Die Beziehung zwischen 1,25(OH) 2 D 3 und dem Zielorgan

Werbung
Strukturformel
Freiname
Andere Namen
Summenformel
CAS-Nummer
PubChem
ATC-Code
Allgemeines
Calcitriol
 1α,25Dihydroxycholecalciferol
 1,25(OH)2Vitamin D3
 1,25(OH)2D3
 (5Z,7E)-(1S,3R)-9,10-Seco
cholesta-5,7,10(19)-trien1,3,25-triol
C27H44O3
32222-06-3
5280453
 A11CC04
 D05AX03
DrugBank
APRD00246
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse
Vitamin
Eigenschaften
Molare Masse
416,64 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt
113 °C[1]
Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der
Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Gefahr
H: 300‐310‐330‐361
H- und P-Sätze P: 260‐264‐280‐284‐302+350‐310
[2]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [3][2]
T+
Sehr giftig
R- und S-Sätze
R: 26/27/28‐63
S: 36/37/39‐45
LD50
0,62 mg·kg−1 (Ratte, peroral) [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei
Standardbedingungen.
Calcitriol, auch 1α,25(OH)2-Cholecalciferol (1α,25(OH)2Vitamin D3) oder kurz
1,25(OH)2D3, ist ein hochwirksames Secosteroid mit struktureller Ähnlichkeit zu den
Steroidhormonen, das von Michael F. Holick identifiziert wurde.[4] Es ist die physiologisch
aktive Form des Prohormons Vitamin D3. Es wird durch die 1α-Hydroxylase vor allem in den
Nieren, aber auch in anderen Geweben aus dem 25(OH)Vitamin D3 hydroxyliert oder in
seltenen Fällen als Medikament verordnet.
Calcitriol wird an ein intrazelluläres Rezeptorprotein, den Vitamin-D-Rezeptor (VDR)
gebunden und in den Zellkern transportiert. Dort assoziiert der Vitamin-Rezeptor-Komplex an
die DNA und verändert die Transkription verschiedener hormonsensitiver Gene, was
schließlich zu Änderungen in der Proteinsynthese mit entsprechenden biologischen
Wirkungen führt. Calcitriol wirkt u.a.:





antiosteoporotisch,
modulierend auf das Immunsystem (verbesserte Abwehr vieler Infekte, z. B.
Tuberkulose, Schutz vor vielen Autoimmunkrankheiten),
als Schutz vor vielen Krebsarten,
gegen Psoriasis (Schuppenflechte),
fördernd auf die Motilität der Spermien.[5]
Seine Wirksamkeit ist im Körper fein reguliert.
Inhaltsverzeichnis




1 Entstehung in Leber und Nieren
o 1.1 Niere
o 1.2 Andere Gewebe
2 Bindung an den Vitamin-D-Rezeptor
3 Rolle im Calciumhaushalt
o 3.1 Calciumaufnahme im Darm
o 3.2 Knochenmineralisierung
o 3.3 Nebenschilddrüse
o 3.4 Niere
4 Effekte auf andere Organe – empirisch gefundene höhere Mortalität
o 4.1 Unterdrückung von malignem Zellwachstum
o 4.2 Regulation der Apoptose
o 4.3 Modulation der Immunantwort
 4.3.1 Kontrolle von Differenzierung und Funktion in der Haut
 4.3.2 Kontrolle des Renin-Angiotensin-Systems









4.3.3 Kontrolle der Muskelfunktion
4.3.4 Kontrolle des Nervensystems
4.3.5 Auswirkungen auf den Embryo in der Schwangerschaft
5 Calcitriol als Arzneistoff
6 Tiermedizinische Aspekte
7 Siehe auch
8 Handelsnamen
9 Weblinks
10 Einzelnachweise
Entstehung in Leber und Nieren
Der Calcitriol-Vorläufer 25(OH)Vitamin-D3 wird durch die 1α-Hydroxylase in den Nieren für
endokrine (den ganzen Organismus betreffende) Aufgaben und in verschiedenen anderen
Zellen für autokrine Aufgaben (lokal das aktivierende Gewebe betreffend) zu Calcitriol
aktiviert. Diese Aktivierungen werden unterschiedlich reguliert.
Niere
Die Vitamin-D-Metabolite werden in den Glomerula der Nieren zusammen mit dem VDBP
primär filtriert, dann in die proximalen Tubuluszellen mithilfe des Megalins zurückresorbiert
und dort freigesetzt. In den Mitochondrien der Zellen des proximalen Tubulus der Nieren
kann das 25(OH)Vitamin D3:
1. durch 1α-Hydroxylase zum biologisch aktiven 1,25(OH)2Vitamin D3, (Calcitriol)
weiter hydroxyliert,
2. durch die gegensätzlich regulierte 24-Hydroxylase zum 24R,25(OH)Vitamin D3
inaktiviert werden oder
3. die Nierenzelle unverändert wieder in das Blut verlassen (um dort erneut an VDBP
gebunden zu werden).
Die Bildung des 1,25(OH)2Vitamin D3 in der Niere ist fein reguliert: die wichtigsten
Faktoren, die seine enzymatische Bildung über eine Aktivierung der 1α-Hydroxylase direkt
fördern sind unabhängig voneinander ein erhöhtes Parathormon, ein erniedrigter
Calciumspiegel und ein niedriger Phosphatspiegel im Blut. 1,25(OH)2D3 selber hemmt die
1α-Hydroxylase und aktiviert die 24-Hydroxylase. Indirekt, zumeist über das Parathormon,
beeinflussen unter anderem Calcium, Östrogen, Glucocorticoide, Calcitonin, Somatotropin,
und Prolactin die Calcitriolbildung. All diese Regulationen dienen dazu, gerade soviel des
Vitamins zu synthetisieren, dass der Körper in seiner momentanen Situation seinen Calciumund Phosphatbedarf decken kann. Die Regulation der 24R,25(OH)2D3-Bildung erfolgt
übrigens durch die gleichen Faktoren, jedoch in umgekehrter Richtung.[6]
Andere Gewebe
Hier wird die 1α-Hydroxylase zur Vitamin-D-Aktivierung vor allem durch
Wachstumsfaktoren und Zytokine lokal reguliert, wie dies genau geschieht, wird noch
erforscht.
1α,25(OH)2D3 liegt in sehr viel geringerer Konzentration als 25(OH)D3 und auch
hauptsächlich an VDBP gebunden im Blut vor. Die Konzentration insbesondere von freiem
1,25(OH)2D3 ist streng geregelt und weitgehend mit seiner Aktivität korreliert. Sie ist ferner
weitgehend unabhängig von der Konzentration seines Vorläufers 25(OH)Vitamin D3 oder des
VDBP.[6]
Nimmt man Calcitriol als Medikament zu sich, wird es rasch im Dünndarm absorbiert.
Bindung an den Vitamin-D-Rezeptor
In den Zellen der Zielorgane wirkt 1,25(OH)2D3 bzw. Calcitriol wie ein Steroidhormon: Es
wird an ein intrazelluläres Rezeptorprotein, den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) gebunden und in
den Zellkern transportiert. Die Vitamin-D-Wirksamkeit ist also auch von der Rezeptordichte
abhängig, diese wird in unterschiedlichen Geweben unterschiedlich reguliert. Im Zellkern
assoziiert der Vitamin-Rezeptor-Komplex an die DNA und verändert die Transkription
verschiedener Vitamin-D-sensitiver Gene, was schließlich zu Änderungen in der
Proteinsynthese mit entsprechenden biologischen Wirkungen führt.
Rolle im Calciumhaushalt
Zunächst wurde der Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem Calciumhaushalt bekannt,
da die sichtbarsten Auswirkungen eines gravierenden Vitamin-D-Mangels die
Knochenkrankheiten Rachitis und Osteomalazie sind. Bezüglich der Calciumhomöostase hat
Calcitriol vier Zielorgane: Darm, Knochen, Nieren und Nebenschilddrüse.
Calciumaufnahme im Darm
Vitamin D ist essentiell, um die Absorption von Calcium und Phosphat im Dünndarm zu
ermöglichen. Calcium wird darmseitig durch zwei Calciumkanalproteine (TRPV6 – früher als
CaT1 oder ECaC2 sowie TRPV5 – früher als CaT2 oder ECaC1 bezeichnet), die
möglicherweise gemeinsam den funktionellen Calciumkanal bilden [7]) in die Dünndarmzelle
aufgenommen, von Calbindin D durch die Zelle transportiert und blutseitig durch eine
membranständige Ca2+-ATPase (PMCA1b) bzw. einen Na+/Ca2+-Austauscher (NCX1) in das
Blut abgegeben.
Die initiale Calcium-Aufnahme ist der geschwindigkeitslimitierende Schritt des
Gesamtprozesses und dieser ist hochabhängig von ausreichendem Vorkommen des CalcitriolVDR-Komplexes, der die Transkription der Calciumkanäle TRPV5 und TRPV6 in den
Darmzellen induziert. Die Calcium-Absorption im Darm erreicht ein Maximum ab einem
25(OH)Vitamin D3-Spiegel von >32 ng/ml im Blut (siehe Cholecalciferol und [8]).
Ferner steigert 1,25(OH)2D3 die aktive Phosphat-Absorption (Aufnahme), indem es die
Expression des Na-Pi-Kotransporters steigert. Die genauen Mechanismen des
Phosphattransportes durch die Darmzelle sind weniger bekannt.[6]
Knochenmineralisierung
Das zweite wichtige Zielorgan für das 1,25(OH)2D3 ist der Knochen; für die Entwicklung und
Erhaltung eines gesunden, mineralisierten Skelettes ist 1,25(OH)2D3 essentiell.
Das Knochengewebe ist unter normalen Bedingungen einem dauernden Abbau durch
Osteoklasten und einem Neuaufbau durch Osteoblasten ausgesetzt. Hierbei wirkt der
1,25(OH)2D3-VDR-Komplex, das Parathormon und der Calciumblutspiegel in komplexer
Weise zusammen. Wenn man in Tierversuchen den Effekt eines isolierten 1,25(OH)2D3VDR-Komplex-Mangels untersucht, zeigt sich folgendes:




Der 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex isoliert (bei normalem Parathormon und
Calciumspiegel) betrachtet ist essentiell für einen geregelt-normalen Knochenauf- und
-abbau. Wenn man also einen bei 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex-Mangel sekundär
auftretenden Parathormonexzess und eine Hypocalciämie ausgleicht und so den
eigentlichen Effekt eines 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex-Mangels auf den Knochen
demaskiert, zeigt sich, dass die Anzahl der Osteoblasten, die Calciumappositionsraten
und das Knochenvolumen abnehmen.[6]
Andererseits wird durch 1,25(OH)2D3 in den Osteoblasten die Bildung von
Osteocalcin induziert, welches durch die Gamma-Glutamylcarboxylase mithilfe des
Vitamin K posttranslational aktiviert wird und den Calciumeinbau in den Knochen
fördert.[9]
Genauso nimmt bei isoliertem 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex-Mangel aber auch der
Knochenabbau durch Osteoklasten ab. Das Zusammenspiel zwischen Osteoblasten
und Osteoklasten ist dabei folgendermaßen geregelt: Osteoblasten bilden an ihrer
Zelloberfläche einen Liganden (RANKL), der an zwei verschiedene Rezeptoren
binden kann: 1. an einen ebenfalls im Osteoblasten gebildeten löslichen Rezeptor
Osteoprotegerin (OPG) oder 2. an einen Rezeptor (RANK) an der Oberfläche von
Osteoklasten-Progenitor-Zellen. Im ersten Fall bleibt RANKL unwirksam, im 2. Fall
bewirkt er eine Reifung der Osteoklasten-Progenitor-Zelle zum Osteoklasten.
1,25(OH)2D3-VDR-Komplex in den Osteoblasten erhöht die Bildung von RANKL
und unterdrückt die Bildung von OPG und fördert damit den Knochenabbau.[6] Diese
Wirkung des 1,25(OH)2D3-VDR-Komplexes ist durch Vitamin K1 unterdrückbar.
Die scheinbare Stimulierung der Knochenmineralisation durch 1,25(OH)2VitD3,
welches bei einem Vitamin-D-Mangel (z. B. Rachitis) gegeben wird, erfolgt also nur
indirekt 1. durch die vermehrte Bereitstellung von Calcium und Phosphat aufgrund der
durch 1,25(OH)2D3 gesteigerten Resorption in Darm und Nieren und 2. durch die
Unterdrückung von Parathormon.[6] Wenn Vitamin D in starken Überdosen gegeben
wird (dann bekommt 25(OH)Vit3 in geringem aber ausreichendem Maße die
Wirksamkeit des 1,25(OH)2VitD3 ohne jedoch durch den Körper genauso regelbar zu
sein), zeigt sich ebenfalls die knochenabbauende Wirkung des Vitamin D.
Nebenschilddrüse
Das endokrine Vitamin-D-System ist ein potenter Modulator der Nebenschilddrüsenfunktion.
Vitamin-D-Mangel führt zu einer Nebenschilddrüsenhyperplasie und über andere
Mechanismen zu einer vermehrten Parathormonsynthese und -exkretion. 1,25(OH)2D3 kann
alles hemmen. Der 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex unterdrückt unter anderem die Transkription
des Parathormon-Gens. 1,25(OH)2D3 selber induziert die vermehrte Bildung seines eigenen
Rezeptors VDR in der Nebenschilddrüse. Die Parathormonbildung wird auch indirekt durch
die Erhöhung des Serumcalciums (die durch die erhöhte Resorption des Calcium durch
1,25(OH)2D3 an Darm und Niere bewirkt wird) unterdrückt. Beide Wirkungen ergänzen sich
und können füreinander eintreten.[6]
Die Beziehung zwischen 1,25(OH)2D3 und dem Zielorgan Nebenschilddrüse ist insgesamt
wechselseitig: Parathormon stimuliert die 1α-Hydroxylase in der Niere; erhöhtes 1,25(OH)2D3
senkt im Gegenzug die Ausschüttung von Parathormon in der Nebenschilddrüse.
Niere
Der wichtigste Effekt des 1,25(OH)2D3 an der Niere ist die strenge Kontrolle seiner eigenen
Homöostase über die Hemmung der eigenen Bildung über die 1α-Hydroxylase und die
gleichzeitige Stimulierung seiner Deaktivierung durch die 24-Hydroxylase.
Die direkte Rolle des 1,25(OH)2D3 im Umgang der Niere mit Calcium und Phosphat ist nicht
einfach darstellbar, wegen der gleichzeitigen Effekte des 1,25(OH)2D3 auf das
Serumparathormon und den Calciumblutspiegel sowie Phosphatblutspiegel:
1. 1,25(OH)2D3 erhöht die Calciumreabsorption im proximalen Nierentubulus durch eine
Aktivierung der Transkription des renalen TRPV5 und des Calbindin (analog zum
Darm).
2. 1,25(OH)2D3 beschleunigt die parathormonabhängige Calciumreabsorption im distalen
Tubulus, (am Ort der höchsten VDR-Konzentration).[6]
3. 1,25(OH)2D3 verbessert die Phosphatabsorption in Gegenwart von Parathormon. Dies
ist evt. kein direkter Effekt von 1,25(OH)2D3.[6]
Effekte auf andere Organe – empirisch gefundene höhere
Mortalität
Empirisch wurde anhand einer achtjährigen Studie an der Universität Graz in Erfahrung
gebracht, dass eine Korrelation zwischen Calcitriolmangel und Gesamtmortalität bestehen
soll. Die Forscher stellten einen -allerdings nicht näher quantifizierten- Zusammenhang
zwischen einem niedrigen Vitamin D Status und vermehrten Schlaganfällen,
Krebserkrankungen und Herzmuskelschwäche fest. Die vorgefundenen Ergebnisse wurden
auch im US-Journal "Archives of Internal Medicine" veröffentlicht.
Es handelt sich bei oben genannter Studie allerdings nicht um ein anerkanntes standardisiertes
Verfahren wie die Doppelblindstudie. Einen wissenschaftlich brauchbaren Nachweis der
direkten Kausalität zwischen niedrigen Calcitriolwerten und vermehrt auftretenden
Erkrankungen wegen des niedrigen Spiegels liefert die obige Studie noch nicht. [10]
Neben den klassischen Zielorganen hat man seit Ende der 80er Jahre eine Vielzahl von
Geweben und Zellen gefunden, die den Vitamin-D-Rezeptor und die 1α-Hydroxylase
besitzen. In der Bauchspeicheldrüse beeinflusst es die Insulinausschüttung, in bestimmten
Gehirnabschnitten erhöht es die Aktivität der Cholinacetyltransferase, im Muskel hat es einen
direkten Effekt auf den Calciumtransport, in der Haut hemmt es die Proliferation von
Keratozyten und fördert deren Differenzierung. Daneben fördert Calcitriol die Bildung der
roten Blutkörperchen und das Überleben und die Tätigkeit von Makrophagen und Monozyten.
Ferner hemmt es Proliferation und Aktivität von T-Lymphozyten und unterdrückt damit die
Immunabwehr. In verschiedensten Tumorzellen hat es ebenfalls eine hemmende Wirkung auf
die Zellproliferation. Diese verschiedenen Funktionen lassen es als sehr wichtig erscheinen
für verschiedene Präventionsüberlegungen und sollen daher im folgenden genauer betrachtet
werden:
Unterdrückung von malignem Zellwachstum
Eine protektive Rolle von UVB-Licht und Vitamin D für Krebserkrankungen wird gestützt
durch eine teilweise starke und konsistente Korrelation zwischen Vitamin D-Mangel und dem
(späteren) Auftreten von bisher geschätzten 17 Krebsarten, unter anderem Mammakarzinom,
Ovarialkarzinom, Non-Hodgkin-Lymphomen, Dickdarm- und Prostatakrebs.[11]
Physiologisch kann dies unter anderem folgendermaßen erklärt werden:
1. 1,25(OH)2D3 induziert die Transkription des CDK-Inhibitor 1 und von p27, die die
Cyclin-abhängige Kinasen hemmen und verlangsamt damit den Zellzyklus, indem es
die Zellen von der G1-Phase in die G0-Phase und hin zu stärkerer Differentierung und
Ausreifung führt (z. B. bei Zellen in der Monozyten-Makrophagen-Reihe).
2. In Tumoren, deren Wachstum durch eine Überexpression eines durch Transforming
Growth Factor (TGF-α) aktivierten Epidermal-Growth-Factor-Receptor (EGFR)
getriggert wird, hemmt 1,25(OH)2D3 diesen aktivierten EGFR (welches in derselben
Zelle zu einer vermehrten Transkription des onkogenen Cyclin-1 beiträgt, was die
Zellproliferation antreibt). Dies kann z. B. bei der Behandlung der Psoriasis genutzt
werden, weil psoriatische Keratinozyten TGF-α überexprimieren.
3. In der monozytischen Zelllinie HL60 und in Osteoblasten induziert 1,25(OH)2D3 die
Bildung von C/EBPβ, eines potenten Suppressors von onkogenem Cyclin-1 in
menschlichen Epithelzelltumoren.
4. Die meisten proliferationshemmenden Effekte des 1,25(OH)2D3 sind wahrscheinlich
eher autokriner als endokriner Natur. In Prostatakrebszellen sinkt die Aktivität der 1αHydroxylase mit zunehmender Malignität.
5. Verschiedene Allele des Gens für den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) korrelieren mit
dem genetischen Krebsrisiko.
Regulation der Apoptose
Vitamin D hat proapoptotische und antiapoptotische Eigenschaften, abhängig von den Zellen
und Geweben. Während es unter einigen Bedingungen normale Gewebe vor der Apoptose
schützt (z. B. Hautzellen unter UV-Bestrahlung), wirkt es auf Tumorgewebe und bei
nichtmalignen proliferativen Erkrankungen häufig proapoptotisch.
Modulation der Immunantwort
1,25(OH)2D3 (Calcitriol) hat differenzierende Effekte auf Monozyten, Makrophagen,
Antigen-präsentierende Zellen, dendritische Zellen und Lymphozyten. Es existiert eine
kausale Beziehung zwischen der Funktion des 1,25(OH)2D3-VDR-Komplexes und der
angeborenen und adaptiven Immunität gegen Infektionen: Bei einer Rachitis und einem
1,25(OH)2D3-Mangel bei Niereninsuffizienz ist die Infektanfälligkeit in der Regel erhöht.
1,25(OH)2D3 induziert die Bildung von CDK-Inhibitor 1 und C/EBPβ. CDK-Inhibitor 1 kann
die Reifung von Monozyten hin zu reifen Makrophagen unterstützen und C/EBPβ ist ein
Transkriptionsfaktor, der für die Immunfunktionen der Makrophagen wichtig ist
(antibakterielle, antivirale, antitumorale Funktionen und Synthese von Interleukin-12).
In krankheitsaktivierten Makrophagen wird lokal vermehrt 1,25(OH)2D3 aus 25(OH)D3
umgewandelt. γ-Interferon induziert kraftvoll die Transkription der 1α-Hydroxylase in
Makrophagen und darüber die vermehrte Aktivierung von 25(OH)D3 in 1,25(OH)2D3. γInterferon ist z. B. in Relation zum Schweregrad einer Tuberkulose erhöht. Dies kann
möglicherweise erklären, warum ein Mangel an Prohormon 25(OH)D3 (also im Grunde
„Lichtmangel“) mit einer erhöhten Empfänglichkeit für z. B. Tuberkulose vergesellschaftet
ist. In Anwesenheit von γ-Interferon ist die Herabregulation der 1α-Hydroxylase durch ihr
Produkt 1,25(OH)2D3 in den Makrophagen außer Kraft gesetzt.
Im Gegensatz zu den immunstimulierenden Effekten auf das Monozyten-MakrophagenSystem wirkt 1,25(OH)2D3 immunsuppressiv auf die Lymphozyten: Verschiedene Zytokine,
die die T-Zell-Funktion beeinflussen, werden durch 1,25(OH)2D3 beeinflusst, unter anderem
wird die Bildung Interleukin-2 durch den 1,25(OH)2D3-VDR-Komplex unterdrückt.
Dendritische Zellen werden durch 1,25(OH)2D3 in einem Stadium der Unreife gehalten, was
eine wichtige Rolle für die Immuntoleranz, also die immunologische Selbsttoleranz spielt.
1,25(OH)2D3 hemmt über verschiedene Wege die Entstehung einiger Autoimmunkrankheiten
wie z. B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Thyreoiditis, insulinabhängiger
Diabetes mellitus Typ 1, multiple Sklerose oder systemischer Lupus erythematodes.
1,25(OH)2D3 hemmt ferner die Abstoßung von transplantiertem Gewebe (in einem
Tierversuch mit experimentell herztransplantierten Ratten mit einer höheren Potenz wie
Cyclosporin A ohne jedoch die Empfänglichkeit für Pilz- oder Virusinfektionen zu
erhöhen).[6]
Kontrolle von Differenzierung und Funktion in der Haut
In normalen Keratinozyten induziert lokal produziertes 1,25(OH)2D3 eine Reihe von
Proteinen, die für ihre weitere Differenzierung wichtig sind.
In psoriatischen Keratinozyten hemmt 1,25(OH)2D3 die mitogenen Signale des TGF-α/EGFRZirkels und wirkt so antiproliferativ (siehe oben).
Auf Langerhans-Zellen, die antigenpräsentierenden Zellen der Epidermis wirkt 1,25(OH)2D3
immunsuppressiv und kann so den Verlauf von Melanomen und Sklerodermie beeinflussen.[6]
Kontrolle des Renin-Angiotensin-Systems
Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System spielt eine zentrale Rolle in der Regulation von
Blutdruck, Serumelektrolyten und Blutvolumen. Eine Hemmung der 1,25(OH)2D3Wirksamkeit bewirkt eine Aktivierung des Renins. Es gibt einen epidemiologischen
Zusammenhang zwischen Lichtmangel bzw. niedrigen 1,25(OH)2D3 Blutspiegeln und hohem
Blutdruck bzw. erhöhter Reninaktivität.[6]
Kontrolle der Muskelfunktion
Ein 25(OH)D3-Mangel bei Rachitis, als Nebenwirkung von Antikonvulsiva oder bei
chronischer Nierenerkrankung geht mit Muskelschwäche und/oder -atrophie einher. Im
Herzmuskel kontrolliert 1,25(OH)2D3 die Hypertrophie der der Herzmuskelzellen und die
Synthese und Ausschüttung von atrialem natriuretischem Faktor (ANF). Bei
Nierenerkrankungen im Endstadium kann eine Therapie mit 25(OH)D3 oder gar 1,25(OH)2D3
die Funktion des Herzens und der Muskeln verbessern. Die Wirkungsmechanismen sind
unklar.[6]
Kontrolle des Nervensystems
1,25(OH)2D3 erhöht die Nervenleitgeschwindigkeit in Motoneuronen. Es induziert die
vermehrte Synthese neurotropischer Faktoren wie des nerve growth factors in Nervenzellen
und Gliazellen. Im Embryo beeinflusst es die regelrechte Gehirnentwicklung. Niedriges
25(OH)D3 in der Schwangerschaft führt bei Ratten zu einem vergrößerten Hirnvolumen,
vergrößerten Ventrikeln und einer reduzierten Expression von nerve growth factor bei den
neugeborenen Ratten und zu motorischer Hyperaktivität, wenn sie erwachsen sind.[6]
Auswirkungen auf den Embryo in der Schwangerschaft
Frauen haben eine geringere natürliche Hautpigmentation als Männer, wodurch sie Vitamin D
leichter bilden und den höheren Bedarf während Schwangerschaft und Stillzeit decken
können.
Vitamin-D-Mangel während der Schwangerschaft führt zu einem erhöhten Risiko für
intrauterine Wachstumsverzögerung, vorzeitige Wehen, Bluthochdruck und zu (zu) leichten
Neugeborenen (light for gestational age infants).[11]
Eine ausreichende Versorgung der Mutter und des Neugeborenen mit Vitamin D reduziert
erheblich das spätere Risiko einen Diabetes mellitus Typ 1 zu entwickeln. Dies betrifft wohl
insbesondere die Versorgung der Mutter mit Vitamin D im 3.-6. Schwangerschaftsmonat,
wenn sich die Bauchspeicheldrüse entwickelt. So haben Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1
häufiger im Sommer Geburtstag.[11]
Ähnliche Vermutungen gibt es für andere Erkrankungen mit einer Häufung bei bestimmten
Geburtstagsmonaten der Erkrankten: Bipolare Depressionen, Angstneurosen und andere
psychische Erkrankungen.[11]
Calcitriol als Arzneistoff



Indikation: Psoriasis (topisch), Vitamin-D-abhängige Rachitis, renale Osteodystrophie,
Hypoparathyreoidismus
Dosierung: 0,12 µg bis 1 µg täglich unter enger ärztlicher Überwachung
Halbwertzeit: 5–8 Stunden
Tiermedizinische Aspekte
Eine Besonderheit ergibt sich bei Wiederkäuern durch den Wiesen-Goldhafer (Trisetum
flavescens): Hierin ist nicht das Vitamin D (Calciol alias Cholecalciferol) als Vorstufe des
eigentlich im Körper wirksamen Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) enthalten, sondern Calcitriol
selbst. Goldhafer ist eine Grasart, die vor allem im alpinen Raum auftritt, da dieses Gras hier
konkurrenzkräftiger als hochwertigere Gräser ist. Wiederkäuer, die ein gutes Angebot an Gras
haben, selektieren ausreichend und fressen Goldhafer daher nicht. Nur wenn das Angebot
knapp ist, wird auch der Goldhafer in größeren Mengen aufgenommen, was zu Calcinose
führt: Hierbei werden die Tiere unbeweglicher, da sich immer mehr Calcium in die Gelenke
einlagert. Es kann auch zur Arterienverkalkung und Verkalkung der Lunge kommen.
Siehe auch

Cholecalciferol, dieser Artikel beschreibt den Weg der Calcitriolvorstufen (Licht,
Nahrung, Stoffwechsel).
Handelsnamen
Monopräparate
Calcijex (A), Decostriol (D), Osteotriol (D), Rocaltrol (D, A, CH), Silkis (D, CH) [12][13][14]
Weblinks



Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Calcitriol-Präparate
KEGG C01673
Vitamin D (englisch)
Einzelnachweise
1. ↑ Hochspringen nach: a b Eintrag Calcitriol bei ChemIDplus
2. ↑ Hochspringen nach: a b c Datenblatt Calcitriol bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 15. März
2011 (PDF).
3. Hochspringen ↑ Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHSGefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze
dieses Stoffes für die Einstufung von Gemischen herangezogen werden, anschließend
ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
4. Hochspringen ↑ MF Holick, HK Schnoes, HF Deluca, T Suda, RJ Cousins: Isolation
and identification of 1,25-dihydroxycholecalciferol. A metabolite of vitamin D active
in intestine. In: Biochemistry. 10, Nr. 14, 1971, S. 2799–804.
doi:10.1021/bi00790a023. PMID 4326883.
5. Hochspringen ↑ Martin Blomberg Jensen, Steen Dissing: Non-genomic effects of
vitamin D in human spermatozoa. In: Steroids. 77, Nr. 10, August 2012, S. 903-909.
doi:10.1016/j.steroids.2012.02.020. PMID 22414629.
6. ↑ Hochspringen nach: a b c d e f g h i j k l m n Dusso, A.S. et al. (2005): Vitamin D. Am J Physiol
Renal Physiol 289:F8-F28.
7. Hochspringen ↑ Hoenderop, J.G.; Voets, T.; Hoefs, S.; Weidema, F.; Prenen, J.;
Nilius, B.; Bindels, R.J. (2003): Homo- and heterotetrameric architecture of the
epithelial Ca2+ channels TRPV5 and TRPV6. EMBO J. 22(4): 776-785.
8. Hochspringen ↑ Hollis, B.W. (2005): Circulating 25-Hydroxyvitamin D Levels
Indicative of Vitamin D Sufficiency: Implications for Establishing a New Effective
Dietary Intake Recommendation for Vitamin D. J Nutr 135:317-322.
9. Hochspringen ↑ Plaza, S.M. und Lamson, D.W. (2005): Vitamin K2 in bone
metabolism and osteoporosis. (PDF; 299 kB) Altern Med Rev 10(1):24-35.
10. Hochspringen ↑ Medizinische Universität Graz: Zusammenhang zwischen Vitamin DMangel und einer erhöhten Sterblichkeit wurde belegt
11. ↑ Hochspringen nach: a b c d Grant, W.B. und Holick, F.H. (2005): Benefits and Requirements
of Vitamin D for optimal Health: A Review. (PDF; 268 kB) Alternative Medicine
Review 10(2):94-111.
12. Hochspringen ↑ Rote Liste online, Stand: Oktober 2009.
13. Hochspringen ↑ AM-Komp. d. Schweiz, Stand: Oktober 2009.
14. Hochspringen ↑ AGES-PharmMed, Stand: Oktober 2009.
Herunterladen