PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 1 Sommersemester 2016 (LMU München) Hauptseminar: Satzaufbau und Satzkomplexität I Worum geht es? Das Folgende ist eine programmatische Skizze, welche der Anregung dient. Sie müssen nichts genauso machen. Eigene Ideen, die sich in den Rahmen fügen, sind willkommen! 1 Zum Thema Satzkomplexität ein Beispiel: 1 Im magischen, mythischen West Point, wo es ihm an jenem Tag schien, als wäre in je- 2 dem Quadratzentimeter der am Fahnenmast flatternden Fahne mehr von Amerika als in 3 jeder anderen Fahne, die er je gesehen hatte, und wo die eisernen Gesichter der Kadetten 4 für ihn erfüllt waren von einer überwältigenden heroischen Bedeutung, selbst hier, im pa- 5 triotischen Mittelpunkt, im Mark des unzerbrechlichen Rückgrats seines Landes, wo die 6 Phantasien eines Sechzehnjährigen deckungsgleich waren mit den offiziellen Phantasien, 7 wo alles, was er sah, ihn mit einer ekstatischen Liebe nicht nur zu sich selbst, sondern zu 8 allem, was er sah, beseelte, als wäre die ganze Natur eine Manifestation seines eigenen 9 Lebens – als wären die Sonne, der Himmel, die Berge, der Fluß, die Bäume nichts ande- 10 res als ein millionenfach vergrößerter Coleman Brutus „Silky“ Silk –, selbst hier kannte 11 niemand sein Geheimnis, und so ging er in die erste Runde und boxte nicht wie Mac 12 Machrones ungeschlagener Konterboxer, sondern schlug mit aller Kraft zu. 2 Wo ist der Kern dieses Satzes? Als eigener Satz formuliert: Niemand kannte sein Geheimnis, abstrakter: niemand Geheimnis kenn- (oder ähnlich). Und wie wird vom Kern ausgehend weiter ausgebaut? Wie entsteht diese Satzperiode? Was wird an Inhalten (wir konzentrieren uns auf Semantisches, Pragmatisches wäre natürlich ebenfalls betrachtenswert) eingebracht? Dieses Hauptseminar nimmt sich vor: erstens, den Satzaufbau im Groben formal-syntaktisch zu studieren und die formalen Verfahren der Erzeugung zunehmender Phrasen- bzw. Satzkomplexität bis hin zur Satzperiode nachzuvollziehen 1 2 Aus: Roth, Philip (2004). Der menschliche Makel. 7. Aufl. Reinbek bei Hamburg, S. 119. Ohne sein wäre der Minimalsatz ungrammatisch, doch das Possessivpronomen sein ist bereits eine Ausbaustufe der Objekts-NP (Determination). In diesem Fall ist sein (oder ein anderes „Artikelwort“) gefordert, weil Geheimnis syntaktisch ein Substantiv ist, das im Singular ein „Artikelwort“ benötigt. Vergleichen Sie dagegen Niemand kannte Kuno (Eigenname, EN)/ Butter (Stoffname, SN). Geheimnis verhält sich syntaktisch wie ein Gattungsname (common noun, CN), vgl. Niemand kannte *Buch (CN)/das Buch/jenes Buch etc. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 2 zweitens, parallel zu erstens zu fragen, welche semantischen Entsprechungen man zu den 3 formalen Operationen formulieren kann drittens, ausgehend von zentralen Inhaltskategorien wie ‚Modalität‘ oder ‚Possession‘ zu fragen, an welchen Stellen des Satzaufbaus mit welchen Mitteln diese Inhalte integriert werden kann. viertens können wir Skizzen der jeweiligen Inhaltsdifferenzierung entwerfen. So kann man Modalität in epistemisch (Er dürfte im Kino sein), deontisch (Er darf im Kino sein) und evtl. noch feiner (Er ist bedauerlicherweise/verbotenerweise im Kino) unterteilen (nicht zu fein bitte). Besonders wünschenswert wäre es, wenn wir zeigen könnten, dass sich bestimmte semantische Unterscheidungen in unterschiedlichem grammatischem Verhalten widerspiegeln. Es könnte sein, dass sich unterschiedliche Modalisierungsarten unterschiedlich realisieren lassen. Vielleicht kann ‚Sprecher bedauert den Inhalt der Proposition‘ zwar durch Satzadverbien/Modalwörter, aber nicht durch Modalverben ausgedrückt werden, während epistemische Modalität „durch alles Mögliche“ ausdrückbar ist? Vielleicht drücken wir inalienable Possession zwar durch Pias Arm, der Arm von Pia, der Pia ihr Arm (geht das?) oder Kuno hat der Pia den Arm eingegipst aus, alienable Possession jedoch nicht genauso: Der Motor des Autos/von dem Auto / ?dem Auto sein Motor (ist mir unklar, da ich diese Konstruktion nicht aktiv verwende) / *Er hat dem Auto den Motor repariert. Wir wollen versuchen, zu beschreiben, was parallel zur Erzeugung komplexer Sätze an 4 inhaltlichen Funktionen in den Satz eingebracht wird. Wo wir (noch) keine verwendbare Fachliteratur finden, müssen wir selbst uns heranarbeiten, wie wir das beschreiben wollen 5 bzw. können. Das folgende Zitat entwirft das erstrebenswerte Ziel: Es dürfte nicht genügen, von einfachen „semantischen Feldern“ (z. B. der Zeit = Temporalität/des Grundes = Kausalität oder der Art und Weise = Modalität) auszugehen und ihnen die entsprechenden formalen Ausdrucksmittel katalogartig zuzuordnen. Vielmehr bedarf es u. a. einer präzisen Strukturierung dieser Felder (mit jeweiligen Zentren und Peripherien, abhängig vom Grad der Grammatikalisierung der betreffenden Ausdrucksmittel). aber wir werden es nicht gleich und nicht in jedem Teilbereich erreichen. Wenn wir syntaktische Prozesse bzw. Verfahren und semantische Funktionen parallelisieren können, ist das schon einmal gut. Detailskizzen sind natürlich ebenfalls erstrebenswert. Wenn Sie bei Ihrem Thema steckenbleiben und keinen klaren Weg sehen sollten, wenden Sie sich bitte an mich, dann versuchen wir, das zusammen voranzubringen! 3 4 5 Beispiel: Die Attribution beim NP-Ausbau dient der ‚Spezifikation‘, ‚Präzisierung‘, ‚Teilmengenbildung‘ (Film > teurer Film), ‚Referenzfestlegung‘ bzw. ‚Begriffsbildung‘? Zudem kann eine zentrale Inhaltskategorien realisiert werden wie ‚Possession‘, vgl. Pias Hand, Fuß von Zidane. Es geht also nicht bzw. allenfalls peripher darum, was in der Lexik oder in der Wortbildung möglich ist, sondern es geht um syntaktische Möglichkeiten des Ausbaus bzw. der Abänderung! Zitat aus: Helbig, G. et al. (Hgg.) (2001): Deutsch als Fremdsprache - ein internationales Handbuch. Erster Halbbd. Berlin; New York, Kap. Linguistischer Ansatz (Götze/Helbig), S.27. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 3 Ich zeige nun eine Skizze des Satzkerns des komplexen Satzes oben (aus Roth 2004) im Format einer Dependenzstruktur (angelehnt an Mel’cuk 2009): kannte subj dir-obj niemand advb Geheimnis hier det restr sein selbst und in einer X-Bar-Darstellung (ohne die Fokuspartikel): CP Cˈ AdvP IP C° NP Iˈ niemand VP VP I° Vˈ kannte NP NP AdvP Hier kannte hier niemand V° sein Geheimnis kenn -t -e In einer älteren Version der Konstituentenstrukturgrammatik sieht der Satz so aus: S VP AdvP VK NP Adv Hier VV kannte Pron niemand NP Pron sein N Geheimnis Die Keimzelle ist kenn(en). Kennen ist ein zweiwertiges Zustandsverb. Durch seine Valenz (SUBJ: NPnom (niemand)/freier W-RelSatz, AKKO: NPakk ((sein) Geheimnis)/freier W-RelS)) und der Vergabe der thematischen Rollen (welche? Zustandsträger und Thema?) bildet sich PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 4 der Minimalsatz und durch den Ausbau der Objekt-NP entsteht sein Geheimnis (Determination, inhaltlich ‚Possession‘ + ‚definit‘, Possessum: Geheimnis, Possessor = C. B. Silk). Durch die Wahl der Flexionsform des Verbs kenn > kann-t-e erfolgt eine personale (quasi ‚weder Produzent noch Rezipient‘), temporale (Präteritum = temporale Verschiebung in die Vergangenheit bzw. ‚Ereignis-/Zustandszeit vor Sprechzeit‘) und eine modale (unmarkierter Indikativ, also ‚faktisch‘) Spezifikation. (Also nicht: Ich + hier + jetzt, sondern „Dritte“ + hier + damals oder so ähnlich.) Hier als lokale Adverbiale ordnet den Sachverhalt lokaldeiktisch-anaphorisch ein: ‚in West Point‘. Insgesamt kommt etwas heraus wie ‚dass <-in West Point<- niemand definit+poss(C.B.S.)+Geheimnis kenn+vorÄußerungszeit+faktisch‘ Ich würde gerne noch eine halbwegs anschauliche Beschreibungsform finden, durch die wir den syntaktisch-semantischen Ausbau darstellen könnten. Das Folgende ist tentativ und „muss“ im Laufe unseres HS präzisiert werden: Zustand Zustandsträger (1) Niemand Thema kann- -t -e 1 2 vermutlich sein 3 Geheimnis 4 1: PRÄT: temporale Verschiebung; Aktzeit vor Sprechzeit 2: 3PS: ‚Dritter (weder Produzent noch Rezipient)‘ 3: Modalwort, epistemische Modalität: ‚Der Produzent steht zum Satzinhalt so, dass er ihn für möglich, aber nicht für sicher hält‘ (?) 4: Posspron, DET: Possession, Possessum = Geheimnis, Possessor = … Was wir auch probieren könnten, ist, dass wir die Sätze in Einzelaussagen zerlegen, die zeigen, wie der Satz semantisch zusammengesetzt ist (wobei das untere nicht immer „gut“ klingt), und zwar noch weiter als man dies ohnehin tun kann. Ein Versuch: Vermutlich kannte niemand sein Geheimnis - Ein Zustand (kenn-) besteht zwischen einem Zustandsträger (niemand) und einem Thema/Inhalt (Geheimnis) - Es geht weder um Produzent noch Rezipient (3SG) - Der Zustand liegt vor der Sprechzeit, also in der Vergangenheit (-t, PRÄT) - Der Zustand wird faktisch ausgesagt (behauptet, festgestellt, ...? IND) - Die Aussage ist als Vermutung modalisiert (vermutlich) - Das Geheimnis gehört zu/betrifft C.B. Silk (sein, alienable Possession) II Generelles zum Ablauf des Hauptseminars Alle Teilnehmer/inn/en halten ein Referat, jede/r ca. 20-30 min. Ich will das aber nicht rigoros handhaben, weil die benötigte Zeit stark themenabhängig ist und wir das gerne im PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 5 Einzelfall variabel handhaben. Leitlinie: In der Kürze liegt die Würze! Versuchen Sie, neben den nötigsten Grundlagen (knapp bitte, wir sind im Hauptseminar) zum Thema „das Wesentliche“ konzentriert herauszuarbeiten! Sie müssen nicht alle möglichen Punkte berühren, es geht nicht um Vollständigkeit, sondern um Erkenntnis und darum, selbst ein bisschen zu forschen! Es genügt, wenn Sie uns ein paar spannende Erkenntnisse, ggf. Forschungsfragen, weiterführende Fragen oder Probleme vermitteln. Ein Gespräch bzw. eine Diskussion soll nach dem Vortrag unbedingt stattfinden! Sollten Sie bei Ihren Recherchen auf andere Dinge stoßen als diejenigen (Termini, ...), die ich bisher fand, können Sie dies gerne einbringen. In allen Zweifelsfällen besprechen wir uns (EMail, Sprechstunde)! Ich möchte das Seminar dialogisch angehen und hätte es gerne, wenn während Ihres Vortrags Zwischenfragen zugelassen sind. Ich werde darauf achten, dass die Vortragslinie nicht zu sehr unterbrochen wird. Jeder (auch ich) muss lernen, auf Zwischenfragen flexibel zu reagieren und Fachgespräche zu führen. Sollten Sie Ihren Vortrag dennoch erst einmal komplett halten wollen, so sagen Sie das bitte zu Beginn Ihres Vortrags, dann wird hinterher gefragt. – Ich erwarte keinesfalls, dass Sie „alles“ wissen, denn ich weiß auch nicht alles. Bitte lesen Sie Ihr Referat nicht weitgehend oder vollständig vom Blatt ab! Gut wäre es, wenn Sie sich an einer Stichwortliste, am Begleitpaper oder einer Overhead-Vorlage orientieren und halbfrei bis frei vortragen. Das Vorlesen einiger Passagen ist völlig in Ordnung. Achten Sie darauf, dass Sie ggf. immer wieder ein Signal geben, wo wir uns gerade befinden (z. B. „wir sind jetzt bei Beispiel Nummer ...“). Bitte laut und deutlich sprechen! Bitte denken Sie daran, dass überzeugende Präsentationen zu ihrem Berufsleben gehören werden. Tragen Sie nur Argumentationen, Erkenntnisse etc. vor, die Sie durchschauen. Markieren Sie Unklares deutlich, damit wir darüber diskutieren können! Sie dürfen dem Seminar (auch direkt mir) gerne Fragen stellen, das gehört zum wissenschaftlichen Gespräch dazu. Wünschenswert: eine klare Darstellung, ggf. mit Übersichten, mit Hervorhebung der interessanten/kritischen Punkte und mit Konzentration auf das Wesentliche. Wo man sie einbringen kann, sollten Sprachbeispiele Ihre Ausführungen begleiten. Interessieren Sie vor allem Ihre Mit-Student/inn/en für Ihr Thema! Falls Sie ein Begleitpaper verteilen, wäre es schön, wenn wir dies vorab ansehen könnten. Ich schlage vor, es in der Woche vor Referattermin auszuteilen (Sitzungsanfang) oder ca. zwei Tage vor der Sitzung online zur Verfügung zu stellen o. Ä. Handouts sollten nicht mehr als zwei Blätter (man kann verkleinern/zwei Seiten auf ein Blatt kopieren) umfassen. Neben obligatorischem Kopf (LMU München … Veranstaltung etc.) und einer klaren Gliederung führen Sie bitte die verarbeitete Literatur am Ende alphabetisch an. – Sie können aber auch Overhead-Folien einsetzen oder kombinieren. Ich werde einen Seminarraum mit Beamer anfordern, also wird auch „Beamen“ möglich sein. (Ich habe einen eigenen Laptop am Institut, den ich Ihnen ggf. zur Verfügung stellen kann.) Vergessen Sie bitte bei Ihrer Hauptseminararbeit die übliche „Obligatorische Erklärung zu Seminararbeiten im Department I“ (Link auf meiner Info-Seite) nicht! PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 6 Bitte beachten Sie die vereinbarten Abgabetermine für die HS-Arbeiten! Denken Sie unbedingt daran, parallel eine Dateifassung (Format: doc oder docx oder rtf oder pdf, bitte nicht odt) und am Institut eine Druckfassung einzureichen! „Stilblätter“ finden Sie auf meiner Seite Infos/Informationen unter I.3. Lesen Sie unbedingt mein Stilblatt, vor allem den Teil „Häufige Fehler ...“! Zur äußeren Form der Hauptseminararbeit siehe http://wolfgang-schindler.userweb.mwn.de/infos.html, dort Punkt I.3. Sie sollen zeigen, dass sie wissenschaftlich beschreiben und argumentieren können. Ansätze zu eigener Stellungnahme, zu kritischem Vergleichen und Erörtern von Positionen müssen sichtbar werden! Günstig ist es, sich mit einem Detailproblem zu befassen, über das noch nicht „alles“ (vielleicht überhaupt nichts) geschrieben wurde. Erwartet wird, dass Sie auch Spezialliteratur zu Ihrem Thema verarbeiten. Die reine Wiedergabe von Fachliteratur reicht für eine gute Note nicht aus. Nicht für den Seminarleiter schreiben (nicht allzu viel als selbstverständlich behandeln), sondern für einen interessierten Laien mit linguistischer Grundausbildung! Zeigen Sie vor allem, was Sie und warum Sie etwas Bestimmtes tun. Anschauliche, gute Sprachbeispiele sind wichtig! III Orientierung und anregende Literatur Es gibt wenig, woran wir uns orientieren können, aber Folgendes ist für die Orientierung ansehen: - Ungefähr können wir uns am Ansatz von Polenz („Satzsemantik“, 2008) orientieren! Ich möchte sein Vorgehen aber mehr als Anregung verstehen, nicht als Vorlage zur konkreten Ausarbeitung. - Die Forderung nach einer Inhaltsgrammatik und eine erste Skizze finden Sie in Heidolph/Flämig/Motsch (1981) in Kap. 1.2. Rohe Teilskizzen finden Sie dort im Kap. zu Tempus/Modus, Kap. 3.1. - Die dreibändige Grammatik von Zifonun et al. (1997) enthält Ausführungen zu inhaltlichen/funktionalen Aspekten der Grammatik/Syntax. Beispielsweise zur Deixis (C4), zur Quantifikation (D4), zu Diktumserweiterungen (D5) etc. - Aus sprachtypologischer Perspektive finden sich auf den Webseiten von Prof. emer. Christian Lehmann unter „Semantik der Grammatik (Semantosyntax - Funktionale Grammatik)“, online hier: http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index.html, Ausarbeitungen (von ‚Possession‘ etc.), die wir berücksichtigen könnten. - Folgender Sammelband enthält einige Elemente einer funktionalen Syntax/Grammatik, wie sie in diesem HS thematisiert werden soll: Hoffmann, Ludger (Hg.) (2003): Funktionale Syntax. Berlin; New York - Semantische Grammatikfelder wie ‚Feld der Absicht‘ (ebd. 273 f.), Feld der ‚Aufforderung‘, ‚Feld des Bittens‘ (ebd. 277) finden Sie skizziert in Freudenberg-Findeisen (1999)! Weitere Literatur finden Sie am Ende dieses Handouts. – Mir ist klar, dass wir uns ein „großes“ Programm vornehmen und alle Aspekte und Bezüge sich in einem Semester nicht PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 7 ergründen lassen. Aber ein ungefähres Bild – das ist das Ziel! – und einige Detailausarbeitungen sollten sich mit der (Semester-)Zeit ergeben! IV Themen, Arbeitsgruppen, Referate Ich skizziere im Folgenden mögliche Vortragsthemen. Das ist teilweise noch „experimentell“, weil ich selbst noch nicht genau weiß, worauf das HS hinauslaufen wird. Haben Sie aber keinen Bammel, denn ganz im Gegenteil eröffnet uns dies Raum für eigenes Herantasten und Forschen! Was jemand einzeln vortragen möchte und was eventuell zu zweit oder als Gruppe angepackt wird, verhandeln wir unter uns. Schauen Sie das Folgende in Ruhe durch. Halten Sie für sich fest, was Sie interessiert, gleichgültig (was ist das eigentlich für ein syntaktischer Anschluss?), ob das genau einem formulierten Vorschlag, Absatz etc. entspricht oder ob es weniger (oder mehr) als dieses ist. Wir zimmern das ggf. gemeinsam zurecht. Schreiben Sie mir eine Mail oder schauen Sie bei mir im Büro vorbei! IV.1 Themenkomplex 1: Syntaktischer Satzaufbau, Erzeugung von Satzkomplexität Hier geht es im Wesentlichen darum, zu zeigen, wie wir formal im Deutschen vom Satzkern (das ist wohl etwas wie ein Subjekt-Prädikat-Kern oder Prädikat-Komplemente-Kern?) zum Aufbau einer Satzperiode kommen. Dabei sollte darauf Wert gelegt werden, dass wir syntaktische Modelle studieren, die auf der Basis nachvollziehbarer Prinzipien strukturerzeugend beziehungsweise strukturerläuternd sind. Die nachfolgend vorgeschlagenen Ansätze sollen nicht bis ins Detail behandelt werde, sondern soweit, dass wir mit ihnen als Mittel die Erzeugung von Satzkomplexität nachvollziehen und Generalisierungen etc. erkennen können. Infrage kommen vor allem eine stringente Dependenzsyntax, wie sie von Igor Mel’cuk und anderen Wissenschaftlern (z. B. Mel’cuk, Igor & A. Polguère (2009): Dependency in Linguistic 6 Description. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins) vertreten wird, oder die X-BarSyntax (einführend etwa Truckenbrodt & Eichler 2010), eventuell noch die funktionale Grammatik (z. B. „Syntax: ...“ von Van Valin, R./LaPolla, R. 1997, Cambridge) oder auch eine oberflächengrammatische Beschreibung mittels einer traditionellen Konstituentenstruktursyntax. Wichtig sollte es uns sein, dass wir nicht allzu zersplittert oder allzu vereinfachend vorgehen und darüber erkennbare Generalisierungen in der Strukturbildung vernachlässigen. Wir wollen verstehen, wie wir formal-syntaktisch vom Satzurknall zum Satzuniversum gelangen. Auch eine deskriptive Schritt-für-Schritt-Beschreibung nützt uns schon (aber lieben wir Wissenschaftler nicht Modelle?), denn wir wollen zu den formalen Schritten die semantischen Operationen parallelisieren. 6 Bitte nicht die „klassische“ Tesnière-Dependenz oder deren „deutsche Derivate“; das ist z. T. nicht scharf genug und es werden bisweilen morphologische, semantische und syntaktische Dependenzen vermischt, wogegen das Mel’cuk und Kolleg/inn/en klar trennen. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 8 IV. 1.1 Die Struktur eines deutschen Satzes im Rahmen von Syntaxtheorien: - X-Bar-Struktur (anregend und lesbar z. B. http://www.zas.gwz-berlin.de/fileadmin/mitarbeiter/truckenbrodt/Research_HT/morphosyntax.html) - Dependenzstruktur nach Mel’cuk (2009) oder andere Präsentationen dieses Ansatzes - Konstituentenstruktur Man könnte evtl. den Satz aus „Der menschliche Makel“ von P. Roth hernehmen, um eine dieser Strukturen vorzuführen, aber gerne auch andere (evtl. auch einfachere) Beispiele. dazu der Wortgruppenausbau bei VP, NP, PP, AdjP: - Komplementation (Argumente): findet (+ es), wütend (+ auf jmdn.), Lust (+ auf etw.) - Modifikation (Adjunkte): findet (auf der Straße), (ziemlich) wütend, (gestrige) Lust Bei den Adjunkten an die V-Projektion (an Vˈ), anders gesagt, bei den valenzfreien Adverbialen wäre es interessant, das semantische System über das bekannte Grundschema lokal - temporal - kausal - modal (+ Satzadverbiale) hinaus anzusehen (z. B. Finanziell/Gesundheitlich geht es Kuno gut, Das hat er für die Kinder gekauft). Feindifferenzierung, evtl. weniger beachtete Unterklassen (wo hinein gehören die?). - Spezifikation (Determinatoren, Spezifikatoren): (diese) Lust, (drei Meter) vor der Tür ... - (evtl.) bei der NP: lockere Apposition (Adjunktion?) Diese Dreiteilung finden wir in modernen Syntaxtheorien öfters. Die lockere Apposition könnte da herausfallen und gehört eventuell zur „Abteilung Parenthese/Einschaltungsmuster“. 1.2 Klärung von Grundbegriffen: PROPOSITION; SATZ; ÄUSSERUNG Was ist ein minimaler Satz/ein Satzkern? Stillgestanden! Es regnet, Kimba schläft, Pia überreicht es ihm etc. 7 Wie kommt ein Minimaler Satz/Satzkern zustande (Valenz ...)? Der Satzkern: Sachverhalt(smodel), Proposition oder ‚der objektive Teil der Vorstellung einer Situation‘ (subjektive Teile können evtl. noch hinzukommen)? Stichworte: Valenz, Prädikat, Prädikation, Argumente/Referenzstellen (evtl. Subkategorisierung, thematische Rollen), … Hierzu passt die Ausarbeitung des Begriffs Situation und eines Situationsmodells (das brauchen wir) von Prof. emer. Christian Lehmann: http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index_part.html (linke Kolumne!) Ein Einblick hierein: 7 Hierzu evtl. auch Smirnova/Mortelmans (2010), Kap. 2 (nuclear, core, extended predication etc.). PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 9 Ebenen der Satzbedeutung Sprechakt modalisierte Proposition Proposition (Sachverhalt) Situation Situationskern Illokution Modalität Temporalität Partizipanten (Quelle: http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index_part.html, 22.02.16) Uns interessiert dieser Aufbau bis zur modalisierten Proposition. Pragmatisches wie Sprechakte wollen wir nicht behandeln. Also: (dass) Pia das Buch kauf(en) Situation Partizipanten Situationskern (dass) Pia das Buch kauf-t(-e) Proposition (dass) wahrscheinlich Pia das Buch kauft-e modalisierte Proposition 1.3 Weiterer Einzelsatzausbau (ohne klare Zuordnung zu Teilphrasen): - Fokuspartikeln - Negation(spartikel) (Wahrheitswertumkehrung) - Abtönungspartikeln Was wird hier an inhaltlichen Beiträgen geleistet? Lassen sich die inhaltlichen Beiträge an diejenigen anderer Ebenen anschließen (z. B. die der Negationspartikel nicht an die Satzadverbiale?)? Beispiel Abtönungspartikeln (oberflächlich, als Anreiz) (1) Deutsch ist schwer (2) Deutsch ist eben schwer ‚das steht fest, so ist es nun mal‘ (3) Deutsch ist aber schwer ‚das habe ich so nicht erwartet‘ Abtönungspartikeln scheinen funktional mit dem vermuteten beziehungsweise produzentenseitig vorausgesetzten Verhältnis zwischen Produzent, Rezipient und Redegegenstand zu tun zu haben. Man könnte bei Hoffmann (Hg.) (2007) anfangen und auch mal sehen, was Zifonun et al. (1997) schreiben, sollte aber speziellere Literatur zur Semantik/Pragmatik/Funktion von Abtönungspartikeln wie aber, doch, eben, halt, ja, mal mit einarbeiten! 1.4 Die Bildung komplexer Sätze durch - SUBORDINATION - KOORDINATION - PARENTHESE PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 10 In Hansjakob Seiler & Waldfried Premper (Hgg.) (1991): Partizipation. Das sprachliche Erfassen von Sachverhalten. Tübingen findet sich ein bisschen was unter dem Terminus NEKTION in Gunter Brettschneiders Beitrag (21., 658 ff.). 1.4.1 Die Satzverknüpfungen durch KONNEKTOREN (hier z. B. eine Webseite des IdS Mannheim, bearbeitet von Eva Breindl, Elke Donalies: http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/sysgram.ansicht?v_id=1182) und das semantische System der Konnektoren. Welche inhaltlichen Bereiche decken Konnektoren ab? Ist ein homogenes semantisches System zu erkennen oder fransen die Bereiche in den Details/an den Rändern(?) aus? Uns interessiert nicht nur 8 das bekannte Grobschema: kausal, lokal, modal, temporal, sondern auch das, was darüber hinaus ginge bzw. was an feineren bzw. spezielleren Relationen auch noch ausdrückbar ist (beispielsweise je mehr X ... desto Y, X geschweige denn Y)! 1.4.2 Die Syntax der Koordination Die Struktur von Phrasen mit Koordination ist ein Problem. Strukturen wie die linke CoP [NP] Pia NP Coˈ NP Pia und NP und Kuno NP Pia Co° und NP Kuno Kuno sind X-Bar-theoretisch unbefriedigend, weil der obersten NP kein Kopf(-Nomen) zugeordnet ist. Neuerdings wird vorgeschlagen eine Co(njunction)-Phrase anzusetzen. Dabei übernimmt die Gesamtphrase die Eigenschaften des ersten (linken) Konjunkts (vgl. Pia und wer sonst noch Lust hat). Ganz rechts sehen wir eine Dependenzstruktur. Dependenzgrammatisch explizieren wir die syndetische Koordination (nach Mel’cuk 2009) als eine Kombination der Dependenzrelationen coord(inative) (Pia und) und coord-conj(unction) (und Kuno). IV. 2 Themenkomplex 2: Semantik im Kernsatz IV. 2.1 Die deutsche Verbflexion (Ind. 1/2, Konj. 1/2; Arbeiten v. U. Bredel & H. Lohnstein) Da ein finites Verb zum Kern des Satzes gehört, ist zu erwarten, dass die verbale Finitheitsflexion interessante semantische Kategorien einbringt! Nach Bredel und Lohnstein (2001; 2003) bringt die Verbalmorphologie „Deiktisches“ zum Ausdruck. Ausgehend von der klassischen Ich-hier-jetzt-Origo wird im Dt. Personaldeiktisches und Temporaldeiktisches (PRÄT) ausgedrückt sowie „modale Verschiebung“. 2.2 MODALITÄT 8 Die Satzadverbiale sind ohnehin semantisch anderswo anzusiedeln (Modalität). PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 11 Eine Proposition wie dass Pia Jazz hör oder HÖR (pia, musik) kann auf verschiedene Weise modalisiert werden, z. B. Pia hör-t Jazz (faktisch, Wirklichkeitsbehauptung, Feststellung o. Ä.), Pia hört wahrscheinlich Jazz, Pia hört glücklicherweise Jazz oder Pia soll Jazz hören (ambig) etc. Was ist Modalität und welche Ausdrucksmittel (Verbmodus? MV? Modalwörter? Explizite syntakt. Konstruktionen/Obersätze?) gibt es? Ist Modalität ein Verhältnis der Aussage zur Wirklichkeit oder ein Verhältnis des Sprechers zum Satzinhalt oder ein Verhältnis des Sachverhalts der Aussage zur Wirklichkeit und das Verhältnis des Sprechers zum Satzinhalt? Oder etwas anderes? Welche relevanten Subtypen von Modalität gibt es? Wie könnte eine Subkategorisierung aussehen, die sich im sprachlichen Möglichkeiten widerspiegelt? Oder spiegelt sich ein unklares, zu vielfältiges Bild wider? Vorgeschlagen wurden u. a. EPISTEMISCHE (notwendig oder möglich mit Bezug auf die Erwartungen, die Sprecher/innen aufgrund ihres Erfahrungswissens haben, z. B. Es könnte Sturm geben), DEONTISCHE (notwendig/geboten oder möglich/erlaubt mit Bezug auf ein System von Rechtsnormen, von sozialen Regeln, moralischen Normen oder individuellen Überzeugungen, z. B. Erwachsene dürfen nicht auf dem Gehsteig mit dem Fahrrad fahren), BULETISCHE (notwendig oder möglich mit Bezug auf die Wünsche einer Person, z. B. Pia will das Rennrad fahren), ALETHISCHE (logisch notwendig oder logisch möglich, z. B. Ein Körper muss eine Ausdehnung haben) und PHYSISCHE/DISPOSITIONALE (notwendig oder möglich mit Bezug auf die physischen Umstände oder das Können einer Person, z. B. Kuno kann den Rückwärtssalto) Modalität. Evtl. bei Polenz (2008) anfangen, dort 2.23. Propositionale Einstellungen. Dann selbst sehen, welche sprachlichen (v. a. syntaktisch relevanten) Verfahren im Deutschen zur Verfügung stehen. 2.3 NP und Semantik Semantik in der Nominalphrase Determination, Quantifikation und …? (Nominal, Nominalsyntagma): Begriffsbildung, 2.3.1 DETERMINATION und Semantik Was ist eigentlich „Determination“? - Was leisten unsere beiden Artikel (enger Artikelbegriff)? - Was leisten darüber hinaus „Determinatoren“/Artikelwörter? Als erstes Herangehen z. B. Lehmann (11/09/2013 10:03:00; mein Abruf: 01.02.2016): http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index.html (dort weiter >> Semantik der Grammatik >> Determination). Zum Beitragen der Artikel evtl. auch Leiss (2000). 2.3.2 Attribution und Semantik PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 12 Lässt sich ein semantisches System der nicht-satzförmigen adnominalen Attribute (wie AdjA, GA, PA) skizzieren? Und wie teilt sich das auf? Feinsäuberlich separiert oder mit Überschneidungen? Was also leisten semantisch (Sie müssen nicht alle Typen behandeln; behandeln Sie das, was Sie interessiert!) - Genitivattribut (Possession? ...?) - Präpositionalattribut (wirklich „alles Mögliche“?) - Adjektivattribut (Eigenschaften, Zustände, Herkunft (Münchn-er), ...?) - enge Apposition (komplexe Namen und was noch?)? Vgl. etwa Pias Auto, Auto von Pia und ein Glas kühler Wein/(?)kühlen Weines/?von kühlem Wein/mit kühlem Wein. Was ist akzeptabel, welche Konstruktion transportiert welche Bedeutungsnuancen? IV. 3 Semantik: übergreifende Themen 3.1 Possession Unter dem Begriff Possession werden Spielarten von Zugehörigkeitsbeziehungen eingeordnet, in denen prototypischerweise die beiden Beteiligten (Possessor, Possessum) in einer Weise aufeinander bezogen werden, die man als „asymmetrische Kontrolle“ bezeichnen kann. Die Körperteil-von- oder die Besitz-Relation sind jeweils nur ein Aspekt von Possession (wie auch Zustände, etwa der Zorn des Khan). Im Deutschen haben wir z. B. dem Relator (DAT) Nachbarn sein Possessor (?)9 Auto Possessum das Auto des Nachbarn (Relator: GEN)10 Possessor Zudem finden sich (referenzierende) Konstruktionen wie sein Auto, das Auto von meinem Nachbarn oder der Nachbar mit dem Auto, evtl. auch der Pertinenzdativ (der Arzt hat dem Kranken den Blinddarm (den Blinddarm des Kranken) operativ entfernt). Zudem gibt es Possession in prädikativen Konstruktionen: Das Auto (Poss’um) gehört dem Nachbarn (Poss’or). Possession wird in der Regel zweigeteilt in inalienable (unveräußerliche, strikt relationale) und alienable (veräußerliche, nicht strikt relationale). Inalienabilität liegt z. B. vor in Pias Vater oder Pias Hand, anders z. B. Pias Hund, Pias Hut. Unumstritten ist diese Zweiteilung 9 10 So etwas wie die Spiegelung bzw. Verdoppelung des Possessors? Das Possessivpronomen wäre in sein Auto selbst Anzeiger des Possessors. Oder sein als Teil des komplexen Relators [[d-DAT X] Posspron Y] Die Konstruktion „attributiver Genitiv“ dient allerdings nicht nur dem Ausdruck possessiver Beziehungen! Vgl. eine Herde wilder Pferde, der Beginn des Unterrichts. Es sind auch kollektivierende (messende, …) Verhältnisse möglich. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 13 nicht. Interessant ist jedoch, dass es Sprachen gibt, die hier Markierungsunterschiede machen.11 Das Thema wird hier sprachtypologisch behandelt (erste Orientierung, auch zur Definition einer prototypischen possessiven Relation): http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/index.html?http://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/possession.php. Interessant könnten sein (ich habe nicht in jede der folgenden Arbeiten hineinsehen können, eventuell ist nicht alles passend): - Heine, Bernd 1997, Possession. Cognitive sources, forces and grammaticalization. Cambridge: Cambridge University Press. - König, Ekkehard & Haspelmath, Martin 1998, "Les constructions à possesseur externe dans les langues de l'Europe." Feuillet, Jack (ed.), Actance et valence dans les langues de l'Europe. Berlin & New York: Mouton de Gruyter (Empirical Approaches to Language Typology, EUROTYP, 20-2); 525-606. - Nourelhoda Elkady (2001): Ausdrucksweisen der Possessivität im Deutschen und im Arabischen. Diss. Univ. Siegen, online: http://d-nb.info/961113065/34. - Seiler, Hansjakob 1983, POSSESSION as an operational dimension of language. Tübingen: G. Narr (Language Universals Series, 2). - Velazquez Castillo, Maura (1996): The Grammar of Possession. Amsterdam; Philadelphia 3.2 Zeit Wir haben bereits bei der Bildung finiter Verbformen den Unterschied zwischen PRÄS und PRÄT (lach-t vs. lach-t(-)e, liegst vs. lagst) kennengelernt, der die Zeit hinsichtlich ‚deiktisches Zentrum (= jetzt) wird (nicht) verlassen‘ spezifiziert (oder ein unterschiedliches Verhältnis zwischen Aktzeit und Sprechzeit und ggf. Betrachtzeit bewirkt). Das ist weiter auszubauen, indem man Syntaktisches wie temporale Verbalkomplexe betrachtet, z. B. hat/hatte geschrieben oder wird geschrieben haben. Auch Beispiele wie In dem Augenblick fühlte er sich am linken Arm ergriffen und zugleich einen sehr heftigen Schmerz. Mignon hatte sich versteckt gehabt, hatte ihn angefasst und ihn in den Arm gebissen (Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre). Warum bauen wir unsere Möglichkeiten, Zeitliches auszudrücken, aus (Ultra(plusquam)perfekt!)? (Die Frage ist vielleicht zu spekulativ, eine erste Beschreibung dessen, „was geht“, wäre schon einmal gut.) Warum bauen wir Ausdrucksmöglichkeiten ab bzw. verwenden sie kaum (Futur II)? Literatur: Welke (2005), der frühere Darstellungen zu Tempus etc. bespricht, so dass man über die Bibliographie eventuell weiterkommen kann. 11 Das Maltesische erlaubt reine Juxtaposition (ähnlich: „enge Apposition“) bei inalienabler Possession, bei Alienabilität setzt man eine Präposition dazwischen, im Deutschen nachgeahmt: Haar Pia, Vater Pia aber Schuhe/Hut von Pia. Entsprechende Hinweise entnehme ich: Stiebels, Barbara (2002): Typologie des Argumentlinkings, Berlin, 144 f. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 14 Das ist allerdings nicht der einzige Punkt, an dem ‚Zeit‘ eine Rolle spielt. Temporale Adverbiale (Ich sehe jetzt/gerade einen Adler, ich sehe morgen meine Tante - oder: Im Jahre 981 sieht Olaf der Kühne ein Seeungeheuer … ) und Konstruktionen wie das PROGRESSIV (ich bin am staubsaugen/Staubsaugen - wie schreiben wir das?) spielen ebenso eine Rolle. Dann gibt es auch Konstruktionen wie letztes Jahr am 23. Mai am späten Vormittag, als ich gerade beim Abspülen war, klingelte ... 3.3 Quantifikation Auf welchen Ebenen wird was quantifiziert? Vgl. jede Katze, alle Katzen, einige Katzen, etwas Tee, drei Katzen, dreimal miauen, manchmal miauen, dreimaliges Miauen; zehn Meter weit (werfen), die Hälfte des/von etw. etc. Quantifizieren auch Artikel (gelegentlich)? Komplexere Quantifikationen: fast alles, sehr viel, ungefähr zehn, weniger als fünf etc. ‚Zählen‘: drei Äpfel, drei Schafe (anders auch z. B. im Vietnamesischen ba con trau ‚drei Büffel‘, genauer: ba ‚3‘, con ist ein Klassifikator für ‚Lebewesen‘, trau ‚Büffel‘) ‚Messen‘: drei Kilo (‚Quantität‘) Äpfel (‚Stoff‘), drei Glas Bier, eine Maß Bier, zwei Humpen mit Bier/?*Bieres, drei Löffel Zucker ‚Kollektion‘: eine Gruppe Studenten, ein Schwarm Bienen, eine Herde Schafe Phasenquantifikation? Was liegt vor in: Das Licht ist noch/schon/noch nicht/nicht mehr an? Anfangen vielleicht mit Zifonun et al. (1997: D.4, 2.4.2) zur nominalen Quantifikation. Dann weiter nach verbaler Q. schauen (selten/manchmal/oft regnen etc.). – Die Beiträge aus „Apprehension“ (H. Seiler et al.) kommen aus der Sprachtypologie, aber man könnte mal hineinsehen, was man in der deutschen Syntax anwenden kann; einiges wird auch an deutschen Beispielen gezeigt, da s könnten wir direkt „ausbeuten“. Versuchen könnte man: - Katz, Elisabeth (1982): Zur Distribution von Kompositum und Nominalgruppe im Deutschen. In: Seiler & Lehmann (Hgg.) (1982), 112-129 [zu Meß-, Zähl- und Kollektivkonstruktionen] - Kuhn, W. (1982): Kollektiva und die Technik K o l l e k t i o n am Beispiel des Deutschen. In: Seiler & Lehmann (Hgg.) (1982), 84-111 - Seiler, H. (1986): Apprehension. Language, Object, and Order. Part III. Tübingen [da steht immer wieder zwischendrin etwas zu Quantifikation, Kollektion, ...] - Seiler, Hansjakob & Christian Lehmann (Hgg.) (1982): Apprehension. Das sprachliche Erfassen von Gegenständen. Teil I. Tübingen 3.4 Aspektualität ASPEKTUALITÄT ist ein Oberbegriff dafür, wie sprachlich die zeitliche (Binnen-)Struktur von Ereignissen, Situationen etc. erfasst bzw. präsentiert wird. Kodiert das die Verbflexion (anderer Sprachen als Deutsch, etwa slawische Sprachen), dann spricht man von ASPEKT. Kodiert es die Derivation (im Deutschen eher Ansätze als System: blühen > er-blühen ‚inchoativ‘, verblühen ‚terminativ, egressiv‘), dann sagt man öfters AKTIONSART, wobei PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 15 Aktionsart bisweilen auch das bezeichnet, was nicht durch Aspekt abgedeckt wird. Uns interessieren vor allem die syntaktischen Mittel, mit denen wir der Aspektualität Ausdruck 12 verleihen können. Das könnten das Progressiv (Pia war am Arbeiten/arbeiten ), aber auch gewisse Funktionsverbgefüge (in Bewegung kommen ‚inchoativ‘, in Bewegung bringen/setzen ‚kausativ‘) sein - und vielleicht auch noch etwas mehr? Ob bzw. wieviel zum Thema zusammenkommen kann, lässt sich für mich momentan schwer abschätzen. Interessant sind etwa die von Leiss (1992) beschriebenen und z. B. von Thiel (2008) aufgenommenen Betrachtungen zu (In-)Definitheit und (Im-)Perfektivität, zu Aspekt und Artikeln und zur Entwicklung des Progressivs, vgl. etwa Er hat Holz/das Holz gespalten oder Sie sind gerade am G/gewinnen. Vielleicht versuchen wir, die Möglichkeiten der Darbietung/Perspektivierung von Zuständen, Handlungen etc. zu erfassen. Das könnte beispielsweise sein: innenbetrachtend als im Verlauf befindlich ohne Fokussierung von Anfang und Ende (Holz hacken, im Wald laufen, am Holz hacken/holzhacken/laufen sein), außenbetrachtend als zielendes, abgeschlossenes Geschehen (das Holz hacken, in den Wald laufen), den Beginn/das Ende fokussierend ((?)unter Kontrolle kommen, außer Kontrolle geraten), ein Bewirken fokussierend (unter Kontrolle bringen)? 3.5 Konversen, Diathesen und Perspektivierung Es geht um syntaktische Möglichkeiten, die das Geschehen bzw. den Sachverhalt unterschiedlich perspektivieren und die Aktanten als in unterschiedlicher Weise involviert zu präsentieren. Das hat mit verbaler Valenz zu tun und den Möglichkeiten, ein lexikalisches Valenzgrundtableau syntaktisch abzuwandeln. Klassisch die Diathesen: Die Jury-Vorsitzende überreichte den Gewinnern den Sowieso-Preis Den Gewinnern wurde der Sowieso-Preis überreicht, Die Gewinner bekamen den Sowieso-Preis überreicht. Aber u. a. auch Reflexivkonverse (Lachsäcke verkaufen sich gut) oder Kausativkonstruktion (Underwood ließ den Fahrer den Wagen in die Werkstatt bringen). Was für Konversen (z. B. gibt es und welche Funktionen lassen sich erkennen? Vielleicht noch, sofern es auf syntaktischen Verfahren beruht und nicht auf Morphologie wie in sauschlecht, stockdumm oder auf lexikalischen Mitteln wie wahnsinnig/irre/furchtbar schlecht (allerdings können wir beim Thema Attribution vermerken, dass auch Graduierung ausgedrückt werden kann): 3.6 Graduierung, Steigerung, Wertung Ich weiß nicht, inwiefern sich das syntaktisch (!) lohnt und wieviel da zusammenkommt, wenn man mal herumstöbert. Spontan fällt mir auf: X ist nicht der schlechteste/dümmste ... ‚X ist ganz gut, recht intelligent ...‘ X ist nicht der schlechtesten/dümmsten einer (sofern das geläufig ist) 12 Ist hier Großschreibung (substant. Inf.) oder Kleinschreibung (verbale Form) angezeigt? PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 16 X ist voll der Durchblicker/Dummbeutel ... Es fällt aber auch auf, dass das wohl (Phraseo-)Konstruktionen sind, d. h. keine rein regelbzw. baukastenmäßigen Erzeugungen. Inwieweit Folgendes geht, wäre noch zu ermitteln: Das ist mords der Aufwand. Und natürlich dann Attributionen wie furchtbar umständlich, schrecklich nett, fürchterlich regnen. PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 17 V Bibliographie - Bredel, U. & Lohnstein, H. (2003): Die Verankerung von Sprecher und Hörer im verbalen Paradigma des Deutschen. In: Hoffmann, Ludger (Hg.), Funktionale Syntax. Berlin; New York, 122-154. - Freudenberg-Findeisen, Renate (1999): Feldergrammatik: Ergänzender Grammatikansatz in Theorie und Praxis. In: Freudenberg-Findeisen, R. (Hg.) (1999): Ausdrucksgrammatik versus Inhaltsgrammatik. München, 269-285. - Heidolph, K. E./Flämig, W./Motsch, W. (1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin. - Hoffmann, Ludger (Hg.) (2003): Funktionale Syntax. Berlin; New York - Hoffmann, Ludger (Hg.) (2007). Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin; New York - Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin - Leiss, Elisabeth (2000): Artikel und Aspekt. Berlin - Lohnstein, H. & Bredel, U. (2001): Zur Ableitung von Tempus und Modus in der deutschen Verbflexion. In: ZfS 20.2, 218-250. - Mel’cuk, Igor (2009). Dependency in Natural Language. In: Polguère, A./Mel’cuk, I. (Hgg.) (2009), Dependency in Linguistic Description. Amsterdam; Philadelphia, 1-110. - Nourelhoda, Elkady (2001): Ausdrucksweisen der Possessivität im Deutschen und im Arabischen. Diss. Univ. Siegen, online: http://d-nb.info/961113065/34 - Polenz, Peter von (2008): Deutsche Satzsemantik. Berlin; New York - Smirnova, Elena/Mortelmans, Tanja (2010): Funktionale Grammatik. Konzepte und Theorien. Berlin; New York - Thiel, Barbara (2008): Das deutsche Progressiv: neue Struktur in altem Kontext. In: Zs. f. Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 13:2. Online: http://tujournals.ulb.tudarmstadt.de/index.php/zif/article/view/236/228, 21.02.16 - Truckenbrodt, Hubert & Kathrin Eichler (2010): Einführung in die moderne Sprachwissenschaft. Ms., ZAS Berlin und DFKI Saarbrücken, 2010 [Online: http://www.zas.gwz-berlin.de/fileadmin/mitarbeiter/truckenbrodt/Research_HT/morphosyntax.html, 6 Kapitel, letzter Aufruf 19.02.16] - Velazquez Castillo, Maura (1996): The Grammar of Possession. Amsterdam; Philadelphia - Welke, Klaus (2005): Tempus im Deutschen. Berlin - Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno et al. (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Berlin: de Gruyter. 3 Bde. Ich habe die folgende Serie „Language Universals Series“ noch nicht durchgesehen, aber dort finden sich möglicherweise Beiträge zu unserem Thema. Im Internet (Gunter Narr Verlag, Tübingen): PD Dr. W. Schindler. HS Satzaufbau und Satzkomplexität. Informationen und Themen (V. 22.02.16). Seite 18 http://narr-starter.de/magento/index.php/catalogsearch/result/?cat=0&q=language+universals+series und dann … Recherche (wir müssten die Bände in der IB oder UB haben). Falls da aber nichts Passendes aufzufinden ist: weglassen.