Ausdrucksspiele aus dem Erleben — Jeux Dramatiques Prof. Dr. Bernd Reinhoffer, PH Weingarten, Ausbilder der Arbeitsgemeinschaft Jeux Dramatiques Deutschland Bettina Schmid - Reinhoffer, Bildungswerkstatt Bergatreute Ausbildungsassistentin der Arbeitsgemeinschaft Jeux Dramatiques Deutschland _________________________________________________________________________________________ Ausdrucksspiele© In Ausdrucksspielen aus dem Erleben© (=Jeux Dramatiques) - kurz: Ausdrucksspiele© - lassen sich Geschichten so spielen, dass sie für die Kinder zu einem Stück eigener Lebensgeschichte werden können. Die handelnde Auseinandersetzung mit einem konkreten Thema und seinen gestalteten Schauplätzen führt die Kinder in die Erfahrung und zum Ausdruck dieser Erfahrung. Wie dies geschieht und methodisch gelingen kann, sollen Sie als Teilnehmerin „am eigenen Leib” erfahren. Als Requisiten verwenden wir vor allem Tücher, Hüte und Bänder. Komplizierte Spieltechniken oder Textlernen entfallen. Das Spiel vollzieht sich ohne „Wort-Sprache”. Als Spielleiter begleite ich Sie, die Spielerinnen, durch das Spiel, indem ich eine Geschichte vorlese, erzähle oder das Spielgeschehen aufgreife. Ich gebe Impulse und lasse auch Raum für Spontaneität. Im abgesteckten Freiraum können wir Erwachsene so unser eigenes inneres Kind (wieder)entdecken und (er)leben. Lernen wird damit nicht verstanden als eng geführtes, passives Aufnehmen von Vorgegebenem. Lernen heißt, im sicheren Rahmen selber erkunden, entdecken, erleben, zum Ausdruck bringen und in Beziehung setzen. Ausdrucksspiele© sind ein Tun, das auf Gegenwart und Intensität ausgerichtet ist. Ausdrucksspiele© ermöglichen eine lebendige Begegnung und vertiefte Auseinandersetzung. Was sie wollen- Zielsetzungen der Ausdrucksspiele© Ausdrucksspiele© (=Jeux Dramatiques) sind als ganzheitlicher Ansatz in Bildung und Erziehung zu betrachten. Die Vertreter des Ausdrucksspiels© sehen es als eine Variante des Rollenspiels, die neben intellektuellen und psychomotorischen Inhalten vor allem affektiv-emotionale und soziale Zielsetzungen verfolgt. Fühlen, Denken und Handeln fallen in Ausdrucksspielen© zusammen. Ausdrucksspiele© möchten Situationen oder Ereignisse im Spiel erlebbar und erfahrbar machen, durch das Weglassen der Wort-Sprache ins innere Erleben führen, die Erlebnisfähigkeit fördern, helfen, inneres Erleben und Gefühle ohne Worte spielerisch auszudrücken, einen Perspektivenwechsel ermöglichen und die Empathiefähigkeit fördern, soziales Lernen auf spielerische Weise ermöglichen, Fantasie, spontanen Ausdruck und Ausdrucksvermögen fördern, unbewusste oder schlummernde schöpferische Fähigkeiten wachrufen, von einem „äußeren zu einem inneren Verständnis” von Themen und Texten verhelfen. Seite 1 Wie sie ablaufen – der RSPV-Zirkel der Ausdrucksspieleo Ausdrucksspiele© laufen nach dem sogenannten R-S-P-V-Zirkel ab: R= ROHSTOFF 1. Textvorstellung Ein Kreis schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre. Die Geschichte wird erzählt oder der Text vorgelesen. Mit Gegenständen, Tüchern können Elemente der Szenerie unterstützend dargestellt werden. Bilder können anregen, aber auch einengen. Bilder und Texte „sehen” Ereignisse immer aus bestimmten Sichtwinkeln. 2. Sammlung spielbarer Rollen Eine Runde „Was kann man alles in der Geschichte spielen?” Genannt werden dann Menschen, Tiere, Pflanzen Gegenstände, Elemente, Abstrakta, ..., bis wir das Gefühl haben, alle spielbaren Rollen zusammengetragen zu haben. Hierbei wird die Phantasie der Mitspielerinnen angeregt. Ein erster vertiefender Einstieg in die Textebenen erfolgt, dem inneren Erleben werden Spielräume eröffnet. S= SPIELVORBEREITUNG 3. Rollenwahl a) Wunschrunde: „Was möchtest du spielen?” Geduld und Ruhe erleichtern den Suchprozess. Jedes Kind entscheidet sich selbst für eine Rolle. Also keine Zuweisung oder Empfehlung! b) Überblick: Gemeinsam 'nachschauen', ob gespielt werden kann. „Können wir auf die nichtgewählten Rollen verzichten? (=Haben wir alle notwendigen Rollen besetzt?) Wie lassen sich die zusätzlichen Rollen einbauen?” c) Einvernehmliche Lösung bei mehrfach gewünschten Rollen Die betreffenden Kinder (setzen sich in die Kreismitte und) sagen sich gegenseitig, was ihnen an der betreffenden Rolle wichtig ist. Lösungsmöglichkeiten: ein Kind verzichtet freiwillig(!), nimmt eine andere Rolle Mehrfachbesetzung abwechselnde Besetzung, evtl. mit stummer Zwischenrolle ein weiteres Spiel, bei dem gewechselt wird nur im äußersten Notfall: Losentscheid Sie als Leiterin sollten nie die Entscheidung fällen! Seite 2 4. Klärung der Szenerie Wo liegen einzelne Spielplätze und Wege? Wo beginnt das Spiel? Wo endet es? Müssen schwierige Handlungen ausprobiert werden, um Gefährdungen von Gesundheit und zerbrechlichen Gegenständen zu vermeiden? „Trefft noch die Absprachen, die ihr braucht!” 5. Verkleiden a) Gestalten der Spielplätze mit dem vorhandenden Mobiliar, Utensilien und dem Material. Keine Bühne! b) Sich selbst verkleiden: in Farbe, Struktur und Größe unterschiedliche Tücher, Hüte, Bänder, allerlei Krimskrams. Jeder bestimmt seine Verkleidung selbst. Die Leiterin gibt technische Hilfe. 6. Besinnung vor Spielbeginn Die Spielerinnen nehmen ihre Spielplätze ein. Runde: „Ich bin ein .... (Achtung: Bei vager Angabe genau klären durch Rückfrage „Was für ein...?”) Ich möchte... Ich möchte nicht...“ . Eventuell an Regeln erinnern! In einem Moment der Stille und inneren Ruhe stimmen sich alle ein. P= PRAKTISCHE DURCHFÜHRUNG 7. Spielen Gong! Unbegleitetes Ins-Spiel-Kommen oder gleich begleitendes Lesen/Erzählen. Die Spielerinnen verwenden keine Wortsprache. Sie drücken ihr Erleben durch Mimik, Gestik, Gebärden und stimmliche Laute aus und experimentieren mit diesem Ausdruck. Zwischen Anleiterin und Spielerinnen entsteht ein gegenseitiges Führen und Folgen. Fördernd sind dabei Lesepausen und die Versprachlichung von beobachtetem spontanen, auch von Textlinie abweichendem Spiel. Das Spiel wird mit einem Gongschlag beendet. V= VERARBEITUNG 8. Nachgespräch Spontanes Mitteilen des Erlebten möglichst noch in Verkleidung an einem Spielplatz. Die Spielerinnen entscheiden, was sie im Kreis aus dem eigenen Erleben mitteilen „Ich habe erlebt, dass....“). In weiteren Runden kann aus der Fülle bildhafter Eindrücke und Erlebnisse zur Sprache gebracht werden, was des Austauschs mit anderen bedarf. Vielleicht will Frohmachendes rückgemeldet werden oder müssen Missverständnisse und Ärger geklärt werden. Gesprochen wird aus den Rollen heraus! Bewertung und Beurteilung verbieten sich, da ja jeder sein eigenes Empfinden und seinen persönlichen Ausdruck gezeigt hat. In der angstfreien und bejahenden Atmosphäre können so das Spektrum der eigenen Wahrnehmung und die Bandbreite des eigenen Ausdrucks erweitert werden. Woher sie kommen - Ursprung der Ausdrucksspiele© Schon in Urzeiten verkörperten Menschen im darstellenden Spiel die Phänomene des Lebens. Was sie bewegte, wie sie die Welt sahen und deuteten, setzten sie in Szene. Mythische Rituale haben hier ihren Ausgangspunkt. Mit der Zeit gewann jedoch zunehmend die Aufführung vor Zuschauern an Gewicht. So entstand Theater (griech: thea = die Schau). Der französische Pädagoge Léon Chancerel suchte in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts nach Möglichkeiten, die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen auf lebendige Art und Weise zu fördern. Als er Texte des russischen Theaterpädagogen K. S. Stanislawski zur Schauspielerausbildung übersetzte adaptierte er das Konzept für die Kinder- und Jugendarbeit. Die entstandene Methode beschreibt er 1936 in seinem Buch „Jeux Dramatiques dans I´Education - Introduction à une Méthode”. Seite 3 „Wir brauchen den Ausdruck jeu absichtlich. Jeu (Spiel) ist einerseits die lustbetonte Bewegungsfreude, andererseits die freiwillige Unterordnung unter die Spielregeln. Der Ausdruck dramatique anstelle von théatrale soll hervorheben, dass wir nicht in erster Linie für Publikum auftreten, sondern zur eigenen Freude und zur persönlichen Entwicklung Theater spielen wollen. Die Jeux Dramatiques sind also Spiele, welche die Möglichkeit in sich schliessen, durch Bewegung und Gebärde persönliche Gefühle und Beobachtungen auszudrücken” (Zitiert nach Heidi Frei, S.7). Über die Pfadfinderbewegung gelangte die Methode in die deutschsprachige Schweiz. Heidi Frei, eine schweizerische Theaterpädagogin, entwickelte die Jeux Dramatiques weiter und erschloss sie auch für die Arbeit mit Erwachsenen. Im Laufe der sechziger und siebziger Jahre integrierte sie Elemente der RhythmischMusikalischen Erziehung (nach Mimi Scheiblauer), der Selbsterfahrungsgruppen und der Gestaltphilosophie. In den Achtzigern schuf sie mit Lehrerinnen zusammen klare Spielstrukturen für den Einsatz in Schule und Pädagogik. Nach Deutschland brachten Karlheinz Moosig und Eva Peter-Moosig das Ausdrucksspiel©. Seither findet es immer mehr Verbreitung in Pädagogik und Therapie. Tipps für 45-Minuten-Einheiten Oft besteht die Schwierigkeit, - zum Beispiel im Religionsunterricht - für ein größeres Spiel nur einzelne Schulstunden zur Verfügung zu haben. Wir raten nun davon ab, eine größere Spieleinheit in 45 Minuten zu pressen. Mit unseren Klassen haben wir verschiedene Möglichkeiten gefunden und erprobt, mit diesen 45Minuten-Zwängen umzugehen. Die Einführung in den Rohstoff, also die Lehrerinnenerzählung oder das Lesen eines Textes, eines Bilderbuchs oder einer Bibelstelle, kann schon in der vorausgehenden Stunde erfolgen. Dieses Verfahren bringt eine Straffung, nämlich dass die Kinder sich schon vorab Gedanken über ihre Rollenwahl, bzw. über Wünsche zur Rollengestaltung machen können. Vereinfachend wirkt auch eine gestaltete Erzählung, bei der jeder Rolle ein Tuch zugeordnet wird. Hierbei ergibt sich auch schon das Grundmuster der Verkleidung, bzw. genügt geübten Kindern ein Tuch, um in die Rolle einzusteigen. Die Runden der Rollennennung und Rollenwahl können als „Blitzrunden” gestaltet werden, in denen jeweils nur ein Wort ohne weitere Erläuterungen geäußert wird. Mit dem Spielablauf vertraute Kinder treffen bereits in der Pause Vorbereitungen, angefangen vom Stuhlkreis für die beiden ersten Phasen bis hin zum Entfernen der Tische und dem Bereitstellen des Materials. In der Phase der Verarbeitung kann mit Satzschablonen gearbeitet werden („Ich habe erlebt, dass...“). Unterstützend wirkt bei gehemmteren Kindern das Verbinden der Äußerung mit dem Legen einer Murmel oder Ähnlichem. Besteht nicht die Notwendigkeit einer ausführlichen Besprechung und sind keine Konflikte in der Großgruppe zu bearbeiten, kann der Austausch auch im „Bienenkorb” erfolgen: Die Spielerinnen gehen im Raum umher. Treffen sich zwei, teilen sie sich in wenigen Sätzen Erlebtes mit. Vorab hat aber der Wunsch nach direkter Kommunikation Vorrang. Auf keinen Fall sollte auf ein Nachgespräch verzichtet werden. Hier werden Erlebnisse durch Äußerung und Gespräch auf die Bewusstseinsebene gehoben, hier finden sich Anknüpfungspunkte für die weitere Arbeit in der Klasse. Für unbedingt wichtig halten wir das freie Mitteilen in der vertrauensvollen Atmosphäre der Gruppe, was ein Bewerten oder Beurteilen verbietet. Seite 4 ©Bernd Reinhoffer Linsenbergstr. 12 88281 Schlier Zielsetzungen der Ausdrucksspiele© Ausdrucksspieleo (=Jeux Dramatiques) sind als ganzheitlicher Ansatz in Bildung und Erziehung zu betrachten. Die Vertreter des Ausdrucksspiels© sehen es als eine Variante des Rollenspiels, die neben intellektuellen und psychomotorischen Inhalten vor allein affektive und soziale Zielsetzungen verfolgt. Fühlen, Denken und Handeln fallen in Ausdrucksspielend zusammen. Die kognitive Ebene erstreckt sich von (Er-)Kenntnissen bis hin zur kreativen Anwendung von Wissen, Erfahrung und Regeln zum Zwecke der Problemlösung. Welches Faktenwissen, welches Verständnis, welche Beurteilungen zu einem Sachverhalt spielerisch vermittelt werden, hängt vorrangig von den verwendeten Texten oder Rahmensituationen ab. Der psychomotorische Bereich zielt auf die Schulung und Koordination der sinnlichen Wahrnehmung und Fertigkeiten beim Theaterspiel (Schminken, Sich verkleiden, Spielplätze gestalten, Darstellerische Bewegung, Mimik, Gestik, Gestaltungsfähigkeit, Ausdrucksvermögen, Imitation und Kreation,... ). Die Förderung der inneren Erlebnisfähigkeit ist das Hauptanliegen des affektiven/ emotionalen Bereichs. Hier geht es um das Wahrnehmen von Gefühlen und Interaktionen; um Reagieren und Werten, um Organisation und Entwicklung von Wertesystemen. Das gesamte Feld der zwischen-menschlichen Beziehungen kommt in den Blick, von Empathie- über Zuwendungsfähigkeit bis hin zu Solidaritäts- und Konfliktfähigkeit. Auf spielerische Art und Weise werden dabei Umgangsformen, Gesprächsregeln und Konfliktlösungsstrategien vermittelt. Die reflektierte Handhabung von Absprachen und Regeln in einer vertrauensvollen Atmosphäre soll den Spielerinnen Erfahrungen und Grundsicherheiten in der Interaktion mit anderen Menschen ermöglichen. Das soziale Anliegen des Ausdruckspiels© besteht also in der Entwicklung von Kooperations- und Gruppenfähigkeit in Verbindung mit der Stärkung der Individualität und des individuellen Ausdrucks. „... der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Ausdrucksspiele© möchten durch das Weglassen der Wort-Sprache ins innere Erleben führen, helfen, inneres Erleben und Gefühle ohne Worte spielerisch auszudrücken, die gemüthafte Erlebnisfähigkeit fördern, Beobachtungen, Situationen und Ereignisse im Spiel erlebbar und erfahrbar machen, Friedrich Schiller momentane Stimmungen, Bedürfnisse und Vorstellungen auszudrücken, über Rollenwahl (oder mehrmaliges Spielen) den Perspektivenwechsel ermöglichen, Fantasie, spontanen Ausdruck und Ausdrucksvermögen fördern, Spielfreude, Sinnenfreude und Vorstellungskraft entdecken, freilegen und entwickeln, unbewusste oder schlummernde schöpferische Fähigkeiten wachrufen, soziales Lernen auf spielerische Weise ermöglichen, von einem „äußeren zu einem inneren Verständnis” von Themen und Texten verhelfen, zu Selbstoffenbarung und Selbsterkenntnis anregen. Seite 5 Ausdrucksspiele© im Religionsunterricht ©Bernd Reinhoffer Linsenbergstr. 12 88281 Schlier Ausdrucksspiele© bieten Ansatzpunkte für den Religionsunterricht, Kindern zu einer intensiven und nachhaltigen Begegnung mit biblischen Texten, Legenden und religiösen Erzählungen zu verhelfen. Als religiöse Texte bergen sie sinnstiftende Erfahrungen. Im Spiel begegnen wir durch unser unmittelbares mythisches Bewusstsein den tieferen Sinnschichten dieser Texte. In der Verarbeitungsphase gelangen wir zu einem reflektierten Verständnis, unsere zweite Naivität erwacht (Paul Ricoeur). Das innere Erleben, die Erfahrungen mit der eigenen Person und mit anderen, und die Reflexion über Begegnungen können so im Deutungsprozess als religiöse Erfahrung interpretiert werden. Im Anschluss an Paul Tillich („Religion ist das, was mich unbedingt angeht“) gilt es, über das Spiel solche Erfahrungsschätze handelnd nachzuvollziehen, vertieft zu erleben und bewusst anzueignen. Für weitere Begegnungen mit „symbolischer Sprache” wird der metaempirische Sinn, „das dritte Auge” (Hubertus Halbfas) entwickelt und sensibilisiert. Die Kinder im Ausdrucksspiel© Kinder haben den natürlichen Wunsch, sich in einer Rolle auszudrücken. Ihr Spieltrieb drängt sie, die Welt zu entdecken und sie sich zu erschließen. In Ausdrucksspielen© finden sie aussagekräftige Texte, Bilder, Situationen, können sie ureigene Bedürfnisse und Wünsche suchen und erleben. Jedes Kind hat die Möglichkeit, beim Bauen des Spielplatzes, beim Verkleiden und im Erleben der selbstgewählten Rolle seine momentane Stimmung und seine Vorstellungen auszudrücken. Klare Strukturen mit konkreten Spielregeln verhelfen auch gehemmten und scheuen Kindern zu Äußerung und Selbstdarstellung. Ermutigung erfahren diese Kinder auch durch den Verzicht auf Rollenlernen und Spieltechniken. Der feste Rahmen bietet den Freiraum für -schöpferische Phantasie und Gestaltungsprozesse. Die Spielleiterinnen achten darauf, dass sich die vier Spielphasen in gegenseitiger Achtung der Personen vollziehen. Seite 6 Aufbaustrukturen zum Schaffen einer vertrauensvollen Klassenatmosphäre, zum Einführen der Spielregeln und des Materials, zum Einüben der Abläufe Über das Grundmotiv: Vom Ich zum Du zum Wir Name und Bewegung Stimmung und Bewegung Frustkorb Naturspiele o Eine Tierfamilie (Mäuse, Bären, Vögel, Fische, Ameisen …) o Am Bach o Im Meer o Im Frühling (Im Sommer, im Herbst, im Winter) o Es wird Frühling (Sommer, Herbst, Winter) o Spiel der Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) Situationsspiele o Auf dem Pausenhof o Auf dem Jahrmarkt o Im Zoo o Wanderer im Gebirge o Drachenflieger am Adlerhorst dabei gerade in Natur- und Situationsspielen: über das Grundmotiv: Ruhe - Aktivität - Ruhe Rahmensituation einführen Klangsignal ohne Wortsprache: Platz - Wanderschaft – Platz Klangsignal Nachgespräch über Raumerfahrung Den Raum erleben o sich im Raum bewegen o den Raum-betrachten o den Raum betasten, beschnuppern, o Blindenführspiele den Raum gestalten o mit Tüchern; Schachteln,- Stühlen, Tischen, etc. o dem Platz einen Namen geben o ihn vorstellen über Gegenstände und Hilfsmittel Tastspiele Auswahlspiele Tüchermarkt Gestalten von Bildern … Seite 7 ©Bernd Reinhoffer Linsenbergstr. 12 88281 Schlier Flankierende organisatorische Maßnahmen (Raum- und Zeitordnung) ©Bernd Reinhoffer Linsenbergstr. 12 88281 Schlier Jedes Klassenzimmer eignet sich als Spielort für Ausdrucksspiele©. Schnell sind Bänke und Stühle beiseite geräumt, bzw. mit einigen Tüchern behängt in die Kulisse integriert. Dieses Vorgehen können die Kinder nach einiger Zeit recht selbständig organisieren. Natürlich gehört dazu auch, am Ende die ursprüngliche Sitzordnung wiederherzustellen und das Zimmer aufzuräumen. Gespielt werden kann auch in der Aula oder in der Turnhalle, wenn nicht sogar ein Probenraum an der Schule vorhanden ist. Auf keinen Fall wird eine Bühne benötigt: es geht ja nicht um eine Aufführung! Im Klassenzimmer stehen Kisten (oder auch große Schachteln) mit den benötigten Utensilien: große, meist einfarbige Tücher, kleinere Tücher in allen möglichen Farben und Formen, Hüte, Gürtel, Schnüre und sonstige Accessoires, die sich mit Wäscheklammern bequem an den Kleidungsstücken festmachen lassen. Chiffontücher und Baumwolltücher haften meistens von allein. Zur Kopfbedeckung lassen sich auch Netze verwenden. Selten wird mit Theaterschminke gearbeitet. Zur Ausstattung der Lehrkraft gehört ein Gong oder eine Zimbel, mit der Beginn und Ende des Spiels signalisiert werden. Die Lehrkraft sorgt auch dafür, dass sich das Spiel nicht in zu kleine Zeiteinheiten pressen muss. Es ist günstiger, wenn nicht auf die starre 45-Minuten-Vorgabe geachtet werden muss. Der Lehrkraft obliegt auch darauf zu achten, dass für die Nachbesprechung genügend Zeit vorhanden ist. Oft bietet es sich an, ein Spiel in mehrere kürzere Spieleinheiten aufzuteilen. Vermittlung von Kompetenzen für die Spielleitung in Jeux Dramatiques- (= Ausdrucksspiel©) Wer Ausdrucksspiele© anleiten möchte, sollte über verschiedene Qualifikationen verfügen. Geeignete Texte oder Situationsvorgaben wollen ausfindig gemacht und ausgesucht sein. Dann gilt es, den organisatorischen Rahmen und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Die Kinder sind in das Thema einzustimmen und durch das Spiel hindurch zu begleiten. Spielleiterinnen sollten mit entwicklungspsychologischen Erkenntnissen und gruppendynamischen Prozessen vertraut zu sein. In der Phase der Verarbeitung ist auf die Würdigung („Gleich-Beachtung") einzelner Aussagen zu achten. Ferner sind entstandene oder entstehende Konflikte aufzuarbeiten. Auch die Kompetenz zur Gesprächsführung sollte geschult sein. Wird zu religiösen Textete öder Themen gespielt, können wir im Nachgespräch- und auch danach - drei Mitteilungs-Ebenen finden: An erster Stelle steht der Ausdruck des persönlichen Empfindens und Erlebens im Spiel, als spontane Mitteilung direkt im Anschluss an das Spielgeschehen. Darauf folgt die persönliche Interpretation von Textteilen, Textganzem oder der Themenstellung. Das Thema wird dabei vor dem Hintergrund der eben gemachten persönlichen Erfahrung gedeutet. Daran anschließend kann die Auseinandersetzung mit verschiedenen theologischen Deutungen erfolgen. Dies dürfte vor allem ab der Sekundarstufe interessant werden. Es ist sehen möglich mit einer Kindergruppe einfach draufloszuspielen. Hier hält die Methode des AusdrucksspieIs.© Aufbaustrukturen mit vielerlei spielerischen. Übungen, bereit.. Eine ungeübte Gruppe will zuerst einmal mit einzelnen Teilen- aus dem Spielablauf vertraut gemacht werden. Auch sollte sie spielerisch die Sinnhaftigkeit von Regeln und Absprächen erfahren. Nicht zuletzt geht es um eine Sensibilisierung für eigene und fremde Stimmungen und Bedürfnisse. Bereits diese Einführung ins Ausdrucksspiel© verfolgt das Ziel der Wahrnehmungs- und Gestaltungsschulung. Seite 8 Reli in der ersten Klasse BASICS Ich – DU - Wir Das Kind selbst, das Gegenüber, die Gemeinschaft. Das Kind in der ersten Klasse ist in der Regel erstmal er/sie selbst. Es ist wichtig, dass das Kind sich selbst wahrnimmt und das, was es tut. Das müssen viele Kinder noch lernen. Dann erst können sie den andern sehen und wahrnehmen als einen anderen Menschen, ein Gegenüber. Erst im Spiegel mit dem anderen ist Auseinandersetzung und Lernen möglich. Die Gemeinschaft als Zusammenkommen von vielen Einzelnen zu erleben, die aber doch zusammen etwas tun, braucht die ersten beiden Schritte. Wir müssen im RU den Kindern dazu die Möglichkeiten bieten, selbst uns auf diesen Prozess einlassen und Vorbild sein. Selbstbeachtung, Wertschätzung des Anderen und Einlassen auf die Gruppe. Lieder, Gedichte, Spiele bieten dazu Möglichkeiten. Kleine Handspiegel im Klassensatz lassen die Kinder sich selbst sehen. RUHE und BEWEGUNG Beides muss in Balance sein. Das Kind lebt mehr noch im Körper als wir Erwachsenen, es erlebt/ erfährt/entdeckt in der Bewegung. Das Körpergedächtnis spielt eine große Rolle, wie fühlt sich das an, traurig, fröhlich, geliebt zu sein. Körper ist unmittelbar und ohne Sprache erlebbar... Wir müssen Bewegung ermöglichen, das Erleben anbahnen, wo es nur geht und das Bedürfnis nach Bewegung lenken, (später) auch das Gespräch über das Erlebte. Konzentration gelingt nur nach Körperwahrnehmung. Spiellieder bieten gelenkte Bewegung Die Ruhe ist ebenso wichtig. Konzentration und Stille fällt den Kindern unterschiedlich leicht. Also sollten wir hinführen und üben, loben und auch kleine Schritte anerkennen, die Kinder achten und beobachten. Rituale bieten sich an. Rituale im Kreis und in der Gemeinschaft Bewegung: Spiele, den ganzen Klassenraum nutzen, für die Ruhe: Arbeitsplatz des Kindes, Möglichkeit bieten, ganz für sich zu sein FÜHREN und FOLGEN In den Unterricht bringen wir in der Regel Impulse, Geschichten, Themen ein, bahnen Unterrichtsziele an. Kinder in den ersten Klassen sind noch sehr impulsiv und denken assoziativ. Das kann eine große Chance sein, der Lebensweltbezug ist dann sehr nah. Wir dürfen uns zutrauen auch situativ zu reagieren, Fragen ernst zu nehmen und zu beantworten und gegebenenfalls auch zu filtern, was vielleicht gerade Problem eines einzelnen Kindes ist und was für die Klasse wichtig ist. Dazu müssen wir Relilehrer Spaß an Reli haben, Kinder mögen, Geduld aufbringen, Sozialformen wechseln und üben (Kreis, Gruppe, Partner, Vogelnest), Heftführung zeigen, Struktur und Übersichtlichkeit geben (Schilder, Zeichen, Symbole, Rituale), kleine Schritte gehen, Regeln als Sicherhei tsgerüst konsequent einfordern. Frauke Liebenehm, Studienleiterin Schuldekanat Ulm-Blaubeuren Seite 9 Jeux dramatiques nach Jesaja 9 Mitte: Feuer —Tücher - Gong Text — Rohstoff: Da sind Hirten auf dem Feld. Wie jeden Tag hüten sie die Schafe und Ziegen. Und in der Nacht sitzen sie um das Feuer. Die Nacht ist kalt. Das Feuer wärmt. Und die wilden Tiere trauen sich nicht heran. Da sitzen sie und teilen ihr Essen. Ein bisschen Schafskäse, Brot, einen Apfel, Wasser und Wein für die Großen und warme Ziegenmilch für die kleinen Hirten. Sie haben nicht viel. Es reicht gerade so. Es wird kälter und einer zieht seine Decke fester um sich. Was für ein Leben! Wird es irgendwann besser und einfacher sein? Einer fängt an zu singen. (Musik) Warte, sagt der andere: Kennst Du die alte Verheißung? Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und über denen, die da wohnen im finstern Land, scheint es hell, denn es ist uns ein Kind geboren. (Freies Spiel – Musik) Das Licht. Das Kind. Ob es wohl wahr wird? Wann? ©Frauke Liebenehm, Studienleiterin im Schuldekanat Ulm und Blaubeuren Seite 10