Personale Bildungsprozesse in heterogenen Lerngruppen Forschungsprojekt am Zentrum für Lernforschung Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung Universität Innsbruck Förderung durch den Forschungsfonds der Wissenschaft Sehr geehrte Frau / HERR, Wir freuen uns, dass Sie bereit sind, im Rahmen der Tagung „Wir spezialisieren uns zu Tode. Was wir einander schuldig sind. Begegnungen jenseits disziplinärer Gehege“ vom 21. – 23. Juni, 2012 in Magdeburg gemeinsam mit uns, Univ. Prof. Dr. Michael Schratz, Dr. Johanna F. Schwarz & Tanja Westfall-Greiter, M. A., an einer interdisziplinären Vignettenlektüre teilzunehmen. Im Folgenden werden wir kurz darstellen, worum es geht und was Ihr Beitrag sein könnte. In der Veröffentlichung Lernen als bildende Erfahrung. Vignetten in der Praxisforschung (Schratz, Schwarz, Westfall-Greiter, 2012, Innsbruck: StudienVerlag) finden sich eine umfangreiche Vignettensammlung und multiperspektivische Lektüren, die dem Forschungsprojekt 1 Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen entstammen, das vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gefördert wird und dem Phänomen Lernen auf der Spur ist. Lernen wird als eine bildende Erfahrung verstanden, in der eine Person von der Welt in Anspruch genommen wird, darauf als etwas respondiert und in der Welt wirkmächtig wird. Im schulischen Kontext vollzieht sich Lernen im Spannungsfeld lehr- und lernseitiger Orientierung. Trotz zahlreicher aktueller Befunde psychologischer, kognitionswissenschaftlicher, neurobiologischer Bemühungen gehört „Lernen zu den unaufgeklärtesten Phänomenen“ (Buck, 1989, S. 8). Lernen entzieht sich in seinem Beginn und seinem Vollzug und ist, wenn überhaupt, nur von seinen Ergebnissen her empirisch erfassbar. Da “der Vollzug des Lernens meist im Verborgenen” bleibt, gleicht “eine Spurensuche, die dem Phänomen des Lernens gilt, […] einer Reise ohne Ziel” (Mitgutsch, 2008, S. 263). Diese Metapher charakterisiert die Forschungserfahrungen des diesem Beitrag zugrunde liegenden Projektes. Die Daten dazu wurden an 24 Schulstandorten im Rahmen eines Schulreformprojektes2 erhoben. Aus diesem Forschungsprojektes hat sich die phänomenologisch orientierte Vignettenforschung als qualitatives Verfahren, Lernen als Erfahrung in angemessener Weise zu erfassen, herauskristallisiert. Sie sucht Phänomene schulischen Lernens ins Licht zu rücken, und das Potential bildender (Lern-)Erfahrungen angemessen zu erfassen und aufzuweisen: Welche bildenden Erfahrungen machen SchülerInnen in der Schule? Inwiefern werden junge Menschen dadurch wirkmächtig, in- und außerhalb der Schulwelt? Die in einem mehrperspektivischen Design (Protokolle gelebter Erfahrung, Gespräche mit SchülerInnen, Lehrpersonen, Eltern, SchulleiterInnen; Fokusgruppen; Fotodokumentation; Dokumentenanalyse) erhobenen Daten (48 Schülerinnen und Schüler; 24 Schulstandorte) wurden in Vignetten, in prägnante Erzählungen schulischer Erfahrungsmomente, verdichtet. An drei Erhebungszeitpunkten haben Forschende in drei Feldphasen (Schratz, Schwarz, Westfall-Greiter 2011) die von den Lehrpersonen gewählten Kinder durch ihren Schulalltag begleitet und protokolliert, was sie als Forschende affiziert hat (Husserl 1985). Gelebte (Lern-)Erfahrung im Vollzug zeigt sich in einer konkreten Handlungssituation, in der sich für Menschen Tatsächliches ereignet. Ohne eine objektivierend distanzierende Haltung einzunehmen, sollte den Erfahrungen nachgespürt werden, die hier gelebt wurden. Die versprachlichte Erfahrung entfernt sich von der gelebten Erfahrung der SchülerInnen und ist 1 Das Projekt „Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen“ wird vom FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich) unter der Nummer P 22230-G17 gefördert. 2 http://www.neuemittelschule.at/ Personale Bildungsprozesse in heterogenen Lerngruppen Forschungsprojekt am Zentrum für Lernforschung Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung Universität Innsbruck Förderung durch den Forschungsfonds der Wissenschaft doch nur artikulierbar und anderen vermittelbar, wenn sie in Sprache ausgedrückt wird. Die Textform der Vignette ist dabei zu einem disen Ansprüchen agemessenen Instrument geworden, die Reichhaltigkeit solcher Erfahrungen möglichst nachvollziehbar zu artikulieren und eine Form zu finden, die zum Resonanzraum werden kann, in dem sich Lernerfahrungen verkörpern, nachklingen und mitschwingen. In unserer Verwendung sind Vignetten kurze, prägnante Erzählungen, die (schulische) Erfahrungsmomente fass. Reich an menschlicher Erfahrung, illustrieren sie ihre Höhen und Tiefen, Überraschendes, Prägendes, Feinheiten und Nuancen und veranschaulichen Momente, in denen sich Lernen, in Spuren zumindest, verkörpert. In diesem Sinne hat „[d]ie Vignette [hat] eine Genauigkeit eigener Art. Sie ist nicht präzis im Sinne definitorischer Ansprüche. Sie ist prägnant, d.h. trächtig.“ (Meyer-Drawe, 2012, S. 14) Die Vignette beweist nicht, sie behauptet nicht, sie zeigt. In diesem Zeigen wird sie anschaulich und verweist auf einen Überschuss (ebenda), eine Fülle, die auch in gelebter Erfahrung enthalten ist, stets mehr als explizit in Worte gefasst werden kann. Mit Lippitz (2003, zit. in Brinkmann, 2010, S. 9) wollen wir die besonderen „Artikulationsweisen“ von Lernerfahrungen als menschliche Erfahrung respektieren und sie weder vorschnell objektivieren noch operationalisieren. In den Lektüren der Vignetten, sollen Antworten in Form von abschließender Analyse und eindeutiger Interpretation vermeiden werden. Die Lektüre gleicht eher einer Geste, die auf etwas zeigt, das so enthüllt und in den Schichten, die es enthält, abgetragen und aufgesucht werden kann. Dementsprechend kommt je nach Lektüre und Lesenden anderes zum Vorschein und in den Blick. Die (theoretische) Herkunft der Lesarten muss bewusst und für andere transparent gemacht werden. Während unsere Lektüren bisher aus lernseitiger Perspektive (Schratz 2009; Schratz et al 2011; Schratz et al 2012) bzw phänomenspezifisch erfolgten, halten wir es für spannend, diese auf interdisziplinäre Lektüren auszuweiten. Damit wird deutlich, was Ihr Beitrag sein könnte. Wir möchten Sie einladen, aus methodisch-didaktischer Perspektive bzw Ihrem disziplinären Verständnis heraus, die von uns gewählte Vignette zu lesen (s. Anhang) und in eine gemeinsame Präsentation einzubringen. In der Auswahl der angefragten Personen wollen wir bis zu sechs Perspektiven gewinnen und interdisziplinär diskutieren. Inwiefern erweitert sich die Reichhaltigkeit der in Vignetten gefassten Erfahrungsmomente aus der Perspektive unterschiedlicher disziplinärer Zugänge? Was ist der Gewinn für vertiefte Einsichten in die Komplexität sozialer, kultureller und schulischer Praxen? Sie finden im Anhang Auszüge aus zwei lernseitigen Lektüren aus der erwähnten Publikation, sowie die Beispielvignette, die aus den unterschiedlichen disziplinären Perspektiven gelesen werden sollte. Ihre Lektüre sollte innerhalb von max. 15 Minuten vorgelesen werden können. Wir freuen uns sehr über Ihre Bereitschaft, sich an diesem Projekt zu beteiligen und auf die gemeinsame Arbeit in Magdeburg. Mit freundlichen Grüßen aus Innsbruck Michael Schratz, Johanna F. Schwarz, Tanja Westfall-Greiter Anhang o Beispielvignette o Phänomenspezifische Lektüren (Auszüge) o Hotel- & Reiseinformationen