E - Deutscher Lottoverband

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Vorläufige gutachterliche Stellungnahme zur Regulierung der gewerblichen
Spielevermittlung
im
„Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland“
(Entwurfsstand: 21.11.2002)
im Auftrage der
fluxx.com AG, Kiel
von
Prof. Dr. jur. Dr. rer. pol. h. c. Rolf Stober
Geschäftsführender Direktor des
Instituts für Recht der Wirtschaft
Universität Hamburg
04. Februar 2003
Inhaltsübersicht*
A. Die Geschäftsfelder der fluxx.com AG und die Praxis der gewerblichen Spielevermittlung 4
B. Der juristische Prüfauftrag und seine zeitliche Begrenzung
5
C. Gegenstand und sachliche Grenzen der Untersuchung
6
D. Die relevanten Rechtsbeziehungen und Interessenlagen
7
E. Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
8
I.
Zur rudimentären Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
II.
Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung unter dem Konzept einer Good
8
Governance
8
III.
Zur fehlenden Bedarfsbegründung unter der Rubrik „Regelungsbedarf“
9
IV.
Zur pauschalen Behauptung des Regelungsbedarfs hinsichtlich der gewerblichen
Spielevermittlung
10
V.
Zum problematischen Regelungsbedarf hinsichtlich des Werbeverhaltens
11
VI.
Zum fehlenden Regelungsbedarf aufgrund der Zusammenarbeit mit staatlichen
Lotteriegesellschaften
VII.
11
Zum fehlenden Regelungsbedarf hinsichtlich der Transparenz und Kontrollierbarkeit
der Vermittlungstätigkeit
12
F. Zur Zertifizierung gewerblicher Spielevermittler durch die World Lottery Association
(WLA) als Regelungsalternative
I.
Die Zertifizierung der Nordwestlotto als Ausgangspunkt
II.
Das Zertifizierungsmodell als Ausdruck eines gewandelten Staats- und
Ordnungsrechtsverständnisses
*
14
14
14
Bei der Beschaffung und Sichtung des Materials sowie der endgültigen Fassung der Expertise hat mich mein Wiss.
Mitarbeiter Stefan Korte unterstützt.
1
III.
Zur Anwendung der Zertifizierung auf die gewerbliche Spielevermittlung
16
1.
Zur Mitgliedschaftsfähigkeit der fluxx.com in der WLA
16
2.
Zum Vorteil globaler Standards gegenüber landesstaatlicher Regulierung
17
3.
Zur Äquivalenz von Zertifizierungen gegenüber staatlicher Regulierung
17
G. Selbstverpflichtungen und Verhaltenskodizes als Regelungsalternative
18
H. Zur Regelungskompetenz der Bundesländer auf dem Gebiet der gewerblichen Spielevermittlung unter Einschluss elektronischer Medien
I.
Das Recht der gewerblichen Spielevermittlung aus europarechtlicher Perspektive
19
II.
Das Recht der gewerblichen Spielevermittlung aus bundesrechtlicher Perspektive
20
1.
Zuordnung der Einzelspielervermittlung
20
a)
Berücksichtigung des Regelungsgegenstandes
21
b)
Berücksichtigung der Ratio Legis
21
c)
Vorliegen eines Kompetenzdualismus
24
d)
Ordnungsrecht als Annexregelung
26
2.
3.
4.
I.
19
Besonderheiten des Tätigkeitsfeldes der fluxx.com
26
a)
Kompetenzielle Zuordnung der Internetvermittlung
26
b)
Erfordernis einer bundeseinheitlichen Regelung
29
c)
Gebrauchmachen von der Bundeskompetenz
29
d)
Ergebnis im Hinblick auf die Einzelspielervermittlung
30
Gewerbliche Spielevermittlung von Spielgemeinschaften
31
a)
Vermittlung von Spielgemeinschaften als eigenständige Lotterie
31
b)
Besonderheiten in Bezug auf die Vertriebsmedien der fluxx.com
32
Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung
Rechtsstaatliche Bedenken
33
34
I.
Verstoß gegen das Prinzip der Systemgerechtigkeit und Widerspruchsfreiheit
34
II.
Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
37
2
J.
Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit
37
I.
Zur sachlichen Anwendbarkeit des Art. 12 I GG auf die Geschäftsfelder der fluxx.com 37
II.
Zur Vereinbarkeit der Absenkung der Bearbeitungsgebühr bei Spielgemeinschaften
auf höchstens 20 % mit Art. 12 I GG
38
III.
Zur Vereinbarkeit der Werbeklausel mit Art. 12 I GG
40
IV.
Zur Vereinbarkeit der Transparenzklausel mit Art. 12 I GG
41
V.
Zur Verhältnismäßigkeit der Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
42
VI.
Zur Unzumutbarkeit der 20-Prozent-Regelung
43
K. Verstoß gegen die Eigentumsgarantie
44
L. Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit
45
M. Fazit
47
3
A.
Die Geschäftsfelder der fluxx.com AG und die Praxis der gewerblichen Spielevermittlung
Die fluxx.com AG ist auf dem Lotto- und Wettmarkt tätig, der sowohl über elektronische Medien als
auch über klassische Vertriebswege bedient wird. Dabei liegt der Internet-Umsatz des Unternehmens
bei circa 95 Prozent. Die Geschäftsfelder bestehen aus zwei Tätigkeitsbereichen:
-
der Gambling Products & Services, die sich mit der Entwicklung, dem Vertrieb und dem
Betrieb von Glücksspielprodukten und -plattformen befasst und
-
der Gambling Distribution, die eigen- und fremdvermarktete Gambling-Angebote für
Endkonsumenten bereithält.
Die Online-Eigenvermarktung erfolgt über jaxx.de, horses.de, Telewette, interjockey.com und
Superbonus49.de sowie über Direktvertrieb der Tochtergesellschaften oder über Vertriebspartner.
Dabei fungiert jaxx.de als Online-Annahmestelle, die zur Online-Gambling-Plattform ausgebaut
wurde. Die Besonderheit der gewerblichen Vermittlung gegenüber der stationären Lottoannahme
durch die konzessionierten Lottoannahmestellen besteht darin, dass durch gewerbliche Spielevermittler
Teilnehmer in jedem Bundesland akquiriert werden können, während die landesrechtlich organisierten
Lottogesellschaften durch ihre Annahmestellen lediglich die Spieleinsätze in ihrem Einzugsgebiet
entgegennehmen dürfen. Die Produktpalette erfasst u. a. folgende klassische und innovative Glücksund Gewinnspielanwendungen: Lotto, Toto, ODDSET-Sportwetten, TOP-Wette, Pferdewette,
Gewinnspiel, Klassenlotterie, Glücks-Spirale, Rubbel JAXX, Wett JAXX, Lotto-Tippgemeinschaften.
Für Lotto-Tippgemeinschaften entwickelte die fluxx.com das Angebot „Superbonus 49“, das neben
der wöchentlichen Teilnahme an den Ausspielungen der Lottogesellschaften die Teilnahme an einem
Bonuspunktesystem bietet. Bei sämtlichen Produkten der Produktpalette tritt die fluxx.com lediglich
als Vermittler auf. Sie nimmt den Spielschein des Kunden entgegen und vermittelt ihn an die
Lottogesellschaft bzw. an den Veranstalter, weshalb ein Spielvertrag nur zwischen der jeweiligen
Lottogesellschaft/dem Veranstalter
und den Spielteilnehmern zustande kommt. Zwischen den
Spielteilnehmern und der fluxx.com wiederum wird ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Inhalt
abgeschlossen, dass die Einsätze an die Lottogesellschaft/den Veranstalter weitergeleitet werden und
die Gewinne, welche die Lottogesellschaft/der Veranstalter an fluxx.com ausschüttet, an die
Spielteilnehmer weitergegeben werden. Im Gegensatz zum Gros anderer Internetunternehmen
finanziert sich die fluxx.com kaum aus Werbeeinnahmen. Vielmehr erhält sie für die Weiterleitung der
Spielscheine an die Lottogesellschaften/Veranstalter vom Kunden eine vertraglich vereinbarte
Bearbeitungsgebühr (Handling-Fee), deren Höhe vom jeweils in Anspruch genommenen Produkt und
4
der Anzahl der Tipps abhängt. Bei dem Tippgemeinschaftsprodukt Superbonus 49, dessen
Organisation und Bewerbung einen wesentlich höheren Aufwand erfordert, beträgt der wöchentliche
Preis pro Anteil derzeit 9,97 Euro, wovon ca. 50 Prozent dieses Preises eine vom Kunden zu
entrichtende Bearbeitungsgebühr ausmacht.
Zu einem geringen Anteil finanziert sich die fluxx.com des Weiteren über die sog.
Annahmestellenprovision,
die
sie
für
die
Weitergabe
der
Scheine
von
den
Lottogesellschaften/Veranstaltern erhält.
Hinsichtlich der Fremdvermarktung besteht neben der Zusammenarbeit mit dem Online-Portal
WEB.DE und Freenet (im Bereich Lotto-Service als Internet-Lotto-Annahmestelle), für die fluxx.com
sowohl Software zum Betrieb der Gaming-Plattform lizenziert hat, als auch die zur Abwicklung
erforderlichen Dienstleistungen wie Spielscheinweiterleitung, Zahlungsverkehr und Customer Care
erbringt, eine Kooperation mit Nordwestlotto-Schleswig-Holstein (bereits seit 1999) und Lotto
Brandenburg. Dabei nutzen die Lottogesellschaften, Freenet und WEB.DE das von der fluxx.com
entwickelte und betriebene Online-Spiel-Angebot (sog. Betreibermodell). Es beruht auf der „any-betGaming Platform“ (aGP), die nicht nur ein umfangreiches Spektrum an Spielanwendungen gestattet,
sondern auch einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb und den sicheren Transfer der Lotterie- und
Wettscheine zu den Lottogesellschaften/Veranstaltern sicherstellt. Anlässlich einer Zertifizierung der
Nordwestlotto durch die World Lotterie Association (WLA) wurde auch das InternetLottoannahmesystem begutachtet, das in Form der any-bet-gaming-Platform von fluxx bereitgestellt
wurde. Als finanziellen Ausgleich für die Bereitstellung der Software und die umfangreichen
Dienstleistungen erhält fluxx.com Lizenzentgelte und laufende Vergütungen.
B.
Der juristische Prüfauftrag und seine zeitliche Begrenzung
Die fluxx.com sieht das Unternehmensziel eines flächendeckenden Vertriebs der beschriebenen
Glücksspielprodukte über Eigen- und Fremdvermarktung durch den Entwurf eines Staatsvertrages zum
Lotteriewesen in Deutschland gefährdet, den eine Arbeitsgruppe auf Bitte der Ministerpräsidenten der
Länder vom 25.10.2001 angefertigt hat. Der Vertrag soll erstmals einheitliche Grundlagen zur
ordnungsrechtlichen Neuregelung für Lotterien und gewerbliche Spielevermittler schaffen und betrifft
damit auch die Geschäftstätigkeit der fluxx.com. Deshalb hat die federführende Staatskanzlei des
Bundeslandes Nordrhein-Westfalen das Unternehmen mit Schreiben vom 12.12.2002 zu einer
Stellungnahme bis zum 24.01. 2003 aufgefordert. Da der Staatsvertrag in der Entwurfsfassung vom
21.11.2002 nach der Rechtsauffassung der fluxx.com erheblich in das bestehende Geschäft der
5
gewerblichen Spielevermittlung eingreift, hat das Unternehmen am 13.01.2003 den Verfasser gebeten,
die Rechtslage unter Berücksichtigung der rechtspolitischen Situation zu prüfen und eine
Stellungnahme zu § 14 des Entwurfs bis zur Sitzung der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft,
die den Entwurf erarbeitet hat, in der ersten Februarwoche 2003 vorzulegen. In diesem
Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Vertrag hinsichtlich der Regulierung der gewerblichen
Spielevermittlung gesetzgeberisches Neuland betritt. Denn bislang fehlt es an einer geschlossenen
Normierung dieser Tätigkeit. In einigen Landesgesetzen finden sich allenfalls rudimentäre
Bestimmungen, die aber inhaltlich nicht das hier zu untersuchende Gesamtspektrum betreffen. Deshalb
kann abgesehen von einer kartellrechtlichen Entscheidung des BGH zu gewerblich organisierten
Spielgemeinschaften v. 09.03.19991, einer strafrechtlichen Entscheidung des BGH zu gewerblichen
Spielgemeinschaften2 und einem Urteil des BVerwG, das am Rande auch zur Spielevermittlung bei
Oddset-Wetten Stellung nimmt3,
nicht auf einschlägige und gesicherte juristische Erfahrungen
zurückgegriffen werden4. Vielmehr sind Argumentationen sowie Interpretationen neu zu entwickeln.
Hinzu kommt die Eilbedürftigkeit des Auftrages. Wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit
kann es sich nachfolgend nur um eine erste vorläufige Bewertung handeln, die nicht in allen Details
auf die Gesamtpalette der Rechtsfragen eingehen und nicht sämtliche Äußerungen des Schrifttums und
der Rechtsprechung aus dem Bereich des Lotterierechts einbeziehen kann. Vielmehr bezweckt die
vorläufige Untersuchung, dass das Vorhaben eines Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland
nochmals gründlich diskutiert und überdacht wird.
C.
Gegenstand und sachliche Grenzen der Untersuchung
Die
gutachterliche
Stellungnahme
beschränkt
sich
auf
die
Erörterung
verfahrens-
und
materiellrechtlicher Fragen. Sie konzentriert sich auf die Regulierung der gewerblichen
Spielevermittlung, wobei auch die Überlegung eine Rolle spielt, ob die Normierung dieser Tätigkeit
überhaupt notwendig ist. Die fluxx.com wehrt sich gegen § 14 insgesamt und insbesondere gegen die
in dem Entwurf aufgestellten Tätigkeitsanforderungen, die eine „angemessene“ Werbung fordern und
verlangen, dass der Spielevermittler mindestens 80 Prozent der von den Spielen vereinnahmten
Beträge an den Veranstalter weiterleitet. Nach Ansicht des Auftraggebers führt diese Regelung dazu,
dass im Tätigkeitsfeld der Spielevermittlung keine Gewinne mehr erzielt werden können. Die
Rechtsschutzproblematik wird bewusst ausgeklammert. Denn bei dem gegenwärtigen Stand des zu
1
2
3
4
BGH GRUR 1999, 771 ff.
BGH 1 StR 643, 76 in: Fuhrmann, MDR 93, 822 ff.
BVerwG, GewArch 2001, 334 ff.
S. zur Literatur aus der Sicht von Online-Casinos Klaus, Die rechtliche Problematik von Glücksspielen im Internet
2002.
6
beurteilenden Entwurfs ist das juristische Augenmerk primär darauf zu richten, einen Vertrag zu
verhindern oder mindestens Vertragsänderungen herbeizuführen.
D.
Die relevanten Rechtsbeziehungen und Interessenlagen
Für die Bewertung der Rechts- und Interessenlagen ist innerhalb des Sektors der gewerblichen
Spielevermittlung zwischen Rechtsverhältnissen der Eigen- und Fremdvermarktung zu unterscheiden:
I.
Rechtsverhältnisse der Eigenvermarktung
LOTTOGESELLSCHAFT
Geschäftsbesorgungsvertrag
(Provision)
II.
Spielvertrag
Vermittlungs-
Geschäftsbesorgungsvertrag
Spiel-
unternehmen
(Bearbeitungsgebühr)
teilnehmer
Rechtsverhältnisse der Fremdvermarktung
LOTTOGESELLSCHAFT
Geschäftsbesorgungsvertrag
(Provision)
Vermittlungsunternehmen
Spielvertrag
tatsächliche
-------------------Leistungserbringung
Dienstleistungsvertrag
Spielteilnehmer
Geschäftsbesorgungsvertrag
(Bearbeitungsgebühr)
Fremdvermarkter
7
E.
Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
I.
Zur rudimentären Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
Die gewerbliche Spielevermittlung ist – wie bereits kurz erwähnt –
bislang gesetzlich nicht
ausführlich geregelt. Insbesondere sind die rechtlichen Anforderungen an die Spielevermittler und die
Vermittlung von Spielgemeinschaften5 nicht ausdrücklich festgeschrieben. Es existieren lediglich
einige aspektive Bestimmungen in Landesgesetzen über Sportwetten und Lotterien. So legen etwa § 1
Abs. V des hessischen Sportwett- und Zahlenlotteriegesetzes v. 03.11.19986 und § 3 I des nordrheinwestfälischen Sportwettgesetzes v. 03.05.19557 fest, dass Sportwetten bzw. Lotterien nur in den
zugelassenen Annahmestellen gewerbsmäßig vermittelt werden dürfen. Ausnahmsweise wird auch ein
Erlaubnistatbestand aufgerichtet (§ 2 I RP Sportwettgesetz). Im übrigen existieren Straf- und
Bußgeldtatbestände hinsichtlich der Vermittlung von Spielverträgen nicht zugelassener Lotterien,
Wetten oder Ausspielungen8. Der Schwerpunkt dieser Normierungen liegt bei der Zulassung der
gewerbsmäßigen
Vermittlung
und
insbesondere
der
Vermeidung
von
Straftaten
und
Ordnungswidrigkeiten. Diese Materie steht aber bei dem Entwurf des Staatsvertrages nicht im
Blickpunkt des Interesses. Vielmehr werden die Länder in § 15 auch ermächtigt, Verstöße mit
Geldbuße zu ahnden.
II.
Zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung unter dem Konzept einer Good Governance
Aus der Perspektive der bisherigen Regelungen drängt sich daher zunächst die Frage auf, ob über die
bisherigen Vorschriften hinaus weiterer gesetzlicher Regelungsbedarf besteht. Diese Problematik ist
deshalb von vorrangigem Interesse, weil der moderne Staat, der auf die Leitidee der Good Governance
verpflichtet ist, darauf achten muss, dass nicht zu viele Regulierungen erlassen werden. Das Konzept
des schlanken Staates geht unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Gesetzgebungslehre davon aus, dass
zunächst die Notwendigkeit von Gesetzesvorhaben geprüft werden muss. Darüber besteht heute
Konsens, wie etwa der sog. Mandelkernbericht9 belegt. Dort heisst es unter Punkt 3.1. „dass die
staatlichen Stellen vor der Verwirklichung neuer sachpolitischer Absichten eine Bewertung der Frage
vornehmen, ob es dafür neuer Rechtsetzungsakte bedarf – oder nicht“.
5
6
7
8
9
S. zum Funktionieren näher Ohlmann, WRP 2001, 672 ff.
GVBl. I S. 406.
GVBl. S. 672.
S. z.B. § 16 N-LottG; § 11 Abs. 2 Sächs-LottG und dazu BGH GRUR 1999, 771, 773.
Moderner Staat – Moderne Verwaltung, Abschlussbericht, hg. von der Bundesregierung, Mai 2002.
8
Diese Vorprüfung ist auch Anliegen der sog. „blauen Prüffragen“ die von der Bundesregierung bereits
am 20.01.1989 verabschiedet wurden10. Danach muss zunächst die Frage beantwortet werden „Muss
überhaupt etwas geschehen?“ und „Welche Alternativen gibt es?“. Ähnlich stellte der
Sachverständigenrat „Schlanker Staat“ in seinem Abschlussbericht im Jahre 1997 unter Hinweis auf
die „blauen Prüffragen“ fest, dass eine Reduzierung der Normenflut eine qualifizierte
Bedürfnisprüfung
verlange11.
Auch
das
„Handbuch
zur
Vorbereitung
von
Rechts-
und
Verwaltungsvorschriften v. 20.12.1991“12 verweist zur Vorbereitung von Gesetzgebungsprojekten auf
die Prüffragen. Die neue Rechtsetzungskultur im Gewährleistungsstaat hat ferner Eingang in das
Programm der amtierenden Bundesregierung gefunden, die sich unter dem Leitbild des aktivierenden
Staates für eine Verschlankung und gegen zuviel staatliche Intervention und Überregulierung
einsetzt13. Zwar betreffen diese Überlegungen nicht unmittelbar die Bundesländer. Gleichwohl
gehören sie heute zum Allgemeingut einer zeitgemäßen Gesetzgebungspraxis, die auch in den Ländern
diskutiert und praktiziert wird.
III.
Zur fehlenden Bedarfsbegründung unter der Rubrik „Regelungsbedarf“
Bereits vor diesem ordnungs- und rechtspolitischen Hintergrund muss intensiv untersucht werden, ob
die geplante Regelung der gewerblichen Spielevermittlung im Entwurf des Staatsvertrages notwendig
ist, d. h. ob überhaupt ein Regelungsbedarf besteht. Ausweislich der Begründung zum Staatsvertrag ist
zentrales
Anliegen
eine
länderübergreifende
Vereinheitlichung
der
landesrechtlichen
Rahmenbedingungen. Das mehrfach angeführte, sachlich nicht zu beanstandende Kriterium einer
Vereinheitlichung kann aber nur Bestand haben, wenn auch auf dem Sektor der gewerblichen
Spielevermittlung ein besonderes Regelungsbedürfnis besteht. Insoweit hält die Begründung nur fest,
die Zulassung und Durchführung privater Lotterien sowie die Veranstaltung von Glücksspielen gebe
Anlass zu einer Neuordnung. Hingegen ist unter der Überschrift „Regelungsbedarf“ nicht die Rede von
gewerblicher Spielevermittlung, die mit der Zulassung von Lotterien und der Veranstaltung von
Glücksspielen nicht gleichgesetzt werden kann, da es lediglich um die Vermittlung im Rahmen bereits
zugelassener Lotterien und die Vermittlung für Glücksspielveranstalter geht. Das übersieht das
BVerwG14, das ohne nähere Auseinandersetzung pauschal von einer Identität ausgeht. Dass die
Vermittlung nicht angesprochen ist, folgt vor allem aus dem Hinweis, dass der Spielbetrieb in
10
11
12
13
14
S. Bundesministerium des Innern (Hg.), Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und von Verwaltungsvorschriften, S. 27.
A.a.O, S. 15.
Bundesanzeiger v. 14.03.1992, Nr. 52 a.
Moderner Staat – Moderne Verwaltung, Kabinettsbeschluss v. 01.12.1999.
GewArch 2001, 334 ff.
9
geordnete Bahnen gelenkt werden und ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele verhindert
werden soll. Um diese Sachverhalte geht es aber bei der gewerblichen Spielevermittlung nicht, die –
wie dargelegt – schon heute nur im Rahmen
staatlich zugelassener Spielangebote erlaubt ist.
Dementsprechend leuchtet es ein, dass die Entwurfsbegründung zu diesem Punkt nicht ausdrücklich
aus dem Blickwinkel „Regelungsbedarf“ Stellung nimmt. Vielmehr bekräftigen die Ausführungen zur
Differenzierung nach Gefährdungspotentialen, dass ein spezifisches Regelungsbedürfnis für das
Gewerbe der Spielevermittlung nicht ersichtlich ist. Denn in diesem Kontext ist ebenfalls nur von
Glücksspielen und Lotterien und damit vom Regulierungsinhalt des zweiten und dritten Teils des
geplanten Staatsvertrages die Rede. Folglich ist aus der Begründung des Regelungsbedarfs und der
Zielsetzung des Staatsvertrages nicht erkennbar, weshalb auch die gewerbliche Spielevermittlung
reguliert werden soll.
IV.
Zur pauschalen Behauptung der Regelungsbedarfs hinsichtlich der gewerblichen Spielevermittlung
Wendet man sich § 14 zu, dann fällt auf den ersten Blick auf, dass die Begründung zu dieser Vorschrift
sehr allgemein gehalten ist und die erhebliche Unsicherheit bei der juristischen Bewertung dieser
Materie zeigt. Da bislang noch keine Regelung der gewerblichen Spielevermittlung existiert, hätte man
erwarten dürfen, dass konkrete Hinweise gegeben werden, weshalb nunmehr eine ausführliche
Normierung angebracht ist. Insbesondere hätte man auf negative Erfahrungen zurückgreifen und
belegen müssen, dass von dem Vermittler spezifische Gefahren ausgehen, die statistisch belegbar und
durch Verwaltungspraxis sowie Gerichtsentscheidungen abgesichert sind. Es wird also nicht konkret
gesagt, weshalb das Mehr an erwarteter Kontrolle erforderlich sein soll. Stattdessen wird pauschal
behauptet, die Spielevermittler handelten „häufig in gleicher Weise wie Lotterieveranstalter“. Es wird
aber nicht dargelegt, worin die Identität besteht. Das wäre aber schon deshalb zwingend notwendig
gewesen, weil Vermittler und Lotterieveranstalter nicht ohne weiteres gleichgestellt werden können,
wie sich aus den getrennten Normierungen im Entwurf ergibt. Auch der Satz, dass der
Lotterieveranstalter keine Gewähr für eine ordnungsgemäße Abwicklung biete, ist nicht hilfreich und
kaum weiterführend. Denn zum einen kann der Begründungstext offensichtlich nur auf
Lotterieveranstalter angewendet werden. Die fluxx.com befasst sich jedoch mit vielen Spielangeboten,
weshalb Lotterievermittlungen nur ein Ausschnitt sind, der entgegen dem geplanten Gesetzestext keine
generellen Einschränkungen rechtfertigt. Das heißt, dass ein Regelungsbedarf vor allem nicht besteht,
sofern staatliche Gesellschaften Veranstalter sind und an diese vermittelt wird, da sie die Gewähr für
eine ordnungsgemäße Abwicklung bieten. Zum anderen setzt der Staatsvertrag bei dem falschen
10
Adressaten an. Wenn nach Auffassung der Vertragsautoren die Lotterieveranstalter angeblich keine
Gewähr für eine ordnungsgemäße Abwicklung bieten, dann muss zunächst das Glücksspiel- und
Lotterierecht so ausgestaltet werden, dass diesem Erfordernis durch geeignete Klauseln und
Überwachung der zuständigen Behörden ausreichend Rechnung getragen wird. Aber selbst wenn sich
die Anforderungen an die Spielevermittler richten, hätte in der Begründung erkennbar sein müssen,
weshalb sich das im Interesse wirksamer Gefahrenvorsorge gebotene Maß an Aufsicht und Kontrolle
nicht wie bisher auf vertraglicher Grundlage (Geschäftsbesorgungsvertrag, Provisionsvertrag,
Rahmenvertrag) hätte erreichen und sicherstellen lassen15 .
V.
Zum problematischen Regelungsbedarf hinsichtlich des Werbeverhaltens
Darüber hinaus sieht es der Entwurf als erforderlich an, „das – zum Teil – ordnungsrechtlich
bedenkliche Werbeverhalten von gewerblichen Spielevermittlern“ zu regeln. Bei dieser Aussage
handelt es sich ebenfalls um eine nicht näher nachgewiesene Behauptung. Das verlangte
Werbeverhalten kann aber nur dann ausgewogen normiert werden, wenn feststeht, welche Verstöße
angeblich vorliegen, weshalb sie ordnungsrechtlich bedenklich sind, welche Intensität sie besitzen und
ob sie für alle gewerblichen Vermittler zutreffen. Auch insoweit stellt sich nachdrücklich die Frage, ob
eine stärkere staatliche Verwaltungsüberwachung der Vermittler nicht ausreichen würde. Insofern ist
schon an dieser Stelle daran zu erinnern, dass die Vermittler, wovon auch die Begründung ausgeht,
dem Gewerberecht unterfallen und § 14 Abs. 1 Satz 3 GewO bezweckt, der zuständigen Behörde die
Überwachung
der
Gewerbeausübung
zu
ermöglichen.
Dabei
handelt
es
sich
um
ein
Standardinstrumentarium des Gewerberechts, dessen Wirksamkeit nicht ohne weiteres bezweifelt
werden kann16. Diese Bewertung findet sich auch in der Entwurfsbegründung, die mehrfach
ausdrücklich auf das Gewerberecht und insbesondere auf die Gewerbeuntersagung verweist. Auch
insofern wird nicht deutlich, weshalb ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht.
VI.
Zum fehlenden Regelungsbedarf aufgrund der Zusammenarbeit mit staatlichen Lottogesellschaften
Die Regulierungsnotwendigkeit aus der Sicht der fluxx.com ist ferner deshalb zu verneinen, weil
dieses Unternehmen vertrauensvoll mit den staatlichen Lottogesellschaften in Schleswig-Holstein und
Brandenburg zusammenarbeitet und von diesen Gesellschaften auch u. a. mit der Abwicklung des
Spielbetriebes beauftragt wurde. Es ist davon auszugehen, dass diese Kooperation gründlich geprüft
15
S. auch BVerfG, GewArch 2001, 61, 63.
11
wurde und deshalb auf einer seriösen Basis beruht, weil andernfalls staatliche Gesellschaften
insbesondere auf dem Glücksspielsektor nicht mit Privatfirmen zusammenarbeiten dürften. Insoweit ist
insbesondere auf dem Vertragswege die notwendige Transparenz bereits erreicht worden, wie etwaige
Abreden der fluxx.com z.B. mit Lotto Brandenburg zeigen, die durch das Verbot wettbewerbswidrigen
Handelns und markenrechtliche Bestimmungen gekennzeichnet sind. Ähnlich verhält es sich mit der
Vermittlung von Spielverträgen an die staatlichen Lottogesellschaften, die aufgrund der technischen
Abwicklung nachvollzogen werden kann. Aber selbst wenn insoweit noch Transparenzlücken im
Verhältnis Spielevermittler und Veranstalter bestünden, können sie durch eine Anpassung der
bestehenden Verträge wirksam geschlossen werden.
VII.
Zum fehlenden Regelungsbedarf hinsichtlich der Transparenz und Kontrollierbarkeit der
Vermittlungstätigkeit
Schließlich wird in der Begründung darauf hingewiesen, es ergäbe sich ein Regulierungsbedarf, um
die Transparenz und die Kontrollierbarkeit des Spiels auch beim Spielevermittler herzustellen.
Insoweit ist zu bemerken, dass die Spielteilnehmer bei jaxx.de die Preise und Bearbeitungsgebühren
dem Angebot entnehmen können. Es geht also aus dem Angebot klar hervor, welcher Anteil des
Einsatzes an den Veranstalter weitergeleitet wird. Ferner erhält der Spieler Informationen über die
Höhe des Jackpots, die aktuellen Ziehungsergebnisse und die Gewinnquoten oder individuelle E-Mails
über seine gespielten Scheine. Bei einem Gewinn erfolgt umgehend eine Benachrichtigung, wobei der
Erlös automatisch auf das Konto des Spielers überwiesen wird. Sämtliche im Internet bei jaxx.de
abgegebenen Scheine werden in einem unter Sicherheitsgesichtspunkten gestaffelten EDV-System
erfasst, bis der Schein bei dem Veranstalter abgegeben wird und der Kunde eine Bestätigung für die
Abgabe erhält. Dabei werden sämtliche Aktionen in Protokolldateien gespeichert und die Verarbeitung
des Scheines lückenlos und nachvollziehbar dokumentiert. Außerdem werden die Dateien unmittelbar
nach Annahmeschluss auf CD gebrannt und vor der Ziehung bei einem Notar hinterlegt, weshalb eine
Rückverfolgung der Transaktionen und Abläufe jederzeit garantiert ist. Auf diese Weise ist eine hohe
Transparenz gegeben, die eine permanente Kontrolle gestattet. Hinsichtlich der Spielgemeinschaften
ist darauf hinzuweisen, dass das von fluxx.com entwickelte Spiel Superbonus49 zunächst über eine
individuelle Komponente verfügt, weil jeder Teilnehmer seinen eigenen Lottotipp mit einem Feld und
einer eigenen Spielnummer spielt und deshalb eine persönliche Chance auf den kompletten Gewinn
des ausgelosten Jackpots erwirbt. Insofern unterscheidet sich die Teilnahme nicht von einer
Einzelspielvertragsvermittlung. Jeder Teilnehmer der Teilnehmergemeinschaft wiederum erhält eine
16
S. näher Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl., Stuttgart 2001, § 46 I 5 m.w.N.
12
Auftragsbestätigung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen die Vertragsverhältnisse
sowie die Gewinnabrechnung klar geregelt sind. U. a. werden den Teilnehmern nach zwei Wochen
komplette Spielquittungen übersandt. Die persönliche Gewinnbenachrichtigung erfolgt nach Ende des
Spielzeitraumes. Sie enthält die Gewinnränge und -beträge der Ausspielungen, die Höhe des
persönlichen Gewinns, den Gesamtgewinn der Spielgemeinschaft sowie den persönlichen
Gewinnanteil einschließlich eines Schecks über die Gewinnsumme. Damit wird schon heute eine
ausreichende Transparenz durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das Wettbewerbsrecht, die
Informationspflichtverordnung als Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie sowie das Schuldrecht und
das Strafrecht sichergestellt, um einen umfassenden Schutz der Spielteilnehmer zu gewährleisten.
Darauf geht die Entwurfsbegründung aber nicht ein. Ein zusätzlicher Bedarf hätte aber damit
begründet werden müssen, dass die vorhandenen Verbraucherschutzinstrumente und allgemeinen
Regeln der Rechtsordnung unvollständig sind und deshalb einer Ergänzung bedürfen.
Wenn darüber hinaus in § 14 II Nr. 4 gefordert wird, dass gewerbliche Spielevermittler bei jeder
Spielteilnahme dem Veranstalter die Vermittlung offenlegen müssen, dann ist zu fragen, weshalb
dieser Aufwand verlangt wird. Der allgemeine Hinweis auf Transparenz und Kontrollierbarkeit
rechtfertigt eine derartig intensiv auf den Betriebsablauf wirkende Regelung nicht. Leider konkretisiert
der Entwurf diese Problematik nicht. Vor allem wird nicht dargelegt, welche Motive hinter diesem
Anliegen stehen und welche Vorkommnisse eine solche Normierung zwingend erfordern. Folglich ist
jedenfalls bei dem gegenwärtigen Entwurfsstand nicht nachzuvollziehen, weshalb die Tatsache der
Vermittlung dem Veranstalter offengelegt werden muss. Dagegen spricht auch der Umstand, dass die
Vermittlertätigkeit nach § 14 GewO anzuzeigen ist. Die Anzeige löst einen allgemeinen
Überwachungsmechanismus aus, der im Zusammenhang mit der zugelassenen gewerblichen
Betätigung mindestens so lange ausreichend ist, bis sich ein Verdacht ergibt, der ein
Untersagungsverfahren nach § 35 GewO mit der Folge auslöst, dass eine besondere Überwachung und
Kontrolle nach § 29 GewO erfolgen kann. Erst bei dieser Ausgangslage ist es angebracht,
gewerblichen Spielevermittlern besondere Auskunftspflichten aufzuerlegen und Prüfungen im Sinne
von § 29 GewO durchzuführen. Hinzu kommt, dass die Veranstalter von Glücksspielen in der Regel
staatliche Unternehmen oder Lizenzträger sind, die sich mit der Praxis der Vermittlung und der
Gebührenerhebung bestens auskennen, da sie davon auch profitieren. Auch aus diesem Grunde ist
nicht ersichtlich, weshalb eine Offenlegungspflicht gegenüber dem Veranstalter notwendig ist.
Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass ein gesetzlicher Regelungsbedarf für die
gewerbliche Spielevermittlung nicht belegbar ist.
13
F.
Zur Zertifizierung der gewerblichen Spielevermittler durch die World Lottery
Association (WLA) als Regelungsalternative
I.
Die Zertifizierung der Nordwestlotto als Ausgangspunkt
Im Zusammenhang mit der Prüfung der Notwendigkeit gesetzlicher Normierungen ist auch an
Regelungsalternativen zu denken, die den Zweck des geplanten Staatsvertrages ebenso wirksam
erfüllen und vor allem dem Postulat einer gewünschten einheitlichen Handhabung in hohem Maße
Rechnung tragen. Ausgangspunkt dieser Regelungsoption ist die Verleihung eines besonderen
Zertifikates der World Lottery Association (WLA) an die Nordwestlotto Schleswig-Holstein als erstes
deutsches Lotterieunternehmen und als fünftes Unternehmen weltweit. Dabei handelt es sich um ein
Sicherheitszertifikat im Sinne eines Gütesiegels, das bestätigt, dass das Unternehmen auf dem
höchstmöglichen Sicherheitsstandard für Lotterieunternehmen arbeitet. Die von der WLA vereinbarten
und durch eine Prüfung festgestellten sog. Security Control Standards sollen dazu beitragen, ein
einheitliches Niveau für die betriebliche Sicherheit bei der Abwicklung des Spiel- und Wettgeschäftes
zu schaffen. Teil dieser positiven Bewertung ist die von der fluxx.com entwickelte und der
Nordwestlotto zur Nutzung zur Verfügung gestellte aGP-Plattform, die einen ordnungsgemäßen
Spielbetrieb und einen sicheren Transfer der Lotterie- und Wettscheine an die Lotteriegesellschaften
als essentiellen Baustein einer Public-Private-Partnership garantiert. Die dabei verwendete Software
stellt unter anderem die Transparenz der Abwicklung jederzeit nachvollziehbar sicher.
II.
Das
Zertifizierungsmodell
als
Ausdruck
eines
gewandelten
Staats-
und
Ordnungsrechtsverständnisses
Dieses Zertifizierungsmodell entspricht in hohem Maße einem neuen Verständnis des hier
interessierenden Verhältnisses zwischen staatlicher Wirtschaftsüberwachung und unternehmerischer
Eigenverantwortung. Dabei handelt es sich um ein äußerst praxisrelevantes Thema, das gegenwärtig
unter verschiedenen Blickwinkeln auf allen Ebenen diskutiert wird17. Einerseits sind ordnungs- und
wirtschaftsveraltungsrechtliche Pflichten, Ge- und Verbote geeignete, effiziente und zuverlässige
Instrumente
der
Gefahrenabwehr
Wirtschaftsüberwachung
ein
und
Korrektiv
des
der
Rechtsgüterschutzes.
Unternehmerfreiheit
und
Andererseits
ist
Ausdruck
des
Verursacherprinzips. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die auf imperativem Zwang
(sog.
17
Eingriffsverwaltung)
beruhende
Command
and
Control
Regulation
nicht
durch
S. näher Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 13. Aufl., Stuttgart 2002, § 29 IV.
14
marktwirtschaftlich wirkende Instrument ersetzt bzw. ergänzt werden kann und muss, die bei der
unternehmerischen Eigenverantwortung im Sinne der Produktverantwortung ansetzen. Dabei ist zu
bedenken, dass derartige Rechtsinstitute das Eigeninteresse des Unternehmers an einem bestimmten
wirtschaftsverwaltungsrechtlich gewünschten Verhalten fördern sowie betriebliche Maßnahmen
auslösen können, die über die staatliche Gefahrenabwehr hinausgehen und damit dem
Versorgungsprinzip zur Geltung verhelfen können.
In der Vergangenheit war diese das Kooperationsprinzip und den Gedanken der Public-PrivatePartnership realisierende Lösung regelmäßig an dem staatlichen Monopol für Gefahrenabwehr und
Gefahrenvorsorge gescheitert. Hier zeichnet sich jedoch in jüngerer Zeit insofern ein Wandel in der
Sicherheitsphilosophie
und
Risikobewertung
ab,
als
der
Staat
kein
Sicherheits-
oder
Überwachungsmonopol besitzt und die Rechtsgüter Sicherheit, Gesundheit, Umwelt und
Verbraucherschutz inzwischen unter Kosten, Qualitäts- Werbe- und Wettbewerbsgesichtspunkten
betrachtet werden. Ein typisches aktuelles Beispiel ist die Qualitätskontrolle im Sinne einer Methodenund Systemprüfung durch externe Branchenkollegen im Rahmen der sog. Peer Review nach §§ 57 a ff.
WPO für Bilanzkontrolleure, die gesetzlich vorgesehene Abschlussprüfungen bei Unternehmen
vornehmen18.
Bei
Mängeln
Qualitätskommission
kann
Auflagen
Teilnahmebescheinigung
mit
die
bei
erteilen,
der
eine
Folge
den
Wirtschaftsprüferkammern
Sonderprüfung anordnen
widerrufen,
dass
die
und
betroffene
angebundene
letztlich
eine
Praxis
keine
Abschlussprüfungen mehr durchführen darf.
Dieser Paradigmenwechsel hat zahlreiche Deregulierungen ausgelöst und eröffnet vielfache Formen
der
Zusammenarbeit
zwischen
Staat
Wirtschaftsüberwachungsaufgaben
von
und
Unternehmern
Privaten
und
etwa
durch
durch
Erledigung
Rückverlagerung
von
von
Überwachungsaufgaben auf die betriebliche Ebene. Dadurch können im günstigsten Falle staatliche
Verfahren entfallen. Diese neue Sichtweise hat ihren Niederschlag auch in § 12 I Nr. 3 des geplanten
Staatsvertrages gefunden, der die Prüfung des Spielbetriebes durch Sachverständige vorsieht.
Neben
der
Einschaltung
Privater
in
die
Erledigung
von
Ordnungs-
und
Wirtschaftsverwaltungsaufgaben wie etwa der Beauftragung der fluxx.com mit der Abwicklung des
Spielbetriebes staatlicher Lottogesellschaften tritt in jüngerer Zeit das der Qualitätssicherung und der
Gefahrenabwehr (Marktüberwachung) dienende Rechtsinstitut der Zertifizierung. Sie erfasst
bestimmte
gefährliche
Produkte
(DIN
EN
45001),
Personen
(DIN
EN
45013)
und
Qualitätssicherungssysteme (DIN EN 45012) und erfolgt nach der Maßgabe von in deutsches Recht
18
G v. 19.12.2000, BGBl. I, S. 1769 ff. und dazu Merten/Köhler, BB 2000, 867 ff.; C. Clauß, NJW 2001, 2383 f.
15
umgesetzten EG-Richtlinien durch unabhängige Prüfstellen, die als Prüflaboratorien oder
Zertifizierungsstellen für einen bestimmten Aufgabenbereich zuständig sind, Prüfungen durchführen
und Bescheinigungen (CE-Zeichen) verleihen zu dürfen. Ähnlich verhält es sich mit der freiwilligen
Öko-Audit-Betriebsprüfung (Environmental Management and Audit Scheme – EMAS) nach dem
Umweltauditgesetz, welche die Verantwortung der Unternehmer für den Umweltschutz und die
Umweltfolgen ihrer Tätigkeiten unterstreicht. Sie hat zum Ziel, dass neutrale Umweltgutachter für
einen
Betriebsstandort
Umweltanforderungen
in
Form
entspricht.
einer
In
Umwelterklärung
die
Richtung
bestätigen,
einer
dass
neutralen
er
bestimmten
umweltgerechten
Betriebsablaufskontrolle zielt auch die Qualitätszertifizierung nach den ISO-14001 Normen für
Umweltmanagementsysteme und nach den ISO-9000 Normen für Qualitätsmanagementsysteme, die
von Zulieferfirmen und anderen Kunden oft als Voraussetzung für die Anbahnung von
Geschäftskontakten verlangt wird (Zertifizierung als Markteintrittskarte) und teilweise Gegenstand
von Genehmigungsmaßstäben ist.
III.
Zur Anwendung der Zertifizierung auf die gewerbliche Spielevermittlung
Deshalb ist der Frage nachzugehen, ob und inwieweit eine Zertifizierung der WLA die Normierung
der gewerblichen Spielevermittlung in einem Staatsvertrag ersetzen kann.
1.
Zur Mitgliedschaftstätigkeit der fluxx.com in der WLA
Personell und historisch richtet sich die WLA ausweislich Art. VI der Satzung in erster Linie an
Organisationen, die Glücksspiele durchführen und von einer zuständigen Stelle lizenziert sind. Das
sind in der Regel staatliche Lottogesellschaften. Art. VI Nr. 2 ermöglicht jedoch eine assoziierte
Mitgliedschaft für Unternehmen, die Dienstleistungen an die Lotterieindustrie liefern. Diese
Voraussetzung erfüllt die fluxx.com in zweifacher Weise. Denn zum einen erbringt sie eine
Dienstleistung durch die Vermittlung von Spielverträgen. Zum anderen stellt sie staatliche
Lottogesellschaften für deren Zwecke Dienstleistungen zur Verfügung. Da die fluxx.com somit in den
Glücksspielmarkt eingeschaltet ist, erfüllt sie die Voraussetzungen des Art. VI Nr. 2 mit dem Resultat,
dass sie nach erfolgter Aufnahme in die Gesellschaft Adressat einer Zertifizierung sein kann.
16
2.
Zum Vorteil globaler Standards gegenüber landesstaatlichen Regulierungen
Der entscheidende Vorteil einer Zertifizierung der WLA liegt darin, dass sie weltweit einheitlichen
Standards entspricht, die international akzeptiert und mit bestehenden Branchenpraktiken sowie
Qualitätssystemen wie etwa der ISO-9002 kompatibel sind. Sie überwindet damit künstliche
Staatsgrenzen und territoriale Räume, die insbesondere wegen des Fortschreitens der Technik, der
Öffnung der Märkte und des sachlich gerechtfertigten Bedarfs bestimmter Gemeinwohlanforderungen
nach internationalen Standards verlangen. Dieses Leitbild kommt in Art. V Nr. 1.2. der WLA-Satzung
zum Ausdruck, wonach die WLA Verhaltensregeln und Standards für den Lotteriebetrieb aufstellt und
zertifiziert, um Normen zu schaffen, an denen sich die Mitglieder weltweit orientieren können.
3.
Zur Äquivalenz von Zertifizierungen gegenüber staatlicher Regelung
Sachlich-inhaltlich ist die Zertifizierung anhand der WLA-Security Control Standards auf der Basis
des dazu entwickelten WLA-Leitfadens darauf gerichtet, Aufsichtsgremien, Prüfungs- und
Kontrollorganen, Banken, Versicherungen und Kunden Gewissheit zu geben, dass das zertifizierte
Unternehmen folgende Voraussetzungen erfüllt, um eine sichere Abwicklung des Spiel- und
Wettgeschäftes zu garantieren und den interessierten Kreisen Vertrauen in die Sicherheit des
zertifizierten Unternehmens zu geben:
-
Es verfügt über ein effektives Risiko- und Sicherheitsmanagement.
-
Es entwickelt und dokumentiert wirksame Sicherheitspraktiken und –verfahren.
-
Es schafft eine sichere Umgebung, in der die physischen Werte, die Datenbestände und das
Personal geschützt werden.
-
Es sichert intern und extern alle betrieblichen Grundlagen der Informationstechnologie.
-
Es verfügt über geeignete und wirksame Notfallpläne.
Resümiert man diesen Anforderungskatalog, dann kann man unschwer feststellen, dass eine WLAZertifizierung staatliche Regelungen auch im Sektor der gewerblichen Spielevermittlung durchaus
ersetzen kann. Das gilt nicht nur für die im geplanten Staatsvertrag monierte Gewähr einer
ordnungsgemäße Abwicklung, sondern auch für das Erfordernis der Transparenz des Spielbetriebs, die
durch die Erfüllung der WLA-Standards zugleich gewährleistet ist. Darüber hinaus kann man allenfalls
diskutieren, ob die Standards weiterentwickelt und weitere Gemeinwohlbelange aufgenommen werden
müssen. Insoweit ist aber auch die für Ergänzungen offen, wie die Ausführungen im Leitfaden zeigen.
17
G.
Selbstverpflichtungen und Verhaltenskodizes als Regelungsalternative
In die ordnungs- und rechtspolitisch gewünschte Richtung einer verstärkten unternehmerischen
Eigenverantwortung zielen auch die Instrumente der sog. Eigenüberwachung, die für jede gewerbliche
Betätigung und damit auch für die gewerbliche Spielevermittlung zu erwägen sind 19. Diese
Rechtsfigur beruht u. a. auf der Überlegung, dass jedes Unternehmen ein langfristiges Wettbewerbsund Marketinginteresse daran haben muss, dass seine Dienstleistungen im Einklang mit der
Rechtsordnung stehen und hohen Qualitätsanforderungen entsprechen, die auch von Auftraggebern
und anderen Kunden erwartet werden (Code of best practice). Dieses Ziel verfolgt u. a. das neuerdings
entwickelte Customer Relationship Management-Konzept und bezogen auf den Glücksspielmarkt die
Dachgesellschaft der European Lotteries. Sie hat im Mai 1995 u. a. beschlossen im Interesse der
Spieler, „the highest possible standards of integrity, competences and responsibility“ anzuwenden.
Solange das Unternehmen selbst für Qualität und Transparenz sorgt, ist eine staatliche Regelung und
Überwachung weitgehend entbehrlich, weil
Gemeinwohlanforderungen
freiwillig von
den
Unternehmern erfüllt werden. Eigenüberwachung ist insofern ein Surrogat staatlicher Überwachung
und ein Anwendungsfall des Subsidiaritätsprinzips. Eine spezielle nach außen wirkende Form der
Eigenüberwachung ist die Selbstzertifizierung. Sie erfolgt durch die Kennzeichnung des Produktes mit
einem CE-Zeichen. Damit bestätigt der Hersteller, dass das Produkt bzw. die Leistung bestimmten in
Normen festgelegten Sicherheits-, Gesundheits- und anderen Qualitätsanforderungen entspricht (sog.
Konformitätserklärung). Die
Selbstzertifizierung beruht auf zahlreichen in deutsches Recht
umgesetzten EG-Richtlinien. Sie hat ferner zum Ziel, Doppelprüfungen zu verhindern und den
Marktzugang
zu
erleichtern.
Eine
besondere
Form
der
Eigenüberwachung
sind
Selbstbeschränkungsabkommen, mit denen sich einzelne Unternehmer oder Branchen verpflichten
(Selbstverpflichtungen, Code of Conduct), bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten zu dulden, zu
unterlassen oder vorzunehmen. Diese Gentlemen-Agreements dienen vor allem dazu, drohende
gesetzliche Maßnahmen zu verhindern (sog. Knüppel-im-Sack-Politik). Hier verzichtet der Staat auf
den
Erlass
von
Geboten
oder
Verboten,
weil
er
auf
die
Einhaltung
des
Selbstbeschränkungsabkommens vertraut. Die EG-Kommission verlangt, dass Vereinbarungen zur
Durchführung einzelner Bestimmungen von Richtlinien verbindlichen Charakter haben (z. B.
durchsetzbarer Vertrag) und den Anforderungen hinsichtlich Transparenz, Glaubwürdigkeit und
Zuverlässigkeit genügen.
19
S. näher Stober, Fn. 17, § 29 V 3.
18
Ergänzend zu diesen Maßnahmen ermutigen die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten
neuerdings in bestimmten Sektoren die Handels-, Berufs- und Verbraucherverbände, auf
Gemeinschaftsebene Verhaltenskodizes aufzustellen, die auf dem Freiwilligkeitsprinzip beruhen und
es den Beteiligten freistellen, ob sie sich dem Kodex unterwerfen (Art. 16, Richtlinie über den
elektronischen Geschäftsverkehr). Die Kodizes können dann Grundlage für Empfehlungen der EGKommission sein.
Die genannten Instrumente der Eigenüberwachung können durchaus auch im Bereich der
gewerblichen Spielevermittlung fruchtbar gemacht werden, um zu einem fairen Interessenausgleich
der zugelassenen gewerblichen Betätigungsmöglichkeit ohne gesetzliche Regelung zu kommen. Das
gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass offensichtlich bislang eine staatliche Regulierung
abgesehen von Sanktionsvorschriften entbehrlich war und deshalb Selbstbeschränkungen und
Verhaltenskodizes nicht von vornherein die Eignung abgesprochen werden kann, die geplanten
Regelungsziele zu erreichen.
H.
Zur Regelungskompetenz der Bundesländer auf dem Gebiet der gewerblichen
Spielevermittlung unter Einschluss elektronischer Medien
Im Hinblick auf die Untersuchung der Regelungskompetenz der Bundesländer auf dem Gebiet der
gewerblichen Spielevermittlung unter Einschluss elektronischer Medien ist ebenfalls § 14 des
Staatsvertrages zum Lotteriewesen zu beleuchten, der ganz unabhängig vom Vertriebsmedium die
Rechte und Pflichten gewerblicher Spielevermittler bestimmt. Diese Vorschrift betrifft allerdings nur
Aspekte der Eigenvermarktung und keine Gesichtspunkte der Fremdvermarktung, die somit im
Rahmen der Zuständigkeitserörterung auszuklammern ist. Wie § 14 des Staatsvertrages zum
Lotteriewesen zeigt, schwebt den Bundesländern vor, das Recht der gewerblichen Spielevermittlung
dem Landesrecht zuzuordnen und damit quasi als Annex des Lotterie- und Wettrechts selbst zu regeln.
I.
Das Recht der gewerblichen Spielevermittlung aus europarechtlicher Perspektive
Einer solchen Länderkompetenz könnten aber europarechtliche Bestimmungen entgegenstehen. In
diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass das Gemeinschaftsrecht die Gesetzgebung der
Mitgliedstaaten ausschließt, soweit ein inhaltlich abschließender Rechtsakt mit unmittelbarer
Bindungswirkung für den Unionsbürger erlassen wurde20, wie z.B. eine Verordnung, die das Gebiet
20
Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG-Komm., 6. Aufl., München 2002, Art. 70, Rn. 1 a; Reich EuGRZ 2001, 1, 2 f.
19
der gewerblichen Spielevermittlung über elektronische Medien regelt. Eine derartige Vorschrift eines
gemeinschaftsrechtlichen Gremiums existiert allerdings nicht.
Im Gegensatz dazu sind zwar europarechtliche Richtlinien vorhanden, die das Gebiet des E-Commerce
betreffen21. Sie bilden jedoch nur den Rahmen mitgliedstaatlicher Gesetze und stehen daher einer
Umsetzung durch Landesrecht ebenfalls nicht entgegen. Vielmehr erfordern sie sogar mangels
unmittelbarer Geltungskraft gegenüber dem Unionsbürger eine Transformation, wobei die Modalitäten
wie auch die Kompetenzberechtigung zur Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates stehen22.
II.
Das Recht der gewerblichen Spielevermittlung aus bundesrechtlicher Perspektive
Für die Verteilung der Legislativkompetenz innerhalb Deutschlands sind insoweit die Art. 70 ff. GG
relevant, so dass gemäß Art. 70 I GG grundsätzlich die Bundesländer für die Gesetzgebung zuständig
sind. Etwas anderes gilt nur, falls dem Bund für die in Rede stehende Vorschrift eine entsprechende
Befugnis durch Verfassungsrecht zugewiesen ist 23, wobei sich der Inhalt des Kompetenztitels und der
Gehalt der einfachgesetzlichen Bestimmung weitgehend entsprechen müssen. Zudem bedarf es der
Deckungsgleichheit zwischen dem Regelungsziel der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsnorm und
dem Zweck der Vorschrift24. Mithin hängt die Gesetzgebungsverantwortlichkeit für die gewerbliche
Spielevermittlung vom Regelungsgegenstand und von der Ratio des § 14 ab, wobei zwischen der
gewerblichen Spielevermittlung von einzelnen Spielern und von Spielgemeinschaften zu trennen ist.
Daneben könnte sich eine Kompetenzzuweisung an die Bundesländer aus der Vertriebsform der
fluxx.com über das Internet herleiten lassen, die wegen des hohen Umsatzanteiles das
Vermittlungsgeschäft prägt und nach den Unternehmenszielen auch in Zukunft den Schwerpunkt der
Vermittlungstätigkeit ausmachen wird. Mithin sind diese drei Tätigkeitsmodalitäten bezüglich der
Untersuchung der Gesetzgebungszuständigkeit zu unterscheiden.
1.
Zuordnung der Einzelspielervermittlung
Die gewerbliche Spielevermittlung von Einzelspielern an die Glücksspielbetreiber ist in § 14 I Nr. 1
des Staatsvertrages geregelt. Bei dieser Tätigkeit bestehen aber vielfältige Restriktionen wie z.B. die
21
22
23
24
Vgl. beispielsweise die Richtlinie 2002/21 EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische
Kommunikationsnetze und –dienste.
Streinz, Europarecht, 5. Aufl., Heidelberg 2001, Rn. 384 ff.; Geiger, EGV-Komm., 3. Aufl., München 2000, Art. 249,
Rn. 9.
Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Komm., 9. Aufl., Neuwied 1999, Art. 70, Rn. 2; BVerfGE 12, 205, 228 ff.
Degenhart in Sachs, GG-Komm., 3. Aufl., München 2003, Art. 70, Rn. 52; Peine, NuR 1992, 353, 356; BVerfGE 97,
332, 341 f.
20
Werbebeschränkungen aus § 14 II Nr. 1 oder die Abführungspflichten aus § 14 II Nr. 3 und zuletzt die
Transparenzpflicht aus § 14 II Nr. 4, die alle eine Bundeszuständigkeit begründen könnten.
a)
Berücksichtigung des Regelungsgegenstandes
Schon der Wortlaut der Vorschrift legt es nämlich nahe, einen Bezug zur konkurrierenden
Bundesgesetzgebungskompetenz des Rechts der Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG herzustellen. Denn
zum einen ist in dieser Norm der Begriff "Gewerbe" genauso ausdrücklich im Klammerzusatz
aufgeführt wie im Wortlaut des § 14 I des Staatsvertrages. Zum anderen spricht diese Vorschrift mit
dem Erfordernis der Nachhaltigkeit, der Gewinnerzielungsabsicht und der Selbständigkeit alle
Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit an, zumal die gewerbliche Spielevermittlung wegen der
fehlenden Zulassungspflicht grundsätzlich auch erlaubt ist.
Zudem ist Art. 74 I Nr. 11 GG weit auszulegen und erfasst alle Tatbestände, denen ein
wirtschaftsregulierender bzw. wirtschaftslenkender Zweck immanent ist25. Die Verpflichtung aus § 14
II Nr. 3, einen bestimmten Betrag an den Lotterieveranstalter abführen zu müssen, beinhaltet insoweit
einen
wirtschaftslenkenden
Zweck,
nämlich
eine
weitgehende
Preisfestsetzung
der
Glücksspielprodukte zu Lasten der fluxx.com. Auch Werbebeschränkungen nach § 14 II Nr. 1 sind
grundsätzlich Teil der Wirtschaftsregulierung, solange sie inhaltlich keinen konkreteren Bezug zu
anderen Sachbereichen aufweisen26. Zuletzt ist die Transparenzpflicht der Spielevermittler nach § 14 II
Nr. 4 eine Beeinträchtigung ihrer gewerblichen Tätigkeit und verfolgt daher genauso einen
wirtschaftsregulierenden Zweck wie die vorher genannten Normen. Bei der gewerblichen
Spielevermittlung
im
Sinne
des
§
14
steht
daher
die
wirtschaftliche
Bedeutung
der
Vermittlungstätigkeit in Gestalt der zu erbringenden Dienstleistungen durch Geschäftsbesorgung und
nicht das Glücksspiel als solches im Vordergrund. Mithin deutet der Regelungsgegenstand des § 14
auf die Einschlägigkeit des Kompetenztitels Recht der Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG hin.
b)
Berücksichtigung der Ratio Legis
Fraglich ist aber, ob dieser Befund auch mit dem wie dargelegt ebenfalls kompetenzrelevanten Zweck
des § 14 einhergeht. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach § 4 des Staatsvertrages auch der
gewerblichen Spielevermittlung sämtliche Regelungsziele des § 1 zugrunde liegen. Diese Norm nennt
aber wiederum mehrere Zwecksetzungen, so dass es auch insoweit zu differenzieren gilt, wobei
vorangestellt sei, dass das Anliegen der Einnahmeverwendung allein für soziale Zwecke aus § 1 Nr. 5
in kompetenzieller Hinsicht nicht weiterhilft, weil es nicht die gewerbliche Spielevermittlung, sondern
etwaige Anschlusstätigkeiten der öffentlichen Hand betrifft.
25
26
Stober, Fn. 17, § 15 I 1; BVerfGE 68, 319, 330.
Degenhart, Fn. 24, Art. 74, Rn. 42; Oeter in von Mangoldt/Klein/Starck, GG-Komm., Band II, Art. 20 – 78, 4. Auflage,
München 2000, Art. 74, Rn. 102.
21
Nach § 1 Nr. 1 ist es das Primärziel des Staatsvertrages, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in
geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte
Glücksspiele und übermäßige Spielanreize zu verhindern und eine Ausnutzung des Spieltriebs zu
privaten und gewerblichen Zwecken auszuschließen. Zusammengefasst geht es also um eine
Kanalisierung des Spieltriebs, die jedoch weniger als Gesetzeszweck zu deuten ist, sondern vielmehr
einen Maßnahmenkatalog zur Umsetzung anderer Zwecke darstellt. In diesem Zusammenhang gerät
im Lichte des Art. 2 II 1 GG die Bekämpfung der Spielsucht, also die Vermeidung von
Gesundheitsgefahren, genauso in den Blick wie der Schutz des Eigentums des Spielers bzw. seiner
Angehörigen aus Art. 14 I GG im Falle Überhand nehmender Verluste. Diese Anliegen werden auch in
den Erläuterungen des Staatsvertrags zum Regelungsbedarf des Lotteriewesens ausdrücklich
angesprochen27. Diese Aspekte sind allerdings eindeutig ordnungsrechtlicher Natur und könnten der
Zuordnung der gewerblichen Spielevermittlung zum Recht der Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG
entgegenstehen. Dazu müssten sie aber aus dieser Tätigkeit herrühren.
Problematisch ist allerdings, dass die genannten Gefahren aus dem Glücksspiel selbst resultieren und
nicht aus der Vermittlung, weil allein die Durchführung von Lotterien oder Wetten dem Spieler die
Möglichkeit gibt, wieder und wieder zu spielen, während die fluxx.com nur als Mittelsmann fungiert.
In diesem Zusammenhang wird auch von den Kritikern gewerblicher Spielevermittlungen eingeräumt,
dass derartige Unternehmen nicht als Veranstalter agieren, sondern vielmehr zwischen den Spieler und
den Glücksspielbetreiber treten und somit ein rechtlich separates Verhalten begründen28. Betrachtet
man auf dieser Basis das Internetportal jaxx.de der fluxx.com, so wird deutlich, dass primär auf eigene
Leistungen hingewiesen wird, die nur Mittel zum Zweck des Glücksspiels sind. Mithin steht die eigene
Tätigkeit
der
fluxx.com
im
Vordergrund,
also
die
Betreuung
der
Spielerkonten,
die
Spielscheinverwaltung oder die Abgabe neuer Tipps. Eine unmittelbare Gesundheitsgefahr ergibt sich
somit nicht aus der Aktivität als Spielevermittler. Diesen Befund stützt auch der Wortlaut des
Staatsvertrages, der diese Tätigkeit noch nicht einmal als erlaubnispflichtig einstuft, was für die
Annahme eines geringen Gefahrenpotentials spricht. Daher resultiert allein aus dem Glücksspielbetrieb
eine unmittelbare Spielsucht- bzw. Eigentumsgefahr im Sinne der Art. 2 II 1, 14 I GG.
Allerdings könnte dieses Gefahrenpotential der Lotterie- oder Wettbetreiber den gewerblichen
Spielevermittlern zuzurechnen sein, weil allein sie mit den Spielern in Kontakt und damit zwischen die
Hasardeure und den Glücksspielveranstalter treten. In derartigen Dreieckskonstellationen ist zur
Begründung eines Zurechnungszusammenhangs im Polizeirecht die Lehre vom Zweckveranlasser
entwickelt worden. Danach ist nicht nur die zeitlich letzte Handlung vorliegend in Form der
Spielevermittlung relevant, sondern auch jedes vorherige Verhalten, sofern die eingetretene Folge aus
27
Siehe Erläuterungen zum Staatsvertrag A II., S. 16 von 34.
22
Sicht eines objektiven Dritten typischerweise durch die Veranlassung herbeigeführt wird29. Die
Glücksspielveranstaltung fordert gewerbliche Spielevermittler aber gerade zu ihrer Tätigkeit heraus,
weil es ansonsten an einem unmittelbaren Publikumskontakt mangelt. Mithin können die gewerblichen
Spielevermittler allenfalls den Lotterie- bzw. Wettbetreibern zugerechnet werden, nicht aber
umgekehrt.
Dennoch wäre eine Zuordnung zum Polizei- und Ordnungsrecht möglich, wenn das Verhalten der
gewerblichen Spielvermittler selbst eine Gefahr für die Rechtsgüter aus Art. 2 II 1, 14 I GG
begründete. Insofern könnte auf die als exzessiv angemahnte Werbepraxis der gewerblichen
Spielevermittler zu rekurrieren sein30, wobei die Reklame für eigene Produkte isoliert betrachtet keine
Gesundheits- oder Eigentumsgefährdung begründen kann. Allerdings ist zu bedenken, dass durch die
Werbung für die eigene Spielevermittlung zwangsläufig auch die dahinterstehende Lotterie- bzw.
Wettveranstaltung publik gemacht wird, so dass ein Mehr an Aufmerksamkeit auch für diese
Glücksspiele entsteht, zumal auch deren Jackpots bzw. sonstige Gewinnsummen genannt werden.
Gerade dieser Werbepraxis der Spielevermittler soll aber durch § 14 des Staatsvertrages
entgegengewirkt werden, weil es die Spieler zu noch umfangreicherem Spiel verführen soll31. Mithin
geht zumindest insoweit eine Spielsucht- bzw. Eigentumsgefahr auch von den Spielevermittlern aus,
die überdies die obige Zuordnung der Werbung zu Art. 74 I Nr. 11 GG als für den Glücksspielbereich
spezielleres Ziel verdrängt.
Im Ergebnis lässt sich damit zumindest mittelbar auch eine Eigentums- bzw. Gesundheitsgefahr im
Hinblick auf die Tätigkeit gewerblicher Spielevermittler herleiten.
Auch die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Durchführung des
Glücksspiels aus § 1 Nr. 4 des Staatsvertrages ist streng genommen eher eine staatliche Maßnahme,
welche auf die Bekämpfung etwaiger Betrügereien abzielt. Auf dieser Basis ergibt sich ein weiterer
ordnungsrechtlicher Aspekt, der zur Begründung der Landeskompetenz herangezogen werden kann.
Dennoch bestehen in diesem Zusammenhang Bedenken, da der Staatsvertrag an mehreren Stellen
zwischen der Vermittlung und Durchführung ausdrücklich unterscheidet (z.B. § 2). Jedoch lassen die
Erläuterungen zum Staatsvertrag sowie der Wortlaut des § 4 die Vermutung zu, dass alle Ziele des § 1
grundsätzlich auch für die Veranstaltung sowie die Vermittlung und nicht nur für die Durchführung
von Glücksspielen gelten sollen. Mithin ist auch § 1 Nr. 4 als Indiz für die ordnungsrechtliche
Zielsetzung des § 14 heranzuziehen.
28
29
30
31
Ohlmann, WRP 2001, 672, 675.
Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Heidelberg 2002, Rn. 244 ff.; Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl. Tübingen 2000, Rn.
268 ff.; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 663, 663.
Ohlmann, WRP 2001, 672, 672f.
Siehe Erläuterungen zum Staatsvertrag, § 14, S. 32 von 34.
23
c)
Vorliegen eines Kompetenzdualismus
Im Ergebnis deutet daher der Regelungsgegenstand des § 14 eher auf eine Bundeskompetenz aus Art.
74 I Nr. 11 GG hin, während seine Ratio Legis den ordnungsrechtlichen Charakter der Norm in den
Vordergrund
stellt.
Daraus
ergibt
sich
ein
Kompetenzdualismus,
der
anhand
des
Regelungsschwerpunktes aufzulösen ist. Mithin ist zu fragen, welcher der beiden genannten Aspekte
der Norm ihr individuelles Gepräge gibt, wozu letztlich ein Bündel von Indizien herangezogen werden
muss32.
Insofern ist zu bedenken, dass der in Rede stehende Staatsvertrag auch den Landtagen zur Diskussion
vorgelegt wurde. Dabei ging es allerdings fraktionsübergreifend nicht um gefahrenabwehrrechtliche
Aspekte, sondern vielmehr um Möglichkeiten und Grenzen der Einnahmestärkung der Haushalte
beispielsweise durch eine weitgehende Minimierung privater Lotterien33. In diesem Zusammenhang ist
auch die Abführungspflicht aus § 14 II Nr. 3 des Staatsvertrages zu nennen, die allein dazu dient, den
geschwächten Landeshaushalten neue Einnahmequellen zu eröffnen, und keine ordnungsrechtlichen
Zwecke verfolgt. Zudem ist die Tätigkeit als Spielevermittler ohne Zweifel als Beruf im Sinne des Art.
12 I GG anzusehen34. Diese Einordnung legt aber auch eine Zuordnung zum Recht der Wirtschaft
nahe, da Berufe zwangsläufig eine ökonomische Aktivität mit sich bringen, vor allem im vorliegenden
Falle selbständiger Tätigkeit35. Schließlich ist auch das Buchmachertum dem Recht der Wirtschaft
zugehörig, weil der ordnungsrechtliche Bezug aufgrund der Tatsache in den Hintergrund tritt, dass der
Risikoträger zu festen Quoten wettet und daher sein Wagnis kalkulieren kann36. Dieser Befund ist aber
auf die gewerblichen Spielevermittler zu übertragen, weil sie gar nicht am Glücksspiel teilnehmen und
daher auch kein Risiko tragen müssen. Zudem spricht die wachsende Anzahl der Glücksspiele aber
auch der Vermittler für deren wirtschaftliche Bedeutung37. Ferner ist zu bedenken, dass in § 33 h
GewO die herkömmlichen Glücksspiele vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommen wurden,
nicht aber die Spielevermittler. Auch wenn im Lichte der Normenhierarchie § 33 h GewO nicht den
Umfang des Art. 74 I Nr. 11 GG bestimmen kann, so ist diese Vorschrift dennoch als Indiz dafür zu
werten, dass zwischen dem Glücksspiel und der Glücksspielevermittlung eine Gefahrabstufung
besteht, die letztlich einen wirtschaftlichen Bezug der Mittlertätigkeit nahelegt. In diese Richtung geht
auch die fehlende Erlaubnispflichtigkeit des Staatsvertrages für gewerbliche Spielevermittler, die auf
ein geringeres Gefahrenpotential dieser Tätigkeit hindeutet. Zuletzt ist zu bedenken, dass die Kritiker
der gewerblichen Spielevermittlung deren Erlaubnis nach §§ 32 I, 54 I Nr. 2 KWG fordern, weil die
32
33
34
35
36
37
In diesem Sinne Pieroth, Fn. 20, Art. 70, Rn. 4.
Vergleiche LT-Drucks. BaWü 13/1116.
Ohlmann, WRP 2001, 762, 763.
Pieroth/Störmer, GewArch 1998, 177, 179.
Voßkuhle, GewArch 2001, 177, 178; BVerwG, GewArch 1995, 63, 64.
Pieroth/Störmer, GewArch 1998, 177, 179; Ohlmann, WRP 2001, 762, 763.
24
Mittler Zahlungsaufträge entgegennehmen38. Das KWG stützt sich aber kompetenziell auf Art. 74 I
Nr. 11 GG, so dass sich auch daraus ein Indiz für die Zuordnung zu diesem Zuständigkeitstitel
herleiten lässt.
Dagegen kann für eine Zuordnung der gewerblichen Spielevermittlung zum Ordnungsrecht der
Bundesländer nur vorgebracht werden, dass derartige Tätigkeiten letztlich auch Gefahren für die
Gesundheit und das Eigentum des Spielers mit sich bringen, weil mit der Werbung für
Spielevermittlungsprodukte eine zwangsläufige Reklame für die Lotterie- oder Wettspiele einhergeht.
Allerdings geht die Ursprungsgefahr von den Glücksspielveranstaltern selbst aus. Sie kann den
zwischen Spieler und Betreiber tretenden Unternehmen wie gezeigt auch nicht zugerechnet werden, so
dass die gewerbliche Spielevermittlung auch kein Annex zum Glücksspielrecht ist, sofern man mit der
noch herrschenden Meinung diesen Rechtsetzungsbereich überhaupt dem Gefahrenabwehrrecht der
Bundesländer zuordnen will39. Vielmehr besteht ein allein mittelbarer Gefahrenbezug der
gewerblichen Spielevermittler, dessen gefahrverstärkende Intensität als eher schwach einzustufen ist,
zumal die Lotteriebetreiber selbst genauso auf ihren Homepages die Existenz und Höhe der Jackpots
bzw. des Spielkapitals preisgeben wie beispielsweise die fluxx.com auf dem Spielevermittlungsportal
jaxx.de. Auch der Gesichtspunkt der Betrugsbekämpfung vermag das Überwiegen ordnungsrechtlicher
Aspekte nicht zu begründen, zumal die Vermittlung selbst im § 1 des Staatsvertrages gar nicht genannt
ist, sondern nur über § 4 diesem Regelungsziel unterfällt. Im Gegenteil zeigt dieser ebenfalls nur
mittelbare Zusammenhang, dass dem Gesetzgeber die Erfassung gewerblicher Spielevermittler nicht
so wichtig wie die Aufnahme der Glücksspielbetreiber selbst gewesen sein kann. Denn der ersten
Norm eines Staatsvertrages kommt im Hinblick auf dessen Gesamtanliegen immer besondere
Bedeutung zu. Mithin ergibt sich in diesem Kontext eher ein Argument für als gegen eine
Bundeskompetenz aus Art. 74 I Nr. 11 GG. Die Tatsache, dass gewerbliche Spielevermittler nicht
ausreichend überwacht werden können, spricht nur auf den ersten Blick für eine Zuordnung zum
Ordnungsrecht40. Denn zum einen reicht der zivilrechtliche Schutz der Spieler mittels einklagbarer
Forderungen gegenüber dem Vermittler aus41, zumal die Hasardeure ihren Erfolg genau berechnen
können, da sie das Spiel selbst auswählen und genaue Abrechnungen von den Spielevermittlern
erhalten. Zum anderen belegt auch der Gesetzestext des § 14 des Entwurfs das gewerbliche Gepräge
der Spielevermittlung. Es kommt nicht nur in der Überschrift unter dem Adjektiv "gewerblich",
sondern auch in der Formulierung der Absätze III und IV zum Ausdruck. Sie beziehen sich weitgehend
auf das Gewerberecht, dem die Geschäftstätigkeit der fluxx.com in vollem Umfange unterfällt. Vor
allem der Hinweis auf die Gewerbeuntersagung beweist, dass die gewerbliche Spielevermittlung im
38
39
40
Ohlmann, ZRP 2002, 354, 356.
Mit überzeugenden Zweifeln für den Spielbankbereich insoweit Pieroth/Störmer, GewArch 1998, 177, 178.
Fruhmann, MDR 1993, 822, 824.
25
Kern eine gewerbliche Tätigkeit ist, die deshalb nicht in die Kompetenz der Bundesländer fällt,
sondern Regelungsgegenstand des Art. 74 Abs. I Nr. 11 GG ist. Dieser Eindruck wird durch die
Entwurfsbegründung bekräftigt, die ebenfalls auf die Sanktion der Gewerbeuntersagung zurückgreift,
sofern ein Spielevermittler sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß betreibt. Insoweit ist anerkannt, dass
dem Gewerberecht ebenfalls eine ordnungsrechtliche Komponente innewohnt, weshalb die
einschlägigen Anforderungen Bestandteil der Gewerbeordnung sind (sog. überwachungsbedürftiges
Gewerbe).
Die gewerbliche Spielevermittlung von Einzelspielern an die Glücksspielbetreiber ist somit im
Schwerpunkt dem Recht der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 I Nr. 11 GG zuzuordnen.
d)
Ordnungsrecht als Annexregelung
An diesem Befund können auch die ordnungsrechtlich ausgestalteten Überwachungstatbestände wie
z.B. in den Absätzen III und IV sowie in II Nr. 2 nichts ändern. Denn derartige Vorschriften werden
als so genannter Annex ebenfalls dem Bund überlassen, soweit er für einen bestimmten Lebensbereich
die
Gesetzgebungskompetenz
hat42,
wie
vorliegend
für
den
Bereich
der
gewerblichen
Spielevermittlung an Einzelspieler. Im Ergebnis ist damit eine Bundeskompetenz für die gewerbliche
Spielevermittlung aus Art. 74 I Nr. 11 GG zu bejahen.
2.
Besonderheiten des Tätigkeitsfeldes der fluxx.com
Allerdings
ist
zu
berücksichtigen,
dass
die
fluxx.com
nicht
durch
herkömmliche
Spielevermittlungsmedien agiert wie z.B. durch Lotto-Totoannahmestellen, sondern vielmehr im
Wesentlichen über das Internet mit den Einzelspielern in Kontakt tritt. Fraglich ist daher, ob diese
Besonderheit eine andere kompetenzielle ggf. sogar landesrechtliche Grundlage erfordert, deren
Verhältnis zu Art. 74 I Nr. 11 GG dann zu beleuchten wäre.
a)
Kompetenzielle Zuordnung der Internetvermittlung
Insoweit sei vorangestellt, dass Tätigkeitsangebote via Internet nicht von Art. 73 I Nr. 7 GG erfasst
werden, weil diese Norm allein die Sendetechnik, aber nicht den Inhalt der Sendung erfasst. Ebenso
greift Art. 75 Nr. 2 GG nicht, da es sich beim Internet nicht um Druckwerke im herkömmlichen Sinne
handelt.
In Betracht käme jedoch erneut der Kompetenztitel Recht der Wirtschaft, da gerade gewerbliche
Spielevermittler beim Dienstleistungsangebot über Internet ungenutzte wirtschaftliche Ressourcen
vermuten und die genannten Restriktionen wie dargelegt wirtschaftslenkenden Charakter haben, und
41
Voßkuhle, GewArch 2001, 177, 179.
26
zwar unabhängig von der Vertriebsform. Allerdings sind die neuen Medien nicht im Klammerzusatz
des Art. 74 I Nr. 11 GG erwähnt, so dass sich die Frage stellt, ob der dortige Katalog
Abschlusscharakter besitzt oder nicht. Insoweit hilft ein lapidarer Verweis darauf, dass der
Gesetzgeber derartige technische Entwicklungen nicht kannte, so dass diese Neuerungen auch nicht
erfasst sein könnten, schon deshalb nicht weiter, weil die Verfassung ein dynamisches Rechtsgebilde
ist, das etwaigen Neuerungen offen stehen muss, soweit sie ihrem Sinn und Zweck nach zur jeweiligen
Vorschrift des Grundgesetzes passen43. Insofern ist in Bezug auf Art. 74 I Nr. 11 GG zu bedenken,
dass diese Norm eine Rechtszersplitterung des Wirtschaftssektors nicht zuletzt wegen seiner
Bedeutung für den Haushalt von Bund und Ländern vermeiden will und daher auch weit in dem Sinne
auszulegen ist, dass auch nicht im Klammerzusatz genannte Wirtschaftsbereiche erfasst sind44. Mithin
fällt die gewerbliche Spielevermittlung via Internet grundsätzlich in den Regelungsbereich des Art. 74
I Nr. 11 GG.
Etwas anderes könnte sich aber daraus ergeben, dass Internetaktivitäten auch unter den Begriff des
Rundfunks fallen könnten, der wiederum in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt 45. Mithin ist für
die kompetenzielle Zuordnung der gewerblichen Spielevermittlung über Internet der Inhalt des
Rundfunkbegriffs näher zu beleuchten, der sich nach allgemeiner Auffassung durch seinen
publizistischen Zweck und durch die Allgemeinheit als Adressatenkreis kennzeichnet. Daher bedarf es
eines zeitlich geplanten, auch der Meinungsbildung dienenden Gesamtprogramms, bei dem sich die
Auswahlmöglichkeit einer Vielzahl von Nutzern im wesentlichen auf das Ein- und Ausschalten
konzentriert46. Auf dieser Basis ergibt sich allerdings ein ambivalentes Bild in Bezug auf Leistungen,
die über Internet angeboten werden. Denn Pay-TV oder Radiotext zählen wegen ihrer allgemeinen
Zugänglichkeit eindeutig zum Rundfunk, während z.B. das Telebanking wegen des insoweit
individuellen Kundenkontakts nicht unter diesen Begriff fällt. Schwierigkeiten bereiten allerdings
gemischte Dienste, die eine Synthese zwischen individueller Abrufbarkeit von Daten und allgemeiner
Zugänglichkeit bieten47. Dazu zählt auch die gewerbliche Spielevermittlung der fluxx.com, deren
Portal jaxx.de für jeden zugänglich ist, während nach der Anmeldung eine individuelle
Kundenbetreuung erfolgt. Derartige Anbieter schon deshalb nicht unter den Rundfunkbegriff zu
42
43
44
45
46
47
Degenhart, Fn. 24, Art. 70, Rn. 50 ff.; Peine, NuR 1992, 353, 358.
Hirsch/Schmidt-Didchun, BayVBl. 1990, 289, 290.
Stober, Fn. 17, § 15 I 1; BVerwGE 23, 304; a.A. Oeter, Fn. 26, Art. 74, Rn. 99 f.
Meier in Roßnagel, Recht der Multimedia-Dienste, München 2000, 2. Ergänzungslieferung November 2000, § 2
MDStV, Rn. 16.
Manssen in Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Berlin 1999, 7. Ergänzungslieferung, November
2002, § 2 TDG, Rn. 7; Holznagel in Hoeren/Sieber, Multimediarecht, München 1998, 3. Ergänzungslieferung
Dezember 2001, 3.2, Rn. 34.
Kuch, ZUM 1997, 225, 225.
27
fassen, weil ihrem Portal kein meinungsbildender Charakter immanent wäre48, ist nicht angängig, weil
auch die Auswahl
bestimmter Produkte eine Meinungskundgabe
Konsumentscheidung ist49. Daher kann nur das
Kriterium
der
im
Hinblick auf die
Individualität bzw. der
Massenkommunikation bezüglich der Tätigkeit etwaiger Dienstleistungsanbieter im Internet
abgrenzungsrelevant sein50, wobei dessen nähere Ausgestaltung umstritten ist.
Zum Teil wird nämlich auf den Schwerpunkt der Leistung abgestellt. Falls deren Kern für die
Allgemeinheit bestimmt sei, handele es sich um Rundfunk, während eine individuelle Produktauswahl
eher dagegen spreche51. Die fluxx.com bietet zwar das allgemein zugängliche Portal jaxx.de an, sie
wird jedoch erst dann darüber hinaus tätig, wenn sich ein Spieler anmeldet. In diesem Falle übernimmt
die fluxx.com die Verwaltung des Kontos des Kunden, zahlt etwaige Gewinne aus und nimmt Tipps
entgegen. Überdies verdient sie erst dann auf Provisionsbasis, wenn der Kunde einen Spielschein
abgibt. Sie finanziert sich also nicht per Werbung auf dem Portal, so dass der Schwerpunkt der
Leistungsbeziehung zwischen der fluxx.com und dem Kunden auf Individualität basiert.
Nach anderer Auffassung ist darauf abzustellen, ob eine vergleichbare herkömmliche Betätigung ohne
Vertrieb über die neuen Medien als Rundfunk anzusehen wäre oder nicht52. Herkömmliche LottoTotoannahmestellen weisen aber gar keinen derartigen Bezug auf, so dass auch diese Ansicht zur
Annahme eines individuellen Kontakts zwischen Anbieter und Nachfrager käme.
Außerdem wird vertreten, dass Individualität einen mindestens einmaligen Wechsel der
Kommunikationsinitiative voraussetze53. Hat sich der Spieler bei jaxx.de angemeldet, ergibt sich dieser
Transfer nicht nur im Falle der Gewinnauszahlung. Vielmehr erfolgt per E-Mail nach jeder
Spielscheinabgabe eine Bestätigung, so dass auch nach dieser Ansicht kein Rundfunk vorläge.
Zuletzt soll entscheidend sein, ob ein Leistungsaustausch, zwischen den Parteien zustande komme,
insbesondere also eine Bezahlung vorliege54. Wie bereits dargelegt finanziert sich die fluxx.com nicht
über Werbung, sondern vielmehr auf Provisionsbasis beim Abschluss von Spielverträgen, so dass auch
diese Voraussetzung gegeben ist.
Nach allen Ansichten stellt die gewerbliche Spielevermittlung via Internet in der Form, wie sie von der
fluxx.com betrieben wird, keine Tätigkeit dar, die unter den Rundfunkbegriff fällt. Dieser Befund
bestätigt sich auch durch das Ergebnis der Arbeitsgruppe Rundfunkbegriff, die sogar für das
elektronische Lottospiel festgestellt hat, dass eine individuelle Leistungsbeziehung zwischen Spieler
48
49
50
51
52
53
54
So aber Beucher/Leyendecker/von Rosenberg, Mediengesetze, München 1999, § 2 MDStV, Rn. 1.
Korte, GewArch. 2002, 453, 454; Meier, Fn. 45, § 2 MDStV, Rn. 27.
Kröger/Moos, ZUM 1997, 462, 466; Beucher/Leyendecker/von Rosenberg, Fn. 48, § 2 TDG, Rn. 2.
Spindler, Fn. 45, § 2 TDG, Rn. 99; Beucher/Leyendecker/von Rosenberg, Fn. 48, § 2 TDG, Rn. 3.
Manssen, Fn. 46, § 2 TDG, Rn. 3.
Schulz, ZUM 1996, 487, 489; Gounalakis/Rohde, K&R 1998, 321, 324 f.
Kröger/Moos, AfP 1997, 675, 678; Meier, Fn. 45, § 2 MDStV, Rn. 65.
28
und Veranstalter und damit kein Rundfunk vorliegt55. Auf dieser Basis kann aber auch die gewerbliche
Spielevermittlung über Internet nicht dem Rundfunk zuzuordnen sein, da diese Tätigkeit schon im
Hinblick auf die Spielscheinverwaltung durch noch mehr Kundenkontakt gekennzeichnet ist als der
bloße Lotteriebetrieb.
Im Ergebnis ist daher die Einschlägigkeit der Rundfunkzuständigkeit der Bundesländer abzulehnen.
Mithin ist die gewerbliche Spielevermittlung von Einzelspielern über das Internet, die einen Großteil
der Unternehmenstätigkeit der fluxx.com ausmacht, dem Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 I Nr. 11
GG zuzuordnen.
b)
Erfordernis einer bundeseinheitlichen Regelung
Daraus ergibt sich aber noch nicht die formelle Verfassungswidrigkeit des geplanten § 14 des
Staatsvertrages zum Lotteriewesen im Hinblick auf die gewerbliche Spielevermittlung von
Einzelspielern. Vielmehr ist im Lichte des Art. 72 II GG noch zu prüfen, ob überhaupt ein Bedürfnis
für eine bundeseinheitliche Regelung derartiger Internetaktivitäten besteht. Indes ergibt sich dieses
Erfordernis schon daraus, dass auch der in Rede stehende Staatsvertrag nur deshalb konzipiert wurde,
weil nach Auffassung der Bundesländer wegen der unterschiedlichen rechtlichen Normierung des
Lotterie- und Wettwesens ein Bedürfnis nach einer einheitlichen länderübergreifenden Regelung
besteht56. Zudem könnten sich divergierende Ländervorschriften kontraproduktiv im Hinblick auf ein
wettbewerbsfähiges Spielevermittlungsangebot auswirken, was ebenfalls eine bundeseinheitliche
Regelung notwendig macht.
c)
Gebrauchmachen von der Bundeskompetenz
Daneben ist noch erforderlich, dass der Bundesgesetzgeber von seiner Rechtsetzungskompetenz für die
gewerblichen Spielevermittlung von Einzelspielern über Internet Gebrauch gemacht hat. Dieses
Tatbestandsmerkmal setzt ein inhaltlich einschlägiges Bundesgesetz voraus, das zudem abschließend
den in Rede stehenden Lebenssachverhalt normieren will57.
Insofern könnte das TDG von seinem Regelungsgehalt her passen, zumal es der GewO vorgeht, soweit
wirtschaftliche Aktivitäten via Internet in Rede stehen. Der MDStV kommt indes mangels
Zuständigkeit der Bundesländer für diesen Bereich nicht in Betracht. Vielmehr stehen beide
Kodifikationen wegen der unterschiedlichen Kompetenzträger in einem Ausschließlichkeitsverhältnis,
was auch die Vorschriften des § 2 IV Nr. 3 TDG sowie des § 2 I MDStV belegen 58. Zur Beurteilung
55
56
57
58
Siehe Kuch, ZUM 1997, 225, 226.
Siehe Erläuterungen zum Staatsvertrag, A II, S. 15 von 34.
Oeter, Fn. 26, Art. 72, Rn. 64 ff.; BVerfGE 85, 134, 142.
Holznagel, Fn. 46, 3.2, Rn. 44.
29
der Einschlägigkeit des somit allein relevanten TDG ist der Anwendungsbereich dieses
Normenkomplexes auszuloten, worüber dessen § 2 Aufschluss gibt.
Auf dieser Basis ist zu bedenken, dass Telespiele im Sinne des § 2 II Nr. 4 TDG ein interaktives Spiel
eines begrenzten Personenkreises voraussetzen59. Die gewerbliche Spielevermittlung ist aber Vorstufe
zum Spiel und überdies im Grundsatz jedermann zugänglich, so dass diese Norm nicht greift.
Allerdings käme § 2 II Nr. 5 TDG in Betracht, wonach ein Dienstleistungsangebot erforderlich ist, das
der Kunde ohne Medienbruch, d.h. ohne Zwischenschalten weiterer Medien wie z.B. Telefon
annehmen kann. Insofern sind insbesondere elektronische Bestell-, Buchungs- und Maklerdienste
gemeint sowie interaktive Bestell- und Buchungskataloge60. Jaxx.de stellt mehrere Spielprodukte zur
Disposition, aus denen der Kunde eines auswählen kann. Daher ist die Situation mit einem
Buchungskatalog vergleichbar, so dass § 2 II Nr. 5 TDG greift.
Mithin ist das TDG als einschlägiges Bundesgesetz anzusehen in Bezug auf die gewerbliche
Spielevermittlung von Einzelspielern via Internet.
Fraglich ist aber zudem, ob das TDG hinsichtlich dieses Regelungskomplexes einen abschließenden
Vorschriftenkomplex schaffen will. Denn nur in diesem Fall ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt,
behauptete Lücken durch eigenes Recht zu schließen. Zur Feststellung dieses Abschlusscharakters ist
eine Gesamtwürdigung des betreffenden Normbereichs erforderlich61.
Insofern ist zu bedenken, dass das TDG die Verantwortlichkeit des Dienstanbieters sowie die
Zugangsfreiheit zum Internet in den §§ 4, 5 TDG regelt. Allein die Sperrung rechtswidriger Inhalte
soll nach § 5 IV TDG aufgrund anderer Gesetze möglich sein. Dieser Passus greift aber nicht für die
bereits dargelegten Werbe- und Abführungsauflagen des § 14, da diese Tätigkeiten keinen Bezug zum
Angebot bzw. zum Inhalt des Portals aufweisen, sondern als Vor- bzw. Nachbereitungspflicht
ausgestaltet sind. Mithin legt § 5 IV TDG die Vermutung nahe, dass keine weiteren Restriktionen
gewollt sind. Dafür spricht auch der Sinn des TDG, der nämlich nach § 1 TDG darin besteht,
einheitliche Rahmenbedingungen für die Nutzung elektronischer Medien zu schaffen. Auf dieser Basis
wären Landesgesetze generell kontraproduktiv, auch wenn sie wegen der Bindung an einen
Staatsvertrag nur in Nuancen abweichende Regelungen beinhalten.
d)
Ergebnis im Hinblick auf die Einzelspielervermittlung
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass § 14 I Nr. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen mangels
Kompetenz der Bundesländer zum Erlass von Vorschriften über die gewerbliche Spielevermittlung an
Einzelspieler über Internet verfassungswidrig ist. Für die fluxx.com resultiert daraus, dass ein Großteil
59
60
61
Spindler, Fn. 45, § 2 TDG, Rn. 92; Von Heyl, ZUM 1998, 115, 116.
Beucher/Leyendecker/von Rosenberg, Fn. 48, § 2 TDG, Rn. 8; Manssen, Fn. 46, § 2 TDG, Rn. 8.
Stettner in Dreier, GG-Komm., Band II, Art. 20 – 82, Tübingen 1998, Art. 72, Rn. 26; BVerfGE 34, 9, 28.
30
ihrer Geschäftstätigkeit nicht den Restriktionen des Staatsvertrags unterworfen werden kann, weil
diesbezügliche Bestimmungen nichtig wären, sollten sie im Staatsvertrag und dann in den
Glücksspielgesetzen der Länder berücksichtigt werden.
3.
Gewerbliche Spielevermittlung von Spielgemeinschaften
Neben der gewerblichen Spielevermittlung von Einzelspielern führt die fluxx.com auch
Spielgemeinschaften zusammen und nimmt deren Tipps für die Glücksspielbetreiber entgegen.
Derartige Tätigkeiten machen den zweiten Geschäftsschwerpunkt des zu begutachtenden
Unternehmens aus und unterliegen nach § 14 I Nr. 2 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen denselben
Restriktionen wie die
gewerbliche Spielevermittlung von Einzelspielern an Wett- oder
Lotteriebetreiber nach § 14 I Nr. 1. Daher stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob die
Aktivitäten der fluxx.com gegenüber solchen Spielgemeinschaften unter die Gesetzgebungskompetenz
der Bundesländer fallen oder nicht.
a)
Vermittlung von Spielgemeinschaften als eigenständige Lotterie
In Betracht käme erneut der Kompetenztitel Recht der Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG, dessen
Reichweite jedoch auch im Hinblick auf die Vermittlung von Spielgemeinschaften gerade im
Verhältnis zum Polizei- und Ordnungsrecht der Bundesländer auszuloten ist.
Insoweit ist für die in Rede stehende Tätigkeit die Besonderheit zu bedenken, dass zum Teil vertreten
wird, die Zusammenführung von Spielgemeinschaften durch gewerbliche Spielevermittler wie die
fluxx.com sei als Lotterie in der Lotterie einzuordnen, weil durch die größeren Gewinnchancen in der
Vereinigung ein neuer Spielplan als wesentliches Lotteriecharakteristikum entstünde62. Auf dieser
Basis könnte dann allerdings eine Zuordnung zum Polizeirecht zwingend sein, wenn man der derzeit
überwiegenden Meinung folgt, die das Glücksspielrecht der Domäne des landesrechtlichen
Ordnungsrechts unterwerfen will. Unabhängig von der Richtigkeit dieser kompetenziellen Beurteilung
des Glücksspielrechts63 ist aber zu bedenken, dass eine Lotterie nicht nur einen Spielplan, sondern
auch einen Spielvertrag zwischen Spieler und Veranstalter voraussetzt. Gewerbliche Spielevermittler
wie die fluxx.com kontrahieren aber mit dem Spieler nur im Wege eines Geschäftsbesorgungsvertrags.
Der Spielvertrag kommt lediglich zwischen Spieler und Lotteriebetreiber zustande, so dass die
Zusammenführung derartiger Spielgemeinschaften nicht als Lotterie anzusehen ist64.
Im Ergebnis sind daher auch Tätigkeiten im Sinne des § 14 I Nr. 2 unter den Kompetenztitel Recht der
Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG zu fassen, zumal die bereits im Zusammenhang mit der
62
63
64
Fruhmann, MDR 1993, 822, 824.
Mit überzeugenden Zweifeln für den Spielbankbereich insoweit Pieroth/Störmer, GewArch 1998, 177, 178.
Otto, JURA 1997, 385, 387; BGH, GRUR 1999, 771, 772.
31
Einzelspielervermittlung dargelegte Schwerpunktbestimmung auch Geltung für den Bereich der
Vermittlung von Spielgemeinschaften beansprucht. Im Gegenteil führt sogar die Beteiligung einer
größeren Spieleranzahl zu einer erhöhten Servicenotwendigkeit, so dass dieses Mehr an Dienstleistung
als weiteres Argument der Zuordnung der Spielgemeinschaftsvermittlung zum Recht der Wirtschaft
aus Art. 74 I Nr. 11 GG herangezogen werden kann.
b)
Besonderheiten in Bezug auf die Vertriebsmedien der fluxx.com
Allerdings ist zu beachten, dass die fluxx.com nur ¼ ihrer Spielgemeinschaften über Internet betreut,
während ¾ der Spielgemeinschaften über herkömmliche Distributionskanäle, wie z.B. über Telefon
oder per Post, im Direktvertrieb umsorgt werden, wobei insoweit der Serviceschwerpunkt im Wege
des Briefverkehrs und allenfalls die Kontaktaufnahme via Telefonat erfolgt. Mithin bedarf es der
Differenzierung
dieser
Gesetzgebungskompetenz
beiden
im
Vertriebsmöglichkeiten,
Hinblick
auf
die
wenn
gewerbliche
im
folgenden
die
Spielevermittlung
von
Spielgemeinschaften untersucht wird.
Soweit sich die fluxx.com des Internet zur Betreuung ihrer Spielgemeinschaften bedient, können die
Ausführungen bezüglich der gewerblichen Spielevermittlung von Einzelspielern übertragen werden.
Denn die einzige Besonderheit bei der Vermittlung von Spielgemeinschaften besteht in der
Zusammenführung mehrerer Einzelspieler, die jedoch nach wie vor individuell verwaltet werden,
soweit es beispielsweise um den Spielscheinservice geht. Daher unterliegen derartige Aktivitäten
ebenfalls nicht dem Rundfunkbegriff, was eine Zuordnung der gewerblichen Spielevermittlung von
Spielgemeinschaften über Internet zum Recht der Wirtschaft aus Art. 74 I Nr. 11 GG zur Folge hat.
Von dieser Gesetzgebungskompetenz hat der Bund wegen der insoweit umfassenden Kodifizierung65
durch das TDG auch abschließend Gebrauch gemacht, so dass der MDStV nicht als einschlägige
Rechtsgrundlage in Betracht kommt. Mithin können daher auch die Tätigkeiten der fluxx.com, welche
die gewerbliche Spielevermittlung von Spielgemeinschaften über Internet betreffen, mangels
Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer nicht vom Staatsvertrag zum Lotteriewesen geregelt
werden.
Fraglich ist aber, ob dieses Ergebnis übertragbar ist, soweit sich die fluxx.com herkömmlicher Medien
wie Post oder Telefon bedient, um die Hasardeure der Spielgemeinschaften zu betreuen. Denn auch
derartige Distributionskanäle sind nicht unter den Rundfunkbegriff zu fassen, weil genauso wie bei der
Internetbetreuung
ein
individueller
Kundenkontakt
besteht.
Mithin
bleibt
es
bei
der
Bundesgesetzgebungskompetenz aus Art. 74 I Nr. 11 GG.
65
Degenhart, Fn. 24, Art. 72, Rn. 20.
32
Allerdings stellt sich die Frage, ob der Bund auch in Bezug auf die gewerbliche Spielevermittlung von
Spielgemeinschaften im Direktvertrieb von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch
gemacht hat. Das TDG ist insoweit allenfalls im Hinblick auf die telefonische Kontaktaufnahme
einschlägig, jedoch nicht bzgl. des Dienstleistungs- und Betreuungsschwerpunktes, der
auf dem
Postwege erbracht wird. Denn die Post ist kein elektronisch verbreiteter Dienst im Sinne des § 2
TDG66. Das TKG und das PostG greifen ebenfalls nicht, weil sie ausweislich ihres jeweiligen § 1 den
Bereich der Regulierung des Post- und Telekommunikationswesens betreffen, also etwaigen
Wettbewerbsverfälschungen entgegenwirken wollen und somit keine Aussagen über die gewerbliche
Spielevermittlung von Spielgemeinschaften treffen. Es bleibt somit allein ein Rückgriff auf die GewO,
welche die Anwendung von Landesrecht nur bei einem ausdrücklichen Verweis gestattet. Ansonsten
ist das Gewerberecht polizeifest, soweit es um das „Ob“ der Zulassung zu bestimmten Tätigkeiten
geht, es sei denn es handelt sich um nicht erlaubte Tätigkeiten, wofür in Bezug auf die gewerbliche
Spielevermittlung
von
Spielgemeinschaften
nichts
ersichtlich
ist.
Falls
allerdings
Ausübungsmodalitäten in Rede stehen, können Vorschriften des Landesrechts herangezogen werden67.
§ 14 des Staatsvertrages beschränkt die gewerblichen Spielevermittler im Hinblick auf den Umfang
ihrer Werbeaktivitäten, die Höher der Abführungen an die Glücksspielbetreiber sowie im Hinblick auf
etwaige Transparenzpflichten gegenüber den Spielern. Alle diese Vorschriften betreffen daher
unabhängig von ihrer Wirkungsintensität im Hinblick auf die Unternehmergrundrechte bloße
Ausübungsmodalitäten und werden somit nicht von der GewO verdrängt.
Mithin hat der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz zur Regelung der gewerblichen
Spielevermittlung von Spielgemeinschaften im Direktvertrieb keinen abschließenden Gebrauch
gemacht, so dass zumindest insoweit § 14 I Nr. 2 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen nicht
kompetenzwidrig ist.
4.
Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung
Im Ergebnis resultiert daraus eine partielle Verfassungskonformität des § 14 des Staatsvertrages zum
Lotteriewesen im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz. Daher könnte man versucht sein, § 14
des Staatsvertrages im Wege einer verfassungskonformen Auslegung beizubehalten, indem man seinen
Anwendungsbereich allein auf herkömmliche Vertriebsformen beschränkt. In diesem Zusammenhang
ist allerdings zu bedenken, dass ein derartiges Vorgehen nur möglich ist, soweit es die innere
66
67
Spindler, Fn. 45, § 2 TDG, Rn. 17.
Tettinger in Tettinger/Wank, GewO-Komm., 6. Aufl., München 1999, § 1, Rn. 78; Stober, Fn. 16, § 2 VI 2.
33
Ausgewogenheit des jeweiligen Normenkomplexes unangetastet lässt 68. Die Geschäftstätigkeit der
fluxx.com wird jedoch zu mehr als 95% über das Internet abgewickelt. Zudem besteht ihre
Unternehmensphilosophie darin, herkömmliche Vertriebsformen wie Post und Telefon nur am Rande
zur Unterstützung zu nutzen, so dass das Unternehmen durch den Distributionskanal Internet geprägt
wird und der Großteil seiner Aktivität nicht dem § 14 unterfallen würde. Gegenüber den
herkömmlichen Spielevermittlern ergäbe sich daraus aber eine Besserstellung, welche die innere
Ausgewogenheit des § 14 im Vergleich zu den Nutzern neuer Medien stören würde, so dass auch eine
verfassungskonforme Auslegung des § 14 nicht in Betracht kommt. Vielmehr erhellt sich unter diesem
Gesichtspunkt, dass die partielle Verfassungswidrigkeit in puncto gewerbliche Spielevermittlung über
Internet auch auf die herkömmliche Spielevermittlung durchschlagen muss, so dass § 14 insgesamt
kompetenz- und damit verfassungswidrig ist.
I.
Rechtsstaatliche Bedenken
I.
Verstoß gegen das Prinzip der Systemgerechtigkeit und Widerspruchsfreiheit
Unabhängig von der formellen Frage, ob die Bundesländer das Recht der gewerblichen
Spielevermittlung normieren dürfen, ist materiellrechtlich unklar, ob § 14 verfassungsrechtlichen
Bestand haben kann.
Zunächst sind rechtsstaatliche Bedenken anzumelden. Sie resultieren zum einen aus einem
Widerspruch zwischen den Zielsetzungen des § 1 des Entwurfs zum Staatsvertrag und den
Werbeanforderungen des § 14 II Nr. 1 für gewerbliche Spielevermittler. So ist es ein Verstoß gegen
den Rechtsgedanken der Systemgerechtigkeit und Widerspruchsfreiheit von Rechtsvorschriften
gegeben69, wenn gewerblichen Spielevermittlern auferlegt wird, dass Art und Umfang ihrer
Werbemaßnahmen angemessen sein müssen und nicht im Widerspruch zu § 1 stehen dürfen. Zwar
richtet sich ausweislich des § 4 III diese Schranke auch an staatliche Lottogesellschaften. Doch der
Entwurf regelt in § 5 nur die Aufgabe des Staates, ohne zur Problematik der Aufsicht über staatliche
Lotteriegesellschaften und damit der Überwachung der Einhaltung der Ziele des § 1 und der
Anforderung des § 4 Stellung zu nehmen. Das ist vor allem deshalb zweifelhaft, weil die staatlichen
Gesellschaften über eine weitgehende Monopolstellung verfügen und dem jeweiligen Bundesland
sowohl die Kontrolle der staatlichen Unternehmen als auch der gewerblichen Spielevermittler obliegt.
68
69
Schulze-Fielitz, Fn. 61, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 78 f.; BVerfGE 95, 64, 93.
S. dazu Stober, Fn. 17, § 7 II 2 m.w.N.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 1, 11. Aufl. 1999, § 22, Rn. 72
und § 28, Rn. 63 m.w.N.
34
Dabei handelt es sich der Sache nach um eine Insich-Aufsicht, die schon deshalb nicht objektiv
ausgeübt werden kann, weil mit Hilfe der Glücksspieleinnahmen öffentliche Zwecke gefördert werden
und damit Einnahmen erschlossen werden sollen. Hinzu kommt, wie das BVerwG feststellt, dass die
schwer zu vereinbarende aggressive und ausufernde Geschäftspolitik bestimmter Veranstalter von den
Aufsichtsbehörden offensichtlich unbeanstandet bleibt70. Wegen dieser inkompatiblen Doppelstellung
ist es fragwürdig, ob die Aufsichtsbehörde dafür sorgt, dass der gewünschten Kanalisierung des
Spieltriebs keine ausufernde staatliche Werbung gegenübersteht. Denn fiskalisches Ziel jedes
Bundeslandes ist insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte eine Einnahmemaximierung
zu erreichen71, die vor allem über entsprechende Werbung gesteuert werden kann. Daran hat auch das
BVerwG erinnert, das bezweifelt, ob etwa die Veranstaltung von Sportwetten in staatlicher
Monopolregie wirklich geeignet sei, die mit der Veranstaltung von Glücksspielen verbundenen
Gefahren einzudämmen. Davon könne bei mit aggressiver Werbung einhergehender Ausweitung des
Spielangebotes keine Rede mehr sein72, weshalb es zu einem unauflösbaren Widerspruch des § 284
StGB mit dem staatlichen Veranstalterverhalten kommen könne73 . Ein typisches Beispiel ist der auf
einer Programmzeitschrift vom 18.01.200374 zu findende Werbeslogan von Lotto für die GlücksSpirale „Die Glücks-Spirale macht dich froh; mehr Renten gibt es nirgendwo“75.
Diese
Werbebotschaft richtet sich an alle Erwachsene, denen als weitere Säule der Alterssicherung das
Glücksspiel schmackhaft gemacht wird. Da die Altersversorgung gegenwärtig politisch stark diskutiert
und auf die Gefährdung der staatlichen Rentenversicherung hingewiesen wird, ist diese Werbung eine
eindeutige Aufforderung, sich an den Glücksspielen zu beteiligen, um dieses gefürchtete Defizit zu
kompensieren.
Akzeptiert man derartige Werbeauftritte, dann ist nicht einzusehen, weshalb private Spielevermittler
bei ihren klassischen Werbungen und Online-Auftritten nicht mit den selben Mitteln und Methoden
werben dürfen wie die staatlichen Lottogesellschaften. Das ist schon deshalb zu bejahen, weil die
Vermittler im Grunde genommen nur dafür sorgen, dass von dem vorhandenen staatlich zugelassenen
Glücksspielangebot ausreichend Gebrauch gemacht wird. Wenngleich auch die Vermittler daran
interessiert sind, möglichst viele Spiele zu vermitteln, weil damit ihre Umsätze und Gewinne steigen,
steht gleichzeitig fest, dass die Vermittler lediglich als Zulieferer und Helfer der staatlichen
Gesellschaften fungieren, da sie deren Produkte vermitteln. Wenn also überhaupt Gefahren von der
70
71
72
73
74
75
BVerwG, GewArch 2002, 386.
S. BVerwG, GewArch 2001, 334, 337; BGH GRUR 1999, 771, 774; Koenig/Braun, SächsVBl. 2002, 157, 161 m.w.N.;
Voßhuhle, VerwArch 87 [1996], 396, 426; Wrage, ZRP 1998, 426, 428; Stober, NJW 2002, 2357, 2362.
BVerwG, GewArch 2001, 334, 337.
Kritisch auch BGH GRUR 1999, 771, 775
Prisma 3/2003, Deckblatt s. Anlage.
S. m. weiteren Beispielen Koenig/Braun, SächsVBl. 2002, 157, 161.
35
Werbung im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 des Staatsvertrages ausgehen, dann sind sie letztlich
auf die staatlichen Gesellschaften zurückzuführen, die sozusagen als Zweckveranlasser tätig werden
und die Werbung der gewerblichen Spielevermittler für Lotto und Toto
usw. überhaupt erst
ermöglichen. Sie partizipieren nur an einem vorhandenen Angebot auf einem anderen Vertriebsweg.
Da die staatlichen Gesellschaften im Eigeninteresse an der Spielevermittlung und an der Ausschöpfung
vorhandener Vertriebsnetze interessiert sind76, muss ihnen letztlich auch die Werbung zugerechnet
werden. Darüber hinaus setzen die Vermittler keine zusätzliche separate, sondern vielmehr allenfalls
eine mittelbar begleitende Gefahr, weil sie lediglich die zugelassenen Produkte bewerben. Der
Unterschied zwischen den staatlichen Veranstaltern und den gewerblichen Vermittlern besteht nämlich
nur darin, dass die Vermittler dafür sorgen, dass der Glücksspielmarkt in zeitgemäßen Vertriebsformen
erfolgt. Das nutzt wiederum den staatlichen Veranstaltern, weil auf diese Weise neue legale
Einnahmepotentiale für öffentliche Zwecke erschlossen werden. Wenn somit kein Verstoß gegen die
Widerspruchsfreiheit von Rechtsnormen vorliegen soll, dann ist Spielevermittlern für zugelassene
Glücksspiele die Werbung zu gestatten, die mit einem ausreichenden Glücksspielangebot verbunden
ist.
Ein weiterer Systemwiderspruch liegt darin, dass das Recht der Spielevermittlung nur vordergründig
dem Spielerschutz dient. Denn die Bundesländer wollen mit diesem Vertrag in erster Linie die
Positionen ihrer Lottogesellschaften festigen und dafür sorgen, dass die Einnahmen im Interesse der
Stärkung der Landeshaushalte steigen77. Das geschieht u. a. dadurch, dass nach § 14 II Nr. 3 des
Staatsvertrages die Spielevermittler insbesondere für Spielgemeinschaften auf den Spieleinsatz der
Veranstalter nur derart hohe Bearbeitungsgebühren aufschlagen dürfen, dass 80 % der vereinnahmten
Beträge an die Glücksspielbetreiber weitergeleitet werden müssen. Damit erweist sich das als
Regelungsgrund vorgegebene Allgemeininteresse zur Bekämpfung der Spielsucht als Tarnung für die
tatsächlich verfolgten finanziellen bzw. wirtschaftlichen Ziele78, die verständlicherweise in der
Begründung des
Vertrages
nicht
aufgedeckt
werden,
sondern
sich
nur
mittelbar
über
Berichtsinformationen von Landtagen erschließen lassen. Damit fehlt es dem Vertrag an der
notwendigen Konzeptkohärenz.
Ein Systemwiderspruch ist schließlich hinsichtlich der geforderten Transparenz und Kontrollierbarkeit
der Spielevermittler festzustellen. Denn dieses Verlangen kann unter Berücksichtigung der
einheitlichen Vertragszielsetzungen nur ernsthaft in Erwägung gezogen werden, wenn auch die
76
77
78
So ausdrücklich BGH GRUR 1999, 771, 774, 2. Spalte.
LT-Drucks. BaWü, 13/1116, S. 1 f.
S. dazu Koenig/Braun, SächsVBl. 2002, 157, 161 f.
36
staatlichen Veranstalter für ausreichende Transparenz bei der Spieleabwicklung sorgen. Ob diese
Voraussetzung derzeit erfüllt ist, ist aber aufgrund betriebswirtschaftlicher Erhebungen umstritten,
weshalb in der Literatur mehr Wettbewerb und mehr Transparenz angemahnt wird 79. Aus dieser
Perspektive widerspricht ein isoliertes Transparenzgebot der gewerblichen Vermittler dem
Vertragskonzept.
II.
Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot
Zum anderen gebietet das Rechtsstaatsprinzip, dass Gesetze hinreichend nach Inhalt, Gegenstand,
Zweck und Ausmaß bestimmt sind. In dem hier zu beurteilenden Zusammenhang steht der
grundrechtliche Gedanke im Vordergrund, dass staatliche Maßnahmen für die Adressaten klar und
justiziabel sein müssen. Die Adressaten müssen vor allem wissen, wozu sie berechtigt und verpflichtet
sind, damit sie sich entsprechend verhalten können. Zwar kann der Gesetzgeber im Wirtschafts- und
Ordnungsrecht nicht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe auskommen, um hinreichend flexibel zu sein.
Im Zweifelsfall muss es aber möglich sein, Unklarheiten durch Auslegung zu ermitteln 80. Diese
anerkannte Methode scheidet aber bei einem Rückgriff auf § 1 aus, wenn der Staatsvertrag in § 14 II
verlangt, dass Werbemaßnahmen „angemessen“ sein müssen. Dieser Ausdruck ist höchst unbestimmt
und kann in unterschiedliche Richtungen interpretiert werden. Selbst bei größter Sorgfalt und
Inanspruchnahme juristischer Hilfe ist es für die betroffenen Adressaten nicht ohne weiteres
erkennbar, welcher Werberahmen mit dem Begriff „angemessen“ ausgeschöpft werden darf. Mangels
einer Konkretisierung wird gewerblichen Spielevermittlern jegliche Möglichkeit genommen, ein
Werbekonzept aufzustellen und durchzuführen und damit auf dem Markt Wettbewerbsfähig zu sein.
Die damit bestehende Rechtsunsicherheit geht zu Lasten des Normsetzers mit der Folge, dass dieser
Passus verfassungswidrig ist81.
J.
Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit
I.
Zur sachlichen Anwendbarkeit des Art. 12 I GG auf die Geschäftsfelder der fluxx.com
Abgesehen von der rechtsstaatlichen Verfassungswidrigkeit kommt ein Verstoß gegen das Grundrecht
der Berufsfreiheit in Betracht. Art. 12 I GG garantiert u.a. das Recht, den Beruf frei zu wählen und
somit die Grundlage der Lebensführung selbst zu bestimmen. Gewährleistet ist der Entschluss, eine
79
80
81
Adams/Tolkemitt, ZBB 3/01, 170, 182.
S. näher Stober, Fn. 17, § 7 III 3.
S. auch Berl.VerfGH, NVwZ 2000, 794, 800.
37
konkrete Betätigung zu ergreifen und beizubehalten. Dazu gehören auch die Geschäftsfelder Gambling
Products & Services sowie Gambling Distribution. Diese Freiheit gilt nach Art. 19 III GG auch für die
berufliche Betätigung von juristischen Personen wie der fluxx.com AG. Sie erfasst ferner staatliche
Berufsmonopole wie die Veranstaltung von Lotto, Toto und Sportwetten 82, die nach der
Rechtsprechung ebenfalls an diesem Grundrecht zu messen sind83. Das gilt erst recht für die
gewerbliche Spielevermittlung, die sich nicht mit der Veranstaltung von Glücksspielen beschäftigt,
sondern nur an der Vermittlung legalisierter Spielverträge partizipiert. Die gewerbliche
Spielevermittlung ist ferner weder gesetzlich verboten noch wird ihre Zulassung grundsätzlich durch
einen Erlaubnisvorbehalt eingeschränkt84. Gleichwohl ist Art. 12 Abs. 1 GG betroffen, weil § 14 des
Entwurfs zum Staatsvertrag in mehrfacher Weise in die Freiheit der Berufstätigkeit der gewerblichen
Spielevermittlung und damit in die Gewerbefreiheit eingreift.
II.
Zur Vereinbarkeit der Absenkung der Bearbeitungsgebühr bei Spielgemeinschaften auf
höchstens 20 Prozent mit Art. 12 I GG
Zum einen verlangt § 14 II Nr. 3, dass gewerbliche Spielevermittler mindestens 80 von Hundert der
von den Spielern vereinnahmten Beträge für die Teilnahme am Spiel an den Veranstalter
weiterzuleiten hat. Wie unter A dargelegt beträgt die Bearbeitungsgebühr bei Spielgemeinschaften
gegenwärtig ca. 50 % des Preises für den Einsatz. Die geplante Regelung bedeutet, dass dem
gewerblichen Spielevermittler höchstens 20 von Hundert der vereinnahmten Beträge zustehen dürfen.
Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass eine derartige Festlegung eine erhebliche Verschlechterung
gegenüber der bisherigen Praxis ist. Es geht daher um einen Eingriff in die Berufsfreiheit, der an Art.
12 I GG zu messen ist. Unter Anwendung der Dreistufentheorie des Bundesverfassungsgerichts
handelt es sich auf den ersten Blick lediglich um eine Einschränkung der Berufsausübung, weil die
Bearbeitungsgebühr
die
Berufszulassung
scheinbar
nicht
tangiert
und
insbesondere
die
Spielevermittlung nicht ausdrücklich verboten ist. Bei näherem Hinsehen ist diese rechtliche
Qualifizierung aber nicht haltbar. Denn der Eingriff beschränkt sich nicht auf die Berufsausübung der
fluxx.com, sondern er wirkt auf die Berufswahl und damit die Berufszulassung zurück85. Diese
Besonderheit ist darauf zurückzuführen, dass sich die fluxx.com kaum wie unter A ausgeführt durch
Werbeeinnahmen, sondern durch die Beteiligung am Umsatz finanziert. Sollte der Entwurf Gesetz
werden, könnte die fluxx.com ein wesentliches Segment ihrer Geschäftstätigkeit aus folgenden
Gründen nicht mehr wahrnehmen. Im Vordergrund steht hier der Tätigkeitsbereich der Lotto82
83
84
BVerwG, GewArch 2001, 334 ff.; Rausch, GewArch 2001, 102 ff; Dietlein/Thiel, NWVBl. 2001, 170 ff.
S. auch Voßkuhle, VerwArch. 87 [1996], 395, 407 ff.; ders., GewArch 2001, 177, 180; BGH, GRUR 1999, 771, 774.
S. auch BGH, GRUR 1999, 771 ff.
38
Spielgemeinschaften, die von der fluxx.com zusammengeführt und betreut werden. Aus den
Unternehmensdaten ergibt sich nämlich, dass bereits bei einer 60/40 Regelung kein angemessener
Gewinn mehr erwirtschaftet werden kann. Diese Aussage gilt aber um so mehr für die beabsichtigte
80/20 Regelung, bei der von vornherein völlig ausgeschlossen ist, dass der gewerbliche
Spielevermittler jemals in die Gewinnzone gelangt. Da § 14 des Vertrages den Beruf des
Spielevermittlers ausdrücklich anerkennt, würde die Verkürzung der Gebührenspanne tatsächlich wie
eine Berufsschließung oder ein Berufsverbot wirken, da unter diesen Vorraussetzungen ein
wirtschaftlicher Betrieb nicht fortgesetzt werden könnte86. So ist anerkannt, dass etwa die
Spielautomatensteuer bei erdrosselnder Wirkung auch die Berufswahl tangiert87. Dieser Fall liegt hier
ebenfalls vor. Bezieht man diese Qualifizierung auf die Dreistufentheorie, dann handelt es sich um
eine objektive Beschränkung der Berufswahl, da die Verkürzung der Gebührenspanne auf 20 % nicht
personenbezogen ist.
Ein Eingriff in die Berufsfreiheit des gewerblichen Spielevermittlers auf dieser Stufe ist nur zulässig,
soweit der Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zur Abwehr nachweisbar oder
höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren dies rechtfertigt. Zu diesen Gemeinschaftsgütern zählt zwar
auch die Einschränkung der Ausnutzung der Spielleidenschaft88. Insoweit ist jedoch zwischen
Spielveranstaltern und Spielevermittlern zu differenzieren. Insbesondere die Spielevermittler wie die
fluxx.com
nutzen
das
vorhandene
staatliche
Glücksspielangebot.
Sie
ermöglichen
den
Spielteilnehmern unterschiedliche Zugänge zu den staatlichen Veranstaltern, deren Aufgabe es nach §
5 des Staatsvertrages ist, das Glücksspielangebot unter Berücksichtigung des § 1 zu steuern. Diese
Besonderheit der Spielevermittlung gegenüber der Spieleveranstaltung wird in der vorhandenen
Spruchpraxis nicht angemessen gewürdigt89. Wenn aber ein Glücksspiel auf dem Markt ist, dann muss
der Veranstalter damit rechnen, dass die Spielinteressenten sich nicht nur auf dem konventionellem
Wege über die stationäre Lottoannahmestelle, sondern auch durch Spielgemeinschaften und durch
Internetnutzung
an
dem
erlaubten
Spiel
beteiligen.
Angesichts
dieser
immanenten
und
einzukalkulierenden Möglichkeit ist jedenfalls nicht mit einer zusätzlichen Ausnutzung der
Spielleidenschaft
durch
gewerbliche
Spielevermittler
zu
rechnen
weil
diese
Vermarktungsmöglichkeiten bei der Zulassung von Glücksspielen von vornherein mitberücksichtigt
werden müssen. Außerdem dürften die staatlichen Gesellschaften im Interesse der beschriebenen
85
86
87
88
89
S. zuletzt BVerwGE 106, 216, 227.
S. auch BVerfG, NJW 1988, 1195; BVerfG, GewArch 1992, 272, BVerwGE 106, 216, 227.
Stober, Fn. 17, § 21 III 8 m.w.N. aus der Rechtsprechung.
BVerwGE 96, 292, 298; 96, 302, 311; BVerfGE 102, 197 ff.; BVerwG GewArch 2001, 334, 336.
S. BVerwG GewArch 2001, 334ff.
39
Gewinnmaximierung90
sogar
daran
interessiert
sein,
dass
sowohl
die
Vermittlung
von
Spielgemeinschaften als auch die Online-Vermittlung intensiv genutzt wird. Das bestätigt jedenfalls
ein Bericht des Finanzausschusses des BW-Landtages anlässlich der Information über den Stand des
hier zu untersuchenden Vertrages91. Dort wird u.a. ausgeführt, die staatlichen Lotterien seien zu
stärken, um damit die Staatseinnahmen daraus „zu stärken“. Damit wird gleichzeitig offengelegt, dass
es bei der dürren Begründung für die 80/20 Regelung nur scheinbar um einen Schutz der
Spielteilnehmer vor Spielsucht oder um andere Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr geht. Vielmehr
steht der in der Begründung verständlicherweise nicht zum Ausdruck gebrachte, aber die interne
Diskussion dominierende Wille im Mittelpunkt, über diese Regelung mehr Staatseinnahmen zu
erhalten. Dieses ökonomische Ziel rechtfertigt aber den Eingriff in die Berufsfreiheit nicht, weil die
Verbesserung der Haushaltssituation kein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut im Sinne des Art.
12 I GG sein kann, das die Berufsfreiheit aushebelt. Denn dieser Zweck muss über die Auferlegung
von Abgaben erreicht werden, zu deren Entrichtung auch die gewerblichen Spielevermittler
verpflichtet sind. Eine andere Beurteilung wäre wiederum mit dem Gewährleistungsauftrag des § 5
unvereinbar, der den Staat verpflichtet, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen. Aus
heutiger Sicht im Zeitalter der Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft und -wirtschaft setzt
dieser staatliche
Infrastrukturauftrag voraus, dass auch zeitgemäße Glücksspielverkaufsformen
gestattet sind, wie sie bei Spielgemeinschaften und im Online-Wege von der fluxx.com angeboten
werden. Die Interpretation kann sich insbesondere auf die Rechtsetzung über die Mediendienste
berufen,
die
auf
eine
umfassende
Nutzung
der
elektronischen
Informations-
und
Kommunikationsdienste als moderne Berufsausprägung gerichtet ist. Diesem auch § 5 innewohnenden
Auftrag entsprechend hat der Staat für eine vertretbare Entfaltung der gewerblichen Spielevermittlung
und ihrer Erscheinungsformen zu sorgen. Aus dieser Perspektive ist nicht einleuchtend, dass der
Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter den dargelegten massiven Eingriff in die
Berufsfreiheit und die prinzipielle verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieses Berufes rechtfertigen
kann. Deshalb ist die geplante 80/20 Regelung schon aus diesem Grunde unhaltbar.
III.
Zur Vereinbarkeit der Werbeklausel mit Art. 12 I GG
Neben der geplanten Entgeltregelung muss auch die in § 14 II Nr. 1 vorgesehene Werbeklausel auf den
verfassungsrechtlichen Prüfstand. Werbebeschränkungen können unterschiedliche Grundrechte
betreffen. Es ist jedoch anerkannt, dass die Wirtschaftswerbung, um die es hier im Kern geht,
insbesondere ein Bestandteil des Art. 12 I GG ist, soweit die Werbung den Absatz von Produkten eines
90
S. auch BVerwG Gewarch 2001, 334, 337.
40
Dienstleisters betrifft92. Inhaltlich umfasst die Freiheit der Wirtschaftswerbung das Recht, in Wort,
Schrift, Bild und Ton auf wirtschaftliche Produkte und Leistungen auch durch Anpreisung
aufmerksam zu machen93.
Die Werbefreiheit als Teil der Berufsausübung kann gesetzlich eingeschränkt werden, soweit dies
durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Einerseits wird damit die
Regelungsschwelle relativ niedrig angesetzt. Denn dieses allgemein gehaltene und juristisch kaum
greif- und abgrenzbare Kriterium bietet als Leerformel kein ernsthaftes Hindernis für
Ausübungsbeschränkungen94. Und es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Begründung von
diesem Passus unter Rückgriff auf § 4 insoweit auf die durch § 1 geschützten Gemeinwohlbelange
verweist. Andererseits macht es einen Unterschied, ob sich die Werbeanforderungen an ein staatliches
Unternehmen oder an gesetzlich ausdrücklich gestattete gewerbliche Vermittler richten, die auf die
Werbung als Bedingung einer staatlich gewollten Gewinnerzielung angewiesen sind. Hier stellt sich
der Eingriff in die Werbefreiheit viel intensiver dar als bei staatlichen Gesellschaften, die nicht auf
Gewerblichkeit ausgerichtet sind. Insoweit gelangen Werbebeschränkungen in einen Konflikt mit der
Zulassung von Glücksspielen und der Zulassung der gewerblichen Spielevermittlung, die auf Werbung
angewiesen ist, um das durch Art. 12 I GG und § 14 des Vertragsentwurfes geschützte Gewinnziel zu
erreichen. Eine pauschale Festlegung auf eine angemessene Werbung verfehlt das Berufsziel des
Spielevermittlers, dessen Werbemaßnahmen unter gewerblichen Gesichtspunkten betrachtet werden
müssen. Insoweit dürfen Werbebeschränkungen jedenfalls nicht dazu führen, dass Vermittler deshalb
erwägen müssen, das Gewerbe aufzugeben. Diese Folge ist schon deshalb unhaltbar, weil damit die
Werbung der staatlichen Veranstalter für staatlich anerkannte Produkte keinesfalls entfällt, sondern zu
Lasten der gewerblichen Vermittler festgesetzt wird. Dafür liefert aber Art. 12 I GG keine sachliche
Rechtfertigung, zumal auch in diesem Falle das Ziel, übermäßige Spielanreize zu vermeiden, verfehlt
wird. Daher ist auch die angedachte Werbebeschränkung verfassungswidrig.
IV.
Zur Vereinbarkeit der Transparenzklausel mit Art. 12 I GG
Auch die in dem Entwurf geforderte Transparenz der gewerblichen Spielevermittlung gegenüber
Kunden und Veranstaltern ist aus dem Blickwinkel der Berufsfreiheit zu hinterfragen. Hinsichtlich der
Transparenz gegenüber den Spielteilnehmern wurde ausgeführt, dass die Abwicklungspraxis und die
Technisierung der dabei zu erbringenden Dienstleistung der Vermittler eine lückenlose
91
92
93
LT-Drucks. BaWü, 13/111 6, S. 1f.
S. zur Abgrenzung BVerfG, NJW 2000, 1636 und 1326; Stober, Fn. 17, § 19 I 1 a.
S. etwa Ring, GRUR 1986, 845 f.
41
Rückverfolgung der Vorgänge gestattet und die Spieler feststellen können, welche Gebühren anfallen.
Darüber hinaus werden sie durch zahlreiche zivilrechtliche Vorschriften, insbesondere die
Informationspflichtenverordnung als Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie geschützt, die durch das
Straf- und Gewerberecht ergänzt werden. Damit wird berechtigten Gemeinwohlbelangen ausreichend
Rechnung getragen. Der Entwurf legt aber im Zusammenhang mit § 14 nicht dar, welche
Gemeinwohlanforderung eine Verschärfung dieser Transparenzvorschriften gegenüber dem bisherigen
Zustand gebietet.
Die Formulierung des § 14 IV legt indes die Vermutung nahe, dass die Spielevermittler den
Glücksspielveranstaltern hinsichtlich der Überwachung gleichgestellt werden sollen, obwohl sie deren
Status nicht besitzen. Während es sachlich angemessen sein kann, Veranstaltern nach § 12 I
permanente Auskunftspflichten aufzuerlegen, um dem Ziel des geplanten Staatsvertrages zu
entsprechen, ist die Ausdehnung dieser Pflicht auf Vermittler sachlich nicht begründet, weil das
Gefahrenpotential nicht identisch ist. Das übersieht der Entwurf, der wegen seiner dünnen Begründung
nur so verstanden werden kann, dass die staatliche Überwachung der Spielevermittler erleichtert
werden soll. Demgegenüber hat das BVerfG zutreffend klargestellt, dass die Berufsausübungsfreiheit
nicht nur im Interesse einer leichteren staatlichen Überwachung beschränkt werden darf95.
V.
Zur Verhältnismäßigkeit der Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die beschriebenen Eingriffe in die Berufsfreiheit verhältnismäßig
sind. Das wäre nur der Fall, wenn die Regelungen der gewerblichen Spielevermittlung erforderlich und
zumutbar sind96. Erforderlich ist eine Regelung nur dann, wenn nicht andere geeignete Maßnahmen
zur Verfügung stehen, welche die Betroffenen in ihren Rechten weniger beeinträchtigen. Das ist die
Frage nach alternativen Lösungskonzepten. Insoweit ist daran zu erinnern, dass es bislang keine
Normierung der Tätigkeit der gewerblichen Spielevermittlung gab. Das heißt aber nicht, dass die
fluxx.com im rechtsfreien Raum operierte. Vielmehr ist sie dem Gewerberecht und damit der
Gewerbeordnung unterworfen, wie sich auch aus dem Text des § 14 und der Entwurfsbegründung
ergibt. Das bedeutet, dass auf der Grundlage des § 14 GewO eine Gewerbeüberwachung erfolgt, die
bei Unzuverlässigkeit zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO führen kann. Insbesondere die
berufs- und existenzvernichtende Untersagungsmöglichkeit ist ein wirksames Instrument, auch
gewerbliche Spielevermittler angemessen zu disziplinieren, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, dass
das Unternehmen eingestellt wird.
94
95
96
Hufen, NJW 1994, 2913, 2918.
BVerfGE 86, 28.
BVerwGE 96, 292, 298; 96, 302, 311; BVerfGE 102, 197 ff.
42
Darüber hinausgehend wird in der Entwurfsbegründung zu § 14 zur Regelungskompetenz ausgeführt,
die Spielevermittler handelten häufig in der gleichen Weise wie Lotterieveranstalter und zumindest die
Lotterieveranstalter im Sinne der §§ 6 ff. des Staatsvertrages böten keine Gewähr, dass die vermittelten
Spielverträge entsprechend den Vorgaben des Staatsvertrages abgewickelt würden. Diese Aussage ist
schon deshalb schief, weil Vermittler keine Glücksspielveranstalter sind und nicht belegt ist, worin die
angebliche Ähnlichkeit des Handelns besteht. Hinsichtlich der geforderten Transparenz und der
Ordnungsmäßigkeit der Abwicklung ist daran zu erinnern, dass die fluxx.com mit den
Lottogesellschaften
in
Schleswig-Holstein
und
Brandenburg
zusammenarbeitet.
Diese
Staatsunternehmen greifen auf die Kompetenzen der Spielevermittler im Rahmen einer Public-PrivatePartnership zurück, indem sie Serviceleistungen bereitstellen und damit als Lottohelfer in den
staatlichen Spielbetrieb eingeschaltet sind. Diese Beauftragung mit der Spielscheinabwicklung, dem
Zahlungsverkehr und der Kundenbetreuung konnte aber nur erfolgen, weil die fluxx.com als seriöser
Partner anerkannt ist und eine sichere Geschäftsabwicklung garantiert. Folglich erfüllt die fluxx.com
die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Spielerbetreuung und einen sicheren Transfer der
Gelder. Da dieses Unternehmen somit den höchstmöglichen, auch im Hinblick auf die
Vertragsabwicklung geschützten Sicherheitsstandard bietet, ist nicht ersichtlich, weshalb zusätzlich
eine gesetzliche Regelung notwendig ist. Auch gegenüber den Veranstaltern fehlt es an der
Notwendigkeit, eine Offenlegung jedes Spielvertrages zu verlangen, da – wie dargelegt – die
gegenwärtige Abwicklungspraxis ausreicht und der Entwurf einen zusätzlichen Bedarf nicht schlüssig
begründet.
VI.
Zur Unzumutbarkeit der 20-Prozent-Regelung
Neben der Erforderlichkeit der Regelung der gewerblichen Spielevermittlung könnte es auch an der
Zumutbarkeit
der
20-Prozent-Höchstentgeltklausel
fehlen.
Insoweit
heißt
es
in
der
Entwurfsbegründung nur, es soll verhindert werden, dass der natürliche Spieltrieb zu gewerblichen
Zwecken ausgebeutet wird. Die Verwendung des Wortes Ausbeutung ist im Kontext mit der
Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften gebräuchlich (§ 138 BGB) und wird dort näher erläutert.
Hingegen wird dieser Ausdruck im Zusammenhang mit der gewerblichen Spielevermittlung nicht
konkretisiert, weshalb unklar bleibt, worin die Ausbeutung genau besteht. Bezieht man diesen Begriff
auf den Entwurfstext, dann scheint die bisherige Entgeltpraxis als Ausbeutung eingestuft zu werden.
Dieser Behauptung ist aber die Finanzierung der fluxx.com entgegenzuhalten, die für die
Bereitstellung der Dienstleistungen einen entsprechenden Ausgleich verlangen darf. Davon geht auch
die Regelung des § 14 aus, die ausdrücklich eine Gewinnerzielung gestattet. Die geplante Klausel
43
verhindert jedoch eine Gewinnerzielung, weshalb das Zumutbarkeitsgebot verletzt sein kann, das vom
Bundesverfassungsgericht wie folgt formuliert wird: „Bei einer Gesamtabwägung zwischen der
Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss
die
Grenze
der
Zumutbarkeit
gewahrt
sein97.“
In
diesem
Zusammenhang
hat
das
Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Verstoß vorliegt, wenn die Erhöhung des
Vergnügungssteuersatzes die gewerbliche Aufstellung von Gewinnspielgeräten in aller Regel
wirtschaftlich unmöglich macht und durch die erdrosselnde Wirkung dem steuerlichen Hauptzweck
der Einnahmeerzielung geradezu zuwiderlaufen würde98. Überträgt man diesen Fall auf die
gewerbliche Spielevermittlung, dann steht fest, dass die massive Absenkung der Handling-Fee für die
Vermittlung von Spielgemeinschaften wegen ihrer erdrosselnden Wirkung ebenso dazu führt, dass der
Betrieb eingestellt werden muss. Diese Folge widerspricht jedoch dem Konzept der Berufsfreiheit und
des Abgabenstaates, weshalb diese Klausel für die fluxx.com unzumutbar ist und es deshalb bei der
bisherigen Praxis bleiben muss, wie die Modellrechnung bei einer 60/40-Regelung gezeigt hat.
K.
Verstoß gegen die Eigentumsgarantie
Art. 14 GG ist neben Art. 12 GG das zweite Hauptgrundrecht wirtschaftlicher Freiheit. Ihm kommt im
Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich
zu sichern und dem Grundrechtsträger durch Zubilligung und Sicherung von Herrschafts-, Nutzungsund Verfügungsrechten eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu ermöglichen 99. Er ergänzt Art.
12 GG dahin, dass neben dem Schutz des Erwerbs auch das durch den Arbeitsertrag Erworbene
behalten werden darf. Aus dieser Abgrenzung folgt zwar, dass Art. 14 I GG nur Rechtspositionen
schützt, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen. Das ist der vorhandene Bestand an Gütern und
Rechten, der Bestandsschutz verdient, während Vermarktungschancen oder andere in der Zukunft
liegende Verdienstmöglichkeiten nicht garantiert werden.
Auf die fluxx.com gewendet bedeutet diese Gewährleistung, dass zu prüfen ist, ob die zu einem
faktischen Berufsverbot führende 80-Prozent-Weiterleitungsklausel des § 14 II Nr. 3 nicht gleichzeitig
auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG verletzt. Als einschlägige Rechtsposition kommt der
eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb der fluxx.com in Betracht, der als Ergänzung der durch
Art. 12 I GG geschützten Gewerbefreiheit den Gewerbebetrieb vermögensrechtlich in seinem
Kernbestand schützt. Der Gewerbebetrieb in diesem Sinne wird definiert als die organisierte
Zusammenfassung von persönlichen und sachlichen Mitteln zu einem auf Erwerb gerichteten
97
98
99
BVerfGE 30, 292, 316; BGH, NJW 1999, 3406; BVerfG, GewArch 2001, 61, 64.
BVerwG, DVBl. 1972, 144; BVerwG, NVwZ 1989, 1175.
S. näher Stober, Fn. 17, § 22.
44
Unternehmen. Er ist nicht nur in seinem Bestand, sondern auch in seinen einzelnen
Erscheinungsformen geschützt, wozu der gesamte Tätigkeitskreis gehört, der den wirtschaftlichen
Wert des Betriebes ausmacht. Im Falle der fluxx.com geht es primär um das Know-how, das in den
Geschäftsfeldern Gambling Products Services sowie Gambling Distribution erworben wurde und das
sich etwa in den Dienstleistungen für die Spielscheinabwicklung und insbesondere der Organisation
von Spielgemeinschaften wiederspiegelt.
Zwar ergibt sich die konkrete Reichweite der entfalteten Eigentumsgarantie für den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb der fluxx.com aus den Bestimmungen über Inhalt und Reichweite des
Eigentums. So unterliegt das Eigentum einer Sozialbindung, die insbesondere im Glücksspielsegment
relevant wird, um den in § 1 und § 4 des Entwurfs zum Staatsvertrag genannten
Gemeinwohlanforderungen gerecht zu werden. Die damit konkretisierte Eigentumspflichtigkeit wird
jedoch verlassen, wenn eine Enteignung anzunehmen ist, die sich in einem Eingriff in eine individuelle
und konkrete Rechtsposition manifestiert. Diese Rechtsposition ist das Know-how, das sich die
fluxx.com über die Jahre hinweg aufgebaut hat, um auf dem Markt der gewerblichen Spielevermittler
zu agieren und Spielgemeinschaften zu organisieren. So hat der Bundesgerichtshof kürzlich
entschieden, dass etwa ein Vertriebsverbot für Traubenkernöl ein enteignungsgleicher Eingriff in den
Gewerbebetrieb des Winzers sein kann100. Ähnlich verhält es sich mit der massiven Senkung der
Bearbeitungsgebühr für Vermittlungen auf dem Sektor Spielgemeinschaften, die letztlich mangels
Gewinnmöglichkeit zu einem faktischen Vertriebsverbot führt.
Derartige Enteignungen wären nur zulässig, wenn es zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben
unumgänglich ist, den konkreten Eigentumsgegenstand in die Hand des Staates zu bringen. Diese
Folge ist für die gewerbliche Spielevermittlung klar zu verneinen, weil sie ausdrücklich zulässig sein
soll und der Staat letztlich von den Aktivitäten der Vermittler durch Einnahmen erheblich profitiert.
L.
Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit
Neben dem nationalen Recht hat der zur Prüfung stehende Entwurf des Staatsvertrages auch
gemeinschaftsrechtliche
Vorgaben
zu
berücksichtigen.
Dieser
Aspekt
wäre
selbst
dann
einzukalkulieren, wenn die Bundesländer regelungsbefugt wären. Denn Art. 23 GG i.V.m. dem EGVertrag erstreckt den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zur Realisierung des
Binnenmarktes insbesondere auf das materielle Recht101.
100
101
BGH, NVwZ-RR 2000, 744.
S. näher Stober, Fn. 19, § 9 III.
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Nach Art. 14 II EG erstrecken sich die von allen Mitgliedstaaten zu beachtenden Verkehrsfreiheiten
auch auf die hier einschlägige Dienstleistungsfreiheit102. Denn bei den von der fluxx.com erbrachten
kaufmännischen und gewerblichen Tätigkeiten der Gambling Products & Services sowie der Gambling
Distribution handelt es sich um Leistungen im Sinne des Art. 50 EG. Dazu zählen auch die Teledienste
(E-Services) sowie die Spielevermittlungen. Art. 50 EG ist auch anwendbar, weil es Ziel der fluxx.com
ist, den flächendeckenden Vertrieb von Glücksspielprodukten über die Grenze Deutschlands hinaus
auszuweiten. Unabhängig davon ist die fluxx.com über die Akquisition der österreichischen
Internetfirma interjockey.com schon heute am internationalen Pferdewettmarkt beteiligt. Damit ist ein
grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben103. Zwar sind nationale Rechtsvorschriften, welche die
Durchführung von Lotterien verbieten gemäß Art. 55 i.V.m. 46 EGV gemeinschaftskonform, wenn sie
sozial- oder strafpolitische Ziele verfolgen. Aber selbst eine Beschränkung der Dienstleistungen der
fluxx.com über Entgeltregelungen und über Werberestriktionen wäre nach ständiger Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts 104 nur zulässig, wenn die Normen
sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. Daran fehlt es aber bei dem Entwurf des § 14, wie
bereits bei der Prüfung der Berufsfreiheit dargelegt wurde. Zum einen sind die geplanten Regelungen
nur scheinbar damit motiviert, die Spielsucht einzudämmen und die Kunden zu schützen. Sie zielen
vielmehr ausweislich der bisherigen Ausführungen darauf ab, das staatliche Lotteriewesen zu stärken
und die Staatseinnahmen zu erhöhen. Diese wirtschaftlichen Gründe rechtfertigen aber keine
Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit105. Zum anderen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
sowohl nach nationalem Recht als auch nach Gemeinschaftsrecht identisch zu interpretieren. Folglich
liegt auch ein Verstoß gegen Art. 49 ff. EGV vor.
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105
S. etwa Voßkuhle, GewArch 2001, 177, 182 m.w.N.; VerwArch 87 [1996], 395, 414 ff.
S. dazu auch Koenig/Braun, SächsVBl. 2002, 157 ff.
S. etwa EuGH, GewArch 2000, 19 ff.; BVerwG, GewArch 2001, 334, 337.
s. auch Koenig/Braun, SächsVBl. 2002, 157, 161 ff; Voßkuhle, VerwArch 87 [1996], 395, 419, 422.
46
M.
Fazit
I.
Das hier im Mittelpunkt stehende Recht der gewerblichen Spielevermittlung ist in Deutschland
bislang nicht speziell, sondern rudimentär geregelt. Der Entwurf betritt insoweit juristisches
Neuland, wobei er kaum auf Schrifttum und Rechtsprechung zurückgreifen kann.
II.
Eine besondere Regelung des Rechts der gewerblichen Spielevermittlung ist nicht erforderlich.
Es fehlt vor allem an einem nicht näher begründeten Regelungsbedarf, der aber nach moderner
Staats- und Rechtsetzungspraxis (Blaue Prüffragen) Voraussetzung für ein gesetzgeberisches
Tätigwerden ist. Statt dessen ist die gewerberechtliche Überwachung ausreichend.
III.
Der Entwurf befasst sich nicht mit Regelungsalternativen, obwohl es dafür Anhaltspunkte im
Lotteriewesen gibt (Zertifizierung durch die WLA und Prüfung durch Sachverständige nach §
12 I Nr. 3 des Entwurfs des Staatsvertrages), die einem allgemeinen staatlichen Trend
entsprechen, das Wirtschaftsüberwachungs- und Ordnungsrecht auf die Unternehmen und ihre
Verbände im Interesse der Stärkung der Eigenverantwortung zurückzuverlagern. Insofern
bieten
sich
auch
Verpflichtungen
Selbstverpflichtungen
gegenüber
Veranstaltern
und
Verhaltenskodizes
als
moderne
oder
vertragliche
Regelungsoption
im
Gewährleistungsstaat an.
IV.
Die
Bundesländer
besitzen
keine
Zuständigkeit
zur
Regelung
der
gewerblichen
Spielevermittlung im Wege des Online-Vertriebes, da diese Materie dem bundesrechtlichen
Teledienstrecht unterfällt. Im übrigen weist die gewerbliche Spielevermittlung ein starkes
wirtschaftliches Gepräge auf, weshalb ebenfalls eine Bundeskompetenz nach Art. 74 I Nr. 11
GG gegeben ist. Deshalb sind die Normierungen der gewerblichen Spielevermittlung insoweit
formell verfassungswidrig.
V.
Die Regelung der gewerblichen Spielevermittlung verstoßen gegen das Prinzip der
Systemgerechtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sowie gegen das
Bestimmtheitsgebot von Normen.
VI.
Die Regelung der gewerblichen Spielevermittlung steht nicht im Einklang mit der
Berufsfreiheit, weil die geplanten Anforderungen zu einer faktischen Berufsaufgabe des
47
Geschäftsfeldes der Vermittlung von Spielgemeinschaften führen, sachlich nicht gerechtfertigt
und unverhältnismäßig sind.
VII.
Die Regelung der gewerblichen Spielevermittlung wirkt wie eine Enteignung des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs.
VIII.
Die Regelung der gewerblichen Spielevermittlung missachtet die gemeinschaftsrechtliche
Dienstleistungsfreiheit, die ebenfalls nur verhältnismäßige Beschränkungen gestattet.
IX.
Die im Entwurf des Staatsvertrages vorgesehene Regelung der gewerblichen Spielevermittlung
ist daher verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig. Um die Verstöße gegen das Grundgesetz
und den EG-Vertrag zu vermeiden, wird empfohlen, auf eine Normierung zu verzichten und
die vorgeschlagenen Regelungsalternativen zu prüfen.
Hamburg, den 04.02.2003
(Prof. Dr. Dr. h.c. Rolf Stober)
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