
individuellen
Umgang mit
Wissen
erfahren
Verfahren zusätzlich zu
den Verfahren für die
Gruppe:
kriterienorientierte
Beobachtung bei
Tätigkeiten, Analyse von
Produkten, Gespräch über
Wissen, Vorgehen und
Einstellungen
Grundlage kann jeder
Schüler einen eigenen
Arbeits-Übungs-Plan,
evtl. mit Hilfe erstellen
2. Können i.S. von Fähigkeit überprüfen
Einen Überblick
bekommen
durch
quantitative
Analysen und
Bewertungen
mit Verfahren,
die grob
sortieren in
Können und
Nichtkönnen
Verfahren:
Screening Verfahren zum
Sortieren, wie bestimmte
standardisierte
Gruppentests, z.B.
Salzburger Lesescreening
für die Klassen 5-8 (SLS
5-8), StolperwörterLesetest
Prüfaufgaben, die nicht
benotet werden z.B. aus
PISA, IGLU oder
landesweiten
Vergleichsarbeiten,
Jahrgangsstufentests aus
anderen Bundesländern.
Diese landesweiten
Arbeiten liefern
Vergleichsnormen, indem
sie die Lösungshäufigkeit
einer Aufgabe angeben.
Diese kann mit den
Ergebnissen der eigenen
Klasse verglichen werden,
um so eine objektivere
Einschätzung der
Leistungen dieser Klasse
zu bekommen. Gleichzeitig
kann die Lehrperson die
eigene Diagnosekompetenz
überprüfen: Bevor die
SchülerInnen die Arbeit
schreiben, geht die
Lehrperson für jede/n die
Aufgaben durch und
markiert, ob dieser Schüler
ihrer Meinung nach die
Aufgabe löst (+), nicht löst
(-), oder ob sie unsicher ist,
ob dem Schüler die
Aufgabe gelingt (o).
Nachdem die Schüler die
Genauere
Beschreibungen
von
beschreibbaren
Fähigkeiten
bekommen
durch
qualitative
Analysen und
Bewertung
Wichtigstes Verfahren:
Gezielte Beobachtung. Sie
bezieht sich sowohl auf
den Lernprozess und das
Lernverhalten. Mögliche
Fragestellungen: In
welchen Lernsituationen,
mit welchen Lernmitteln,
etc. lernt dieser Schüler am
besten? - Und in Bezug auf
eine qualitative Analyse
der Arbeitsprodukte: Was
kann der Schüler schon?
Was muss er noch lernen?
Was kann er als nächstes
lernen? Bei dieser Analyse
wird von einem Modell der
Leseentwicklung
ausgegangen. Fehler
werden als Verweise auf
die vom Schüler
verwendeten Strategien
gesehen und geben damit
Aufschluss über den Stand
seiner Lesekompetenz.
Aufgaben, die qualitative
Kriterien beinhalten, bei
denen der Schüler seinen
Lösungsweg beschreibt;
Kompetenzraster
Selbsteinschätzungsbögen
Gespräch über Selbst- und
Fremdeinschätzung
qualitative Fehleranalysen
in individuellen,
standardisierten Tests, z.B.
HLP 1-4 (» Hamburger
Leseprobe).
Landesweite Verfahren
kann man für diesen
Zweck wenig nutzen. Man
kann sie vergleichen mit
Leseaufgaben gelöst
haben, werden die
Ergebnisse mit der
Prognose verglichen. Bei
erheblichen Diskrepanzen
muss überprüft werden,
woran das liegen könnte.
Aufgaben aus
Aufgabensammlungen,
z.B. von Verlagen
Klassenarbeiten etc., die
Lesekompetenz abfragen
i.S. von
Kompetenzmodellen wie
bei PISA
einer Taschenlampe in
einem Ballsaal: Sie haben
nur wenige Aufgaben für
umfassende Lernbereiche.
Deshalb werfen sie nur ein
sehr begrenztes Licht auf
einzelne Fähigkeiten.
Wenn aber 100.000
Taschenlampen (sprich:
Testergebnisse) vorliegen,
ist der Ballsaal hell. Zu
nutzen sind die Arbeiten
zur Überprüfung der
eigenen
Diagnosekompetenz.
3. Lernfortschritte feststellen
Den Erfolg
meines
Unterrichts oder
bestimmter
Interventionen
feststellen
Verfahren:
Wiederholung bestimmter
Aufgaben (-typen) nach
der Lerneinheit, am Ende
eines Jahres
Wiederholungsmessung
mit einem normierten
Instrument, im jährlichen
Abstand
Den
individuellen
Lernerfolg eines
Kindes
feststellen
Verfahren:
alle für die Lerngruppe
aufgeführten Verfahren bis
auf die landesweiten
Verfahren (s.o.)
4. Verhalten analysieren
Implizite Regeln,
Rituale, Aufbau
von
Verhaltensweisen
in der (Lese)Lerngruppe
erkennen
Verfahren:
Hypothesengeleitetes
Beobachten entweder
durch ein verfremdendes
Auge (Gast oder
Videokamera) oder durch
die Lehrperson selber,
quantitativ mit Liste:
Häufigkeit bestimmter
Verhaltensweisen –
Auswertung: Sind Muster
erkennbar, wer oder was
setzt Verhalten in Gang,
in welcher Situation
ergibt sich das Verhalten,
welche Interventionen
sehe ich ... Erst nach
einer möglichst genauen
Beschreibung eine
Interpretation versuchen,
Den Sinn für ein Verfahren:
alle für die Lerngruppe
bestimmtes,
aufgeführten Verfahren
scheinbar
kontraproduktives
Verhalten suchen
und verstehen
sich bewusst sein, dass
Verstehen die Ausnahme
ist, Nichtverstehen die
Regel.
Fragebögen, Gespräche
zur Motivation, um
eigenes Verhaltens und
das der anderen
einzuschätzen, zu
Wünschen,
Vereinbarungen
Synopse aller Testverfahren in Kurzform
1. Standardisierte Lesetests
Als erstes finden Sie hier drei standardisierte Gruppentests. Sie können als » ScreeningVerfahren genutzt werden, d.h. sie sind ohne großen zeitlichen Aufwand durchzuführen und
geben einen ersten Eindruck von den Leseleistungen einer Klasse und einzelner Schülerinnen
und Schüler.
Die individuelle Lesefähigkeit wird verglichen mit den Durchschnittswerten einer ausreichend
großen Vergleichsgruppe und dann verortet: Der Schüler ist ein



durchschnittlicher
unter- / überdurchschnittlicher
weit unter / über dem Durchschnitt fähiger Leser.
Screening-Verfahren liefern keine ausreichenden Informationen über die individuellen
Stärken und Schwächen einzelner Schülerinnen und Schüler beim Lesen und damit auch
keinen konkreten Förderansatz.
Name des Tests
Was wird erhoben? Für welche
Art der
Zeitaufwand
Schülergruppen Durchführun (Durchführung
)
?
g
Salzburger Lese- Basale Lesefertigkeit Klassen 5-8
Screening für die
Klassenstufen 58
Gruppentest
ca. 10 Minuten
Stolperwörtertes Basale Lesefertigkeit Anfang Klasse 5
t
Gruppentest
ca. 15 Minuten
Elfe 1-6
Einzeltest
10-30 Minuten
Wortverständnis,
Klassen 5-6
Lesegeschwindigkeit
, Satzverständnis,
Textverständnis
2. Nicht standardisierte Lesetests
Während die unter 1. vorgestellten standardisierten Tests einen ersten Überblick über die
basale Leseleistung einer Klasse oder Gruppe geben, überprüfen die beiden folgenden
Verfahren die komplexe Leistung „Textverständnis“.
Sie orientieren sich an der Definition der internationalen Vergleichsstudie PISA von Lesen als
wissensgesteuertem Verstehenskonzept und bieten Aufgaben an zu den drei
Kompetenzbereichen - Informationen ermitteln, textbezogenes Interpretieren sowie
Reflektieren und Bewerten – mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Beide Verfahren
haben auch Aufgaben zu anderen Leistungsbereichen des Deutschunterrichts wie
Rechtschreibung und Grammatik.
Wie bei jedem Testverfahren gibt es auch hier Einschränkungen. Für individualdiagnostische
Zwecke hat der bayrische Jahrgangstest nicht genügend Aufgaben der gleichen Art und
Schwierigkeit. Er wurde als Evaluationsinstrument auf Länderebene entwickelt. Die
Lesekompetenztests von KÜHN/REDING bieten Lernsituationen an, in denen Leseleistungen
überprüft werden können. Sie ermöglichen damit eine qualitative Auswertung, in dem Sinne,
dass für jeden Schüler festgestellt werden kann, welche Aufgaben er bei der jeweiligen
Aufgabenstellung lösen kann. Es ist nicht möglich, quantitative Aussagen in dem Sinne zu
machen, mit wie viel Lösungen welcher Aufgabengruppen ein Schüler ein guter,
mittelmäßiger oder schlechter Leser im Vergleich zu seiner Altersgruppe ist.
Name des Tests
Was wird
erhoben?
Für welche
Art der
Zeitaufwand
Schülergruppen Durchführun (Durchführung)
?
g
Bayerische
Satzverständnis, Klassen 6, 8
Jahrgangsstufentest Textverständnis
s Deutsch
Gruppentest
mind. 45 Minuten
Lesekompetenztests Textverstehen, Klassen 5, 6
für die Klassen 5
Wortschatz,
und 6
Grammatik,
Rechtschreibun
g und
schriftlicher
Ausdruck
Gruppentest
Unterrichtseinheite
n
3. Tests zur differenzierten Überprüfung einzelner Schüler
Individualtests sind in der Durchführung und Auswertung aufwändiger als Gruppentests. Sie
lohnen sich, wenn Schüler sehr große Probleme mit dem Lesen haben. Dabei sind nicht nur
die Testergebnisse - das Produkt - wichtig, sondern auch der Prozess, d.h. wie ein Schüler die
Aufgaben löst, an welchen Stellen er Probleme hat und ob und wie er versucht, sie zu lösen.
Diese Beobachtungen während der Überprüfung liefern ebenfalls wichtige Informationen über
das Leistungsvermögen. Wenn Produkt und Prozess auf dem Hintergrund einer Theorie des
Lesens ausgewertet werden, können Fördermaßnahmen für den jeweiligen Schüler
zielgerichteter geplant werden.
Wenn am Ende alle Ergebnisse z.B. aus Screeningverfahren, Gruppentests, Beobachtungen
im Unterricht und Einzeltests ausgewertet werden, kann ein widersprüchliches oder nicht
eindeutiges Bild entstehen. Neben einem schulinternen Austausch kann externe Beratung
hilfreich sein. Diese bieten Beratungs- und Förderzentren (BFZ), d.h. Förderschulen, Lehrern
an allgemein bildenden Schulen an. Neben Beratungen können Sonderpädagogen in einem
bestimmten Umfang zur Unterstützung im Unterricht der allgemein bildenden Schulen
eingesetzt werden. Diese ambulanten Leistungen der Beratungs- und Förderzentren sollen
allgemein bildende Schulen bei ihrer Präventionsaufgabe unterstützen und sind zu
unterscheiden von dem Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes.
[Download der ·· Liste aller hessischen BFZ; » Verordnung zur sonderpädagogischen
Förderung (Vom 22. Dezember 1998, ABl. 1999, S.47)]
Name des Tests
Was wird
erhoben?
Für welche
Art der
Zeitaufwand
Schülergruppen Durchführun (Durchführung
)
?
g
Salzburger Lese- und Lesestrategien
Rechtschreibtest
(SLRT)
Klassen 5-7
Einzeltest
15 Minuten
Basiskompetenzen für Phonologische
Bewusstheit
LeseRechtschreibleistunge
n (BAKO 1-4)
Anfang Klasse 5 Einzeltest
45 Minuten
Verlesungsanalyse
Sinnentnehmende Klasse 5-7
s Lesen,
(Hauptschule)
Lesestrategien
Einzeltest
ca. 45 Minuten
Was ist das Lesekompetenz?
Überlegungen zur Lesekompetenz:
Lesekompetenz ist nicht vorhanden, naturgegeben, einfach da, sondern wird über einen
langen Zeitraum durch Lernen in allen Lebensbereichen erworben. Kompetent zu sein
für das Lesen bedeutet nicht nur die Decodierung von Zeichen, Elementen und deren
sprachliche Darstellung, sondern bezeichnet einen Prozess, der mit Analyse,
Interpretation und Denken verbunden ist. Das wiederum setzt spezifische Kenntnisse
voraus. Je mehr Informationen der zu rezipierenden Vorlage an textexterne Kenntnisse
gebunden und verarbeitet werden können, um so höher ist die Lesekompetenz zu
bewerten.


Lesekompetenz bezieht sich auf die Gesamtheit der fiktionalen, nicht fiktionalen,
visualisierten und auditiven Texte, ermöglicht die Teilnahme am
gesellschaftlichem Leben und ist Voraussetzung für das Lernen in allen
Unterrichtsfächern und außerhalb des Unterrichtes.
Lesekompetenz ist von vielen Faktoren abhängig, die mit dem Text, seinem
Inhalt, der Sprache, textexternen Kenntnissen u.a.m. zu tun haben.




Lesekompetenz setzt Verfahrenskenntnisse im lesetechnischen Bereich voraus,
die zu sequenziellem und punktuellem Lesen befähigen.
Lesekompetenz ist gebunden an die Fähigkeit, die Thematik zu erfassen, den
Inhalt zu formulieren, die Textstruktur zu beschreiben, sprachliche Mittel zu
verstehen, die Wirkungsabsicht, den Adressaten, Autor, Zeitbezug einzuordnen,
zu interpretieren, zu deuten u.a.m.
Lesekompetenz setzt textexterne Kenntnisse voraus, um den Neuheitswert der
Information beurteilen und in vorhandene Kenntnissysteme einordnen zu
können.
Lesekompetenz bedeutet, mit den Texten unserer Zeit umgehen zu können,
visualisierte und multimediale Text in ihren Zielen und Wirkungsabsichten
selbstständig zu erfassen.
Qualitätsstufen der Lesekompetenz
1. INFORMATIONEN
ERMITTELN
2. TEXTBEZOGENES
INTERPRETIEREN
- einem oder mehreren
- einzelne oder mehrere
Teilen eines Textes einen
Informationsteile in einem
Sinn zuordnen und Schlüsse
Text auffinden
daraus ziehen
3. REFLEKTIEREN UND
BEWERTEN
- einen Text zu eigenen
Erfahrungen, Kenntnissen
und Ideen in Beziehung
setzen
Was ist LESEKOMPETENZ?
Lesekompetenz ist mehr als einfach nur lesen zu können. Unter Lesekompetenz versteht
PISA die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren
Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren
Zusammenhang einzuordnen, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke
sachgerecht zu nutzen. Nach diesem Verständnis ist Lesekompetenz nicht nur ein
wichtiges Hilfsmittel für das Erreichen persönlicher Ziele, sondern eine Bedingung für
die Weiterentwicklung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten – also jeder Art
selbstständigen Lernens – und eine Voraussetzung für die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben. Jugendliche und Erwachsene begegnen in ihrem privaten oder
beruflichen Alltag und im öffentlichen Leben verschiedensten Arten von Texten. In
PISA wurde deshalb eine große Bandbreite an Textsorten verwendet. Neben fortlaufend
geschriebenen Texten (kontinuierliche Texte), wie zum Beispiel literarische Texte,
Argumentationen oder Kommentare, werden dabei auch bildhafte Darstellungen wie
Diagramme, Bilder, Karten, Tabellen oder Graphiken einbezogen (nicht kontinuierliche
Texte)
Lesekompetenz für lebenslanges Lernen zu erwerben ist nicht nur
Aufgabe einzelner Mitglieder der Gesellschaft. Lesekompetenz stellt sich immer stärker
als eine Schlüsselkompetenz dar. Durch eine angemessene Fähigkeit, alle Informationen
der Printmedien, Textvisualisierungen oder der multimedialen Angebote finden,
bewerten, nutzen zu können, ist eine lebenslange Integration in die Gesellschaft
gesichert. Persönliche Weiterbildung, Anpassung an den aktuellen Stand der
Gesellschaftsentwicklung, demokratische Mitwirkung, Ausleben eigener Interessen und
kultureller Bedürfnisse werden durch die Kompetenz zum Lesen ermöglicht. Nicht allen
gesellschaftlichen Kräften kommt dabei die gleiche Aufgabe zu. Lehrer und Schule legen
systematisch Grundlagen als Voraussetzungen für das Lesenkönnen auf Grundlage
aktueller Lehrpläne und methodisch/didaktischer Voraussetzungen. Die Fachlehrer und
das Kollegium der Schule nutzen diese über die Schuljahre entwickelten Fähigkeiten mit
Sachverstand und verantwortungsbewusst für den Kenntniserwerb in den einzelnen
Unterrichtsfächern. Die Eltern schaffen Voraussetzungen für das Lesen "WOLLEN".
Gesellschaftliche Einrichtungen bedenken in ihren Angeboten, dass Kinder auch
Mitglieder der Gesellschaft sind und Zukunft repräsentieren. Die Politik muss
Voraussetzungen schaffen, dass dieser Prozess des Erwerbs der Lesekompetenz geführt
und kontrolliert wird und dass Schüler, die aus unterschiedlichen Gründen zurück
geblieben sind, individuell gefördert werden können. Hier ist für viele Problemschüler
ein Schlüssel und Ansatz, um doch noch den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu
werden. Wie viel Schüler bleiben nur deshalb im Lernprozess zurück, weil sie nicht
lesen können?
Zu denken geben sollte, dass deutsche Schüler Unterrichtserfahrungen negativer
bewerten als der Durchschnitt der Altersgenossen. Nur 41% sagen, dass Lehrer sich für
ihren Bildungsfortschritt interessieren. Die OECD Analyse hat gezeigt, dass alle anderen
Schüler der überprüften Länder die gleiche Frage mit 56% bewerten.
Für jeden Deutsch-Lehrer muss klar sein, dass sich Textinhalte, Textformen und
kommunikative Zielstellungen, auf denen Lesekompetenz basiert, in wesentlichen
Bereichen verändert haben.
Literarische Text sind für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes unverzichtbar.
Diese werden aber immer stärker von Dokumenten und Texten des täglichen Lebens
überlagert.
Bevor man auf andere Fachlehrer zugeht, um sie in die Ausprägung der Lesekompetenz
an der Schule zu integrieren, sollten einige Tendenzen und neue Begriffsinhalte in der
Fachschaft geklärt sein.
Der Deutschunterricht bildet an der Schule systematisch über die Klassenstufen
Lesekompetenz aus, wenn die Anforderungen des Lehrplans und das Angebot der
Lehrbücher nur ansatzweise genutzt werden. Die Fachschaft Deutsch trägt eine
besondere Verantwortung für die Ausbildung der Vorleistungen, die andere
Fachkollegen für ihren Unterricht nutzen können und fachspezifisch entwickeln. Durch
PISA wurden neue Begriffe geprägt oder traditionelle Begriffsinhalte
verändert:
2.Der veränderte Textbegriff:
Pisa verwendet die Begriffe kontinuierliche Texte, die in fortlaufender Sprache
vorliegen und nicht kontinuierliche Texte, die nicht fortlaufend und nicht immer verbal
dargestellt worden sind.
Für die zweite Gruppe bestehen erhebliche Unklarheiten, aber gerade diese betragen
40% der PISA Aufgabenstellungen (Tabellen, Diagramme, Karten, Grafiken, …). Diese
zweite Gruppe - nicht kontinuierliche Texte - bereiten durch ihre Vielfalt bei der
Rezeption nicht wenige Probleme. Ob eine Bauanleitung als Piktogramm oder verbal
ausgeführt ist, merkt man beim Zusammenbau.
Beiden Gruppen ist gemeinsam, dass sie auf Papier gedruckt sind und Informationen
enthalten. Besser sollte man bei diesen Informationsträgern - nicht kontinuierliche
Texte - weniger von Texten sprechen, sondern mehr von Dokumenten: Texte
übermitteln Informationen über Sprache; Dokumente bedienen sich visueller und
anderer Codierungen.
Es müssen also Verstehensstrategien für verbal dargestellte, visualisierte u.a.
Informationsträger entwickelt werden.
Sollen visualisiert Texte/Dokumente rational verarbeitet werden, müssen sie vorher
versprachlicht werden. Die Entwicklung von Verstehensstrategien,
Wahrnehmungsstrategien und Versprachlichungsstrategien muss in Einheit erfolgen.
Das gilt nicht nur für Deutschlehrer, sondern für alle Fachlehrer. Eine Verinnerlichung
führt über die Versprachlichung und Anwendung, Nutzung der gewonnene
Informationen.
Ein Balken- oder Kuchendiagramm ist erfasst und kann bewertet, verglichen werden,
wenn es in Sprache "übersetzt" wurde.
3. Der Verstehensbegriff:
Der Begriff hat mit PISA eine Veränderung erfahren. Der bisherige Begriff war vor
allem am Erklären/Auslegen orientiert und vor allem im Deutschunterricht angesiedelt.
Das ist auch weiter richtig. Aber der traditionelle Begriff muss unter heutigen
Bedingungen erweitert werden und ist Anliegen aller Unterrichtsfächer. Dieser stärker
funktional orientierte Verstehensbegriff wird durch weiterführende Faktoren
gekennzeichnet.
· Das sind textintern basierte Prozesse wie Sinnerwartung, Gesamtverständnis,
Textstrukturen, Detailinformationen, Syntax, Semantik, Stilmittel u.a.m.
· Das sind textextern basierte Prozesse wie detailliertes Sachwissen, Autor-ZeitAdressat-Beziehungen, Rahmenorientierungen, Weltwissen (Weltbild,
Werteorientierung) u.a.m.
Der erste Aspekt des Verstehensbegriffs - Erklären/Auslegen - ist weiter gültig, aber
textintern und textextern basierte Prozesse ermöglichen erst als Einheit ein umfassendes
Aufschließen eines Dokuments/Textes.
Lesekompetenz erfährt auch dann Entwicklung, wenn Abschnittsinformationen
zusammengefasst, Schlüsselwörter identifiziert, Begriffsgefüge durchschaut werden.
Nur wenn Verfahren beherrscht werden, um Fachbegriffe zu klären, Weltwissen in das
Gesamtverstehen einzufügen, wird die Decodierfähigkeit stärker ausgeprägt. Quer
durch alle Fächer müssen Strategien für das Lesen und Decodierfähigkeit unter
Federführung der Deutschlehrer entwickelt werden.
Lese- und Decodierfähigkeit bedürfen immer einer Zusammenschau der textinternen
und textexternen Elemente. Lesen und Verstehen werden in Grundzügen im
Deutschunterricht angelegt und in Sachfächern modifiziert und weiter ausgeprägt.
Lesetechniken und die Schrittfolge der Rezeption von
fiktionalen, nicht fiktionalen, visualisierten, auditiven,
multimedialen Texten
1. Beherrschen verschiedener Lesehilfen als Voraussetzung für die lesetechnische
Aufnahme: orientierendes und kursorisches Lesen; sequenzielles und punktuelles Lesen,
Markieren/Hervorhebungen inhaltlicher Elemente, diagonales Lesen, Insellesen,
Slalomlesen ...
2. Erstrezeption eines beliebigen Textes: Gesamtheit des Textes erfassen durch
schnelles, orientierendes Lesen; Thematik und Inhaltsüberblick verschaffen;
Textkörper in seiner äußeren Struktur in Beziehung zur Überschrift setzen; erste
Überlegungen zu inhaltlichen Aspekten und formalen Merkmalen anstellen;
Entscheidungen zum genauen Lesen treffen: punktuell oder sequenziell lesen, Spezifik
der Textform/Textsorte berücksichtigen und Rezeptionsziel;
3. Vertiefende Rezeption durch genaues Lesen zum Erfassen allgemeiner
Bestandteile des Textes: Thema, Inhalt, Struktur, Gedankengang, Autor, Adressat,
Aussageabsicht, Intention ...; dabei muss die spezifische Textform und die Textsorte
berücksichtigt werden, damit eine fortlaufende Analyse/Interpretation während der
Rezeption ermöglicht wird und textexternes Wissen (Weltwissen zu formalen und
inhaltlichen Elementen) einschießen kann;
Berücksichtigung spezifischer Aspekte der Textsorten:
Sachtexte:



Thema/Inhalt: Überschrift/Teilüberschriften; Textstruktur (äußerlich/inhaltlich);
Bausteine des gedanklichen Aufbaus (These, Antithese, Beweise, Beispiele,
Argumente, ...); Typ des gedanklichen Aufbaus (entfaltend, kontrastierend, ...);
Textsorte (Bericht, Reportage, ...)
Textinhalt und sprachliche Mittel: Wortebene (Wortarten, Sprachschicht,
Sprachbereiche); Satzebene (Parataxe/Hypotaxe, Sonderformen: Inversion,
Parenthese, Ellipse, ...); Stilfiguren (Metapher, Vergleich, Hyperbel, ...)
Wirkungsabsicht: Intention (emotional, sachlich, appellativ, ...); textexterne Faktoren
(Layout, Autor/Autorenhaltung, Entstehungszeit/Rezeptionszeit, Adressat,
Veröffentlichungsform: Buch, Massenmedien, ...); Vergleich mit ähnlichen Texten,
Erfahrungen und eigene Erwartungen, ...
Epische Texte:





Thema, Inhalt, Textstruktur, Handlungsverlauf
Zeitdarstellung (Chronologie, Zeitraffung, Zeitdeckung, ...); Raumdarstellung
(Handlungsraum, Illusionsraum, ...)
Erzähler: Erzählhaltung, Erzählperspektive (auktorial, personal, Ich-Erzähler, Innen-,
Außenperspektive, ...)
Figuren: Figurencharakteristik, Figurenbeziehungen, Figurensprache, ...
Sprache: Wortebene, Satzebene, Ebene der Stilfiguren mit Bezug zur Gesamtaussag
Lyrische Texte:



Textkörper und seine äußerliche/inhaltliche Struktur: Strophen, Verse, Reim, Klang,
Metrum, Enjambement,
Lyrisches Ich als Vermittler: Stimmung, Stimmungswechsel, Haltung, Perspektive, ...
Besonderheiten der lyrischen Sprache: Wortebene, Satzebene, Hervorhebung der
Ebene der Stilfiguren mit Bezug zur Gesamtaussage
Dramatische Texte:



Thema, Inhalt, Handlungsverlauf
Exposition (initial-isoliert/ sukzessiv-integriert; vergangenheits-/gegenwartsbezogen;
monologische/dialogische Vermittlung expositorischer Informationen)
Textebenen: Regieanweisungen, Repliken, Replikenlänge, Unterbrechungsfrequenz,
Verhältnis Repliken zu Regieanweisungen, ...



Figuren: Figurenkonstellation (Opposition/Äquivalenz); Figurencharakteristik (durch
auktoriale Instanz, durch eine Figur: implizit/explizit, monologisch/dialogisch;
Figurensprache, ...)
Narrative Vermittlung (Botenbericht, Mauerschau, ...)
Form: offen episch oder geschlossen traditionelle Bauform des Stückes, ...
Visualisierte, auditive, multimediale Texte: In diesem Bereich der Textrezeption besteht ein
erheblicher Nachholbedarf der Wissenschaft, Didaktik/Methodik. Die Ausbildung der Lesekompetenz für
diese heutigen Textformen und die Voraussetzungen der Rezeption (Textanalyse/Interpretation, Wissen
um die Wirkungspotenzen und der spezifischen Mittel der Textwirkung, die Aufarbeitung von
Schrittfolgen u.a.m.) stehen noch am Anfang der Entwicklung für die unterrichtliche Arbeit.



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
Medientext inhaltlich und multimedial komplett aufnehmen
Zuordnung der Textform zur Spezifik des Mediums und seinen
Darstellungsformen/Wirkungsmechanismen (Bilder, Fotos, Grafiken, Video, Film,
WWW, Werbung, TV-Formate u.a.m.)
Erfassen übergeordneter Strukturen der Print- und Hypertexte, visualisierten und
multimedialen Textformen und Formate: Navigationsstrukturen, Links, Indikatoren für
Glaubwürdigkeit, Layout/Design, Interaktualität u.a.m.
vertiefendes Aufnehmen ausgewählter Segmente, Handlungslinien, Formen,
künstlerischer Strukturen, Inhalte mit Schlüsselcharakter, deren Analyse/Interpretation
unter Beachtung ihrer inhaltlichen und formalen Spezifik und deren Zuordnung zum
Gesamttext
Lebenswirklichkeit und Darstellung fiktionaler Welten unterscheiden durch
Einbeziehung textexterner Kenntnisse und Sichten.
4. Verbindungen herstellen zwischen textimmanenten und textexternen
Bestandteilen, gedankliche Durchdringung in Analyse/Interpretation und Verwertung
für das eigene "Weltwissen". Erkenntnis: Lesekompetenz lässt sich nur bedingt über
den Erwerb lesetechnischer Verfahren erwerben. Ganz erheblich wirken textexterne
Sachverhalte - Allgemeinbildung (Weltwissen) und Kenntnisse um kommunikative
Leistungen von Textformen/Textsorten und ihr formaler Aufbau - auf die Ausbildung der
Lesekompetenz ein.
In PISA werden fünf Stufen der Lesekompetenz unterschieden. Diese
beschreiben die Fähigkeit, Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade
lösen zu können. Der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe hängt unter anderem
von der Komplexität des Textes ab, der Vertrautheit der Schülerinnen und
Schüler mit dem Thema, der Deutlichkeit von Hinweisen auf die relevanten
Informationen sowie der Anzahl und Auffälligkeit von Elementen, die von den
relevanten Informationen ablenken könnten.
Kompetenzstufe I (Skalenwerte 335–407):
Oberflächliches Verständnis einfacher Texte
Schülerinnen und Schüler, die über Kompetenzstufe I nicht hinauskommen,
können mit einfachen Texten umgehen, die ihnen in Inhalt und Form vertraut
sind. Die zur Bewältigung der Leseaufgabe notwendige Information im Text
muss deutlich erkennbar sein, und der Text darf nur wenige konkurrierende
Elemente enthalten, die von der relevanten Information ablenken könnten. Es
können nur offensichtliche Verbindungen zwischen dem Gelesenen und
allgemein bekanntem Alltagswissen hergestellt werden. Kompetenzstufe I
bezeichnet mithin lediglich elementare Lesefähigkeiten.
Die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit Lese- und
Verstehensfähigkeiten unter und auf Kompetenzstufe I wird nachfolgend als
potenzielle Risikogruppe bezeichnet. Die Leistungen dieser Schülerinnen und
Schüler im PISA-Test legen nahe, dass sie beim Übergang ins Berufsleben
Probleme haben werden.
Kompetenzstufe II (Skalenwerte 408–480):
Herstellen einfacher Verknüpfungen
Schülerinnen und Schüler, die Kompetenzstufe II erreichen, sind in der Lage,
einfache Verknüpfungen zwischen verschiedenen Teilen eines Textes
herzustellen und mit einer begrenzten Anzahl von konkurrierenden
Informationen umzugehen.
Sie verfügen auch über die Fähigkeit, die Bedeutung einzelner Elemente durch
einfache Schlussfolgerungen zu erschließen. Auf dieser Grundlage kann der
Hauptgedanke eines im Hinblick auf Inhalt und Form relativ vertrauten
Textes identifiziert und ein grobes Verständnis des Textes entwickelt werden.
Die gelesenen Informationen können mit Alltagswissen in Beziehung gesetzt
und unter Bezugnahme auf persönliche Erfahrungen und Einstellungen
beurteilt werden.
Kompetenzstufe III (Skalenwerte 481–552):
Integration von Textelementen und Schlussfolgerungen
Schülerinnen und Schüler, deren Leistungen der Kompetenzstufe III
entsprechen, sind in der Lage, verschiedene Teile des Textes zu integrieren,
auch wenn die einzubeziehende Information wenig offensichtlich ist, mehrere
Kriterien zu erfüllen hat und ihre Bedeutung teilweise indirekt erschlossen
werden muss. Die Schülerinnen und Schüler können mit relativ auffälligen
konkurrierenden Informationen umgehen. Sie sind in der Lage, ein genaues
Verständnis von Texten mittleren Komplexitätsgrades zu entwickeln und
spezifisches Wissen gezielt zu nutzen, um das Gelesene auf dieser Grundlage
zu beurteilen.
Kompetenzstufe IV (Skalenwerte 553–625):
Detailliertes Verständnis komplexer Texte
Schülerinnen und Schüler, die Kompetenzstufe IV erreicht haben, können mit
Texten umgehen, die ihnen im Hinblick auf Inhalt und Form relativ
unvertraut sind. Sie sind in der Lage, eingebettete Informationen zu nutzen
und sie den Anforderungen der Aufgabe entsprechend zu organisieren.
Potenzielle Hürden wie Mehrdeutigkeiten, Sprachnuancen oder den eigenen
Erwartungen widersprechende Elemente können diese Schülerinnen und
Schüler weitgehend bewältigen. Sie sind in der Lage, ein genaues Verständnis
komplexer, relativ langer Texte zu erreichen und diese unter Rückgriff auf
externes Wissen zu beurteilen.
Kompetenzstufe V (Skalenwerte über 625):
Flexible Nutzung unvertrauter, komplexer Texte
Bei Schülerinnen und Schülern, die sich auf Kompetenzstufe V befinden,
handelt es sich um Expertenleser, die auch komplexe, unvertraute und lange
Texte für verschiedene Zwecke flexibel nutzen können. Sie sind in der Lage,
solche Texte vollständig und detailliert zu verstehen. Dieses Verständnis
schließt auch Elemente ein, die außerhalb des Hauptteils des Textes liegen und
die in starkem Widerspruch zu den eigenen Erwartungen stehen. Die
Bedeutung feiner sprachlicher Nuancen wird angemessen interpretiert. Diese
Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, das Gelesene in ihr Vorwissen aus
verschiedenen Bereichen einzubetten und den Text auf dieser Grundlage
kritisch zu bewerten.
Subskala: "Textbezogenes
Interpretieren"
Aufgaben auf der jeweiligen Kompetenzstufe erfordern vom
Leser ...
Informationen ermitteln Textbezogenes Interpretieren Reflektieren und Bewerten Stufe
I **eine/mehrere unabhängige, leicht auffindbare Information lokalisieren;
(Voraussetzung für das Auffinden der Information: wenig konkurrierende
Informationen im Text) *Hauptgedanke des Textes erkennen oder die Intention des
Autors bei Texten über bekannte Themen finden (Hauptgedanke ist durch
Wiederholungen oder frühes Erscheinen im Text markiert) *einfache Verbindung
zwischen Textinformationen und verbreitetem Alltagswissen herstellen (Leser wurde
angewiesen, relevante Faktoren in Aufgabenstellung und Text zu beachten)
Stufe II **ein/mehrere Informationen lokalisieren, die aus dem Text geschlussfolgert
werden müssen und mehrere Voraussetzungen erfüllen (Auswahl wird durch einige
konkurrierende Informationen erschwert) *Erkennen eines wenig auffallenden
Hauptgedankens *Verstehen von Beziehungen, Erfassen einer Bedeutungen im Text auf
der Basis einfacher Schlussfolgerungen (solche Aufgaben für analoges Denken erfordern
Vergleiche/Kontraste, die auf einem Merkmal des Textes basieren) *Vergleichen von
mehreren Verbindungen zwischen Text und über den Text hinausgehendem Wissen
*Bezug nehmen auf persönliche Erfahrungen/Einstellungen um Textmerkmale zu
klären (Aufgaben erfordern ein breites Textverständnis)
Stufe III **Einzelinformationen auffinden unter Beachtung des Beziehungsgefüges
(Auswahl der Informationen wird durch auffallende/konkurrierende Informationen
erschwert) *Aussagen in verschiedenen Textteilen berücksichtigen und integrieren, um
Hauptidee zu erkennen, Beziehung zu verstehen oder Bedeutung Wort/Satz zu
schlussfolgern *beim Vergleichen/ Kontrastieren viele Merkmale berücksichtigen
*wenig auffallende Informationen oder durch Textschikanen überlagerte Aussagen
auffinden *Vergleiche, Verbindungen, Merkmale des Textes zu werten *einige
Aufgaben erfordern genaues Textverständnis im Verhältnis zu bekanntem Alltagswissen
*andere Aufgaben verlangen kein detailliertes Textverständnis, aber fordern auf wenig
verbreitetes Wissen Bezug zu nehmen und relevante Faktoren abzuleiten
Stufe IV *mehrere eingebettete Informationen lokalisieren (Inhalt/Form des Textes sind
unbekannt) *Auslegen von Sprachnuancen in Textteilen, die den Text als Einheit aber
berücksichtigen *Verstehen/Anwenden von Kategorien in unbekanntem Kontext
*kritisches Formulieren oder Aufstellen von Hypothesen über Textinformationen unter
Zuhilfenahme von formalem/allgemeinem Wissen *Verstehen von langen/komplexen
Texten nachweisen
Stufe V *verschiedene, tief eingebettete Informationen lokalisieren und geordnet
wiedergeben (Form/Inhalt des Textes sind unbekannt) *Informationen entnehmen, die
für die Aufgaben relevant sind *vollständiges und detailliertes Verstehen eines Textes,
dessen Form und Inhalt unbekannt sind *kritisches Bewerten, Bilden von Hypothesen
unter Einbeziehung speziellen Wissens *Aufgaben dieses Niveaus verlangen den
Umgang mit Konzepten, die der Erwartung widersprechen
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