Landtag von NÖ, XII. Gesetzgebungsperiode Tagung 1985/86 42. Sitzung am 12. Juni 1986 INHALT: 1. 2. 3. 4. Eröffnung durch Präsident Reiter (Seite 505) Abwesenheitsanzeige (Seite 505) Verlesung des Einlaufes (Seite 506) Verhandlung: Antrag des Verfassungs- und Rechtsausschusses über den dritten und vierten Bericht der Volksanwaltschaft an den Niederösterreichischen Landtag, sowie die Äußerung der NÖ Landesregierung. Berichterstatter: Abg. Böhm (Seite 507); Abstimmung (Seite 507). Antrag des Wirtschaftsausschusses über den Antrag mit Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr.Bernau u.a., mit dem das NÖ Raumordnungsgesetz 1976 geändert wird. Berichterstatter: Abg. Hoffinger (Seite 507); Redner: Abg. Trabitsch (Seite 508), Abg. Krenn (Seite 509); Abstimmung (Seite 510). Antrag des Kommunalausschusses über die Vorlage der Landesregierung betreffend den Gesetzentwurf, mit dem das Gesetz über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden geändert wird (Markterhebung Gemeinde Hirschbach). Berichterstatter: Abg. Rabl (Seite 510); Abstimmung (Seite 510). Antrag des Kommunalausschusses über die Vorlage der Landesregierung betreffend den Gesetzentwurf, mit dem das Gesetz über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden geändert wird (Markterhebung Gemeinde Ringelsdorf-Niederabsdorf, Namensänderung Weissenbach a.d. Triesting). Berichterstatter: Abg. Deusch (Seite 510); Redner: Abg. Fux (Seite 511), Abg. Lugmayr (Seite 512); Abstimmung (Seite 513). Antrag des Umweltausschusses über den gemeinsamen Antrag der Abgeordneten Spiess, Wedl u.a. betreffend Maßnahmen bei Unfällen, die eine Strahlenverseuchung bewirken. Berichterstatter: Abg. Dipl.Ing.Rennhofer (Seite 513); Redner: Abg. Klupper (Seite 514), Abg. Wedl mit Resolutionsantrag (Seite 517), Abg. Spiess (Seite 522), Abg. Wedl (Seite 526); Abstimmung (Seite 526). Antrag des Finanzausschusses über den gemeinsamen Antrag mit Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr.Bernau, Lechner u.a., mit dem das NÖ Parteienförderungsgesetz geändert wird. Berichterstatter: Abg. Kurzbauer (Seite 526); Abstimmung (Seite 527). PRÄSIDENT REITER (um 10.00 Uhr): Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der letzten Sitzung ist geschäftsordnungsmäßig aufgelegen, es ist unbeanstandet geblieben, demnach als genehmigt zu betrachten. Von der heutigen Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Landesrat Dr.Slawik und Herr Abg. Icha. Auf der Galerie haben Schülerinnen und Schüler des Bundesgymnasiums Bruck und einer Handelsschule aus Wien mit ihren Lehrkräften bzw. Professoren Platz genommen; ich darf sie bei uns begrüßen. Ich setze das Geschäftsstück Ltg. 235/A, welches im Umweltausschuß am 10.6.1986 erledigt wurde, noch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung. Wird dagegen ein Einwand erhoben? Das ist nicht der Fall. Der Ausschußantrag sowie der geänderte Antrag Ltg.235 wurden den Abgeordnetenklubs übermittelt. Ich darf bekanntgeben, daß der NÖ Landtagsklub der ÖVP mit Schreiben vom 9.Juni 1986 folgende Änderungen in der Zusammensetzung der Geschäftsausschüsse bekanntgegeben hat: Sozialausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dkfm.Vinzenz Höfinger Herr Abg. August Breininger als Mitglied, anstelle von Herrn Abg. August Breininger Herr Abg. Karl Trabitsch als Ersatzmann. Umweltausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dkfm.Vinzenz Höfinger Herr Abg. Georg Hoffinger als Ersatzmann. Unvereinbarkeitsausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dkfm.Vinzenz Höfinger Herr Abg. Georg Hoffinger als Mitglied, anstelle von Herrn Abg. Georg Hoffinger Herr Abg. Karl Trabitsch als Ersatzmitglied. Verfassungs- und Rechtsausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dkfm.Vinzenz Höfinger Herr Abg. August Breininger als Ersatzmitglied. Wirtschaftsausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dkfm.Vinzenz Höfinger Herr Abg. Karl Kurzbauer als Mitglied, anstelle von Herrn Abg. Karl Kurzbauer Herr Abg. Ing.Edgar Schober als Ersatzmitglied. Der Klub der sozialistischen Landtagsabgeordneten Niederösterreichs hat mit Schreiben vom 10.6.1986 folgende Änderungen in den Besetzungen der Geschäftsausschüsse bekanntgegeben: Kommunalausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dr.Franz Slawik Herr Abg. Josef Mohnl als Ersatzmitglied. Kulturausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dr.Franz Slawik Herr Abg. Josef Mohnl als Mitglied. Landwirtschaftsausschuß: anstelle von Herrn Abg. Anton Koczur Herr Abg. Anton Rupp als Ersatzmitglied. Schulausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dr.Franz Slawik Herr Abg. Josef Mohnl als Mitglied. Verfassungsausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dr.Franz Slawik Herr Abg. Josef Mohnl als Ersatzmitglied. Wirtschaftsausschuß: anstelle von Herrn Landesrat Dr.Franz Slawik Herr Abg.Josef Mohnl als Ersatzmitglied. Ich ersuche um Verlesung des Einlaufes: SCHRIFTFÜHRER (liest): Ltg.241/A-1/35 Gemeinsamer Antrag mit Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr.Bernau, Lechner u.a., mit dem das NÖ Parteienförderungsgesetz geändert wird. Ltg.237/H-11/6 Vorlage der Landesregierung betreffend A.ö. Krankenhaus Lilienfeld, Beitrag des Landes zum Ausbau; Aufstockung der Landeshaftung für ein Darlehen zum Krankenhausausbau. Ltg.238/H-3/5 Vorlage der Landesregierung betreffend NÖSIWAG, Niederösterreichische Siedlungswasserbau Gesellschaft mbH., Übernahme der Landeshaftung im Sinne des § 10 Abs.4 Wasserbautenförderungsgesetz. Ltg.243/H-8/4 Vorlage der Landesregierung betreffend Landes-Finanzsonderaktion für Gemeinden, Erhöhung des Kredit- und Haftungsrahmens. Ltg.244/H-1/14 Vorlage der Landesregierung betreffend Fa. Interprofil GFK-Fenster und Bausysteme GesmbH, Hohenberg, Antrag auf Übernahme einer Landeshaftung für 80 % eines Kredites in der Höhe von S 7,750.000. Ltg.240/K-4 Vorlage der Landesregierung betreffend den Gesetzentwurf über das Kindergartenwesen im Land Niederösterreich (NÖ Kindergartengesetz 1986). Ltg.239/R-1/2 Bericht der Landesregierung betreffend Rechnungsabschluß des Landes Niederösterreich für das Jahr 1985. Ltg.245/B-9/2 Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Land- und Forstwirtschaftsinspektion im Jahre 1985. Ltg.246/B-1/7 Bericht des Finanzkontrollausschusses des Landtages von Niederösterreich über die bei Ausübung seines Kontrollrechtes gemachten Wahrnehmungen, II/1986. Ltg.242/V-11/3 Vereinbarung gemäß Art.15 a B-VG, mit der die Vereinbarung über den höchstzulässigen Schwefelgehalt in Heizöl geändert wird. Ltg.zu 209/L-7 Einspruch der Bundesregierung gemäß Art.98 Abs.2 B-VG gegen den Gesetzesbeschluß des NÖ Landtages vom 10.April 1986 über Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft (NÖ Luftreinhaltegesetz). PRÄSIDENT REITER (nach Zuweisung bzw. Mitteilung der bereits erfolgten Zuweisung des Einlaufes an die zuständigen Ausschüsse): Ich beabsichtige, das Geschäftsstück Ltg. 241, welches bereits am 10.Juni 1986 im Finanzausschuß erledigt wurde, im Anschluß an das Geschäftsstück Ltg. 235 noch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen. Wird dagegen ein Einwand erhoben? Das ist nicht der Fall. Der Ausschußantrag wurde den Abgeordneten bereits in die Klubs übermittelt. Wir gelangen somit zur Beratung der Tagesordnung. Ich ersuche den Herrn Abg.Böhm, die Verhandlungen zur Ltg. 231 einzuleiten. Berichterstatter Abg. BÖHM (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Ich habe zur Ltg. 231/B-17/1 zu berichten. Die Volksanwaltschaft hat im Dezember 1985 den Dritten und Vierten Bericht dem Landtag zugemittelt, der sich auf die Tätigkeit der Volksanwaltschaft im Land Niederösterreich in den Jahren 1983 und 1984 bezieht. Dieser Bericht ist in einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil gegliedert und ist allen Abgeordneten des Hauses zugegangen. Zu diesem Dritten und Vierten Bericht der Volksanwaltschaft hat die Landesregierung eine zwölfseitige Äußerung abgegeben und auch zu einzelnen Punkten Stellung genommen. Ich darf dazu berichten, daß insgesamt 462 Beschwerden in den Jahren 1983 und 1984 an die Volksanwaltschaft aus dem Bereich des Landes Niederösterreich herangetragen wurden. Der größte Teil davon bezieht sich auf Angelegenheiten des Baurechts, der Raumordnung und des Straßen- und Verkehrswesens, die nach den landesgesetzlichen Vorschriften den Gemeinden zur Vollziehung im eigenen Wirkungsbereich übertragen sind. Die Mehrheit der Beschwerden bezieht sich also auf den Bereich der Gemeindeverwaltung. Dieser Umstand ist sicher in der Nähe der Kommunalverwaltung zum Bürger begründet, aber auch darin zu suchen, daß im Gemeindeverwaltungsbereich eben mehr behördliche Aufgaben als etwa in der Landesverwaltung zu erfüllen sind. Gemessen an dieser großen Zahl von Verwaltungsaufgaben der Gemeinden und an der Vielzahl von Verwaltungsentscheidungen ist die Zahl der Beschwerden sicherlich gering. Der Verfassungs- und Rechtsausschuß hat sich mit dieser Materie befaßt und darüber in Anwesenheit des Volksanwaltes Dr.Bauer ausführlich diskutiert. In dieser Diskussion wurde auch darauf verwiesen, daß die Volksanwaltschaft nicht etwa eine Instanz im Verwaltungsverfahren oder im Gericht ist, wie von manchen Beschwerdeführern vielleicht noch immer angenommen wird. Namens des Verfassungs- und Rechtsausschusses darf ich daher folgenden Antrag stellen (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: Der Dritte und Vierte Bericht der Volksanwaltschaft an den Niederösterreichischen Landtag sowie die Äußerung der NÖ Landesregierung werden zur Kenntnis genommen." Ich darf den Herrn Präsidenten ersuchen, die Debatte einzuleiten und die Abstimmung vorzunehmen. PRÄSIDENT REITER: Zum Wort ist niemand gemeldet. (Nach Abstimmung über den Antrag des Verfassungs- und Rechtsausschusses): Einstimmig angenommen. Ich ersuche den Herrn Abg. Hoffinger, die Verhandlungen zu Ltg. 236 einzuleiten. Berichterstatter Abg. HOFFINGER (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! Ich berichte über die Ltg. 236/A-1/ 34-1986 betreffend Änderung des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976. In den letzten Jahrzehnten haben betriebliche Konzentrations- und Expansionsbestrebungen Strukturveränderungen bewirkt, die vor allem die wirtschaftliche Situation kleiner und mittlerer Nahversorgungsunternehmer drastisch verschärft haben. Der Anteil der kleinen Mittelbetriebe, besonders im Handel, ist in den letzten Jahren wesentlich zurückgegangen, wobei besonders der Lebensmitteleinzelhandel betroffen war. Die kleinen Nahversorgungsunternehmen, deren Bedeutung für die Lebensqualität des betreffenden Gebietes wohl außer Frage steht, geraten zudem noch in eine Konfrontation mit dem Vordringen von Diskontfilialsystemen in kleinerflächigen Verbrauchermärkten in kleineren Orten und Stadtteilen. Dieser Trend hält weiterhin an. Zur Lösung der Probleme der Nahversorgung und der Aufrechterhaltung einer entsprechenden Lebens- und Einkaufsqualität durch zumutbare Einkaufswegstrecken, insbesondere für junge Familien und ältere Leute, denen oft kein entsprechendes Fahrzeug zur Verfügung steht, sind raumordnungspolitische Maßnahmen erforderlich, die der Zerstörung des Nahversorgungsnetzes entgegenwirken. Damit könnte auch ein Beitrag zur Hebung der regionalen Lebensqualität geleistet werden. Als entsprechende raumordnungspolitische Maßnahme zur Entschärfung des dargestellten Problems wäre eine Verkaufsflächenreduzierung für Einkaufszentren auf 400 m2 in zentralen Orten der Stufe 1 bis 3 vorzusehen. Ich stelle daher namens des Wirtschaftsausschusses folgenden Antrag (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: 1. Der dem Antrag der Abgeordneten Dr. Bernau und andere beiliegende Gesetzentwurf, mit dem das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz 1976 geändert wird, wird genehmigt. 2. Die Landesregierung wird aufgefordert, das zur Durchführung dieses Gesetzesbeschlusses Erforderliche zu veranlassen." Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Verhandlung zu eröffnen und die Abstimmung vornehmen zu lassen. PRÄSIDENT REITER: Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gelangt Herr Abg. Trabitsch. Abg. TRABITSCH (ÖVP): Verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren haben umfangreiche betriebliche Konzentrations- und Expansionsbestrebungen im Handel entscheidende Strukturveränderungen ausgelöst. Die wirtschaftliche Situation kleiner und mittlerer Nahversorgungsunternehmen hat sich sehr dramatisch verschärft. Was heißt Nahversorgung? Zur Nahversorgung könnte man praktisch alles zählen, was zur Versorgung der Menschen dient, also den gesamten Strukturbereich. In der Diskussion aber wird der Begriff Nahversorgung heute wesentlich enger gefaßt. In der Regel zählt dazu jener Güter- und Leistungsbedarf, der unbedingt erforderlich ist und eher privatwirtschaftlich befriedigt wird. Im Mittelpunkt der Nahversorgungspolitik steht aber die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfes wie Lebensmittel, Getränke, Haushaltsartikel, Konsum- und Drogerieartikel, Papier, Kurzwaren, Kleintextilien, Tabak und Zeitschriften. Von einer Unterversorgung bzw. von einer Gefährdung der Nahversorgung wird gesprochen, wenn diese Güter nicht mehr in fußläufiger Entfernung, d.h. 500 bis 1.000 m bzw. bis zu 15 Minuten Gehzeit, erstanden werden können. Träger der Nahversorgung sind Betriebe des Einzelhandels, und konsumnahe Gewerbebetriebe. Der Anteil der Klein- und Mittelbetriebe im Handel - diese sind besonders betroffen - liegt bei 99 %. Davon entfallen 98 % auf Kleinstbetriebe mit weniger als 10 unselbständigen Beschäftigten. Die Zahl dieser Handelsunternehmen ging in den 70er Jahren relativ sehr stark zurück, vor allem als Folge eines deutlichen Ausleseprozesses bei den Kleinstbetrieben mit unter 10 Beschäftigten, es waren minus 8,6 %. Besonders deutliche Rückgänge sind in folgenden Branchen zu registrieren: Lebensmitteleinzelhandel in den letzten 10 Jahren in Österreich minus 3483, davon entfallen mehr als 2000 auf Niederösterreich. Parfumeriewarenhandel minus 2948, Tabakverschleißer minus 2120, Landesproduktenhandel minus 1060. Diese drastische Reduzierung der Nahversorgungsunternehmen wird noch von einem agressiven Vordringen von Diskontfilialsystemen sowie kleinflächigen Verbrauchermärkten in kleineren Orten und Stadtteilen begleitet. Die ortsansässige Handels- und Infrastruktur kommmt in eine direkte Konfrontation sowohl hinsichtlich der Preise als auch der Werbung dieser aggressiven Betriebsmethoden. Dabei kommt die Ertrags- und Kapitalschwäche der kleinen ortsansässigen Unternehmen voll zum Tragen. So sank die Eigenkapitalquote in Klein- und Mittelbetrieben des Wareneinzelhandels von rund 37 % der Bilanz im Jahre 1976 auf rund 23 % im Jahre 1982. Umgekehrt dazu stieg der Verschuldungsgrad, das heißt Fremdkapital in Prozent des Eigenkapitals, von rund 170 % auf rund 330 % an. Darüber hinaus stieg die Zahl der Selbstbedienungsläden des Lebensmittel- und Gemischtwareneinzelhandels in Österreich von 4960 im Jahre 1967 auf 8451 im Jahre 1983 an. Zum Aus- und Aufbau bestehender Filialunternehmen bzw. der stürmischen Entwicklung im Bereich der Diskontläden gesellt sich auch eine deutliche Veränderung der durchschnittlichen Verkaufsfläche: 1968 ca. 93 m2, 1983 ca. 231 m2. Darüberhinaus müssen im Zusammenhang mit der Nahversorgung immer wieder folgende Probleme in den Vordergrund gerückt werden, die ich ganz kurz anreißen möchte: Regionale Verschiebungen in der Siedlungsstruktur, Bevölkerungsverluste durch Abwanderung, Pendlerproblem, sozial kalkulierte Artikel, Überalterung der Unternehmerschaft, Nachwuchsproblem, stark zunehmende Verwaltungsarbeit durch die Betriebe. Die Nahversorgungspolitik hat in erster Linie die Erhaltung bestehender sowie die Ansiedlung neuer Betriebe in Nahversorgungsgebieten anzustreben. Es soll aber nicht nur das Überleben der Klein- und Mittelbetriebe zur Aufrechterhaltung der Nahversorgung gesichert werden, sondern es sollte auch der enormen volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Unternehmen Rechnung getragen werden. Lebensqualität und Einkaufsqualität sind nur bei Aufrechterhaltung zumutbarer Einkaufsstrecken für junge autolose Familien, ältere Menschen, Mütter mit Kleinkindern sowie Behinderte gegeben. Dieser ausschließlich im Sinne des Konsumenten formulierten Philosophie steht jedoch die fortlaufende Aufweichung des Nahversorgungsnetzes entgegen. Schon im Jahre 1984 wurde deshalb mit der Zielrichtung "Sicherung der Nahversorgung" eine Merkantil-Sonderaktion für Nahversorgungsgebiete geschaffen. Die bisherige knapp zweijährige Erfahrung der Sonderaktion zeigt nunmehr, daß die Richtlinien für die Sonderaktion zu eng gehalten erscheinen und diese daher nicht so richtig greift. Die Handelskammer Niederösterreich ist deshalb erst kürzlich an das Land herangetreten, die Vergabebestimmungen dieser Sonderaktion attraktiver zu gestalten. Schwerpunkte dabei sind: Anhebung der Umsatzgrenze von 3 Millionen auf 7 Millionen jährlich, Gewährung eines verlorenen Zuschusses im Ausmaß von jährlich mindestens 50.000 Schilling auf 5 Jahre, Betriebsberatung des WIFI, die nach zwei bis drei Jahren abermals durchgeführt werden soll. Gerade weil sich infolge der großen Strukturveränderungen die Probleme der Nahversorgung nicht kurzfristig lösen lassen, ist meiner Ansicht nach ein besonderes Engagement der öffentlichen Hand erforderlich. Von seiten des Bundes sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, vor allem durch Wettbewerbssteuern, finanzpolitische Maßnahmen, eindeutig vorgegeben. Änderungen in diesem Bereich sind, wenn überhaupt, nur zaghaft zu erwarten, ich denke da zum Beispiel an die Steuerreformen. Als Vertreter des niederösterreichischen Handels freut es mich besonders, daß das Land Niederösterreich mit der gegenständlichen Verkaufsflächenreduzierung eine weitere raumordnungs- und regionalpolitische Maßnahme zur Entschärfung der Nahversorgungssituation setzt. Die Beschränkung auf die zentralen Orte der Stufen 1 bis 3 trägt den eingangs erwähnten krisenhaften Erscheinungen Rechnung, und ich bin zuversichtlich, daß mit der nunmehrigen Verkaufsflächenreduzierung ein weiterer Schritt in Richtung Nahversorgungssicherung gesetzt wird, welcher zur Hebung der Lebensqualität vieler Menschen in unserem Land dient. (Beifall bei der ÖVP.) PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gelangt Herr Abg. Krenn. Abg. KRENN (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Landtages! In dieser Frage Raumordnung, Verringerung der Verkaufsflächen auf 400 m2, handelt es sich um keine parteipolitische Auseinandersetzung, sondern um eine Fachfrage. Sowohl der Herr Berichterstatter als auch der Kollege Trabitsch haben die Situation im Kleinhandel, vor allem im Lebensmittelkleinhandel, hier drastisch vor Augen geführt und ich kann mit einer kurzen Erklärung hier antreten und kann sagen, wir Sozialisten stimmen diesem Gesetze zu. Aber ich glaube, man sollte doch zur Kenntnis nehmen, daß das vielleicht eine Maßnahme ist, um die Nahversorgung besser zu gestalten, zumindestens das Schließen von Kleinbetrieben zu verhindern, die Verringerung der Verkaufsflächen aber nur eine bescheidene Maßnahme sein kann. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Das Übel liegt eigentlich wo anders. Lange Jahre hindurch haben nämlich sowohl der Kleinhandel wie die Konsumgenossenschaft durchaus existieren können; es gab hier sicherlich Konkurrenzverhältnisse, aber nicht so gravierend, daß deswegen der Kleinhandel zu Grunde gehen mußte. Die Wahrheit ist, daß die Preise im Kleinhandel oder in dem kleinen Geschäft halt leider höher sein müssen als in Diskontläden oder in Großläden. Und als seinerzeit diese Großläden immer mehr und mehr aus dem Boden schossen, war es natürlich so, daß der Konsument zu jenen Märkten fuhr, wo er seine Waren billiger einkaufen konnte, und das tut er auch heute noch. Andererseits wissen wir, daß heute so ein kleines Lebensmittelgeschäft ja kaum mehr den Besitzer ernähren kann, weil er einfach die Spanne gar nicht hat, die er notwendig hätte, um zu leben. Wir kennen also die Situation sehr gut. Vor allem in den letzten Jahren, als es die Liberalisierung der Gewerbeordnung gab, sind die Lagerhäuser, die Raiffeisen-Lagerhäuser, sehr große Konkurrenten vor allem des kleinen Handels geworden. Wie gesagt, Konsum und Kleinhandel haben durchaus miteinander leben können, aber diese Situation ist erst entstanden, als hier dann Waren nicht immer durch qualifiziertes Personal verkauft wurden. Sehen Sie, ich glaube, Liberalisierung mag ja schön sein, aber nicht in jeder Art. Die Frage, die sich uns stellt, ist nur, ob wir mit dieser Raumordnung nicht sehr entscheidend in eine Bundeskompetenz eingreifen, nämlich in die Gewerbeordnung. Ich mache darauf aufmerksam, daß es vielleicht einmal zu einer Verfassungsklage kommen könnte in dieser Frage, denn ich glaube nicht, daß es auf die Dauer haltbar ist, daß ein Raumordnungsgesetz so entscheidend in Angelegenheiten der Gewerbeordnung eingreifen kann. Das werden wir in Zukunft sehen. Wir sind der Meinung, daß hier vielleicht etwas unterbunden werden kann, nämlich daß weiterhin kleine Läden schließen müssen, aber eine echte Lösung der Nahversorgung, das müssen wir zur Kenntnis nehmen, stellt dieses heute zu beschließende Gesetz nicht dar. Hier, glaube ich, müßten wirklich andere Maßnahmen getroffen werden, um diese Nahversorgung zu garantieren. Auch wir sind der Auffassung, daß diese Nahversorgung aufrecht erhalten werden muß, vor allem die älteren Leute, die kein Fahrzeug haben, sind ja hier am meisten benachteiligt, weil sie ganz einfach entweder auf eine Nachbarschaftshilfe angewiesen sind oder eben weite Wege zurücklegen müssen, um ihren Bedarf decken zu können. Wir stimmen daher diesem Gesetz als Fraktion zu, machen aber schon darauf aufmerksam, daß damit das Problem nicht gelöst ist. (Beifall bei der SPÖ.) PRÄSIDENT REITER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das Schlußwort. Berichterstatter Abg. HOFFINGER (ÖVP): Ich verzichte. PRÄSIDENT REITER: Wir kommen damit zur Abstimmung. (Nach Abstimmung über den Wortlaut des Gesetzes sowie den Antrag des Wirtschaftsausschusses): Einstimmig angenommen. Ich ersuche den Abg. Rabl, die Verhandlungen zur Ltg. 230 einzuleiten. Berichterstatter Abg. RABL (ÖVP): Herr Präsident! Hoher Landtag! Zum vorliegenden Gesetzesentwurf ist zu berichten: Der Gemeinderat der Gemeinde Hirschbach hat in seiner Sitzung am 17.Mai 1984 einen einstimmigen Beschluß gefaßt, bei der NÖ Landesregierung um Erhebung zur Marktgemeinde anzusuchen. Hirschbach, urkundlich erstmals 1280 als "Hirzpach" benannt, war Mittelpunkt einer Grundherrschaft, deren Besitzer vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Rittergeschlecht der Topler war. Zwischen 1470 und 1480 erwarben die Freiherrn Streun zu Schwarzenau diese Herrschaft. Gabriel Streun ließ 1580 das neue Schloß in Hirschbach erbauen. 1612 folgten auf die Streun die Herren von Scherffenberg und 1626 die Herberstein. Am 24. November 1666 wurde dem Ort Hirschbach bereits von Kaiser Leopold I. das Marktrecht verliehen und zwar hat damals der Kaiser auf Bitte des Siegmund Ladislaus Graf von Herberstein das Marktrecht von dem zur Herrschaft Hirschbach gehörenden Ort Klein-Ruprechts übertragen, der damals auf Grund der kriegerischen Situation des Schwedeneinfalles von 1646/47 fast verödet war. 1760 kaufte Graf Veterani Hirschbach und vereinigte es mit seiner Herrschaft in Kirchberg am Walde; das Schloß in Hirschbach verlor nun seine Funktion als Herrschaftssitz und verfiel. 1850/54 wurde die Katastralgemeinde Hirschbach mit der Gemeinde Stölzles als freie Ortsgemeinde konstituiert. Im Jahr 1971 wurden im Zuge der Verbesserung der Kommunalstruktur in Niederösterreich Hirschbach und Stölzles mit Kirchberg am Walde zusammengeschlossen und es erlosch nun, da Hirschbach keine selbständige Gemeinde mehr war, das 1666 verliehene Marktrecht. Mit 1.Jänner 1985 ist Hirschbach mit Stölzles von der Marktgemeinde Kirchberg am Walde getrennt und wieder eine selbständige Gemeinde geworden. Da Hirschbach als Mittelpunkt einer Grundherrschaft historische Bedeutung aufzuweisen und seit der Marktrechtsverleihung von 1666 bis zur Eingemeindung 1971 den Status einer Marktgemeinde besessen hat, ist der vorliegende Antrag gerechtfertigt. Der Kommunalausschuß hat sich mit dieser Vorlage befaßt und ich darf namens des Kommunalausschusses folgenden Antrag stellen (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: 1. Der vorliegende Gesetzentwurf, mit dem das Gesetz über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden geändert wird, wird genehmigt. 2. Die NÖ Landesregierung wird beauftragt, das zur Durchführung dieses Gesetzesbeschlusses Erforderliche zu veranlassen." Ich bitte um Einleitung der Verhandlung und Abstimmung. PRÄSIDENT REITER: Es gibt keine Wortmeldung. (Nach Abstimmung über den Wortlaut des Gesetzes sowie den Antrag des Kommunalausschusses): Einstimmig angenommen. Ich ersuche den Herrn Abg. Deusch, die Verhandlungen zur Ltg. 232 einzuleiten. Berichterstatter Abg. DEUSCH (SPÖ): Herr Präsident! Hoher Landtag! Zur Ltg.232/G betreffend die Markterhebung der Gemeinde Ringelsdorf - Niederabsdorf sowie die Änderung der Schreibweise des Namens der Gemeinde Weißenbach an der Triesting darf ich folgendes berichten: I. Der Gemeinderat der Gemeinde Ringelsdorf - Niederabsdorf hat in seiner Sitzung am 21.Oktober 1985 den einstimmigen Beschluß gefaßt, bei der NÖ Landesregierung um Erhebung zur Marktgemeinde anzusuchen. Die NÖ Landesregierung hat umfangreiche Erhebungen geführt und es ist zusammenfassend festzuhalten, daß die Erhebung zur Marktgemeinde in Anbetracht der kommunalen Aufbauleistungen innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte zu rechtfertigen ist. Hiebei soll nicht außer Acht gelassen werden, daß gerade in einer wirtschaftlich benachteiligten Grenzlandgemeinde die Markterhebung Impulse geben kann, die Kommunalstruktur weiter zu verbessern und zusätzliche Aufbauarbeit zu leisten. II. Die NÖ Landesregierung hat mit Bescheid vom 19.November 1985 gemäß § 2 Abs.1 der NÖ Gemeindeordnung 1973 die vom Gemeinderat der Marktgemeinde Weißenbach an der Triesting am 13.Februar 1985 beschlossene Änderung des Namens der Marktgemeinde Weißenbach an der Triesting auf "Weissenbach an der Triesting" genehmigt. Es ist daher erforderlich, das Gliederungsgesetz an die geänderte Rechtslage anzupassen. Ich darf daher im Namen des Kommunalausschusses folgenden Antrag stellen (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: 1. Der vorliegende Gesetzentwurf, mit dem das Gesetz über die Gliederung des Landes Niederösterreich in Gemeinden geändert wird, wird genehmigt. 2. Die NÖ Landesregierung wird beauftragt, das zur Durchführung dieses Gesetzesbeschlusses Erforderliche zu veranlassen." Ich bitte den Herrn Präsidenten, die Debatte einzuleiten und die Abstimmung vornehmen zu lassen. PRÄSIDENT REITER: Ich eröffne die Debatte. Zu Worte gelangt Herr Abg. Fux. Abg. FUX (SPÖ): Sehr geschätzter Herr Präsident! Hoher Landtag! In der Zusammenfassung des Motivenberichtes zur Ltg. 232 heißt es, in Anbetracht der kommunalen Aufbauleistungen innerhalb der beiden letzten Jahrzehnte ist die Erhebung der Gemeinde RingelsdorfNiederabsdorf zu einer Marktgemeinde gerechtfertigt. Zur richtigen Beurteilung der Aufbauleistung bedarf es aber auch der Betrachtung der Begleitumstände, unter welchen die genannte Leistung zu erbringen war. Die Bevölkerungszahl in der genannten Gemeinde ist vom Jahr 1860 bis 1960, in hundert Jahren, nahezu unverändert geblieben, die Anzahl der Wohnhäuser in dieser Gemeinde ist in dieser Zeit aber auf das zweieinhalbfache angestiegen. Der Ortsbeschreibung, veröffentlicht 1882 im Landesamtsblatt für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns ist zu entnehmen, daß im gleichen Jahr in Ringelsdorf noch Wohnungen in gegrabenen Erdlöchern vorhanden waren. Der Berichterstatter hat damals gemeint, daß das noch Urzustände der Menschheit wären. Heute ist die Ausstattung der vorhandenen Wohnungen durchaus dem Standard angepaßt. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurden mehr als 200 Wohnungen neu gebaut oder grundlegend umgebaut, das ist immerhin ein Drittel der Gesamtwohnungen der Gemeinde. Während die Belagzahl der Wohnungen 1850 noch 7 Personen pro Wohnung betragen hat, sind es heute lediglich 2,2 Personen im Durchschnitt pro Wohnung. Im Mittelalter waren es im Grenzland feindliche Einfälle mit Massakern durch Ungarn, Russen, Türken, die die Bevölkerung des Grenzlandes im flachen Marchtal dezimierten. Heute sind es subtilere Gründe, die für die Bevölkerung der Grenzregion, in der die Gemeinde Ringelsdorf-Niederabsdorf liegt, maßgebend sind, wenngleich die Auswirkung auf die Gemeinde und ihre Wirtschaft die gleiche ist. Der Mangel an Arbeitsplätzen führt zur Abwanderung vor allem von jungen Mitbürgern, zu einem Geburtendefizit und dadurch auch zur Überalterung der verbleibenden Bevölkerung. Der Anteil der früher überwiegend in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerungsgruppe ist, wohl auch bedingt durch die Veränderung der Landwirtschaft selbst - ich denke da an die Technisierung in der Landwirtschaft - auf 12 Prozent der Arbeitsbevölkerung abgesunken. Der überwiegende Teil der Arbeitsbevölkerung muß zwangsläufig zu seinen Arbeitsplätzen auspendeln. Dabei hätte Niederabsdorf im vorigen Jahrhundert eine durchaus reelle Chance gehabt, ein guter Betriebsstandort zu werden. Im Jahre 1850 wurde im Niederabsdorfer Schloß nach Dürnkrut eine zweite Zuckerfabrik im Bezirk Gänserndorf errichtet. Der Gründer des Betriebes war das Mitglied des Österreichischen Reichsrates Hugo Karl Fürst und Altgraf zu Salm-Reifferscheidt, welcher wohl auf den damals aufstrebenden Industriezweig Hoffnungen setzte. Aber schon 13 Jahre später, 1863, wurde der Betrieb wieder stillgelegt. Die damalige Zuckerausbeute aus dem Rübengewicht betrug lediglich 5 Prozent; heute beträgt die Ausbeute 18 bis 20 Prozent, allerdings aus hochgezüchteter Rübe. Es ist uns nicht überliefert, ob es das mangelnde Unternehmergeschick des adeligen Unternehmers oder die ungünstigen Standortbedingungen für eine Zuckerfabrik waren, die zu einer Stillegung führten, denn 4 Jahre später, 1867, wurde in der 6 km entfernten Nachbargemeinde eine neue Zuckerfabrik erbaut, die heute noch sehr zum finanziellen Vorteil der Gemeinde arbeitet. Die Gemeinden Ringelsdorf und Niederabsdorf sind bis heute ohne einen größeren Gewerbebetrieb oder Industriebetrieb geblieben. Die dadurch bedingte geringe Finanzkraft der Gemeinde hat die großzügige Ortsversorgung und -gestaltung nicht leicht gemacht. Bei einem Steueraufkommen, das 20 Prozent unter dem Bezirksdurchschnitt und auch unter dem Landesdurchschnitt liegt, die Bevölkerung mit der erforderlichen Grundausstattung zu versehen, in zwei weiträumigen Katastralgemeinden zu versorgen, ist an sich schon eine anerkennenswerte Leistung. Wenn man zwei Schulen, zwei Feuerwehren, zwei Zeughäuser, zwei Amtshäuser, zwei Wasserversorgungsbereiche, zwei Entsorgungsbereiche mit zwei mechanisch-biologischen Kläranlagen, zwei Fußballplätze, erhalten soll, daneben noch 50 km Gemeindestraßen und 40 km Windschutzgürtel betreuen soll, Beiträge zu Gemeindeverbänden, Hauptschulgemeindeverbänden, leisten soll, dann ist das mit dem geringen Steuereinkommen, das die Gemeinde hat, sehr schwer und doppelt anerkennenswert. Ich habe in dem Bericht aus dem Jahre 1882 - ich sage das deshalb, weil Schüler im Zuhörerraum sind - auch gelesen, daß in Niederabsdorf eine Schule, die 1850 neu erbaut wurde, im Jahre 1882 einsturzgefährdet war und in einem einzigen Klassenzimmer 167 Kinder unterrichtet worden sind; in den Schulklassen in Ringelsdorf wurde ein sanitätswidriger Überbelag verzeichnet. Wenn nun der Motivenbericht davon spricht, daß die Aufbauleistung der letzten zwei Jahrzehnte als Begründung für die Erhebung in den Stand einer Marktgemeinde zu gelten hat, dann wird sich der seit 25 Jahren mit einer kurzen Unterbrechung amtierende Bürgermeister über die indirekte Anerkennung seiner persönlichen Leistung auch freuen. Ich weiß, weil ich der Nachbarbürgermeister bin, daß in dieser Gemeinde die Arbeit infolge der schlechten Finanzlage nicht leicht zu leisten ist. Ich darf mitteilen, daß unsere Fraktion dieser Vorlage sehr gerne die Zustimmung geben wird, und darf vielleicht einen Ausspruch, den mein Vorgänger als Bürgermeister, Landesrat Kuntner, in einem Vorwort zu unserem Heimatbuch festgehalten hat, anbringen: "Das Tüchtige, Gute, Schöne und Erhabene, das in uns lebt, schöpfen wir nicht zuletzt aus unserer Heimat und dem Leben, das einst diesen Raum prägte und jetzt noch erfüllt." Die Prägung des Raumes ist heute noch nicht abgeschlossen. Heute wird diese Prägung nachhaltiger als je zuvor vor allem in den Gemeinden vollzogen und deshalb möchte ich den Gemeindevertretern der neuen Marktgemeinde RingelsdorfNiederabsdorf für ihre Bemühungen, unter schwierigsten Bedingungen ihre Heimatregion für die Zukunft zu gestalten, danken. Die Bevölkerung und die nachkommenden Generationen werden es zu schätzen wissen. Der Bevölkerung der neuen Marktgemeinde wünschen wir persönliches Wohlergehen in ihrer vorbildlichen Gemeinde und der Gemeinde selbst wünschen wir eine gute Weiterentwicklung. (Beifall bei der SPÖ.) PRÄSIDENT REITER: Zu Worte gelangt Frau Abg. Lugmayr. Abg. LUGMAYR (ÖVP): Herr Präsident! Hoher Landtag! Zwei Gemeinden, Niederabsdorf und Ringelsdorf, bis 1970 selbständige Gemeinden, haben sich entschlossen, miteinander eine Gemeindeverwaltung zu bilden und sich zu einer Gemeinde zusammenzuschließen. Wohlweislich haben sie den Doppelnamen Niederabsdorf-Ringelsdorf gewählt, denn sie wußten, daß die Gemeinden eine gewisse Eigenständigkeit haben und die Bevölkerung in jeder Gemeinde sehr wohl Eigenheiten hat. Es ist auch sicher durch weise Voraussicht dabei geblieben, daß es zwei Pfarren heute noch gibt, zwei Feuerwehren und viele selbständige Vereine in jeder Gemeinde. Auch bei der Schulzusammenlegung ist es gelungen, zwei Klassen in Ringelsdorf und zwei Klassen in Niederabsdorf zu belassen und zu unterrichten. Trotzdem wurden die Gemeinden miteinander verwaltet. Es ist Tatsache, daß die Bevölkerung rapid zurückgegangen ist. Die Gemeinde RingelsdorfNiederabsdorf hat heute 1518 Einwohner. In den Jahren 1914 bis 1918, steht im Motivenbericht, hat die Gemeinde Ringelsdorf allein fast 1000 Einwohner gehabt. Die zukünftige Marktgemeinde liegt auch knapp unter dem Bezirks- und Landesdurchschnitt der Marktgemeinden in unserem Land. Trotzdem ist es richtig und zu begrüßen, daß diese Gemeinde zur Marktgemeinde erhoben wird. Es soll dies eine Anerkennung sein, eine Anerkennung für die geleistete Tätigkeit in der Gemeinde, daß es gelungen ist, alle notwendigen kommunalen Einrichtungen sicherzustellen und vor allem, daß die Bevölkerung bereit war, in diesem Grenzraum weiter zu leben, daß sie bereit war, ihre Wohnungen, ihre Eigenheime dort zu bauen, ihren Lebensraum zu gestalten und in diesem Gebiet beheimatet bleiben zu wollen. Der Grenzraum ist eine schwierige Gegend, besonders an einer toten Grenze wie zur Tschechoslowakei. Wo früher die wirtschaftlichen Verbindungen über die Grenze hinweg gegangen sind, ist heute der Eiserne Vorhang. Noch dazu hat sich die Landwirtschaft in dieser Zeit sehr verändert. Die Situation der Bauern ist immer schwieriger geworden und sehr viele mußten einen anderen Beruf ergreifen, weil es heute keine lebensfähigen Betriebe in einer kleinen Größenordnung mehr geben kann. Deshalb sind sehr viele Menschen zu Pendlern geworden und sind in Wien oder in der Umgebung, in der Stadt Zistersdorf, berufstätig. Die Strecke Drösing-Zistersdorf wurde in den Verkehrsbund Ostregion eingebunden. Das war sicher sehr notwendig und eine große Hilfe für die Pendler in diesem Gebiet. Die Erhebung zur Marktgemeinde soll mit dazu beitragen, daß es einen Aufschwung gibt in diesem Gebiet, soll eine Anerkennung sein und dazu beitragen, daß dieses Gebiet weiterhin lebensfähig und für die betroffene Bevölkerung eine lebenswerte Heimat sein kann. Meine Fraktion stimmt daher gerne diesem Antrag zu und wir wünschen der neuen Marktgemeinde alles Gute für die Zukunft. (Beifall im Hause.) PRÄSIDENT REITER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das Schlußwort. Berichterstatter Abg. DEUSCH (SPÖ): Ich verzichte. PRÄSIDENT REITER (nach Abstimmung über den Wortlaut des Gesetzes und den Antrag des Kommunalausschusses): Einstimmig angenommen. Ich ersuche Herrn Abg. Dipl.Ing.Rennhofer, die Verhandlungen zur Ltg. 235 einzuleiten. Berichterstatter Abg. Dipl.Ing.RENNHOFER (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Landtages! Ich habe zur Ltg. 235/A betreffend die Maßnahmen bei Unfällen, die eine Strahlenverseuchung bewirken, zu berichten. Der Antrag wurde ursprünglich von der ÖVP-Fraktion eingebracht, in zwei Ausschußsitzungen behandelt und liegt nun nach einigen Formulierungsänderungen als gemeinsamer Antrag beider Fraktionen in der vorliegenden Form vor. Der Unfall von Tschernobyl hat die Gefahren durch die Atomverstrahlung sehr deutlich gezeigt. Für das Bundesland Niederösterreich, in dessen Zentrum das aufgrund eines Bundesgesetzes bisher nicht in Betrieb genommene Kernkraftwerk Zwentendorf liegt und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft mehrere Atomkraftwerke arbeiten, ist dieser Umstand besonders wichtig. Es zeigt sich, daß die Sicherheitsfragen bei Gott nicht gelöst sind. Im Hinblick auf diese Situation und zur Vermeidung unnötiger weiterer wirtschaftlicher Verluste sollte das Kernkraftwerk Zwentendorf zum ehestmöglichen Zeitpunkt einer Verwertung zugeführt werden. In den vergangenen Tagen sind einige Mängel zutage getreten, die ein rasches Nachholen bisher fehlender Maßnahmen durch das zuständige Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz erforderlich machen. Es könnte das bestehende Frühwarnsystem durch moderne Kommunikationstechniken ergänzt werden, damit die notwendigen Maßnahmen unverzüglich den zuständigen Stellen bekannt werden. Nur eine rasche Weiterleitung würde die Länder in die Lage versetzen, die entsprechenden Anordnungen weiterzugeben und zu überwachen. Schließlich wäre ein Maßnahmenkatalog anzustreben, welcher eindeutig erkennen läßt, welche Maßnahmen bei Erreichen bestimmter einheitlich ermittelter Maßzahlen erforderlich sind. Daneben sind Maßnahmen zur Vorsorge nötig, von denen etwa die arbeitsrechtliche Freistellung der erforderlichen Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr, die Sanitätsvorsorge, die Anschaffung von Strahlenspürgeräten, die Anlegung von Trockenfutterbevorratungen, eine eigene Lebensmitteluntersuchungsstelle für Niederösterreich und der Schutzraumbau erwähnt seien. Eine Bedrohung geht auch von den in anderen Ländern bestehenden Kraftwerken aus. Hier müßten entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen über Alarmierung, Bekanntgabe von Daten und Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Solche Übereinkommen erfüllen nur dann ihren Zweck, wenn durch innerstaatliche Alarm- und Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet ist, daß im Alarmierungsfall die nötigen Vorkehrungen getroffen werden. Namens des Umweltschutzausschusses stelle ich daher den Antrag (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: Der Antrag der Abgeordneten Spiess, Wedl u.a., mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, bei der Bundesregierung, insbesondere beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz, auf die entsprechenden Maßnahmen im Sinne der Antragsbegründung zu dringen bzw. im eigenen Kompetenzbereich die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, wird genehmigt." Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, die Debatte zu eröffnen und die Abstimmung vorzunehmen. PRÄSIDENT REITER: Ich eröffne die Debatte. Zu Worte gemeldet ist Herr Abg. Klupper. Abg. KLUPPER (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf den eigentlichen Antrag betreffend Maßnahmen bei Unfällen, die eine Strahlenverseuchung bewirken - so ist die Bezeichnung des Antrages - eingehe, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen. Zum ersten bin ich wirklich froh, daß die Debatte heute nach den Bundespräsidentenwahlen stattfindet. Damit wird es leichter, die Dinge beim Namen zu nennen, ohne daß der Verdacht aufkommt, es könnte sich hiebei um versteckte Angriffe auf den früheren Gesundheitsminister handeln. Die gesamte Materie, die hier behandelt wird, ist nämlich viel zu ernst, sodaß jeder Versuch, daraus parteipolitisch Nutzen zu ziehen, von vornherein zurückgewiesen werden müßte. Und zum zweiten halte ich es für besonders wichtig, daß dieser Antrag ein gemeinsamer Antrag ist. Damit wird die Bedeutung, die wir dieser Angelegenheit zumessen, besonders betont und unterstrichen. Nach Tschernobyl ist die Welt anders geworden oder Tschernobyl hat die Welt verändert. Diese Sätze werden plakativ laufend gebraucht und ich glaube, daß in diesen Sätzen auch ein großes Maß an Richtigkeit liegt. Ein GAU, das heißt, ein größter anzunehmender Unfall in einem Kernkraftwerk, wurde für praktisch unmöglich gehalten oder man sprach davon, daß die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalles so gering ist, daß er in einer oder zwei Millionen Jahren einmal vorkommen könnte. Das war die mehrheitliche Aussage der Wissenschaft und jenen wenigen, die diese Meinung nicht geteilt haben, wollte man nicht glauben. Wenn Zweifel aufgekommen sind und die sind dann und wann aufgekommen, hat man sie verdrängt und alle Warnungen, daß Reaktorunfälle große Auswirkungen auch auf Österreich haben könnten, wurden nicht ernst genommen. In dieser allgemein vorhandenen, wie wir heute aber wissen falschen Einschätzung dieser Gefahren liegt die Hauptursache, warum uns der Reaktorunfall doch eher unvorbereitet getroffen hat. Die Auswirkungen dieses Reaktorunfalles auf Österreich sind groß, der Schaden, der entstanden ist, wird die Milliardengrenze weit übersteigen und heute kann man die Langzeitwirkungen noch nicht voll überblicken. Ich möchte daher den Hergang ganz kurz zusammenfassen. Am 26.April entstand in einem Kernkraftwerk in Tschernobyl in der Ukraine eine Explosion, die einen Großbrand verursachte, in dessen Verlauf Teile des Reaktorkernes geschmolzen sind. Durch die Explosion wurde das Dach des Reaktorgebäudes beschädigt, sodaß mit dem heißen Rauch große Mengen von radioaktiven Stoffen in Höhen über 1000 m transportiert und vom Wind bis nach Westeuropa getragen wurden. Am 29.April, also drei Tage später, wurde dann in Ostösterreich ein starker Anstieg der Radioaktivität in der Luft festgestellt. Durch Niederschläge in den darauffolgenden Tagen wurde ein Teil der in der Luft befindlichen Radioaktivitäten ausgewaschen. Dadurch wurden je nach Wetterlage und Niederschlagsmenge unterschiedlich mehr oder weniger radioaktive Stoffe am Boden abgelagert. Diese radioaktive Belastung aus Luft und Boden war in der Zeit vom 29.April bis in die ersten Maitage hinein am größten und hat in den darauffolgenden Tagen und Wochen langsam abgenommen. Das bedeutet, daß alle Österreicher aufgrund der radioaktiven Stoffe in der Luft und am Boden eine erhöhte Strahlenbelastung hatten und teilweise, das müssen wir sagen, auch heute noch haben. Diese Strahlenbelastung besteht im wesentlichen aus drei zeitlich verschiedenen Phasen. Die Phase 1 ist die Aufnahme der Stoffe aus der Luft über die Atemwege. Hier sind zwei Kriterien maßgebend: Einmal, wie hoch die Konzentration in der Luft ist, und zum zweiten die Dauer, während der diese Stoffe eingeatmet werden. Aufgrund der Entfernung zum Unfallort, doch rund 1.500 km, war die Belastung gering und man konnte mit einigen Vorsichtsmaßnahmen auskommen. Die Phase 2 ist die erhöhte Strahlung von außen. An der Erdoberfläche, zum Beispiel an Wiesen, Äckern, Bäumen, Straßen, Hausdächern usw. lagern sich unsichtbare Mengen radioaktiver Stoffe ab. Dadurch wurde die Strahlenbelastung auf ein vielfaches der natürlichen Strahlenbelastung erhöht. Der Hauptanteil dieser Strahlen stammt von Jodisotopen, die eine Halbwertzeit von rund 1 1/2 Tagen haben, das heißt, innerhalb dieses Zeitraumes nimmt die Intensität jeweils um die Hälfte ab. Eine Reststrahlung besteht jedoch aus langlebigen radioaktiven Substanzen, wie zum Beispiel Cäsium und Strontium. Diese wird erst nach längerer Zeit von Pflanzen, Häusern und Straßen abgewaschen und dringt dann in die Erde ein, wodurch auch die Strahlung stärker abgeschirmt wird. Und die Phase 3 ist die Aufnahme der radioaktiven Stoffe in den Körper durch verseuchte Lebensmittel. Diese Situation wird uns noch lange Sorge bereiten. Durch den Niederschlag sind Pflanzen mit radioaktiven Stoffen verunreinigt. Durch den Verzehr von Freiland-Blattgemüse, von unkontrollierter Milch oder Fleisch von Tieren, die auf radioaktiven Wiesen weideten, können radioaktive Substanzen in den Körper gelangen. Diese führen dann zu einer erhöhten Bestrahlung im gesamten Körper oder in bestimmten Organen, sodaß also eine Bestrahlung von innen heraus erfolgt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese drei Phasen - deshalb habe ich sie auch besonders erwähnt - sind bei Unglücksfällen in Kernreaktoren, in Kernkraftwerken, dem Grund nach gleich, egal, wo ein solches Unglück auftritt. Die Intensität und die zeitliche Verschiebung wird sich natürlich ändern. Daraus resultiert aber, daß für den Notfall erforderliche Anordnungen bis ins letzte Detail vorbereitet werden können. Selbst wenn Österreich auf die Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung verzichtet - das nehme ich auf Grund der Vorfälle als gegeben an und ein Punkt unseres Antrages zielt ja auch darauf hin, das Kernkraftwerk Zwentendorf so rasch als möglich einer bestmöglichen Verwertung zuzuführen - also selbst wenn ich dies voraussetze, ist es notwendig, für einen möglichen Kraftwerkunfall die erforderlichen Anordnungen vorzubereiten. Daß dies notwendig ist, davon bin ich auf Grund der in Betrieb befindlichen Kraftwerke in Grenznähe überzeugt. Daß dies auch möglich ist, können wir in anderen Ländern erfahren. So wurden zum Beispiel beim 34. Internationalen Fortbildungskongreß der Deutschen Bundesärztekammer und der Österreichischen Ärztekammer vom 2. bis 14.März 1986 in Davos die organisatorischen Probleme und Vorsorgemaßnahmen an konkreten Beispielen, auch am Beispiel Kraftwerkstörfall, wie das in der Schweiz genannt wird, vom Amt für Zivilschutz des Kantons Zürich vorgestellt. Es ist daher auch für uns notwendig - unter "uns" verstehe ich Bund und Länder, aber auch Gemeinden und den einzelnen Bürger -, aus den Erkenntnissen der letzten Wochen zu lernen und notwendige Maßnahmen für die Zukunft einzuleiten. Und was verstehen wir unter notwendigen Maßnahmen? Ich möchte einige der wesentlichen aufzählen: Es gehört dazu ein funktionierendes Frühwarnsystem. Das Frühwarnsystem ist installiert. Wir haben in Niederösterreich 70 Meßstellen. Der größte Teil dieser Meßstellen funktioniert, bei einigen gibt es noch Probleme mit den Leitungsschaltungen. Deshalb ist auch das Frühwarnsystem noch nicht vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz an das Land übergeben worden, wie es vorgesehen ist. Es wäre daher notwendig, so rasch als möglich dieses Frühwarnsystem vollkommen fertigzustellen und dem Land zu übergeben. Dieses Frühwarnsystem - man kann sich davon überzeugen, den einen Gang weiter gegenüber den Büroräumen von Landeshauptmannstellvertreter Pröll ist die Landeswarnzentrale, dort kann man sich das auch anschauen - hat acht Gefahrenstufen, Gefahrenstufe 1 bis 8, wobei die Gefahrenstufe 1 eine variable ist und bei ca. 10 Mikroröntgen beginnt. Die Gefahrenstufe 8 leuchtet auf, wenn über 30 Röntgen Strahlenbelastung pro Stunde gemessen wird. Da sage ich, in diesem Bereich werden wir uns nicht mehr sehr viele Sorgen machen müssen. Aber die Stufe 3 beinhaltet bitte immerhin eine Strahlenbelastung von 100 bis 1000 Mikroröntgen pro Stunde. Diese Stufe 3 war in der geschilderten Situation über längere Zeit und in vielen Räumen unseres Landes vorhanden. Wir wissen also genau auf Grund dieser Gefahrenstufen, wie stark die Belastung in den einzelnen Regionen ist, wo die Meßstellen installiert sind. Was aber nicht vorgesehen ist, ist ein Katalog an Maßnahmen, das heißt, was ist bei Erreichen der jeweiligen Gefahrenstufe zu veranlassen. Ich glaube daher, daß wir zu diesem Frühwarnsystem einen Maßnahmenkatalog brauchen, wo genau festgelegt ist, was beim Erreichen der jeweiligen Gefahrenstufe zu veranlassen ist. Was hier zu tun ist, muß das Land wissen, die Bezirksverwaltungsbehörden, die Gemeinden müssen es wissen, aber auch jeder einzelne Landesbürger soll es wissen, denn nur dann kann rasch gehandelt werden und Unruhe vermieden werden. Daß das möglich ist, können wir ebenfalls in der Schweiz sehen. Dort ist nämlich ein Verhaltensmerkblatt für solche Fälle in alle Telefonbücher aufgenommen worden, wo der Bürger nachschauen kann, was er bei solchen Unfällen zu tun hat. Tschernobyl, ich habe es schon gesagt, liegt rund 1500 km von uns entfernt. Wenn ein ähnlicher Unfall oder auch nur ein geringerer, Gott möge das verhindern, in Dukovany oder in Bohumice passiert, haben wir nicht mehr die Zeit, stundenlang oder tagelang zu überlegen, was zu tun ist. Da muß bereits alles für solche Fälle vorbereitet sein. Dazu gehört aber auch ein funktionierendes Warn- und Alarmsystem. Die Verhandlungen über das Warn- und Alarmsystem ziehen sich nunmehr über Jahre, wenn man nicht schon sagen kann Jahrzehnte dahin zwischen Bund und Ländern. Es geht um die Finanzierung, um die Frage, wie dieses Warn- und Alarmsystem finanziert wird und welchen Anteil jeder zu zahlen hätte. Eine Grundausstattung an Sirenen ist vorhanden dank der Vorleistungen der Länder und Gemeinden. Was wir aber dazu brauchen, ist der rasche Ausbau der Sirenenfunkfernsteuerung. Es muß nämlich möglich sein, für diese Fälle, aber auch für andere, von einer zentralen Stelle aus Regionen, Bezirke oder Gemeinden rasch und sicher zu alarmieren. Das ist also notwendig und hier müßte echt gehandelt werden. In logischer Konsequenz kommen wir aber auch am Schutzraumbau, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht vorbei. Nur rund drei bis sieben Prozent - hier gibt es unterschiedliche Schätzungen - aller Österreicher haben einen Schutzraumplatz. In Niederösterreich ist die Lage nicht anders wie im gesamten Bundesgebiet. Der Schutzraumbau wurde vernachlässigt, weil man ihn immer nur aus dem Blickwinkel der Landesverteidigung betrachtet hat. Daß geschützte Räume auch für die Gefahren des Alltags notwendig sind, wird manchen erst jetzt klar. Hier ist ein gewaltiger Nachholbedarf, der Maßnahmen vom Bund und vom Land erfordert. Wenn wir einmal die Förderungen betrachten, welche Möglichkeiten einer Förderung derzeit beim Schutzraumbau bestehen, so haben wir für den Neubau bei Ein- und Zweifamilienhäusern im heurigen Jahr die Förderungsmöglichkeiten mit 30.000 Schilling für die Errichtung eines Schutzraumes aus der Wohnbauförderung beschlossen. Beim großvolumigen Neubau gibt es die Möglichkeit, die Schutzraumkosten in die Gesamtkosten einzubeziehen, wenn sie nicht mehr als 10 % der Gesamtbaukosten betragen. Für den Althausbestand, wo ein nachträglicher Einbau in Frage kommt, gibt es für alle jene Gebäude, deren Baubewilligung mehr als 20 Jahre oder mehr als 10 Jahre zurückliegt, die Möglichkeit der Förderung nach der Althaussanierung. Das ist viel zu wenig bekannt. Hier ist eine echte Förderungsmöglichkeit gegeben. Keinen Förderungsanreiz gibt es derzeit bei allen jenen Häusern, die in den letzten 10 Jahren errichtet worden sind, das betrifft auch alle jene Fälle, wo ein Einbau eines Schutzraumes in das Gebäude nicht zweckmäßig erscheint und daher ein Schutzraum neben dem Gebäude, im Garten zum Beispiel, errichtet wird. Hier fehlt derzeit jede Möglichkeit der Förderung einer solchen Maßnahme, obwohl sie sinnvoll wäre, und es fehlt auch eine Regelung der Förderung von Sammelschutzräumen oder für den Einkauf in einen Schutzraum. Auf Grund einer generellen Schutzraumplanung ist es manchmal wichtiger, solche gemeinsamen Schutzräume zu errichten. Ich glaube, daß man hier nachdenken muß. Eine Möglichkeit wäre sicher, durch steuerliche Absetzbarkeit einen Anreiz zu schaffen, die Gemeinden müssen es wissen, aber auch jeder einzelne Landesbürger soll es wissen, denn nur dann kann rasch gehandelt werden und Unruhe vermieden werden. Daß das möglich ist, können wir ebenfalls in der Schweiz sehen. Dort ist nämlich ein Verhaltensmerkblatt für solche Fälle in alle Telefonbücher aufgenommen worden, wo der Bürger nachschauen kann, was er bei solchen Unfällen zu tun hat. Tschernobyl, ich habe es schon gesagt, liegt rund 1500 km von uns entfernt. Wenn ein ähnlicher Unfall oder auch nur ein geringerer, Gott möge das verhindern, in Dukovany oder in Bohumice passiert, haben wir nicht mehr die Zeit, stundenlang oder tagelang zu überlegen, was zu tun ist. Da muß bereits alles für solche Fälle vorbereitet sein. Dazu gehört aber auch ein funktionierendes Warn- und Alarmsystem. Die Verhandlungen über das Warn- und Alarmsystem ziehen sich nunmehr über Jahre, wenn man nicht schon sagen kann Jahrzehnte dahin zwischen Bund und Ländern. Es geht um die Finanzierung, um die Frage, wie dieses Warn- und Alarmsystem finanziert wird und welchen Anteil jeder zu zahlen hätte. Eine Grundausstattung an Sirenen ist vorhanden dank der Vorleistungen der Länder und Gemeinden. Was wir aber dazu brauchen, ist der rasche Ausbau der Sirenenfunkfernsteuerung. Es muß nämlich möglich sein, für diese Fälle, aber auch für andere, von einer zentralen Stelle aus Regionen, Bezirke oder Gemeinden rasch und sicher zu alarmieren. Das ist also notwendig und hier müßte echt gehandelt werden. In logischer Konsequenz kommen wir aber auch am Schutzraumbau, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht vorbei. Nur rund drei bis sieben Prozent - hier gibt es unterschiedliche Schätzungen - aller Österreicher haben einen Schutzraumplatz. In Niederösterreich ist die Lage nicht anders wie im gesamten Bundesgebiet. Der Schutzraumbau wurde vernachlässigt, weil man ihn immer nur aus dem Blickwinkel der Landesverteidigung betrachtet hat. Daß geschützte Räume auch für die Gefahren des Alltags notwendig sind, wird manchen erst jetzt klar. Hier ist ein gewaltiger Nachholbedarf, der Maßnahmen vom Bund und vom Land erfordert. Wenn wir einmal die Förderungen betrachten, welche Möglichkeiten einer Förderung derzeit beim Schutzraumbau bestehen, so haben wir für den Neubau bei Ein- und Zweifamilienhäusern im heurigen Jahr die Förderungsmöglichkeiten mit 30.000 Schilling für die Errichtung eines Schutzraumes aus der Wohnbauförderung beschlossen. Beim großvolumigen Neubau gibt es die Möglichkeit, die Schutzraumkosten in die Gesamtkosten einzubeziehen, wenn sie nicht mehr als 10 % der Gesamtbaukosten betragen. Für den Althausbestand, wo ein nachträglicher Einbau in Frage kommt, gibt es für alle jene Gebäude, deren Baubewilligung mehr als 20 Jahre oder mehr als 10 Jahre zurückliegt, die Möglichkeit der Förderung nach der Althaussanierung. Das ist viel zu wenig bekannt. Hier ist eine echte Förderungsmöglichkeit gegeben. Keinen Förderungsanreiz gibt es derzeit bei allen jenen Häusern, die in den letzten 10 Jahren errichtet worden sind, das betrifft auch alle jene Fälle, wo ein Einbau eines Schutzraumes in das Gebäude nicht zweckmäßig erscheint und daher ein Schutzraum neben dem Gebäude, im Garten zum Beispiel, errichtet wird. Hier fehlt derzeit jede Möglichkeit der Förderung einer solchen Maßnahme, obwohl sie sinnvoll wäre, und es fehlt auch eine Regelung der Förderung von Sammelschutzräumen oder für den Einkauf in einen Schutzraum. Auf Grund einer generellen Schutzraumplanung ist es manchmal wichtiger, solche gemeinsamen Schutzräume zu errichten. Ich glaube, daß man hier nachdenken muß. Eine Möglichkeit wäre sicher, durch steuerliche Absetzbarkeit einen Anreiz zu schaffen, indem für den Schutzraumbau und für Aufwendungen, die den Schutzraum betreffen, eine bestimmte Summe im Jahr als absetzbar erklärt wird. Das Land Niederösterreich, auch daran möchte ich nicht vorbeigehen, hätte aber die Schutzraumverordnung so bald als möglich zu erlassen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen konnte im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall eine starke Beunruhigung und Verunsicherung unserer Landesbürger festgestellt werden. Der Grund ist sicherlich im Bewußtsein des Nichtvorbereitetseins, aber auch in den oft unverständlichen und nicht ganz einleuchtenden Aussagen und Maßnahmen zu finden. Wie soll sich der einzelne Bürger auskennen, wenn er Maßeinheiten wie Curie, Becquerel, Rem, Röntgen, Rad oder Siewert hört? Was stellt er sich dabei vor? Oder wenn eine Vielzahl von widersprechenden Weisungen eintrifft? Ich möchte aus der Liste der Weisungen aus dem Gesundheitsministerium, die dann natürlich in Verordnungen des Landes umgewandelt werden, nur eines herausgreifen: Wenn zum Beispiel am 2.Juni vom Gesundheitsministerium die Weisung erteilt wird, Fütterungsverbot für Molke und Magermilch an Tiere, die zur Fleischgewinnung dienen, und auch eine Erläuterung hinsichtlich der Vernichtung dieser Molke gegeben wird, und am 5.Juni mit einer neuen Weisung dieses Fütterungsverbot - sicherlich der noch vorhandenen Molke, denn da wird sich nicht sehr viel geändert haben - wieder aufgehoben wird, dann bringt das den Einzelnen in die Situation, daß er annimmt, entweder war die erste Weisung falsch oder die zweite Weisung hat man nur gemacht, weil man nicht wußte, was man nun mit der Molke anfangen soll und wie man sie verwerten soll. Hier muß ganz einfach schon von vornherein überlegt werden, wann man solche Weisungen erteilt, obwohl mir die Schwierigkeit bewußt ist. Aufgrund der fehlenden Vorsorgen muß man also jetzt im konkreten Fall ständig neu überlegen und nachdenken. Ich bin mir also dieser Schwierigkeiten und dieser Probleme schon bewußt. Eine besondere Verunsicherung besteht aber auch bei der Bevölkerung auf dem Sektor der Lebensmittel. Da der Konsument keine Möglichkeit besitzt, den Verunreinigungsgrad der Lebensmittel durch radioaktive Stoffe festzustellen, muß er sich auf Informationen durch die Behörden voll verlassen können. Die Strahlenintensität ist regional unterschiedlich, daher sind besonders viele Untersuchungen von Lebensmitteln notwendig. Niederösterreich verfügt über keine eigene Untersuchungsstelle. Die Proben werden daher nach Seibersdorf oder in die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung geschickt und dort untersucht. Aus den Erfahrungen der letzten Wochen ist jedoch ersichtlich, daß Niederösterreich als größtes Bundesland eine eigene Untersuchungsstelle braucht oder eine Meßkapazität fix für Niederösterreich reserviert sein müßte, um in solchen Fällen auch vom Land aus Prioritäten setzen zu können. Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In den kritischen Tagen nach dem Unfall in Tschernobyl waren viele Männer der Feuerwehr, des Bundesheeres und der Rettungsorganisationen rund um die Uhr im Einsatz, vielfach ohne jede arbeitsrechtliche Absicherung und vielfach ohne sozialrechtliche Absicherung. Auch dies müßte letztlich einer bundesgesetzlichen Regelung zugeführt werden. Aber auch in den Landeswarnzentralen und in den Auskunftsstellen des Landes und des Zivilschutzverbandes waren Frauen und Männer im ständigen Einsatz. Ich möchte von dieser Stelle aus allen für ihren vorbildlichen Einsatz im Interesse der Sicherheit unserer Mitbürger herzlich danken. Gestatten Sie mir zum Schluß ein abgewandeltes Zitat von Karl Friedrich von Weizäcker, mit dem ich meine Ausführungen beschließen möchte. Er hat gesagt: "Dringend Not tut heute ein Wandel des öffentlichen Bewußtseins in Fragen des Bevölkerungsschutzes. Es handelt sich darum, seit Jahrzehnten Versäumtes rasch, maßvoll, entschlossen, ohne Panik nachzuholen. Der Grund dafür ist ein rein humanitärer. Menschen müssen geschützt werden, wir, unsere Angehörigen, unsere Kinder und Enkel, unsere Freunde, unsere Mitbürger. Reaktorunfälle bei unseren Nachbarn sind möglich und ob es zu ihnen kommt, hängt nicht von uns ab. Die Meinung, es sei alles gesichert, war immer ein Irrtum. Die Meinung, jeder Unfall sei so übergroß, daß es keinen Schutz gibt, ist ebenfalls irrig. Es macht einen Unterschied, ob wir für den Schutz etwas tun oder nicht." Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich danke herzlich für ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und Abg. Mohnl.) PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Wedl. Abg. WEDL (SPÖ): Herr Präsident! Hoher Landtag! Ich möchte ein paar Sätze zu den Ausführungen des Kollegen Klupper sagen. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß wir am Abend des 26.April klüger gewesen sind als wir am 25. vormittags waren. Ich möchte Dir, Kollege Klupper, vollständig recht geben, weil ich mich auch darüber geärgert habe, daß die Angaben bezüglich Nanocurie und sonstige chemische Ausdrücke dazu geeignet waren, um einige Universitätsprofessoren zu befriedigen, aber nicht jemand aus dem Volk, der das erst jetzt weiß, daß das ein Millionstel Curie ist. Ein Millionstel kann sich einer vorstellen, aber von Nanocurie weiß einer sicherlich sehr wenig und es wird wegen dem keiner studieren. Auch die Erlässe haben oft so gelautet und ich weiß, wie oft man mich in dieser Zeit als Bürgermeister um Mitternacht herausgeholt und gesagt hat, da ist ein Erlaß, jetzt müssen sie bis morgen in der Früh der Greißlerin sagen, daß das und das, was gestern erlaubt war, heute schon wieder verboten ist. Dann gibt es auch Erlässe, wo drinnen steht, der Erlaß vom soundsovielten, der mit Erlaß vom soundsovielten aufgehoben werden sollte, wird nunmehr wieder abgeändert. Und das soll man dann an einer Amtstafel anschlagen und der gewöhnliche Bürger bitte soll das kapieren. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß sich die Stellen, die für die Weitergabe verantwortlich sind, ob jetzt Bund oder Land, hier einiges einfallen lassen müssen, nämlich eine einfache, aber doch optimale Information der Bevölkerung. Wir sind uns auch in den Ausschüssen einig geworden, daß dieser Antrag keinen politischen Hintergrund haben soll, und daher auch dieser Zeitpunkt. Ich hätte mich sonst doch mit einigen Aussagen auseinandersetzen müssen, die es hier gegeben hat, ob es jetzt die Frau Präsident Hubinek im Parlament ist, die von einer Ratlosigkeit der Bundesregierung gesprochen hat, oder ob es die Auseinandersetzungen von Nationalrat Flicker in der Zeitung mit meinem Kollegen Haufek sind, wo man von der Bundesregierung sagt, man habe alles verschlafen, oder, wenn Sie wollen, auch mit dem Herrn Landesrat Blochberger, der in der Zivilschutzenquete am 30.Mai anläßlich 25 Jahre Zivilschutz ebenfalls heftigste Angriffe geritten hat. Ich glaube, das wäre nicht zielführend, und ich möchte hier doch auf die Chronologie der Ereignisse in ganz kurzer Form eingehen, vor allem weil sie die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Frau Präsident Dr. Marga Hubinek sind. Meine Damen und Herren! Schon im Jahre 1975 wurde im Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz ein Strahlenfrühwarnsystem aufgebaut und in den folgenden Jahren auch fertiggestellt. Wie Sie alle wissen, werden mit dem Frühwarnsystem laufend Strahlendosis- , Leistungs- und Luftaktivitätsmessungen durchgeführt. Wir haben in Österreich 336 Meßstellen, davon 74 in Niederösterreich, und haben ja gehört, daß unsere Landeswarnzentrale weder übergeben noch übernommen wurde. Na ja, nächstes Jahr feiern wir das zehnjährige Fest der Installierung der Landeswarnanlage. Sie ist nämlich seit 1977 hier in dem Haus untergebracht. Vielleicht können wir die Inbetriebnahme gleichzeitig mit dem 10jährigen Fest feiern. Es sollte dieser Unfall auch der Anlaß dafür sein, daß das Land und auch der Bund bitte erklären, wir übernehmen das oder wir übergeben das. Ich möchte das hier in aller Deutlichkeit gesagt haben. Meine Damen und Herren! Die österreichischen Meßwerte und die daraus gezogenen Schlüsse, das können wir doch auch stolz sagen, waren für unsere gesamten Nachbarländer die Grundlage zur Lagebeurteilung. Vorauszuschicken wäre, daß alle Maßnahmen und Empfehlungen darauf ausgerichtet waren, die Auswirkungen der Radioaktivität auf die österreichische Bevölkerung möglichst gering zu halten. Bei der Gefährdung durch die radioaktive Strahlung geht es dabei vorerst keineswegs um irgend welche akute Bedrohungen, sondern um die möglichen und bedenklichen Spätfolgen, das bitte möchte ich hier einfügen. Das heißt also auch nicht, daß bei Jod 131 jetzt nur die Acht-Tage-Zerfallsfrist zu beachten ist. Ich habe gestern mit einem bekannten Chemiker gesprochen. Der hat mir gesagt, ja, das Jod 131 ist zerfallen, nur, bitte Freund, du hast es in der Schilddrüse, und das andere, das Caesium, das merkst du auch nach soundso langer Zeit nimmer, aber du hast es in den Knochen, im Knochenmark! Das heißt, es geht bitte um die Spätfolgen, und ich werde mich dann auch in dieser Richtung noch einmal äußern. Zur Chronologie dieser Vorfälle. Am Nachmittag des 29.April wurde ein leichter Anstieg der Werte verzeichnet und die Landeswarnzentralen über diesen Zustand informiert. Auch die Bevölkerung wurde bereits am 29.April vom Gesundheitsministerium via Fernsehen und Radio sowie Zeitungsmeldungen über die tatsächliche Lage informiert, und in der Nacht vom 29. auf den 30.April kam es dann auch im Süden, wie der Kollege Klupper schon angeführt hat, zu einem raschen Ansteigen der Meßwerte des Frühwarnsystems. In Kärnten wurde sogar der Pegel 2 und in einigen Meßstellen sogar 3 erreicht. Die Landeswarnzentralen und die Militärkommandanten jener Länder wurden verständigt, die den Grundpegel 1 überschritten hatten. Am 30.April wurde bereits vorsorglich der Bevölkerung die Empfehlung gegeben, Staub- und Bodenkontakt zu meiden. Das Auskunftstelefon im Bundesministerium für Umweltschutz wurde eingerichtet und die Vorbereitungen für die Milchkontrolle getroffen. Am 30.April, meine Damen und Herren, wurde mittels Hubschrauber des Bundesheeres und des Bundesministeriums für Inneres täglich aus allen Teilen Österreichs an die 700 Milchproben aus 230 Molkereien zu den jeweiligen Prüfstellen gebracht. Das von einigen Seiten sehr kritisierte Umweltbundesamt hat es aber doch ermöglicht, zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Kontrollen komplett und rasch durchzuführen. Zugleich teilte auch die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik eine Änderung der Wetterlage mit, nämlich daß eine Luftstromänderung vom Nordosten nach Süden eingetreten ist. Durch diese Information war es auch möglich, weitestgehende Sicherheitsmaßnahmen zu treffen und damit eine Panik in der Bevölkerung zu verhindern. In der Folge wurde vom Ministerium als Vorsichtsmaßnahme empfohlen, Milchtiere nicht mit Grünfutter zu versorgen, sie nicht auf die Weide zu treiben und keine Regen- und Zisternengewässer zu verwenden. Diese Empfehlungen wurden bereits mit dem Ziel ausgesprochen, die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit einwandfreier Trinkmilch sicherzustellen. Durch die Festlegung dieses obersten österreichischen Grenzwertes, der nur ein Zehntel des bis dahin üblichen internationalen Grenzwertes betrug, wurde der Milchmarkt gespalten und die Versorgung der gesamten österreichischen Bevölkerung mit Milch in "Babyqualität" gesichert. Schon am 2.Mai wurden die Herren Landeshauptmänner zu einer Besprechung am 3.Mai 1986 eingeladen und ihnen gleichzeitig eine schriftliche Information über die Situation in Österreich übermittelt. Die Bevölkerung wurde vollständig informiert, und durch das rasche und überlegte Handeln des Ministeriums wurden die potentiellen Gefahren minimiert. Am 2.Mai hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz durch vier APA-Meldungen die Bevölkerung durchgehend über die Situation aufgeklärt und wieder eine Empfehlung erneuert. Am 3. Mai hat dann im Gesundheitsministerium das Informationsgespräch mit den Ländern stattgefunden. Danach wurde das Fütterungsverbot von Grünfutter normiert, das Einfuhrverbot für Milch und Milcherzeugnisse, Obst und Gemüse aus den Oststaaten festgelegt sowie vereinbart, daß die Milchregelung aufrechterhalten bleibt. Bei den laufenden Meldungen stellte sich heraus, daß von allen Lebensmitteln besonders das frische Freilandgemüse mit radioaktivem Staub kontaminiert ist. Da im Gegensatz zur Molkereimilch eine allumfassende Kontrolle, also die Kontrolle, meine Damen und Herren, jedes einzelnen Salathäuptels, nicht administrierbar ist, mußte zur Sicherheit der Bevölkerung eine allgemeine Verkaufssperre für Blattgemüse, Karfiol, Hülsenfrüchte, Tomaten, insoweit dieses Frischgemüse in Freilandkulturen gezogen wurde, verfügt werden. Auch die internationale Presse, meine Damen und Herren, hat anerkannt, daß Österreich als erstes Land Europas auf diesen Unfall rasch reagiert hat und, das haben wir ja gesehen, daß viele Länder Europas dem Beispiel Österreichs gefolgt sind. Sie brauchten hier nur "Die Zeit" in Deutschland oder den "Spiegel" nachzulesen, wo das sehr eindeutig dargestellt wird. Die Aufklärung der Öffentlichkeit über die notwendig gewordenen Maßnahmen und die Begründung für die Empfehlung wurde selbstverständlich weiter durchgeführt. Am 7.Mai wurde eine Konferenz mit den Landeshauptmännern abgehalten und in Übereinstimmung mit den Ländern noch am selben Tag verfügt, daß ab sofort auch Einfuhren aus Albanien, Griechenland und der Türkei zu stoppen sind. Gleichzeitig wurden die Lebensmittelkontrollen durch das Umweltbundesamt, das Forschungszentrum Seibersdorf, die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung sowie bei verschiedenen dezentralisierten Prüfstellen in den Ländern Tag und Nacht durchgeführt. Ich möchte mich auch hier dem Dank, den der Kollege Klupper diesen Organisationen, Vereinigungen und auch den Beamten ausgesprochen hat, anschließen. Es versteht sich daher auch von selbst, daß an den Grenzen Österreichs durch den Einsatz von Gendarmerie und Bundesheer Messungen und, wenn notwendig, Dekontaminierungen durchgeführt wurden. Leider wurde, obwohl es eindeutige Empfehlungen des Ministeriums gibt, in einigen Bundesländern vielleicht durch Auffassungsunterschiede der Anordnung, betreffend die Grünfütterung, nicht Rechnung getragen. In Salzburg wurde sie sofort wieder aufgehoben. Eine ähnliche Vorgangsweise haben wir im Bundesland Tirol und so weiter erwartet, Gott sei Dank nicht in Niederösterreich. Meine Damen und Herren! Das war in kurzen Worten eine Schilderung des Vorfalles von Tschernobyl. Ich möchte jetzt auf den Antrag zu sprechen kommen, weil es hierin heißt, das Kernkraftwerk Zwentendorf solle zum ehestmöglichen Zeitpunkt in der bestmöglichen Weise verwertet werden, worauf hinzuweisen der Herr Berichterstatter sicher nicht unabsichtlich übersehen haben wird. Ich habe mir schon vor einiger Zeit, nämlich vor drei Jahren, als noch mancher einen Herzinfarkt gekriegt hat, als ich das gesagt habe, erlaubt, bereits darauf hinzuweisen, man möge doch endlich einmal untersuchen, ob nicht das Kernkraftwerk Zwentendorf doch besser zu verwerten wäre, anstatt es als Museum für den Herrn Hundertwasser, der dort irgendwo mit einigen Künstlern etwas anstreicht, oder zum Aufbau einer Zivilschutzschule zur Verfügung zu stellen. Ich weiß nicht, was die mit dem riesigen Betongemäuer tun werden, wenn wir ohnehin eine Zivilschutzschule haben. Ich muß wieder auf den Kollegen Lielacher von Euch zurückkommen, der Tag und Nacht irgend welche neue Ideen gebiert, aber ich glaube, man müßte sich vorher doch ein bißchen informieren. Daher bitte sage ich auch hier von dieser Stelle, wir haben keine Sondermüllanlage in Niederösterreich. Bei den Parteienverhandlungen, die es jetzt in Bezug auf die Gründung einer neuen Landeshauptstadt gegeben hat, wurde auch festgelegt, daß wir bezüglich des Sondermülls zu einer Regelung zwischen Bund und Land kommen sollen. Das Land selbst ist genauso wie der Bund an dem Atomkraftwerk Zwentendorf beteiligt. Das heißt, auch das Land Niederösterreich hätte ja die Möglichkeit, jederzeit zu überprüfen, ob es nicht als Zwischenlager geeignet wäre, um dann, wenn diese Sondermüllbeseitigungsanlage geschaffen werden muß, als solche verwendet werden zu können. Ich habe auch beim Herrn Staatssekretär Ferrari-Brunnenfeld nicht locker gelassen. Als ich damals vor ungefähr drei Jahren den Vorschlag gemacht habe, wenn Zwentendorf einmal abgerüstet werden sollte, solle man diese Möglichkeit prüfen, hat er sich so ins Fernsehen gedrängt, um zu erklären, das sei immer schon sein Vorschlag gewesen. Ich habe ihn vor einiger Zeit wieder angesprochen, wo denn dieses Gutachten, das er angekündigt hat, sei. Ja, er war, glaube ich, zutiefst erschrocken, daß er gar nicht gewußt hat, daß er einmal irgendwo im Fernsehen so etwas Ähnliches gesagt hat. Daher wiederhole ich es also auch hier noch einmal: Das Land hat die Möglichkeit,ob durch Wissenschaftler,ob durch Beamte unserer Umweltschutzanstalten,zu prüfen.Wir wollen sicherlich alles tun, um es in bestmöglicher Art zu verwenden. Es gibt sicherlich keinerlei Belastung für die Bevölkerung und keinerlei Umweltprobleme. Das Gelände ist gesichert, es sind die Labors vorhanden. Bitte das also doch noch einmal zu überlegen und zu prüfen, dann können wir immer noch weiterreden. Ich bin auch damit einverstanden, meine Damen und Herren, daß wir uns auf die Erstellung eines Maßnahmenkataloges geeinigt haben. Es wird zwar nicht so sein, ich hab's im Ausschuß schon gesagt, daß ich alle 330 Atomkraftwerke, die es auf der Welt gibt, hier einspeise und,wenn in Kalkar oder in Bohumice,oder wie die Standorte alle heißen, Strahlung 2 oder ein Unfall eintritt, dann auf den Knopf drücke, dann hüpft ein Kuvert heraus, das Kuvert mache ich auf und sage, jetzt, liebe österreichische oder niederösterreichische Bevölkerung, jetzt hast du das oder das zu tun, jetzt hast du so und so weit davonzurennen, in einen Bunker zu schlüpfen und eben das und das nicht mehr zu essen. Wir wissen, daß das nicht geht, aber man kann sicherlich einen Maßnahmenkatalog vorher ausarbeiten und sich einigen, was geschehen kann, vor allem bitte auch auf dem Sektor der Evakuierung der Bevölkerung, wenn zum Beispiel in den grenznahen Atomkraftwerken, ob sie jetzt in Deutschland oder in der Tschechei oder, wenn Sie wollen, in der Schweiz stehen, ein Unfall passiert. Was nämlich nicht in den ersten Tagen oder in den ersten Stunden geschieht, wird schwerste Strahlenfolgen haben. Daher gilt es, meine Damen und Herren, der Lethargie den Kampf anzusagen und auch der Kompetenzvielfalt, die es im Bund in den verschiedenen Ministerien und, bitte sehr, auch bei uns im Land gibt. Auch bei uns im Land sind sicherlich einige Regierungsmitglieder für verschiedene Sachbereiche zuständig, wie für Umweltschutz, der eine für das Wasser, der andere für die Landwirtschaft, auch hier müßte es zu einer Kompetenzentflechtung kommen. Ich glaube, wir haben es nicht so ernst genommen, die Alarmpläne auszuarbeiten, wie es immer wieder von uns in den Gemeinden selbst oder in den Bezirken und auch auf Landesebene gefordert wurde. Es wird also sehr, sehr umfangreich und sehr schnell daran zu arbeiten sein. Ich glaube, Tschernobyl hat ein Signal gesetzt. Ohne Panik in die Bevölkerung zu tragen, geht diese Stimmung in der Bevölkerung ja von der Lethargie, wenn Sie wollen, bis zur Hysterie, aber die meisten sagen - und das hört man so, wenn man mit den Menschen redet -, ich sehe das nicht, ich hör' das nicht, ich riech' das nicht. Und wenn man sagt, vielleicht werden einmal in 25 Jahren oder in 20 Jahren deine Kinder oder irgendwer darunter leiden, dann antwortet man, ah, das glaube ich nicht! Es will jeder etwas Handfestes haben. Daher weiß noch niemand, wie gefährlich eigentlich diese Strahlenaktivitäten sind. Und daher auch nur ein Satz zur Radioaktivität selbst. Die Radioaktivität kann man nicht als einen statischen Zustand bezeichnen, sondern dies ist ein dynamischer Zustand, der von der Wetterlage abhängt, der von verschiedensten Inversionslagen abhängig ist. Daher muß man diese Komponenten berücksichtigen. Ich möchte hier einige Ideen, die schon von verschiedenen Organisationen gesagt worden sind, die auch auf meinen eigenen Mist gewachsen sind, hier zusammenfassen, so als Denkanstoß für verschiedenes, was vielleicht geschehen sollte. Ich glaube, für den Einsatz aller bestehenden Ressourcen des Zivilschutzes, vor allem bei den Ländergrenzen überschreitenden Anlaßfällen, und für den Katastrophenschutz aller Art ist eine zentrale Kompetenz im Bundesministerium für Inneres zu schaffen. Wir haben in unserem Antrag auch die Abgeltung der Leistungen für die Freiwilligen Feuerwehren, die sie erbringen, enthalten. Ich möchte das weiterführen auf die Mitglieder der Einsatzorganisationen, denn es waren ja nicht nur die Feuerwehren im Einsatz, es waren die Rettung, der Arbeitersamariterbund und, wenn Sie wollen, auch die Mitglieder des Zivilschutzes hier tätig. Und diese müssen, wir haben das bekräftigt, was den Verdienstentgang, die Arbeitsplatzsicherung, aber auch die Kranken- und Unfallversicherung betrifft, rechtlich abgesichert werden. Wir wollen also in unserem Bundesland keine unerschwinglichen Superbunker bauen, in denen dann einige Begüterte überleben können, sondern wir wollen finanzierbare Grundschutzräume für alle schaffen, die aber auch dann in den ersten acht bis zehn Tagen eine Überlebenschance geben, wenn wieder irgendwo ein Unfall passiert, der halt bis zum Pegel 3 oder auch ungefähr 4 auf uns zukommt. Aber es nützt uns nichts, meine Damen und Herren, wenn wir die schönsten Schutzraumbauten haben und es ist nichts drinnen! Ob ich jetzt oben durch die Strahlung hin werde oder unten verhungere, das ist mir an und für sich Wurscht, und 23.000 Jahre wird ja niemand von uns in so einem Bunker überleben können! Daher dreht es sich nicht um die 23.000 Jahre Strahlungsdauer von Strontium, Plutonium und diesen Sachen, sondern es dreht sich um die ersten Stunden, die also Jod und dergleichen ausstrahlen. Daher einfache Ausstattung und auch Aufklärung der Bevölkerung! Überlegenswert ist, ob nicht auch Mittel der Wohnbauförderung bei jedem Schutzraumbau, unabhängig ob Baupflicht besteht, verwendet werden können. Die Alarmierungspläne auf Bundesund Landesebene müssen aufeinander abgestimmt und ständig überprüft werden. Für sehr wichtig halte ich auch den Abschluß bilateraler Abkommen mit den Nachbarländern, denn die Länder bauen uns die Atomkraftwerke vor unsere Haustüre hin, und man weiß, daß die Windströme zum großen Teil, wenn ich jetzt die tschechischen Atomkraftwerke nehme, in unser Land kommen. Es soll nicht nur eine Warnung erfolgen, wenn etwas passiert ist, sondern auch die Gewährleistung der Hilfe bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen gegeben sein. Ich möchte das sogar so weit erweitert wissen, daß man auch dem Staate Österreich oder dem Bundesland Niederösterreich ein Recht einräumt, dabei mitzusprechen, wenn ein anderes Land an unserer Grenze solche Atomkraftwerke baut. Dann wird es nicht dazu kommen, daß man wie in Wackersdorf in Deutschland die Österreicher auf einmal nicht mehr einreisen läßt. Was geht euch Wackersdorf an? Ihr bleibt zu Hause! Bei den Tschechen wird das sowieso etwas schwieriger sein. Aber die Kompetenz und die Sorge der Bevölkerung, ob das jetzt die Salzburger sind oder die Niederösterreicher, soll in den Mittelpunkt gerückt werden. Und ich glaube, daß es nicht abwegig ist, wenn Wien als der Sitz einer internationalen Organisation, oder, wenn Sie wollen, einer internationalen Warnzentrale angesehen wird, weil uns in Österreich niemand vorwerfen kann, wir unterdrücken etwas, weil wir selbst ein Atomkraftwerk haben. Ich glaube, man muß die Voraussetzung für die rasche Einsatzmöglichkeit überörtlicher Katastrophenbereitschaft im In- und auch im Ausland haben. Es muß die unverzügliche Novellierung des Katastrophenfondsgesetzes zugunsten des flächendeckenden Ausbaues des funkgesteuerten gesamtösterreichischen Warn- und Alarmdienstes erfolgen. Meine Damen und Herren! Ich war ungemein erschüttert, als ich gehört habe, ja, ja, es ist eh alles weitergegeben worden vom Ministerium, und man hat ein neues Ministerium gebaut, aber man hat nicht an die Leistungsfähigkeit dieser Anlage gedacht und das ganze Warnsystem ist dort an der Telefonanlage hängen geblieben. Ja, liebe Freunde, so darf das nicht sein! Das heißt, wir müssen auch das einmal überprüfen. Mir nützt die schönste Warnung nichts, wenn ich diese nicht weiterbringe. Daher bitte ich in dieser Sorge, jetzt zu sagen, wir haben also vor, auch den Funk hier einzubringen. Selbstverständlich ist die Bevölkerung ausreichend über die Maßnahmen zu informieren, die sie in Eigeninitiative durchführen möchte. Sie will Information über Fragen des Selbstschutzes durch die Medien! Ich möchte aber auch anregen zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, ein universitäres oder interdisziplinäres Zentrum für Katastrophenmedizin in Österreich einzurichten, ob es nicht möglich ist, Zentralstellen des Bundesumweltamtes in die Länder zu delegieren und damit in den Ländern draußen die sofortige und größtmögliche Untersuchung im Falle des Falles durchzuführen. Es könnten auch unsere Universitätsinstitute, die wir haben, zur Messung von Luft, Boden, Wasser und Lebensmittel herangezogen werden, und ich könnte mir vorstellen, daß es ein Wissenschafterteam geben müßte, das sich mit den eventuellen künftigen Auswirkungen der Strahlen beschäftigt, wie ich schon gesagt habe: was passiert, wenn wieviel Jod in der Schilddrüse ist, vor allem ist die Beschränkung des Wachstums durch Caesium wahnsinnig gefährlich, und keiner will das heute wahrhaben. Selbstverständlich sollen wir auch nicht jene vergessen, die nichts dafür können und die einen Schaden haben, ob das jetzt die Landwirte sind, ob es Viehzüchter sind, ob es Gemüsegärtner sind. Ich glaube, hier müßte sich insbesondere auch das Land Niederösterreich seiner Verantwortung bewußt werden. Der Bund selbst hat bereits eine Vereinbarung zwischen den Landesfinanzreferenten und dem Finanzministerium betreffend Änderung des Strahlenschutzgesetzes durch eine Verordnungsermächtigung getroffen, damit entsprechende Entschädigungen gezahlt werden können. Ein diesbezüglicher Antrag liegt bereits dem Nationalrat vor. Ich würde daher bitten, meine Damen und Herren, daß Sie dem in diese Richtung gehenden Resolutionsantrag die Zustimmung geben, der lautet (liest): "Resolutionsantrag des Abg. Wedl zum Antrag der Abgeordneten Spiess, Wedl und anderer betreffend Maßnahmen bei Unfällen, die eine Strahlenverseuchung bewirken, Ltg. 235. Der Reaktorunfall von Tschernobyl hat in vielen Ländern Europas, darunter auch in Österreich, große wirtschaftliche Schäden zur Folge gehabt. Von diesen Schäden ist insbesondere die Landwirtschaft schwer betroffen. Unbestritten ist, daß Artikel 17 der Bundes-Verfassung regelt, daß durch die Kompetenzartikel der Bundes-Verfassung die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt wird. Ebenso unbestritten ist aber auch die Zuständigkeit des Landes für die Landwirtschaft. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft können daher nicht zuletzt aus dem Titel des Katastrophenschutzes sicherlich vom Bund geleistet werden. Ebenso erscheint es aber auch aufgrund der rechtlichen Zuständigkeit angemessen, daß auch das Land sich an entsprechenden Katastrophenhilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft beteiligt. Die Landesregierung wird daher aufgefordert, entsprechend der vom Bund gewährten Hilfe für die durch die Folgen des Reaktorunfalles von Tschernobyl geschädigten landwirtschaftlichen Unternehmen eine gleichartige Entschädigung vorzusehen." Ich würde Sie sehr herzlich bitten, meine Damen und Herren, diesem Antrag die Zustimmung zu geben. Wenn wir uns bei der Beratung und Beschlußfassung über dieses Strahlenschutzgesetz oder über die Maßnahmen, die durch den Unfall notwendig werden, einigen, dann glaube ich, auch wenn man sagt, ein Unglück kommt selten allein, daß gerade dieses Unglück, das es hier gegeben hat, zu einem Umdenken führt. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auch in Zukunft alles zu unternehmen, um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten. Nachdem auch der Kollege Klupper mit einem Zitat geendet hat, möchte ich eines von Friedrich Hebbel bringen, der sagt: "Schickt Gott ein Unglück dir ins Haus, mach' du dir selbst ein Glück daraus." Es könnte auf diesen sicherlich schweren Unfall, hoffentlich aber nicht noch auf einen Gau, den wir nicht in den Griff bekommen, abgestimmt werden: "Wir sind wach geworden und hoffen, es möge kein zweites Tschernobyl geben." Ich möchte mit dem Satz schließen, den der Kollege Haufek als Antwort auf eine Zeitungskampagne gegen ihn an den Kollegen Klupper gerichtet hat, in dem es heißt: "Ich glaube, daß alle Menschen von Tschernobyl zum Nachdenken angeregt wurden." Das trifft auch auf die Politiker und die politischen Parteien zu. Wir sollten daher weniger mit den Fingern aufeinander zeigen, sondern gemeinsam an der Lösung der Probleme, die es unbestreitbar gibt, arbeiten. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.) PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Spiess. Abg. SPIESS (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren dieses Hohen Hauses! In meiner Wortmeldung möchte ich mich vorwiegend mit den wirtschaftlichen Folgen des Reaktorunfalles befassen, aber erlauben Sie mir noch einige generelle Bemerkungen und einige Anmerkungen zu meinem Vorredner. Kollege Wedl! Du hast vorhin einen Resolutionsantrag eingebracht. Ich werde in der weiteren Folge noch dazu Stellung nehmen, denn mit der neuen Lösung sind sowieso Landesmittel verbunden. Zwentendorf, ist richtig, Du hast ja das Problem bereits vor Jahren angeschnitten, hast es damals zur Verwendung als Sondermülldeponie vorgeschlagen. Ich möchte mich nicht festlegen, aber für uns steht die bestmögliche Verwertung von Zwentendorf im Vordergrund. Das sollen also Fachleute untersuchen und Kostenberechnungen anstellen. Wenn Du gesagt hast, daß Deine Wortmeldungen vor drei Jahren öfters Herzinfarkte hervorgerufen haben, dann empfinde ich das als eine nicht sehr humane Tat. Wir wollen heute doch so diskutieren, daß diese Herzinfarkte ausbleiben. Ja, meine Damen und Herren, es war keine Naturkatastrophe, die die Strahlung und die Strahlungsschäden in Österreich und in weiten Teilen Europas hervorgerufen hat, sondern es waren die zu geringen Sicherheitsvorkehrungen und menschliches Versagen. Ohne hier auf die moralischphilosophische Frage eingehen zu wollen, ob im Schöpfungsauftrag Kernspaltung oder Genmanipulation beinhaltet ist, möchte ich aber doch eines feststellen, ohne hier vielleicht als technikfeindlich verschrien oder verstanden zu werden. Absolut sichere Technik ohne Gefahrenrisiko wird es meines Erachtens nie geben, denn die menschliche Komponente und das Faktum Mensch wird dabei nie ausgeschlossen werden können und daher auch nicht menschliches Versagen. Aber die Auswirkungen eines derartigen Versagens im Bereiche der Kernspaltung sind natürlich gigantisch: auf die Natur, auf den Menschen, aber auch auf unsere Wirtschaft. Meine Damen und Herren! Die Strahlungskapazität ist in etwa für alle Bevölkerungsgruppen gleich. Generell tragen also alle Bevölkerungsgruppen ungefähr ein gleich hohes gesundheitliches Risiko, und nach dem neuesten Wissensstand gibt es kein Gewöhnen des Menschen an harte Strahlen, sicherlich nicht innerhalb kürzerer Zeit. Es sind daher alle Maßnahmen zu begrüßen, die eine Vermeidung hoher Strahlungsdosen zur Folge haben. Das bezieht sich natürlich auch auf den Aufenthalt im Freien, selbstverständlich aber auf den Genuß von Lebensmitteln und natürlich auch auf ihre Zulassung. Daraus ergeben sich sicherlich wesentliche Auswirkungen. Vielleicht noch eines zu Deinem Terminplan, den Du vorhin gesagt hast. Ich bin nicht der Ansicht, daß in der ersten Woche die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, wie Aufenthalt in der freien Natur usw., entsprochen haben und dementsprechend danach gehandelt wurde. In den Tageszeitungen, z.B. im Kurier und in der AZ, wurde bereits am 29.April über den Reaktorunfall bei Tschernobyl berichtet. Die erste Reaktion der Bundesregierung erfolgte im engeren Bereich, das heißt mit den Landeshauptleuten und Landesräten, am 3.Mai im Gesundheitsministerium unter Vorsitz des Herrn Bundesministers. Die erste Verordnung in Niederösterreich konnte daher erst am Abend des 3.Mai um 21.17 Uhr erlassen werden. Es ist, glaube ich, daher leicht begreiflich, daß diese Verordnung trotz der Aufforderung, sie sofort zu veröffentlichen, so gut wie niemandem vor dem 5.Mai bekannt geworden ist, da ja spät abends vor dem Tag der Bundespräsidentenwahl auf eine solche Verordnung so gut wie niemand reagierte. Nichts könnte besser zeigen, daß hier die Bundesregierung unvorbereitet war. Es ist ja auch in der Zwischenzeit bekannt geworden und ich glaube, es ist feststehendes Wissen, daß die größte Strahleneinwirkung in Österreich in der ersten Woche, also nach dem 29. und 30. April bis nach dem 1.Mai, erfolgt ist. Hohes Haus! Ich darf daher schon feststellen, daß manche Maßnahmen wesentlich zu spät gesetzt worden sind, daß also doch eine gewisse mangelhafte Vorbereitung festzustellen ist. Was in der Zwischenzeit allerdings erfolgt ist, und ich beziehe mich jetzt auf die Zeit bis zum Dienstag dieser Woche, das sind 42 Verordnungen, die erlassen wurden, die natürlich wesentlich für viele Wirtschaftsbereiche in unserem Bundesland, insbesondere auch für die Landwirtschaft, sind. Wenn wir behaupten, daß doch eine mangelhafte Vorbereitung für diesen Schadensfall festzustellen war, so möchte ich objektiverweise und fairerweise sagen, daß es natürlich einen Unfall in diesem Ausmaß noch nicht gegeben hat und daß man selbstverständlich erst aus diesem Unfall verschiedene Erfahrungen sammeln mußte. Das gilt natürlich nicht nur für uns, sondern für das gesamte Ausland. Nun zum wirtschaftlichen Schaden. Hier gibt es sicher noch keine Übersicht über jene Bereiche unserer Gesellschaft, wo solche Schäden aufgetreten sind, bzw. über die endgültige finanzielle Größenordnung dieser Belastungen. Das beginnt bei den Filtern in Gebäuden mit Klimaanlagen, von denen man heute noch nicht weiß, was mit ihnen geschehen soll, das geht über Handel, Gewerbe, Fremdenverkehr bis hin zur Landwirtschaft, und daß die Landwirtschaft besonders davon betroffen ist, wurde ja heute hier bereits erklärt. Hohes Haus! Ich bin ein Praktiker. Ich bin kein Chemiker, kein Biophysiker, ich kann daher nicht beurteilen, inwieweit die Strahlenhöchstwerte, die in Österreich festgelegt worden sind, auch notwendig sind. Hierüber ist sich ja auch die Wissenschaft nicht einig, sondern auch hier gibt es verschiedene Meinungen. Ich möchte aber doch auf die unterschiedlichen Höchstgrenzen in der EG und in Österreich hinweisen: zum Beispiel bei Schweinefleisch 5 Nanocurie, in der EG 15 Nanocurie. Hier könnte man also doch die Frage stellen: Liegt unseren Nachbarn, den Bundesdeutschen oder den Franzosen, die Gesundheit ihrer Bevölkerung vielleicht weniger am Herzen? Ich glaube eigentlich nicht. Aber allein diese eine Maßnahme bringt enorme Folgen mit sich. Ein Beispiel dafür, das diese Folgen zeigen soll: Wir wissen, daß Molke verhältnismäßig hoch kontaminiert ist. Zuerst war die Verfütterung der Molke erlaubt. Am 4.6. nachmittags wurde durch Verordnung die Verfütterung verboten. Aber bereits am 5.6. vormittags wurde das Verkaufsverbot der Molke zur Fütterung wieder aufgehoben. Nun, was war geschehen? Man ist draufgekommen, daß man die Molke anderweitig gar nicht entsorgen kann. Wegschütten geht nicht und die Entsorgung über die Kläranlagen ist ebenfalls nicht möglich, weil die Anlagen viel zu stark belastet wären und zusammenbrechen würden. Also ergibt sich wieder die Weiterverfütterung. Aufgrund unserer niedrigen Werte von 5 Nanocurie ist aber zu befürchten, daß das Schweinefleisch über diesen Werten liegen wird. Was wird die Folge sein? Abtransport zur Kadaververwertung, und auch da erhebt sich die Frage, ob man diese Kadaver überhaupt verbrennen kann, weil man dann hohe Aschenwerte hat, oder ob man etwas davon zur Eiweißerzeugung verwenden kann. Wie ich heute gehört habe, soll noch heute oder morgen in der Früh ein neuerlicher Erlaß kommen, wonach die Molke in Zukunft in die Donau geschüttet werden soll, denn hier soll sie sich angeblich so stark verteilen, daß dann also keine höheren Belastungswerte zu befürchten sind. Zweites Beispiel aus der unmittelbaren Vergangenheit. Es wurden in der Steiermark und anderswo verschiedene Chargen von Haltbarmilch aus dem Verkehr gezogen, weil die Belastung über 5 Nanocurie war. Im Fernsehen wurde behauptet, daß Strafanzeige gegen die Firma, das war die Molkerei Schärdinger, erhoben worden sei. Ich glaube, mit solchen Meldungen wird die Bevölkerung nur verunsichert. Hier müßte man von den Journalisten schon verlangen, besser zu recherchieren. In der Zwischenzeit ist bekannt geworden, daß sich die Firma Schärdinger schadlos halten will, denn zu dem Zeitpunkt, als diese Haltbarmilch in den Verkehr gesetzt wurde, galt ein Höchstwert von 10 Nanocurie. Die Auslieferung dieser Haltbarmilch war also vollkommen legal, nur wurde es in der Zwischenzeit, weil die Werte heruntergesetzt wurden, verabsäumt, diese Packungen wieder rechtzeitig aus dem Verkehr zurückzurufen. Ich möchte doch auch noch ein Wort der Kritik an Anordnungen, an Weisungen des Herrn Umweltministers sagen. Ich habe hier eine schriftliche Notiz seitens des Handelsführers der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, und zwar bezieht sich diese Notiz vom 9.6.1986 auf ein früheres Schreiben des Herrn Umweltministers. Hier wird die Gefahr überzogener Grenzwerte, die in der Praxis nicht erreichbar sind und die Durchlöcherung des Verbraucherschutzes bei gleichzeitiger Wettbewerbsverzerrung zu Lasten österreichischer Hersteller durch mangelhafte Vorschriften zur Importkontrolle angezogen. Ich darf Ihnen hieraus eine Passage, die doch den wesentlichen Inhalt wiedergibt, bringen: "Es geht einfach nicht an, für Rohstoffe Höchstwerte festzulegen, österreichische Verarbeitungsprokukte in Konsequenz dieser Höchstwerte verkehrsunfähig zu machen, aber ausländische Verarbeitungserzeugnisse unkontrolliert zu importieren. Da Österreich die in der EG zugelassenen Maximalkonzentrationen nicht übernommen hat, verschärft sich diese Situation, weil es tatsächlich notwendig ist, den österreichischen Verbraucher durch strengere Grenzwerte als jene der EG zu schützen. Er bedarf dieses Schutzes auch bei den Verarbeitungsprodukten, es wäre also auch die Importkontrolle konsequenterweise gegenüber den Oststaaten zu verlängern, auf die Verarbeitungsprodukte zu erweitern und auf die gleichen Importwaren aus der EG auszudehnen. Das ist bis heute nicht geschehen. Für die Inlandsprodukte gelten unsere niedrigen Grenzwerte, ausländische Produkte mit höheren Grenzwerten werden hier nicht kontrolliert." Meine Damen und Herren! Wir erheben heute mit unseren Resolutionsanträgen die Forderung, daß alle Geschädigten, alle von diesen Gesundheitsmaßnahmen Betroffenen, entschädigt werden müssen. Dies gilt für alle Wirtschaftsbereiche, nicht nur für die Landwirtschaft. Dies gilt aber nicht nur für eine Teilabgeltung, sondern, wie wir meinen, für eine möglichst hohe, für eine Vollentschädigung. Gesundheitliche Anordnungen und Erlässe dürfen nicht auf dem Rücken von Teilen der Bevölkerung oder einzelnen Wirtschaftszweigen ausgetragen werden. Es stehen, wie vorhin erwähnt, sicher noch keine verbindlichen Zahlen aus der Wirtschaft zur Verfügung. Es sind viele Zweige betroffen. Ich denke hier an die Schäden bei den Reisebüros, die entstanden sind. Ostreisen wurden vermindert. Bei den Autobusunternehmen ist der Ausflugsverkehr auch um 50 % zurückgegangen, ebenso beim Güterbeförderungsgewerbe, vor allen Dingen bei Gemüsetransporten und den Transporten in die Oststaaten, bei den Fremdenverkehrsbetrieben, bei den Freizeit- und Sportanlagen. Obst und Gemüsehandel. Im Monat Mai war der Umsatz um 50 bis 70 % rückläufig. Bei der Milch und beim Eierhandel war im Monat Mai ein Rückgang des Umsatzes um 40 bis 50 % festzustellen, selbstverständlich auch beim Viehhandel, beim Blumenhandel, bei den gewerblichen Gärtnereien. Aus der Landwirtschaft stehen mir etwas genauere Schätzungen zur Verfügung. Bisher sind in Österreich innerhalb der Landwirtschaft mindestens 1,2 Milliarden Schilling Schaden entstanden und dieser Schaden erhöht sich von Tag zu Tag. In unserem Bundesland Niederösterreich schätzt man diese Schäden bis Stichtag 10.Juni auf mindestens 226 Millionen Schilling. Diese verteilen sich in etwa im einzelnen: bei Schlachtrindern 40 Millionen Schilling, bei Zuchtrindern 500.000, Gemüse 17 Millionen, Obst 5 Millionen, Milch 110 Millionen, Frühkartoffeln 24 Millionen, bei Lämmern und Schafen 30 Millionen Schilling. Hier ist die Schadenssumme nicht endgültig, da der Schafverband sagt, er könne noch gar nicht so richtig abschätzen, wie hoch der Schaden überhaupt ist. Der Bereich der Jagd ist hier noch gar nicht erwähnt. Einige Anmerkungen, ich will nicht allzu lange reden, vielleicht doch zu diesen Schadensziffern. Durch den Einfuhrstopp bei Frischgemüse aus Italien kommt es natürlich sofort zu Restruktionen aus unserem Nachbarland. Es konnten keine Rinder mehr über die Grenze gebracht werden, und der Rückstau dieser Rinder im Inland hat natürlich einen sofortigen Preisverfall, der zwischen drei und fünf Schilling lag, verursacht. Angst und Hysterie, die in manchen Bevölkerungskreisen durchaus vorhanden waren, haben auch bei unbelastetem Gemüse oder Obst sofort zu Preiseinbußen und zu verminderten Verkaufsziffern geführt. Wir sehen also die Belastung im gesamten Bereich der Landwirtschaft: das Verbot des AbHof-Verkaufes von Milch, die getrennte Verarbeitung von Milch oder die erschwerten und umfangreichen Verkehrsflüsse, wie die Milch gesammelt und geliefert wurde. Ich glaube, man kann wirklich sagen, die Mehrbelastungen sind enorm groß, gehen in die hunderte Millionen Schilling und es ist selbstverständlich die gesamte Molkereiwirtschaft hier eingebunden. Eines, glaube ich, kann man grundsätzlich feststellen. Ohne unser funktionierendes Marktordnungssystem wäre es nicht möglich gewesen, bei solchen Schadensfällen eine geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln wirklich aufrechtzuerhalten. Wir sehen aber, daß wir hier ein Instrumentarium haben, das gerade bei solchen Katastrophen sehr wirksam ist. Man könnte auch noch den Bereich der Landwirtschaft und des Jagdwesens anführen, wo die Folgen erst in Zukunft kommen werden: auf der einen Seite höhere Verbißschäden, auf der anderen Seite Abschußverbot des Wildes. Aufgrund der hohen Belastung wird man erst sehen, was man mit dem Wild wird machen können. Meine Damen und Herren! Ich glaube daher, daß es, wenn heute diskutiert worden ist, daß die Entschädigung für die Landwirtschaft und für alle Zweige unserer Wirtschaft voll und ganz oder im möglichst großen Ausmaß erfolgen muß, keine unbillige Forderung ist. Nicht unbillig insofern, als bei Anordnungen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung im Gesundheitsbereich die Solidarität aller unserer Staatsbürger beitragen muß, um diese Schäden in möglichst hohem Maße abzugelten. Es muß daher die Solidarität aller unserer Bürger durch den Staat wahrgenommen werden, um die Schäden gutzumachen. Und wenn ich sage, diese Schäden sind gutzumachen, dann bitte nicht erst in weiterer Zukunft, sondern möglichst rasch, denn es ist immer so: Wer möglichst rasch hilft, hilft wirksam. Wir sehen ja dieses Beispiel auch in der Bundesrepublik Deutschland, wo rasche Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen erfolgt sind. Wenn ich vorhin gesagt habe, das Land Niederösterreich trägt zur Abgeltung dieser Schäden etwas bei, dann wurde heute schon darauf hingewiesen, daß es durch eine Verhandlung der Landesfinanzreferenten beim Finanzminister nunmehr ein Abkommen gibt, daß also nicht, so wie ursprünglich von den Sozialisten und Freiheitlichen im Parlament vorbereitet, das Katastrophenhilfegesetz abgeändert werden soll, sondern es soll das Strahlenschutzgesetz durch Verordnung abgeändert werden. Es würde erstens einmal anerkannt, daß diesbezüglich Bundeskompetenz vorliegt, und ich möchte zweitens ganz besonders darauf hinweisen, daß es erst dann zu bundeseinheitlichen Entschädigungssätzen kommen wird. Vorerst ist also nur daran gedacht, den Bereich der Schafe und der Ziegen sowie die Gemüsebauern einmal in die Erhebungen einzubeziehen. Wir werden aber sicherlich weiter darauf dringen, daß alle Bereiche der Wirtschaft, wie heute bereits festgestellt worden ist, dementsprechend berücksichtigt werden. Es wurde auch vereinbart, daß vorerst die Mittel aus dem Katastrophenfonds für diese Maßnahmen entnommen werden sollen. Natürlich sind die Länder im Finanzausgleich mit dabei und zahlen also auch dazu. Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich daher abschließen. Die Wissenschaftler oder ein Teil davon haben erklärt, daß die Sicherheit von Reaktoren gegeben ist und daß in der Statistik ein Unfall, wie etwa ein Super-Gau, alle zehntausend Jahre erfolgen kann. Nun, ich glaube, wir sind Zeitzeugen und Zeugen dafür, daß dieser Unfall wesentlich früher stattgefunden hat. Wir alle kennen das sogenannte Gesetz der Serie. Es ist nicht wissenschaftlich bewiesen, aber aus unseren Erfahrungen wissen wir, daß es so etwas gibt. Ich würde nur hoffen, daß dieses Gesetz der Serie bei der Kernspaltung keine Gültigkeit hat. Danke. (Beifall bei der ÖVP.) PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Wedl. Abg. WEDL (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu meinem vorhin eingebrachten Resolutionsantrag ein paar Sätze hinzufügen, aber gestatten Sie mir, daß ich auch ein paar Sätze zu dem sage, was der Kollege Spiess jetzt ausgeführt hat. Ich habe gestern am Abend ferngesehen und im zweiten Programm diese Riesendemonstrationen der Bauern beobachtet, die sich fürchterlich beklagen, daß die deutsche Bundesregierung noch keinen Pfennig für die Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellt hat und daß sie sich überlegen werden, noch einmal ihre Bauernvertreter oder, wenn Sie wollen, die CDU, zu wählen. Ich glaube auch, daß ich den Kanal erwischt habe, auf dem sich der Kollege Spiess das hätten anschauen können. Wir haben also in Bezug auf die Gewährung der Entschädigung, ob das jetzt die Landwirtschaft, die Gärtner oder sonstwen betrifft, großes Interesse. Die Bundesregierung hat eine solche bitte auch sofort angeboten und ersucht, man möge die Schäden feststellen. Natürlich kann man das nicht in ganz Österreich gleichzeitig machen. Ich habe auch in meiner Rede angeführt, daß der Bund oder das Finanzministerium mit den Landesfinanzreferenten bereits eine Einigung erzielt hat oder dabei ist, so eine Einigung zu erzielen, um Mittel aus dem Katastrophenfonds für diese Schäden freizubekommen. Der Herr Landesfinanzreferent Dr.Pröll hat mir glaubhaft versichert, daß die Verhandlungen bereits vor dem Abschluß stehen und daß also mein Antrag vielleicht eine zusätzliche Bekräftigung gewesen wäre, aber wir haben so viel Vertrauen zu unserem Finanzreferenten sowie auch zu dem Finanzminister, der im Bund der Säckelwart ist. Daher, glaube ich, ist es also nicht notwendig, daß wir diesen Antrag aufrechterhalten und ich ziehe ihn aus diesem Grund zurück. PRÄSIDENT REITER: Die Rednerliste ist erschöpft, der Berichterstatter hat das Schlußwort. Berichterstatter Abg. Dipl.Ing.RENNHOFER (ÖVP): Ich verzichte. PRÄSIDENT REITER: Wir kommen zur Abstimmung. (Nach Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses): Einstimmig angenommen. Ich ersuche den Herrn Abg. Kurzbauer, die Verhandlungen zur Ltg. 241 einzuleiten. Berichterstatter Abg. KURZBAUER (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe namens des Finanzausschusses bzw. im Namen aller Abgeordneten dieses Hauses über die Ltg. 241 betreffend Änderung des NÖ Parteienförderungsgesetzes zu berichten. Nach § 2 Z.2 des Förderungsgesetzes erhalten wahlwerbende Parteien, die einen gültigen Wahlvorschlag eingebracht haben und mehr als 1 v. H. der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben, eine Förderung. Zu dieser Bestimmung ist es zu Auslegungsschwierigkeiten gekommen, und zwar ob ein Wahlvorschlag für jeden der vier Wahlkreise einzubringen ist oder ob die Einbringung für einen Wahlkreis ausreichend ist. Um diese Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen, soll in Hinkunft nur mehr auf das Ausmaß der abgegebenen Stimmen abgestellt werden. Daneben wird die Förderung je abgegebener Stimme den heutigen Gegebenheiten angepaßt. Ich darf daher namens des Finanzausschusses folgenden Antrag stellen (liest): "Der Hohe Landtag wolle beschließen: 1. Der dem Antrag der Abgeordneten Dr. Bernau, Lechner u.a. beiliegende Gesetzentwurf, mit dem das NÖ Parteienförderungsgesetz geändert wird, wird genehmigt. 2. Die Landesregierung wird aufgefordert, das zur Durchführung dieses Gesetzesbeschlusses Erforderliche zu veranlassen." Ich darf bitten, die Debatte einzuleiten und die Abstimmung durchzuführen. PRÄSIDENT REITER: Keine Wortmeldung. (Nach Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses): Einstimmig angenommen. Die Tagesordnung ist damit erledigt. Zur nächsten Sitzung wird schriftlich eingeladen. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluß der Sitzung um 12.14 Uhr.)