Thermische Analyse – Dynamisch mechanische Analyse (DMA) DMA-Messungen Die DMA-Messungen werden mit einer DMA 210 der Fa. Seiko Inst. durchgeführt. Das Gerät ist prinzipiell für Zug- und Schubversuche konzipiert. Schermessungen können nicht durchgeführt werden. Theorie zur DMA Ein Probekörper wird in verschiedenen Messanordnungen mit einer Kraft F beansprucht. Die DMA-Messungen im Praktikum werden mit einer DMS 210 der Fa. SEIKO Inst. durchgeführt. Das Gerät ist prinzipiell nur für Zug- und Schubversuche (Bild 5 und 6) konzipiert. Schermessungen (Bild 1), Dreipunktbiegung (Bild 2), Dual Cantilever (Bild 3, Probe fest eingespannt) oder Single Cantilever (Bild 4) können nicht durchgeführt werden. Die Kraft F erzeugt im Testkörper eine Spannung σ die definiert ist als ππππππ’ππ π = ππ πππ πππππ ππππππππππ πΎππππ‘ πΉ ππ’πππ πβπππ‘π‘ππäπβπ π΄ πππ πππππ Am Prüfling wird auftretende Dehnung ε als Messgröße erfasst, die sich aus der Länge l der eingespannten Probe und der kraftabhängigen Längenänderung Δl ergibt π·πβππ’ππ π = πΏäππππäπππππ’ππ π₯π πππ πππππ πΏäπππ π πππ πππππ Das Vorgehen kennen Sie durch den Zugversuch an Metallen, bei dem die Zugkraft F so lange gesteigert wurde, bis die Probe zerreißt. Das machen wir hier etwas anders. An unserer Probe wird eine sinusförmige Kraftamplitude angelegt, das heißt es wird eine Zugkraft F angelegt, die ein Maximum durchläuft und gefolgt wird von einer Schubkraft F in die entgegen gesetzte Richtung. Das macht die Sache wird etwas komplizierter, weil die Spannung σ in der Probe jetzt einer sinusförmigen Kraftamplitude folgt, aber wir werden gleich etwas vereinfachen und Sie müssen nur verstehen, dass wir eine sich periodisch ändernde Kraft an die Probe anlegen und messen welchen Anteil der dieser Kraft wir als elastische Antwort bekommen und welcher Anteil dieser Kraft zur Verformung der Probe führt. Das ist alles, doch zurück zur Theorie. Liegt eine sinusförmige Kraft an der Probe an, so ergibt sich eine exponentielle Änderung der Spannung σ ππππππ’ππ π = πΉ0 √−π∗ππ‘ πΉ0 π = π0 π πππ‘ πππ‘ π0 = π’ππ π = √−π π΄ π΄ F0 ist die Kraftamplitude, ω ist die Kreisfrequenz der Kraft und t ist die Zeit. Die Dehnung ε ergibt sich zu π·πβππ’ππ π = βπ0 π(ππ‘+πΏ) βπ0 π = π0 π π(ππ‘+πΏ) πππ‘ π0 = π’ππ π = √−π π π ω ist die Kreisfrequenz der Kraft, t ist die Zeit und δ die Phasenverschiebung. Werden jetzt die Spannung σ und die Dehnung ε in Beziehung gesetzt, bekommen wir so etwas wie einen Proportionalitätsfaktor, der zwischen den beiden Größen vermittelt. ππππππ’ππ π = πΈ ∗ β π·πβππ’ππ π E* wird als komplexer Elastizitätsmodul bezeichnet, im Augenblick sieht er noch wenig komplex aus. Das wird sich ändern. Der komplexe Elastizitätsmodul E* besteht aus zwei Teilen, einem Realteil mit dem Speichermodul E‘ und einem Imaginärteil der sich aus π = √−π und dem Verlustmodul E‘‘ zusammensetzt also πΈ ∗ = πΈ ′ + π β πΈ ′′ ππππ ππππππβππ |πΈ ∗ | = πΈ Als Absolutbetrag lassen sich dann Speichermodul E‘ und Verlustmodul E‘‘ graphisch in eine „komplexe Ebene von E“ projizieren. Das Verhältnis von Speichermodul E‘ und Verlustmodul E‘‘ ist der Verlustfaktor δ πΈ ′′ πππππ’π π‘ππππ‘ππ πΏ = tan πΏ = ′ πΈ Bei einer ideal elastischen Probe tritt kein Verlustmodul E‘‘ auf. In diesem Fall ist E‘‘=0 und tan δ = 0. Der Speichermodul E‘ ist dann gleich σ0/ε0. Bei einer ideal viskosen Probe gibt es eine Phasenverschiebung von π/2 (entspricht 90°). In diesem Fall ist der Speichermodul E‘ = 0 und tan δ = ∞. Der Verlustmodul E‘‘ ist dann σ0/ε0. Die während einer Schwingung reversibel gespeicherte Energie pro Volumeneinheit ΔW‘ ist proportional zum Elastizitätsmodul E‘: Δπ ′ = πΈ ′ β π02 Die währen einer Schwingung irreversibel in Wärme umgewandelt Verlustenergie ΔW‘‘ pro Volumeneinheit ist proportional zum Verlustmodul E‘‘: Δπ ′′ = πΈ ′′ β π02 Wird die Probe wie im Praktikum bei ansteigender Temperatur vermessen, so erhält man in der Region des Glasübergangs im Speichermodul E‘ eine Stufe zu niedrigeren E‘-Werten. Der Verlustmodul E‘‘ hat in der Region des Glasübergangs ein Maximum zu höheren E‘‘-Werten und der Verlustfaktor als tan δ durchläuft ein Maximum. 2.4E+11 1.1E+10 1.5000 1.0000 -0.5000 -1.0000 -1.5000 4.2E+06 8.9E+06 40.0 60.0 80.0 Temp Cel 100.0 120.0 140.0 Als Glasübergangtemperatur Tg wird das Maximum von tan δ = E‘‘/E‘ gewählt. Gerätetechnische Hinweise für die DMS 210: Gemessen werden durch das DMS 210 die Kraftamplitude F0 und die daraus folgende Auslenkungsamplitude Δl0 aus denen dann nach den obigen Gleichungen der Speichermodul E‘ und der Verlustmodul E‘‘ bestimmt werden. Das Problem beim DMS210 besteht darin, dass während der Messung nicht von kraftkontrollierten Modus in einen längenkontrollierten Modus umgeschaltet werden kann. Die kraftkontrollierte Auslenkung wird üblicherweise bei steifen Proben verwendet, während die längenkontrollierte Messung für weiche Proben eingesetzt wird. Durch diese Einschränkung ist es sehr schwierig, ein Blend mit zwei Glasübergängen mit einem Programm zu messen, da die Probe beim zweiten Glasübergang so weich wird, dass die Längenausdehnung für das DMS 210 zu groß wird und bei einer max. messbare Auslenkung von ca. 5mm die Messung mit einer Error-Meldung abbricht. Noch ein Wort zur Wahl der Messfrequenz f und zur Wahl der Heizrateheizrate ß: Grundsätzlich erfolgt die Bestimmung von Speichermodul E‘ und Verlustmodul E‘‘ pro ausgeführter Schwingung, d. h. für die Auswertung einer Kurve stehen nur so viele Datenpunkte wie erfolgte Schwingungen zur Verfügung. Wegen der geringen Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen wird meist mit Heizraten von <= 3°C/ min gearbeitet. Um die Frequenzabhängigkeit des Komplexen Moduls E* zu tanD 0.0000 E' Pa E" Pa 0.5000 erfassen, wir oft parallel mit mehreren Frequenzen oder mit verschiedenen Frequenzen nacheinander gemessen. Problem! Sind zu wenig Schwingungen während eines Messlaufs vorhanden, so ist der Kurvenverlauf von tan δ, E‘ und E‘‘ sehr eckig bzw. es kann passieren, dass Glasübergang verpasst wird. Faustformel: In einem Glasübergangsbereich innerhalb von 15°C sollten mindestens 4 Messpunkte oder 4 ganze Schwingungen liegen, damit der Kurvenverlauf erfasst werden kann. Beispiel: Temperaturbereich ΔT = 15°C Anzahl der Schwingungen = 4 Schwingungen Für die Anzahl n der Schwingungen pro °C ergibt sich aus der geforderten Anzahl Schwingungen und dem Temperaturbereich ΔT π= π΄ππ§πβπ πππ ππβπ€ππππ’ππππ 4 ππβπ€ππππ’ππππ ππβπ€ππππ’ππππ = = 0,267 ππππππππ‘π’πππππππβ 15 °πΆ °πΆ d. h. es muss mit einer Schwingungsanzahl von 0,267 Schwingungen/°C gearbeitet werden. Beispiel 2: Bei einer DMA werden als Parameter aber die Heizrate ß in °C/min oder °C/s angegeben und die Messfrequenz f in Hz. Heizrate ß = 15°C/min = 0,25°C/s Messfrequenz = 10 Hz Aus der Heizrate ß und der Messfrequenz f ergibt sich dann die Anzahl der Schwingungen pro °C zu: π= πΉππππ’πππ§ π ππ π»π§ 10 π»π§ 10 ∗ π = = = 40 °πΆ −1 π»πππ§πππ‘π ß ππ °πΆ/π 0,25 °πΆ/π π ∗ 0,25 °πΆ d. h. pro °C fallen 40 Messpunkte an. Die Anzahl n sollte möglichst groß gewählt werden. Die Interpretation von DMA-Kurven Der Speichermodul E‘ üblicher Werkstoffe nimmt mit steigender Temperatur ab. Die Änderung des Speichermoduls von Konstruktionsmetallen wie Stahl oder Aluminiumlegierungen bis zu Temperaturen von 400 °C ist gering. Stufenartige Veränderungen in den Thermogrammen werden durch Relaxationsübergänge (z.B. Glasübergang) oder Phasenumwandlungen (z.B. Schmelzen und Kristallisieren) verursacht. Den Stufen im Speichermodul E‘ entsprechen Peaks im Verlustmodul E‘‘ und dem Verlustfaktor tan δ. Amorphe Kunststoffe Amorphe Materialien durchlaufen bei Temperaturänderung einen Glasübergang. Dabei ändert sich der Modul um eine bis ca. vier Dekaden. Dasselbe gilt beim Schmelzen der Kristallite von teilkristallinen Polymeren. Allerdings zeigen solche Phasenumwandlungen nicht die große Frequenzabhängigkeit der Relaxationsübergänge. Elastomere Elastomere wie Naturgummi NR zeigen einen Glasübergang unterhalb RT und aufgrund chemischer Vernetzung kein Fließen. Diese schwache Vernetzung entsteht beim Vulkanisieren des ursprünglich thermoplastischen Kautschuks. Thermoplasten Übliche Thermoplaste wie Polyvinylchlorid und Polystyrol oder PP haben bei Raumtemperatur einen Elastizitätsmodul E‘ von ca. 3 GPa. Ihre Glasübergangstemperatur liegt zwischen Raumtemperatur (RT) und etwa 200 °C. Etwa 100 K oberhalb des Glasübergangs fließen diese Polymere und lassen sich deshalb plastisch verformen. Bei amorphen und teilkristallinen Materialien werden mehrere Relaxationsübergänge beobachtet. Der Übergang bei der höchsten Temperatur wird aus historischen Gründen oft α-Relaxation oder Glasübergang genannt. Er wird der kooperativen Molekülbewegung in einem Bereich von einigen Nanometern zugeordnet, während die schwächere Sekundär-Relaxation oder ß-Relaxation die Bewegung von kurzen Segmenten betrifft. Relaxationsvorgänge sind frequenzabhängig und können so von den weitgehend frequenzunabhängigen Schmelzvorgängen, Kristallisationen und chemischen Reaktionen unterschieden werden. Der Glasübergang ändert sich um 5 bis 10 K pro Frequenzdekade. Mit mindestens 10 K/Dekade noch stärker frequenzabhängig ist die ß-Relaxation Unverträgliche Mischungen aus amorphen Polymeren und Blockcopolymere zeigen die beiden Glasübergänge der Komponenten, während verträgliche Mischungen und statistische Copolymere nur einen Glasübergang zwischen denjenigen der Komponenten aufweisen. Die Anteile lassen sich mittels Kurven von reinen Polymeren abschätzen. Duroplaste Duroplaste wie Epoxidharze sind dreidimensional vernetzte Makromoleküle. Ihr Glasübergangsbereich liegt deutlich oberhalb Raumtemperatur. Wegen ihrer räumlichen Vernetzung fließen sie nicht bei weiterer Temperaturerhöhung. Die Ausgangsstoffe von Duroplasten bestehen aus mehreren Komponenten, welche oft „Harz“ und „Härter“ genannt werden. Beim Aushärten der thermoplastischen Ausgangsstoffe entsteht das dreidimensionale Netzwerk und die Glasübergangstemperatur steigt um 50 bis 300 K. Erweichungs- und Schmelzbereiche der wichtigsten Thermoplaste Thermoplast Polyvinylacetat Polystyrol Polyvinylchlorid Polyethylen Dichte 0,92 g/cm3 Polyethylen Dichte 0,94 g/cm3 Polyethylen Dichte 0,96 g/cm3 Poly(but-1-en) Polyvinylidenchlorid Polymethacrylsäuremethylester Celluloseacetat Polyacrylnitril Polyoxymethylen Polypropylen Polyamid 12 Polyamid 11 Polytrifluorchlorethylen Polyamid 610 Polyamid 6 Polycarbonat Poly(4-methylpent-1-en) Polyamid 66 Polyethylenterephthalat Schmelz- bzw. Erweichungsbereich (°C) 35-85 70-115 75-90 (Erweichung) ca. 110 ca. 120 ca. 130 125-135 115-140 (Erweichung) 120-160 125-175 130-150 (Erweichung) 165-185 160-170 170-180 180-190 200-220 210-220 215-225 220-230 240 250-260 250-260