PRESSEGESPRÄCH ANLÄSSLICH DER ARTVIENNA 2015 ADVANCED RETINAL THERAPY www.artvienna.eu Internationaler Augenkongress in Wien 2.12.2015, 10:00 Uhr. Van Swieten Saal der MedUni Wien DAS MANAGEMENT VON NETZHAUTERKRANKUNGEN ÄNDERT SICH GRUNDLEGEND Das Management von Netzhauterkrankungen in Zeiten hochmoderner technologischer Entwicklungen in Medizin und Wissenschaft, die digitale Angiografie, die Messung der Sehfähigkeit im Auge und im Gehirn sowie Medikamenteninjektionen, die die Laserverödung ersetzen: Das sind die Themen, die heuer auf Einladung der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien auf der ART Vienna am kommenden Samstag präsentiert werden. Wien, 2. Dezember 2015 Die digitale „OCT-Angiografie“, eine neue Untersuchungsmethode, die die Gefäßdarstellung des Auges ohne Spritze ermöglicht, leitet eine „sanfte Revolution“ in der Augenheilkunde ein. Außerdem trägt die Tatsache, dass die bisherige konventionelle Netzhautuntersuchung mit moderner Bildgebung des Sehzentrums im Gehirn ergänzt wird, zu einem besseren Verständnis des Sehprozesses bei. Und nach vier Jahrzehnten Laserverödung bedeuten Medikamenteninjektionen einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von PatientInnen mit diabetischer Retinopathie, ähnlich wie bei Makulaerkrankungen vorher nun aber im Bereich der gesamten Netzhaut. „Das diagnostische und therapeutische Prozedere bei Augenerkrankungen ändert sich grundlegend“, so Schmidt-Erfurth, Klinikleiterin und Kongresspräsidentin. Die Angiografie des Auges wird digital – kein Kontrastmittel mehr notwendig! Die Darstellung von Blutgefäßen am Augenhintergrund (Netzhaut und Aderhaut) ist eine unerlässliche Basisuntersuchung für Diagnose und Verlaufskontrolle einer Reihe von Erkrankungen, die in Österreich führende Ursachen für erhebliche Sehbeeinträchtigungen sind – wie die altersbedingte Makuladegeneration (AMD), die diabetische Netzhauterkrankung oder Gefäßverschlüsse. Bis vor kurzem war die klassische Angiografie mittels Kontrastmittel die einzige Möglichkeit, diese Blutgefäße darzustellen: Im Rahmen einer sehr zeitintensiven Untersuchung 1 (Dauer: ca. 30 Minuten) wurde den PatientInnen über die Armvene ein Farbstoff verabreicht und mit einer speziellen Netzhautkamera die Verteilung dieses Farbstoffes in den Blutgefäßen analysiert. Die neue digitale „OCT-Angiografie“ ermöglicht erstmalig mittels digitaler Analysemethoden die Untersuchung von Blutgefäßen am Augenhintergrund. Andreas Pollreisz von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien erläutert: „Im Gegensatz zur klassischen Angiografie dauert die digitale Angiografie nur wenige Sekunden. Und es wird dabei auch kein Farbstoff verabreicht, der bei manchen Patienten zu Übelkeit und Erbrechen geführt hat.“ Beim neuen Verfahren werden innerhalb weniger Sekunden berührungs- und schmerzlos mehrere Bilder der Netzhaut mittels eines speziellen für das Auge ungefährlichen Laserlichtes angefertigt. Das System vergleicht die Folgeaufnahmen an jeder einzelnen Stelle und errechnet eine Landkarte der durchbluteten Gefäße über die Wahrnehmung der Bewegung der Erythrozyten. Neben der Gefäßdarstellung werden im Rahmen derselben Aufnahme auch Schichtbilder der gesamten Netzhaut angefertigt. „Somit können erstmalig die einzelnen Gefäßstrukturen auch den zugehörigen Netzhautschichten zugeordnet werden. Innerhalb von Sekunden entsteht so eine dreidimensionale Rekonstruktion der gesamten Gefäßstrukturen des Augenhintergrundes“, so Pollreisz. Durch die hochauflösende Aufnahmetechnik werden bis dato nicht erfassbare, kleinste krankhafte Blutgefäße dargestellt, die Vorzeichen einer beginnenden Sehverschlechterung sein können. Je früher und genauer die Diagnostik erfolgt, umso gezielter und zeitgerechter kann auch die Behandlung mit Medikamenten erfolgen, die genau diese Gefäßpathologien therapeutisch beeinflussen. Pollreisz fasst zusammen: „Die digitale Angiografie ist dran, die herkömmliche zeitintensive und belastende Kontrastmittelangiografie abzulösen. Sie erlaubt schmerzlos und sicher neue Einblicke in die Krankheitsentstehung, den Verlauf und das Ansprechen auf die Therapie bei einer Reihe von gravierenden Netzhautund Gefäßveränderungen.“ Messung der Sehfähigkeit – im Auge und im Gehirn Bei konventionellen Netzhautuntersuchungen wurde bisher nicht berücksichtigt, dass die Netzhaut quasi bereits einen Teil des Gehirns darstellt. Markus Ritter von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien führt aus: „Die Netzhaut besteht unter anderem aus Nervenzellen und Nervenfortsätzen. Die dort aufgenommenen Informationen werden über den Sehnerv weitergeleitet und dann im dafür zuständigen Gehirnareal, dem zentralen 2 Sehzentrum, verarbeitet. Dort erst entsteht die wirkliche visuelle Wahrnehmung, die für den sehenden Menschen fassbar ist.“ Um den Verarbeitungsprozess von Seheindrücken in den entsprechenden Gehirnarealen zu untersuchen, wurden NetzhautpatientInnen in einem Kooperationsprojekt der Augenklinik und des Zentrums für medizinische Physik und biomedizinische Technik der MedUni Wien mit funktioneller Magnetresonanztherapie untersucht. Die PatientInnen erhielten Sehreize in Form von sich bewegenden Mustern, gleichzeitig wurde über den lokalen Sauerstoffverbrauch die Aktivität im Gehirn gemessen. Es zeigte sich, dass einer definierten Region der Netzhaut ein entsprechendes Areal des Sehzentrums zugeordnet werden kann. Fällt im Rahmen von Netzhauterkrankungen die Funktion einer bestimmten Netzhautregion aus, würde man bei der Darbietung von Sehreizen im entsprechenden Areal des Sehzentrums eine reduzierte Aktivität erwarten, was bei den meisten Patienten auch so nachgewiesen werden konnte. „Allerdings scheinen bei einigen Patienten mit über viele Jahre bestehenden Netzhauterkrankungen benachbarte relativ gesunde Netzhautareale die Funktion der verloren gegangenen Areale teilweise zu übernehmen, was sich in einer veränderten Darstellung der entsprechenden Netzhaut-Sehzentrumregionen widerspiegelt“, so Ritter. „Damit scheint dieses System nicht starr zu sein, sondern zu einem gewissen Teil anpassungsfähig. Und es scheint Funktionsstörungen an der Netzhaut teilweise kompensieren zu können. Eine Erkenntnis, die zu einem besseren Verständnis der Veränderungen der Sehfähigkeit von Patienten mit Netzhauterkrankungen beiträgt und neue therapeutische Ansätze aufzeigen wird.“ Medikamenteninjektionen erobern die gesamte Netzhaut und ersetzen die Laserverödung – ein Paradigmenwechsel in der Therapie Diabetes als Zivilisationskrankheit breitet sich rasant aus und betrifft insbesondere das Auge und die Netzhaut. Bei Personen im mittleren Lebensalter gehört die diabetische Netzhauterkrankung zu den häufigsten Ursachen für Erblindung und schweren Sehverlust. Besonders Menschen mit den Diabetestypischen Gefäßwucherungen der Netzhaut, der sogenannten proliferativen Retinopathie, erleiden zu 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren einen schweren Sehverlust. Mit Einführung der Laserverödung der Netzhaut wurde der Verlauf der Erkrankung zwar deutlich verbessert, nur noch fünf Prozent der PatientInnen verloren ihre Sehkraft. Allerdings hatte die Therapie drastische Nebeneffekte wie Verlust großer Teile des Gesichtsfeldes und die eingeschränkte Fähigkeit, in der Dämmerung zu sehen oder ein Ödem in der Netzhautmitte mit Verlust des Lesevermögens. 3 Die erfolgreiche Behandlung der Makula-Erkrankung bei Diabetes mit Medikamenten, die direkt in das erkrankte Auge injiziert werden, ließ den Schluss zu, dass dieselben Substanzen auch gegen die schwerste Form, die proliferative Retinopathie, wirksam sein könnten. Im November 2015 wurde die erste Studie dazu veröffentlicht: Ein etabliertes unabhängiges Konsortium in den USA, das Diabetic Retinopathy Research Clinical Trial Research Network, kurz DRCR, verglich in einer randomisierten Studie 1:1 die konventionelle Laserverödung mit der Injektion eines anti-proliferativen Medikamentes. 305 PatientInnen wurden in dieser Therapie-Studie über zwei Jahre lang behandelt und genau getestet. Die Gruppe konnte beweisen, dass die mit der medikamentösen Injektion behandelten PatientInnen nach zwei Jahren eine bessere Sehkraft und ein gut funktionierendes Gesichtsfeld hatten, seltener ein Makula-Ödem bekamen und auch seltener operiert werden mussten. Dabei wurden in der Medikamentengruppe auch keine gefährdenden Nebenwirkungen beobachtet (JAMA 2015;314(20):2137). Schmidt-Erfurth: „Nach 40 Jahren Laserverödung setzen wir einen neuen Meilenstein für eine wirkungsvollere und gleichzeitig wesentlich schonendere Behandlung bei einer der häufigsten Bedrohungen des Augenlichtes, der diabetischen Netzhauterkrankung. Für Patienten, die ohnehin über viele Lebensjahrzehnte durch ihre chronische Erkrankung in ihrer Lebensführung eingeschränkt sind, ist dies ein ganz erheblicher Fortschritt. Für die Augenheilkunde bedeutet das, dass die letzte Bastion der Laserverödung damit gefallen ist. Neue Richtlinien und Empfehlungen für die Behandlung von Tausenden von diabetischen Patienten müssen erstellt werden.“ 4 Termin: ART 2015 Samstag, 5. Dezember 2015, Van-Swieten-Saal der MedUni Wien Links: www.artvienna.eu/presse/ https://www.facebook.com/pages/ART-Meeting-Vienna/294919073869555 Rückfragehinweise: Aesculapia | Pia Maria Zimmermann Management Pharma | Health Services --------------------------------------------------Schöffelgasse 2/10 1180 Wien Tel. + Fax: +43 1 478 65 80 Mobil: +43 676 430 16 23 E-Mail: [email protected] Mag. Johannes Angerer Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Medizinische Universität Wien --------------------------------------------------Spitalgasse 23 1090 Wien Tel.: +43 1 40 160 - 11 502 Fax: +43 1 40 160 911 500 E-Mail: [email protected] Medizinische Universität Wien – Kurzprofil Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit fast 7.500 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit ihren 27 Universitätskliniken und drei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich. 5