Lesemotivation im DaF-Unterricht G.M.B. Koning Volendam, August 2014 Lesemotivation im DaF-Unterricht G.M.B. Koning Studentnummer: 10142347 20 EC-Punkte Abgabedatum: 06.08.14 Examendatum: 26.08.14 Erstgutachterin: assoc. prof. dr. C.M.H.H. Dauven-van Knippenberg Zweitgutachterin: assis. prof. dr. E. Huwiler Masterarbeit ‘Literature and Culture‘ Letterkunde Duits Fakultät der Geisteswissenschaften Inhaltsangabe Einleitung 3 1. Fertigkeit Lesen 11 1.1 Vorkenntnisse 13 1.2 Lesen in einer Fremdsprache 15 1.3 Lesestrategien 17 1.4 Leseziele und Lesestile 17 2. Lesemotivation & Lesekompetenz 20 2.1 Lesekompetenz 22 2.2 Lesemotivation 23 2.3 Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz 26 2.4 Ursachen der Lesemotivationsprobleme 28 2.5 Förderung der Lesemotivation 29 3. Literatur im DaF-Unterricht 32 3.1 Was ist Literatur? 32 3.2 Die Position von Literatur im DaF-Unterricht 33 3.3 Wozu Literatur im DaF-Unterricht? 43 4. Literaturunterricht Deutsch in den Niederlanden 51 4.1 Die historische Entwicklung des Literaturunterrichts in den Niederlanden 51 4.2 Literaturunterricht im heutigen Zeitbild 55 4.3 Probleme des Literaturunterrichts 57 4.4 Empfehlungen und Hinweise zum Lehrplan 59 5. Literaturvermittlung 67 5.1 Auswahlkriterien 67 5.2 Ausgangslage und Vorbereitung 73 5.3 Die Rolle des fremdsprachlichen literarischen Entwicklungsprozesses 79 5.4 Verfahrensweise der Textarbeit 81 6. Schluss 96 Literaturverzeichnis 100 Erklärung 108 Einleitung Ich war fünfzehn Jahre alt, und in der vierten Klasse havo (Realschule), als ich für das Fach Deutsch mein erstes literarisches Werk lesen musste. Ich war keine passioniertere Leserin und wählte, wie viele meiner Mitschüler, das dünnste Buch: Kleider machen Leute von Gottfried Keller. Ich dachte, dass die 71 Seiten mir leicht fallen würden und weil ich das Fach und die deutsche Sprache toll fand, wollte ich mein Bestes tun, um dieses Buch zu Ende zu lesen und zu verstehen. Mit einiger Hilfe gelang es mir schon den roten Faden der Geschichte herauszufinden, aber am Ende gab es inhaltlich noch viele Lücken. Dazu fehlte mir vor allem die erforderliche literarische Kompetenz und ein historischer Kontext. Nach dieser ersten negativen literarischen Erfahrung blieb vor allem die folgende Frage haften: Was soll ich denn damit? Vor kurzem wurde mir deutlich, dass diese Erfahrung als Literaturschock bezeichnet wird.1 Wahrscheinlich war ich auf literarischem und intellektuellem Gebiet zu unerfahren und zu unmotiviert, um die Geschichte richtig zu verstehen. Auch wusste ich nicht, was das Lesen eines literarischen Werkes mir bringen würde. Wozu sollte ich das alles lesen, wenn ich den Sinn der Geschichte doch nicht herauskristallisieren konnte? Als Deutschlehrerin weiß ich jetzt mehr über die Rolle des Lesens im Fremdsprachenunterricht. Beim Erlernen einer Fremdsprache gibt es vier Fertigkeiten, die zu erwerben sind: Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen. Bei der Fertigkeit Lesen denkt man an das Verstehen von Wörtern und Sätzen, um einem Text Informationen zu entnehmen. Das Lesen im Fremdsprachenunterricht umfasst jedoch mehr als nur das Lesen und Verstehen von Zeitungen, Zeitschriften, Infoschildern, Reiseführern, Briefe, E-Mails, SMS, Gedichte, Kurztexte, Romane, usw. Lesen ist mehr. Neben dem Spracherwerb ist die Vermittlung von Landeskunde ein weiteres wichtiges Ziel. Durch das Lesen lernt 1 Jürgen Koppensteiner: Literatur im DaF-Unterricht. Eine Einführung in produktivkreative Techniken. Wien: öbv & hpt Verlag 2001, S.12. 3 man das Zielsprachenland und seine Kultur besser kennen. Außerdem sollte das Lesen von Literatur auch die allgemeine literarische und die persönliche Entwicklung des Schülers voranbringen. Der Schüler soll seine literarische Kompetenz vergrößern und mittels der Literatur seinen Erfahrungshorizont erweitern. Das Lesen von Literatur im Fremdsprachenunterricht ist aber auch Teil eines allgemeineren, höheren Zieles, nämlich das Lesen an sich, egal was und in welcher Sprache (Muttersprache oder Fremdsprache). In unserer Gesellschaft und in unserem Bildungswesen wird viel Wert gelegt auf die Lesekompetenz von Schülern. Die Lesekompetenz ist laut McElvany et al. „eine der wichtigsten Voraussetzungen für schulischen und beruflichen Erfolg.“2 Die verschiedenen Untersuchungen von PISA (Programme for International Student Assessment), bei denen unter anderem die Lesekompetenz von 15-jährigen Schülern aus einigen dutzenden Ländern alle drei Jahren mit einander verglichen werden, zeigen diesen hohen Stellenwert.3 Es ist für unsere Gesellschaft also sehr wichtig, dass unsere Schüler eine große Lesekompetenz haben oder bekommen. Deswegen wird im Sekundarunterricht das innenschulische und außerschulische Lesen bei Schülern gefördert. Die Jugend von heute lebt aber in einer Mediengesellschaft, in der sie in maximal 140 Zeichen mit einander kommunizieren. Wozu sollten sie zum Spaß (Bücher) lesen, wenn sie sich mit Film, TV, Internet, Social Media, usw. vergnügen können? Viele, nicht nur niederländische Schüler sind also nicht zum Lesen motiviert. Aus der PISA-Untersuchung von 2009 stellte sich heraus, dass 49% der 2 Nele McElvany, Marthe Kortenbruck, Michael Becker: Lesekompetenz und Lesemotivation. Entwicklung und Mediation des Zusammenhangs durch Leseverhalten. In: Zeitschrift für pädagogische Psychologie 22 (2008), H. 34, S. 207-219, S. 207. 3 Eckhard Klieme, Cordula Artelt, Johannes Hartig, Nina Jude, Olaf Köller, Manfred Prenzel, Wolfgang Schneider, Petra Stanat (Hrsg.): PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster: Waxmann 2010. 4 niederländischen Schüler nicht zu ihrem Vergnügen lesen.4 Wenn 15-jährige Schüler dann zu ihrem Vergnügen überhaupt irgendetwas lesen möchten, dann wäre das in den seltensten Fällen etwas Literarisches. Geschweige denn, dass sie zu ihrem Vergnügen etwas Literarisches in einer Fremdsprache lesen würden. Dieser Mangel an Motivation bei den Schülern ist ein großer Teil der Problematik im muttersprachlichen wie auch im fremdsprachlichen Literaturunterricht. Eine positive Lesemotivation könnte aber dazu beitragen, dass man Spaß am Lesen hat, zudem kommt sie der Lesekompetenz zugute.5 Deswegen ist es sowohl für die Schüler, als auch für den Lehrer wichtig, dass die Schüler zum Lesen motiviert sind oder werden. Die Motivationsprobleme bei den Schülern haben mehrere Ursachen. Die Schüler haben oft andere Interessen, haben andere konkurrierende Beschäftigungen, schätzen die literarischen Themen nicht (diese passen oft nicht zu ihrer Erlebniswelt), oder haben (noch) nicht das erforderliche literarische und/oder sprachliche Niveau. Der Mangel der Motivation bei den Schülern hat aber auch seine Auswirkungen auf die Motivation des Lehrers. Bei vielen Lehrern herrscht die Idee, dass Literaturunterricht nicht realisierbar, unnötig und zu viel Arbeit sei und zu wenig bringe. Dies erkenne ich nicht nur in meiner Umgebung, aber wird auch von anderen, wie Koppensteiner6 und Jazbec,7 bemerkt. Der Unterricht wird immer mehr schülerorientiert und soll vor allem nicht mehr langweilig sein, sondern Spaß machen. So möchten niederländische Schüler im Deutschunterricht am liebsten mehr mit deutscher Musik und/oder mit deutschen Filmen arbeiten.8 Literarisch gesehen wird immer weniger von den Schülern erwartet, und sie brauchen immer weniger 4 Erna Gille, Claudia Loijens, José Noijons, Robert Zwitser: Resultaten PISA 2009. Praktische kennis en vaardigheden van 15-jarigen. Arnhem: CITO 2010, S. 18f. 5 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 75. 6 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 7. 7 Saša Jazbec: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht oder wie man literarische Texte „knackt“. In: Orbis Linguarum 27 (2004), S. 209-215, S. 209. 8 Duitsland Instituut Amsterdam (Hrsg.): Rapport Belevingsonderzoek Duits 2010. Amsterdam: DIA 2010, S. 44. 5 literarische Werke zu lesen.9 Dies alles führt dazu, dass die DaFLehrer10 den Literaturunterricht bis auf das Obligatorische beschränken und die obligatorischen Prüfungsanforderungen so schnell wie möglich versuchen zu erledigen. Auch die Zweiteilung, die ich in der Praxis im literarischen DaF-Unterricht in der Unterstufe und der Oberstufe erfahre, bringt Schwierigkeiten mit sich, die die Lesemotivation der Schüler senkt. Die Bedeutung der Lesemotivation der Schüler für ihre Lesekompetenz und für den Erfolg des Literaturunterrichts ist nicht unbeachtet geblieben. So haben unter anderem Guthrie & Anderson,11 McElvany et al.,12 Baker & Wigfield,13 Schaffner & Schiefele14 und Retelsdorf & Möller15 sich mit dem Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz in ihren Untersuchungen und Beiträgen beschäftigt. Weiter war dieser Zusammenhang, wie schon erwähnt, ein Schwerpunkt in der Untersuchung von Motivationsprobleme PISA bei (2009).16 Schülern Eine (im Ursache der muttersprachlichen niederländischen Literaturunterricht) ist laut Theo Witte17 die (fehlende) Verbindung zwischen dem Schüler und dem 9 Die genauen Prüfungsanforderungen der niederländischen Schüler werden später in dieser Arbeit besprochen. 10 Abkürzung: Deutsch als Fremdsprache. 11 John T. Guthrie und Emily Anderson: Engagement in reading: Processes of motivated strategic, and knowledgeable, social readers. In: Engaged reading. Processes, practices, and policy implications. Hg. von John T. Guthrie und Donna E. Alvermann. New York: Teachers College Press 1999, S.17-45. 12 Nele McElvany et al., 2008. 13 Linda Baker und Allan Wigfield: Dimensions of children’s motivation for reading and their relations to reading activity and reading achievement. In: Reading Research Quarterly 34 (1999), S. 452-477. 14 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele: Auswirkungen habitueller Lesemotivation auf die situative Textrepräsentation. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht 54 (2006), S.268-286. 15 Jan Retelsdorf und Jens Möller: Entwicklungen von Lesekompetenz. Schereneffekte in der Sekundarstufe? In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 40 (2008), H. 4, S. 179-188. 16 Eckhard Klieme et al., 2010. 17 Theo Witte: Op zoek naar een ‘gezond’ curriculum voor het literatuuronderwijs. In: Hans Goossen (Redaktion). Forum of arena: opvattingen over literatuuronderwijs. Een stand van zaken in 2007. VON-cahier 2007. URL: www.voncahier.nl. Zugriff am 14.04.2014. 6 Literaturunterricht und das Fehlen eines gesunden strukturierenden Lehrplans. In seiner Untersuchung18 plädiert er für mehr Differenzierung im Literaturunterricht. Die unterschiedlichen Niveaus der literarischen Kompetenz sollen mehr beachtet werden. Das heißt, für jedes Niveau eine andere Vorgehensweise, andere Ziele und ein geeignetes literarisches Werk. Anhand dieser literarischen Niveaus hat Theo Witte eine Leseliste (www.lezenvoordelijst.nl) mit niederländischen literarischen Werken entwickelt, die vor allem dem didaktischen Ziel dient. Später ist die niederländische Leseliste auch mit einer deutschen (duits.lezenvoordelijst.nl). Leseliste ausgebreitet Vorgehensweise und worden Didaktik sind wichtige Aspekte des Literaturunterrichts und der Lesemotivation der Schüler. Die Weise, in der die Literatur vermittelt wird, ist entscheidend für die Qualität und das Rendement des Literaturunterrichts. Dazu sind von mehreren Personen verschiedene unterschiedliche didaktische Vorgehensweisen, Techniken und Ansätze im fremdsprachlichen Literaturunterricht thematisiert worden. In dieser Arbeit werden die Einführung in produktiv-kreative Techniken für die Literatur im DaF-Unterricht von Koppensteiner,19 die Einsichten zu produkt- und handlungsorientiertem Literaturunterricht nach Jazbec20 und den kommunikativen Ansatz im literarischen DaF-Unterricht nach Kast21 erörtert. Bischof et al.22 haben sich mit der Vermittlung der Landeskunde innerhalb des Literaturunterrichts beschäftigt und Westhoff23 und Ehlers24 haben sich mit der Entwicklung der fremdsprachlichen Lesefähigkeit und ihre Rolle in dem fremdsprachspezifischen literarischen Lesen 18 Theo Witte: Het oog van de meester. Een onderzoek naar de literaire ontwikkeling van havo- en vwo-leerlingen in de tweede fase van het voortgezet onderwijs. Stichting Lezen Reeks 12. Delft: Eburon 2008. 19 Jürgen Koppensteiner, 2001. 20 Saša Jazbec, 2004. 21 Bernd Kast: Jugendliteratur im kommunikativen Deutschunterricht. Berlin: Langenscheidt 1985a. 22 Monika Bischof, Viola Kessling, Rüdiger Krechel: Landeskunde und Literaturdidaktik. Berlin: Langenscheidt 1999. 23 Gerard Westhoff: Fertigkeit Lesen. Berlin: Langenscheidt 1997. 24 Swantje Ehlers: Lesen als Verstehen. Zum Verstehen fremdsprachlicher literarischer Texte und zu ihrer Didaktik. Berlin: Langenscheidt 1992a. 7 auseinander gesetzt. Diese genannten Themen und Beiträge werden die Grundlage dieser Arbeit bilden, in der die Förderung der Lesemotivation zentral steht. In dieser Arbeit werde ich mich nämlich mit der folgenden Frage befassen: Wie kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaF-Unterricht verbessert werden? Um diese Frage beantworten zu können, gibt es einige Teilfragen, die zuerst geklärt werden müssen. So wird, bevor von Lesemotivation und Literaturunterricht gesprochen werden kann, im ersten Kapitel zuerst nachgegangen, wie das Lesen an sich, und in der Fremdsprache funktioniert. Im zweiten Kapitel wird die Lesemotivation erörtert. Besprochen wird, was Lesemotivation beinhaltet, wie sie funktioniert und warum sie, in Bezug auf die Lesekompetenz, wichtig ist für den Literaturunterricht. Außerdem wird dargestellt was die Ursachen von den Motivationsproblemen sein könnten und wie die Lesemotivation im Literaturunterricht aus Sicht ihres Funktionierens gefördert werden kann. Kapitel 3 enthält eine Auseinandersetzung zum Thema Literatur. Erklärt wird, was Literatur in dieser Arbeit genau beinhaltet, was ihre Position im DaFUnterricht ist und wozu Literatur im DaF-Unterricht vermittelt werden sollte oder könnte. Im vierten Kapitel wird auseinandergesetzt wie der Literaturunterricht Deutsch an der weiterführenden Schule in den Niederlanden in den vergangen Dezennien gestaltet wurde und wie er heutzutage gestaltet wird. Aus diesem Blickwinkel werden die Probleme des heutigen Literaturunterrichts und ihre Folgen für die Lesemotivation nach der Untersuchung von Theo Witte25 dargestellt und wird ausgearbeitet wie vor allem aus Sicht des Lehrplans die Lesemotivation in einem entwicklungsorientierten Literaturunterricht gefördert werden kann. Im fünften Kapitel kommt es dann zur tatsächlichen Literaturvermittlung und wie sie in ihrer Durchführung die Lesemotivation zugute kommen kann. Zum Schluss werden im letzten Kapitel die wichtigsten Punkte der Arbeit zusammengefasst und die Hauptfrage der Arbeit beantwortet. 25 Theo Witte, 2008. 8 Da die genannten Beiträge die Bausteine dieser Arbeit bilden werden, ist es deutlich, dass eine literaturorientierte Vorgehensweise für diese Arbeit verwendet wird. Anhand verschiedener Einfallswinkel wird in dieser Literaturuntersuchung eine Antwort auf die Untersuchungsfrage und eine mögliche Lösung für die genannte Problemstellung gesucht. Das Ziel dieser Arbeit ist es, Empfehlungen und/ oder Hinweise für DaF-Lehrer abzugeben, die als Leitfaden für den deutschen Literaturunterricht benutzt werden können. Diese Empfehlungen und/ oder Hinweise können den DaF-Lehrern damit helfen, ihren Literaturunterricht auf eine Weise zu gestalten, so dass die Lesemotivation der Schüler gefördert wird. Dabei gibt es vor allem eine Fokussierung auf die Motivationsförderung innerhalb eines entwicklungsorientierten Literaturunterricht. In dieser Arbeit soll herausgefunden werden, wie die Schüler in ihrem fremdsprachlichen literarischen Entwicklung, vom Anfang der Unterstufe bis zum Ende der Oberstufe Kompetenz verschiedene und vom vergnüglichen Lesen zur literarischen motiviert werden Aspekte des könnten. Deswegen Literaturunterrichts, werden wie die Lesekompetenz, die Lesemotivation, die Fremdsprachendidaktik und die literarische Entwicklung in dieser Arbeit zusammengebracht. Schüler die Spaß am Lesen haben und zum Lesen motiviert sind, lesen öfter und lesen auch besser. Wenn sie eine bessere Lesekompetenz haben, haben sie auch bessere Chancen auf Erfolg in ihrem weiteren schulischen und beruflichen Leben. Bei den Lehrern sorgt die Erhöhung der Lesemotivation der Schüler dafür, dass die Lehrer selbst auch mehr motiviert sind, Literatur in ihrem Deutschunterricht zu vermitteln. Das könnte eine mögliche Kettenreaktion auslösen; immer mehr Schüler und Lehrer die Spaß am Literaturunterricht haben. Eine Win-win-Situation für Schüler und Lehrer. Um die Arbeitsweise dieser Arbeit so deutlich wie möglich zu machen, ist es wichtig den Rahmen dieser Arbeit und seiner Themen 9 fest zu legen. Für diese Arbeit wird der DaF-Literaturunterricht an der weiterführenden Schule in den Niederlanden als Ausgangspunkt genommen. Der Literaturunterricht wird vor allem in den Abteilungen havo26 und vwo27 praktiziert, da er nur in diesen Abteilungen einen offiziellen Platz in dem Lehrplan hat. Trotzdem werden alle unterschiedlichen Schultypen an der weiterführenden Schule in den Niederlanden, vmbo28, havo und vwo, in dieser Arbeit berücksichtigt. Da hochwertiger Literaturunterricht nicht einfach von einem auf den anderen Moment zu praktizieren ist und weil dazu also ein allmählicher Prozess gewünscht ist, werden auch alle Lehrgänge oder Entwicklungsstadien (Unter- und Oberstufe) miteinbezogen. Aus diesem Grund wird der Begriff Literatur in dieser Arbeit auch umfassend sein. Mit diesem Begriff wird nicht nur die hochwertige Literatur gemeint, wie die Kanonliteratur, sondern er umfasst auch Jugendliteratur, konkrete Poesie, Kurzgeschichten, Comics, Lieder, Fabeln, Legenden, Märchen und alles was dazwischen liegt. In dieser Arbeit ist aus praktischen Gründen die männliche Form mancher Wörter gewählt. Wenn aber von einem Lehrer, Schüler oder Leser gesprochen wird, wird damit auch die weibliche Form gemeint. 26 Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit der Realschule in Deutschland. 27 Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit dem Gymnasium in Deutschland. 28 Dieser niederländische Schultyp ist vergleichbar mit der Hauptschule in Deutschland. 10 1. Fertigkeit Lesen Um über die Lesemotivation der Schüler und den literarischen DaFUnterricht selbst sprechen zu können, braucht zuerst die Fertigkeit die dafür im Fremdspracheunterricht notwendig ist, nämlich die Fertigkeit Lesen, erörtert zu werden, denn Literatur setzt das Lesen voraus. Wichtige Aspekte des fremdsprachlichen Lesens wie die Rolle der Vorkenntnisse, der Gebrauch von Lesestrategien, die unterschiedlichen Leseziele und Lesestile und ihre spezifischen fremdsprachlichen Schwierigkeiten werden in diesem Kapitel behandelt. Die Frage nach dem Funktionieren des Lesens ist eine der Teilfragen dieser Arbeit. Die Antworten auf diese und andere Teilfragen werden zu der Antwort auf die Hauptfrage führen: Wie kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaF-Unterricht verbessert werden? Man muss zuerst mit dem fremdsprachlichen Lesen bekannt sein, ehe man in einer Fremdsprache literarische Texte lesen und verstehen kann. Lesen spielt eine große Rolle in unserem Alltagsleben und in unserer persönlichen und intellektuellen Entwicklung. Jeder liest und jeder liest jeden Tag, bewusst oder unbewusst. In der Einleitung wurde die Rolle des Lesens in unserer Gesellschaft schon erwähnt und sie wird weiterhin noch weiter besprochen. Beim Fremdsprachenunterricht spielt das Lesen auch eine große Rolle, denn obwohl der Spracherwerb vier Fertigkeitsbereiche zählt, verfolgt der tatsächliche Spracherwerb größtenteils mittels eines Lehrbuchs, also übers Lesen. Aber was ist lesen und wie funktioniert das Lesen und vor allem das Verstehen? Der Leseprozess wurde lange einfach wie folgt erklärt: Zuerst werden die Buchstaben identifiziert, dann werden diese Buchstaben zu einem Wort gebildet und von diesem Wort wird eine Bedeutung abgeleitet. Nach mehreren Wörtern wird einen Satz gebildet und auf diese Weise wird mit den Bedeutungen der Wörter von selbst die Bedeutung des Satzes herausgefunden. Diese Erklärung ist aber zu 11 einfach. Lesen ist mehr als das Erkennen von Buchstaben. Der Leseprozess ist laut Westhoff29 ein komplexer, konstruktiver und interaktiver Prozess wobei nicht nur Text gelesen wird, aber auch Text verstanden wird. Westhoff definiert das Lesen wie folgt: Lesen ist ein interaktiver Prozess, bei dem der Leser bzw. die Leserin mit den jeweils eigenen Erwartungen, Einstellungen und Vorerfahrungen auf Signale des Textes reagiert.30 Swantje Ehlers (1992) erkennt das Zusammenspiel zwischen dem Text einerseits und dem Leser anderseits auch. Dies macht sie in ihrer Definition von Lesen deutlich: Lesen ist eine Verstehenstätigkeit, die darauf zielt, sinnvolle Zusammenhänge zu bilden. Sie wird auf der einen Seite gesteuert von dem Text und seiner Struktur, auf der anderen Seite van dem Leser, der sein Vorwissen, seine Erfahrung, seine Neigungen und sein Interesse an einen Text heranträgt.31 Ehlers spricht in ihrer Erklärung32 von vier Verstehensstufen, die beim Lesen und Verstehen eines Textes durchlaufen werden: 1. Der Inhalt der einzelnen Äußerungen (Wörter und Sätze) wird verstanden. 2. Aufgrund der Äußerungen (Nebenbedeutungen) erkannt werden und in Konnotationen einen situativen Zusammenhang gebracht. 3. Anhand der Situation werden eventuelle Widersprüchlichkeiten und die Pointe (der springende Punkt) des Textes verstanden. 4. Anhand der gesamten Aspekte wird die Intention des Autors und des Textes verstanden. Mit jedem Schritt wird ein neuer Zusammenhang gebildet, dringt man tiefer in den Text ein und versteht man mehr. Ehlers nennt dabei noch eine Verstehensstufe, die man erreichen kann, wenn man will: 29 Gerard Westhoff, 1997. Idem, S. 85. 31 Swantje Ehlers, 1992a, S. 4. 32 Idem, S. 7f. 30 12 5. Der Text verallgemeinern und in den entsprechenden gesellschaftlichen Zusammenhang einordnen. Die Gesellschaft des Textes und des Lesers mit einander vergleichen. 1.1 Vorkenntnisse In beiden Definitionen von Westhoff und Ehlers werden die persönlichen Erwartungen, Erfahrungen, Einstellungen, Vorkenntnisse und Interessen des Lesers als Mitspieler des Leseprozesses genannt. Beide meinen, dass diese eine sehr wichtige Rolle im Leseprozess haben. So betont Ehlers in ihrer Erklärung, dass die Verstehensstufen anhand von Sprachwissen, Erfahrungen und Vorwissen gemacht werden.33 Anhand dieser kann der Leser den Text antizipieren, das heißt, „während des Lesens schon Vorhersagen treffen über künftige Mitteilungen und Ereignisse in einem Text“.34 Erwartungen, die aus dem Wissen des Lesers abgeleitet werden können, steuern den Lese- und Verstehensprozess des Lesers. Diese sind Erwartungen über die Sprache und ihre Konventionen, über Texte und ihren Aufbau, über Gattungen, über literarische Stilmittel und Strategien, über die Welt und bestimmte Zusammenhänge in der Welt.35 Westhoff betont vor allem den Einsatz dieser Vorkenntnisse. Ein effektiver und häufiger Einsatz der Vorkenntnisse sollte den guten Leser von dem schwachen Leser unterscheiden. Es ist für die Schüler also wichtig, diese Vorkenntnisse zu erwerben und ihrer Aktivierung zu üben. Westhoff unterscheidet dabei fünf Bereiche von Vorkenntnissen:36 1. Kenntnisse über die Wahrscheinlichkeit von Buchstabenkombinationen. 33 Swantje Ehlers, 1992a, S. 7. Idem, S. 63. 35 Idem, S. 73. 36 Gerard Westhoff, 1997, S. 58-72. 34 13 In jeder Sprache gibt es Buchstabenkombinationen die typisch sind für diese Sprache. Im Deutschen sind das zum Beispiel str, ch, chst, rk, lsch, ieh, aa, äu, istisch, ig, ngs, tsel usw. 2. Kenntnisse über den wahrscheinlichen Verlauf von Sätzen. Hierbei handelt es sich darum, dass man voraussagen kann, welche Wortart (Verb, Substantive, usw.) folgen wird und wann der Satz beendet wird. 3. Kenntnisse über die Wahrscheinlichkeit von Wortkombinationen. Wir wissen, dass eine Kombination mit einem Wort wahrscheinlicher ist, als mit einem anderen Wort, wie zum Beispiel die Wörter Buch und lesen. Auf diese Weise kann man oft noch den Text lesen und verstehen, wenn einige Wörter im Text weggelassen sind. 4. Kenntnisse über logische Strukturen. Auf Satzebene geben Konnektoren wie obwohl, weil, wenn, deshalb, und, aber, sonst, immerhin, jedoch usw. logische Beziehungen im Satz an. Bei diesen Wörtern wird ein bestimmtes Signal abgegeben. Auf Textebene können Zwischentitel, Inhaltsangaben oder Absätze als Strukturmarkierer fungieren. 5. Kenntnisse über die Beschaffenheit der Welt (Weltwissen). Dies sind Kenntnisse über die Zusammenhänge in der Welt. Dieses Wissen erwirbt ein Mensch seit seiner Geburt. Es gibt ein gemeinsames Weltwissen (z. B. Brot isst man und Milch trinkt man) und es gibt ein soziokulturell geprägtes Weltwissen. Dieses hängt mit den Normen, zusammen. Einstellungen Die Kenntnisse und Werten über die einer Gesellschaft Textkonventionen unterschiedlicher Textsorten gehört auch zu diesem Weltwissen. Diese können aber auch pro Kultur/ Land unterschiedlich sein. 14 Diese genannte Beschreibung des Lesens gilt für das Lesen in der Muttersprache aber auch für das Lesen in einer Fremdsprache. Jedoch gibt es für das Lesen in einer Fremdsprache wichtige Aspekte, die das Lesen erschweren und die in der Entwicklung der fremdsprachlichen Lesekompetenz beachtet werden müssen. Im Folgenden wird dies näher erörtert. 1.2 Lesen in einer Fremdsprache Es ist für den Schüler einfacher, in seiner Muttersprache zu lesen als in einer Fremdsprache Fremdsprachenunterricht zu ist lesen. nämlich Der Leseprozess umfassender und im damit schwieriger als im muttersprachlichen Leseunterricht. Erstens spielt also die Sprache eine große Rolle. So gibt es bei dem Schüler im großen oder im weniger großen Maße, eine Unkenntnis der Sprache. Ein unzureichender oder geringer Wortschatz ist dabei das größte Problem. Westhoff erklärt die Schwierigkeiten im fremdsprachlichen Leseprozess anhand seiner im Abschnitt 1.1 beschriebene Vorkenntnisbereiche.37 Die Kenntnisse in den ersten drei Bereichen (Buchstaben- und Wortkombinationen und Satzverlauf) sind für die Schüler neu und müssen also neu erworben werden. Sogar nach jahrelangem Unterricht sind diese Kenntnisse nicht vollständig. Beim Lesen in der Muttersprache sind diese Kenntnisse aber schon lange erworben und die Leser können so viele Kenntnisse aus den ersten drei leichten Vorkenntnisbereichen einsetzen, dass man eigentlich nur noch wenige Kenntnisse aus den Vorkenntnisbereichen 4 & 5 (logische Strukturen und Beschaffenheit der Welt) braucht, um den Text zu verstehen. Die Kenntnisse aus diesen letzten Bereichen sind weniger sprachspezifisch und können auch von Anfängern im fremdsprachlichen Leseunterricht eingesetzt werden. Westhoff meint, dass die fremdsprachlichen Leser lernen 37 Gerard Westhoff, 1997, S. 73-75. 15 müssen, die Defizite in den ersten drei Vorkenntnisbereichen, also die sprachlichen Probleme im fremdsprachlichen Leseprozess, zu kompensieren, in dem sie ihre vorhandenen Vorkenntnisse in den Bereichen 4 und 5 bewusst mobilisieren. Westhoff befürwortet deswegen ein zweitgleisiges Training: Erstens das Erwerbstraining der ersten drei Bereiche und zweitens das Anwendungstraining, um die Nutzung von Kenntnissen aus den Bereichen 4 & 5 mit Hilfe bestimmter Lesestrategien zu optimieren. Laut Swantje Ehlers38 ist es für fremdsprachigen Leser das Hauptlehrziel, Fähigkeiten zu entwickeln, die es ihm ermöglichen, einen literarischen Text flüssig, leicht, übergreifend und verstehend zu lesen. Dieses Lernziel unterteilt sie in die folgenden Teilziele: I. Entwicklung der Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen II. Entwicklung der Fähigkeit, unbekannte Wörter zu erschließen III. Entwicklung der Fähigkeit, eigene Fragen zu stellen und nach Lösungen zu suchen (Entwicklung von Problem-LösungsStrategien) IV. Entwicklung der Fähigkeit, Bedeutungen zu erfassen/ zu bilden V. Entwicklung der Va. Entwicklung Vb. Verbesserung Vc. Entwicklung Vd. Wahrnehmungsschulung für konnotative Bedeutungen und der Fähigkeit, Fähigkeit, der der Sinn satzübergreifend Kenntnisse Fähigkeit, zu über Texte konstruieren zu lesen Erzählstrukturen zusammenzufassen Stilmittel Ve. 38 Entwicklung der Fähigkeit zu antizipieren Swantje Ehlers: Literarische Texte lesen lernen. München: Verlag Klett Edition Deutsch GmbH 1992b, S. 49. 16 1.3 Lesestrategien Für das Lesen in einer Fremdsprache ist die Nutzung von Lesestrategien einsetzen wichtig, zu um können. die Durch vorhandenen das Vorkenntnisse Training dieser Lesestrategieübungen sollten nach Westhoff39 die Schüler ein Gespür dafür entwickeln, wie sie die informationsreichsten Elemente im Text herausfinden können. Auch sollten sie lernen, die Funktion der Strukturmarkierer (Verbindungswörter, Satzzeichen, Zwischenüberschriften usw.) zu erkennen, ihre Vorkenntnisse zu mobilisieren und die benutzten Strategien sich anzueignen. Es gibt viele unterschiedliche Lesestrategieübungen, wie zum Beispiel das Erstellen von Schlüsselwörtern, Vorkenntnisse über ein bestimmtes Thema besprechen, das Erraten unbekannter Wörter, einen zerschnittenen Text in die richtige Reihenfolge ordnen, nach der Funktion der Verbindungswörter fragen usw. Wenn nachher die Lesestrategieübungen reflektiert werden, dann können die Schüler diese Lesestrategien verinnerlichen.40 Nur dann können sie selber bestimmen, welche Strategie wann genau benutzt werden kann. Denn welche Strategie wann benutzt werden muss, oder kann, hängt vom Leseziel und Lesestil ab. Die Schüler sollten dies auch selber üben müssen, denn Fertigkeiten werden, laut Garner,41 durch Handeln erworben. 1.4 Leseziele und Lesestile Wie man liest (Lesestil) und warum man liest (Leseziel), hängen sehr stark mit einander zusammen, denn ein Vertrag muss genauer gelesen werden als ein Zeitungsartikel und das Telefonbuch braucht man nicht ganz durchzulesen, wenn man eine Nummer sucht. Welchen Lernstil man benutzt, hängt davon ab, was man wissen will (Leseinteresse) oder was man wissen soll (Aufgabestellung im 39 Gerard Westhoff, 1997, S. 88-100. Idem, S. 97. 41 Ruth Garner: Metacognition and Reading Comprehension. Norwood: Ablex 1987. 40 17 Lehrbuch). Den Schülern müssen die unterschiedlichen Lesestile beigebracht werden und sie sollten sich den unterschiedlichen Lesezielen und Lesestilen bewusst werden, denn „man lernt besser, wenn man weiß, was man tut“42, so Westhoff. In der folgenden Tabelle sind die unterschiedlichen Leseziele und Lesestile nach Westhoff zu sehen.43 Leseziel Lesestil Beispiel genau wissen detailliertes das ‚kleingedruckte’ in (totales) Lesen einem Vertrag sich einen Eindruck globales durch Überfliegen eines verschaffen (kursorisches) Zeitungsartikels einen Lesen Eindruck bekommen, wie eine Sache gerade steht eine gewisse, suchendes einen Text möglichst spezifische (selegierendes, schnell durchlesen, um z. Information finden selektives) B. eine bestimme Zahl zu wollen Lesen finden herausfinden, was die sortierendes die Hauptpunkte Hauptsache(n) und (orientierendes) herausfinden, um eine die Nebensache(n) in Lesen Zusammenfassung einem Text sind machen oder entscheiden zu können, was man genauer lesen muss und was man überschlagen kann 42 43 Gerard Westhoff, 1997, S. 102. Idem, S. 101f. 18 Diese Lesestile werden oft gleichzeitig oder nach einander eingesetzt. Eine Kombination von mehreren Lesestilen wird auch konzentrisches Lesen genannt.44 In diesem ersten Kapitel wurden das Lesen in der Muttersprache, das Lesen in der Fremdsprache und die zu beachten wichtigen Aspekte seiner Entwicklung, als Fundament für den fremdsprachlichen Literaturunterricht dargelegt. Im nächsten Kapitel wird die Lesekompetenz weiter besprochen. Dann wird auch erklärt, wie diese Aspekte der Lesefertigkeit eine Rolle bei der Lesemotivation spielen könnten. 44 Gerard Westhoff, 1997, S. 107. 19 2. Lesemotivation & Lesekompetenz In diesem Kapitel werden die Lesemotivation und die Lesekompetenz unter die Lupe genommen. Zuerst wird besprochen, wie die Lesemotivation der niederländischen Schüler ist und wie sie sich mit zunehmendem Alter der Schüler entwickelt. Weiterhin wird die Relevanz der Lesemotivation für die Lesekompetenz und damit für den fremdsprachlichen Literaturunterricht erörtert. Um diese Relevanz zu zeigen, werden, bevor der Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz behandelt wird, zuerst die Lesekompetenz und die Lesemotivation an sich weiter erklärt. Anschließend werden die Ursachen der Motivationsveränderung der Schüler besprochen und zum Schluss kommt es dann teilweise zur Beantwortung der Hauptfrage: Wie kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaF-Unterricht verbessert werden? Diese Frage wird in diesem Kapitel nur teilweise beantwortet, weil die Empfehlungen zur Förderung der Lesemotivation nur im allgemeinen Sinne besprochen werden. In Kapitel 4 und 5 wird erklärt, wie diese Empfehlungen praktisch in der Didaktisierung bzw. in der Organisation der Lehrpläne auskristallisiert werden könnten. Die Lesefertigkeit ist ein beliebtes Thema zur Forschung. Die zwei bekanntesten internationalen Untersuchungen zur Lesekompetenz der Schüler sind PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) und PISA (Programme for International Student Assessment). Die Untersuchung von PIRLS findet alle fünf Jahre statt und bezieht sich auf Schüler aus der vierten Klasse (Gruppe 6). Die Untersuchung von PISA findet alle drei Jahre statt und bezieht sich auf 15-jährige Schüler. Außer der Lesefertigkeit ist die Lesemotivation auch Thema der Untersuchungen.45 Die PIRLS Studie aus dem Jahr 201146 und die PISA Studie aus dem Jahr 45 Bei PISA wird den Schwerpunkt der Untersuchung jedes Mal verlegt und deshalb ist Lesemotivation nicht jedes Mal einer der Hauptthemen. 46 Martina R.M. Meelissen, Andrea Netten, Marjolein Drent, Annemiek Punter, Mienke Droop, Ludo Verhoeven: PIRLS- en TIMSS-2011. Trends in 20 200947 zeigen, dass die niederländischen Schüler eine relativ negative Einstellung zum Lesen haben. Auch ist die Lesemotivation der niederländischen Schüler in beiden Altersgruppen unterdurchschnittlich. Jedoch zeigen diese Untersuchungen auch, dass die Lesefertigkeit der niederländischen Schüler relativ gut ist und im Vergleich zu den anderen Ländern überdurchschnittlich ist. Die niedrige Lesemotivation der niederländischen Schüler in der Sekundarstufe wird auch in niederländischen Untersuchungen, wie von Stalpers (2007)48 und Stokmans (2009),49 bestätigt. Außer der Tatsache, dass die Lesemotivation der niederländischen Schüler in mehreren Altersgruppen als negativ beurteilt wird, ist auch in der Untersuchung von CITO PPN 2005 (Heesters et al., 2007)50 bestätigt worden, dass die Lesemotivation mit zunehmenden Alter, also vom Anfang bis zum Ende der Grundschulzeit, auch noch weiter abnimmt. Die Senkung der Lesemotivation ist nicht nur in den Niederlanden festzustellen, aber auch in zum Beispiel den USA (Baker & Wigfield 199951 und Gottfried et al. 2001).52 Wenn die Schüler nach der Grundschule in der Sekundarstufe zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem fremdsprachlichen Lesen machen, dann ist ihre Einstellung zum Lesen im Allgemeinen schon negativ und muss man damit rechnen, dass diese Einstellung auch einen negativen Einfluss auf die fremdsprachliche Lesemotivation haben kann. Die zugrundeliegenden Ursachen für die Senkung der Lesemotivation in leerprestaties in Lezen, Rekenen en Natuuronderwijs. Nijmegen: Radboud Universiteit, Enschede: Universiteit Twente 2012. S. 66. 47 Erna Gille et al., 2010, S.19. 48 Cedric Stalpers: Het verhaal achter de lezer. Een empirisch onderzoek naar de variabelen die verschillen in leesgedrag verklaren. Stichting Lezen Reeks 9. Delft: Eburon 2007. 49 Mia J.W. Stokmans: De invloed van literatuuronderwijs op de leesattitude. In: Levende Talen Tijdschrift 10 (2009), H. 2, S. 35-43. 50 Karin Heesters, Saskia van Berkel, Frank van der Schoot, Bas Hemker: Balans van het leesonderwijs aan het einde van de basisschool 4. PPON-reeks nr. 33. Arnhem: Stichting Cito Instituut voor toetsontwikkeling 2007. 51 Linda Baker und Allan Wigfield, 1999. 52 Adele Eskeles Gottfried, James S. Fleming, Allen W. Gottfried: Continuity of academic intrinsic motivation from childhood through late adolescence: A longitudinal study. In: Journal of Educational Psychology 93 (2001), H. 1, S.3-13. 21 der Muttersprache und in der Fremdsprache werden im Abschnitt 2.3 dargestellt. Mehrere Studien haben gezeigt, dass eine positive Lesemotivation einen positiven Einfluss auf die Lesekompetenz hat (Baker & Wigfield 1999,53 Guthrie et al. 1999,54 Schaffner & Schiefele).55 Und da die Lesekompetenz „eine der wichtigsten Voraussetzungen für schulischen und beruflichen Erfolg“56 ist, ist die Relevanz der Lesemotivation an sich und im fremdsprachlichen Literaturunterricht nicht abzustreiten. Um erklären zu können wie die Lesemotivation die Lesekompetenz fördert, wird zuerst, als eine Fortführung auf das vorige Kapitel, die Lesekompetenz weiter besprochen. Danach wird die Lesemotivation an sich dargelegt und wird anschließend ihren Zusammenhang erörtert. 2.1 Lesekompetenz Im ersten Kapitel wurde schon erwähnt, dass die Lesekompetenz mehr beinhaltet als das Erkennen und Deuten von Buchstaben, Wörtern und Sätzen. Im kognitiven Prozess des Lesens spielen Komponenten wie Vorwissen und Lesestrategien eine wichtige Rolle. In der PISA Untersuchung aus dem Jahr 2009 wird das Lesen beschrieben als ein komplexer Vorgang, „der auf einer Reihe von hierarchisch organisierten Teilprozessen beruht. Lesen berührt basale Bereiche der visuellen Wahrnehmung, höhere Prozesse der syntaktischen und semantischen Integration sowie Prozesse der Konstruktion und übergreifenden 57 Repräsentation von Textinhalten.“ 53 Linda Baker und Allan Wigfield, 1999. John T. Guthrie, Allan Wigfield, Jamie L. Metsala, Kathleen E. Cox: Motivational and cognitive predictors of text comprehension and reading amount. In: Scientific Studies of Reading 3 (1999), S.231-256. 55 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele, 2006. 56 Nele McElvany et al., 2008, S. 207. 57 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 51. 54 22 Klieme et al. stellen, dass die Lesekompetenz einerseits aus dem kognitiven Aspekt, also das Textverständnis besteht, wobei Texte rezipiert, interpretiert, reflektiert und bewertet werden. Dieses Textverständnis besteht wieder aus textbasierter Konstruktion (technische Dekodierung, Wortschatz, Lesestrategien) und aus Vorwissens basierter Integration (Inhalte des Textes mit kontextuellen Kenntnissen verbinden).58 Diese Aspekte wurden im vorigen Kapitel schon ausführlicher erklärt. Anderseits ist, laut Klieme et al., die Lesemotivation selbst Teil der Lesekompetenz. 2.2 Lesemotivation Die Lesemotivation wird in der PISA Untersuchung auch Leseengagement genannt.59 Dieses Leseengagement wird durch das Leseverhalten (Lesevielfalt und Lesehäufigkeit), das Leseinteresse und die Lesefreude gebildet. Auch die Einstellung gegenüber dem Lesen und die Teilhabe an der Gemeinschaft der Lesenden (Mitgliedschaft einer Bibliothek oder eines Leseclubs) sind Indikatoren der Lesemotivation. Außerdem bestimmt das Gefühl selbstbestimmter Steuerung des Leseprozesses die Lesemotivation. Lesemotivation wird nach Schiefele und Möller definiert als „das Ausmaß des Wunsches oder der Absicht in einer bestimmten Situation einen spezifischen Text zu lesen.“60 Diese Absichten haben laut Deci & Ryan (1985)61 unterschiedliche Anlässe. Sie unterteilen die Lesemotivation in intrinsische Motivation und extrinsische Motivation. Bei der intrinsischen Lesemotivation steht das Interesse 58 Carla Dauven und Charlotte Dignath: Leesmotivatie & leesstrategieën. Präsentation Masterclass Universiteit van Amsterdam 2012. Nicht veröffentlicht. 59 Eckhard Klieme et al., 2010, S. 74. 60 Jens Möller und Ulrich Schiefele: Motivationale Grundlagen der Lesekompetenz. In: Struktur, Entwicklung und Förderung von Lesekompetenz. Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000. Hg. von Ulrich Schiefele, Cordula Artelt und Petra Stanat. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004, S. 101–124, S. 102. 61 Edward L. Deci und Richard M. Ryan: Intrinsic Motivation and Self-determination in Human Behavior. New York: Plenum Publishing 1985. 23 und der eigene Antrieb zentral.62 Nach Schiefele und Köllerwird sie als „der Wunsch oder die Absicht definiert, eine bestimmte Handlung durchzuführen, weil die Handlung selbst interessant, spannend, herausfordernd usw. erscheint.“ 63 Laut Guthrie und Anderson64 sind Interesse, Neugier, die eingeschätzte Wichtigkeit der Lesekompetenz, das lesebezogene Selbstkonzept, die sozialen Aspekte des Lesens und die erlebte Herausforderung beim Lesen die sechs Aspekte der intrinsischen Lesemotivation. Dieses lesebezogene Selbstkonzept wird weiter als Teil des adaptierten Erwartungs-Wert-Modells von Möller und Schiefele (2004)65 näher erläutert. Bei der extrinsischen Motivation wird der Schüler nicht aus sich selbst motiviert, sondern wird der Anlass zum Lesen durch äußere Faktoren ausgelöst. Die Schüler haben laut Schiefele und Streblow66 dabei den Wunsch oder die Absicht, Handlungen durzuführen, um damit positive Folgen zu bewirken oder negative Folgen zu vermeiden. Nach Guthrie und Anderson67 ist die extrinsische Lesemotivation in die folgenden vier Aspekte unterzuteilen: Streben nach Anerkennung, die Neigung nur unter äußerem Druck zu lesen, Aspekte des sozialen Vergleichs und das Lesen zur Notenverbesserung. In dem vereinfachten ErwartungsWert-Modell der Lesemotivation von Möller & Schiefele (2004),68 das als Grundlage das erweiterte Erwartungs-Wert-Modell von Eccles et al.(1983,69 Eccles 1994)70 hat, sind es die soziale Umwelt des Lesers 62 Nele McElvany et al., 2008, S.208. Ulrich Schiefele und Olaf Köller: Intrinsische und extrinsische Motivation. In: Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Hg. von Detlef Rost. Weinheim: Psychologie Verlags Union 2006, S.303-310, S. 303. Zitiert nach: Stefanie Meyer: Entwicklung und Evaluation eines Trainings zur Förderung der Lesekompetenz und Lesemotivation (LekoLemo) für die Sekundarstufe I. Bielefeld: Universität Bielefeld 2009, S.33. 64 John T. Guthrie und Emily Anderson, 1999. 65 Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004. 66 Ulrich Schiefele und Lillian Streblow: Intrinsische Motivation - Theorien und Befunde. In: Motivationspsychologie und ihre Anwendung. Hg. von Regina Vollmeyer und Joachim C. Brunstein. Stuttgart: Kohlhammer 2005, S. 3958. 67 John T. Guthrie und Emily Anderson, 1999. 68 Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004, S. 105. 69 Jacquelynne S. Eccles, Terri F. Adler, Robert Futtermann, Susan B. Goff, Carol M. Kaczala, Judith L. Meece, Carol Midgley: Expectacies, values, and 63 24 (u.a. das Leseverhalten der Familie) und die subjektive Verarbeitung der Umwelteinflüsse, die die motivationalen Überzeugungen und damit die Lesemotivation beeinflussen.71 Diese Überzeugungen bestehen einerseits aus Wertkomponenten, wozu das Interesse und die Zielorientierung zählen und wobei die Werte wie Vergnügen, Wichtigkeit (Relevanz), Wertigkeit (Valenz) und Kosten diese Überzeugungen bilden. Anderseits bestehen diese Überzeugungen aus Erwartungskomponenten, wie das lesebezogene Selbstkonzept und die lesebezogene Selbstkonzept ist Selbstwirksamkeit. die Das Selbsteinschätzung lesebezogene der eigenen Lesekompetenz. Mit der lesebezogenen Selbstwirksamkeit wird die Erwartung des Leseerfolgs angedeutet. Beiden werden durch Leseerfahrungen und Rückmeldungen gebildet. Bei einem positiven Selbstkonzept und einer hohen Selbstwirksamkeit sind die Voraussetzungen günstig, eine hohe Lesemotivation zu entwickeln. Da die Aspekte des Interesses und des Selbstkonzepts durch die Begleitung vom Lehrer geprägt werden können, nehmen sie einen wichtigen Stellenwert in der Förderung der Lesemotivation ein.72 In Kapitel 4 wird weiter erklärt, wie man praktisch mit diesen Aspekten im Literaturunterricht umgehen kann. Mehrere Studien, von zum Beispiel Baker & Wigfield (1999), 73 Guthrie et al. (1999)74 und Schaffner & Schiefele (2007),75 haben gezeigt, dass vor allem die Aspekte der intrinsischen Lesemotivation einen günstigen Effekt auf die Lesekompetenz haben. Umgekehrt ist aber auch gezeigt worden (Morgan & Fuchs, 2007),76 dass die academic behaviors. In: Achievement and achievement motives. Hg. von Janet T. Spence. New York: Freeman 1983, S. 75-146. 70 Jacquelynne S. Eccles: Understanding women’s educational and occupational choices: Applying the Eccles et al. model of achievement-related choices. In: Psychology of Women Quarterly 18 (1994), H. 4, S.585-609. 71 Nele McElvany et al., 2008, S.208 72 Stefanie Meyer, 2009, S. 26f. 73 Linda Baker und Allan Wigfield, 1999. 74 John T. Guthrie et al., 1999. 75 Ellen Schaffner und Ulrich Schiefele, 2006. 76 Paul L. Morgan und Douglas Fuchs: Is there a bidirectional relationship between children’s reading skills and reading motivation? In: Exceptional Children 73 (2007), S.165-183. 25 Lesekompetenz sich positiv auf die Lesemotivation auswirken kann. Wie dieser Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz genau funktioniert, wird im folgenden Abschnitt erörtert. 2.3 Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz Der Zusammenhang zwischen Lesemotivation und Lesekompetenz ist kein direkter Zusammenhang. Angenommen wird, dass dieser Zusammenhang über das Leseverhalten funktioniert. Mit dem Leseverhalten wird die Lesemenge bzw. Lesehäufigkeit gemeint. Wenn ein Schüler intrinsisch zum Lesen motiviert ist, wird er mehr und häufiger lesen. Diese Annahme wurde in der Studie von Guthrie & Wigfield bestätigt (1997).77 Aus der Studie von Guthrie et al. (1999) 78 zeigt sich, dass dieses positive Leseverhalten die Lesekompetenz fördert. Angenommen wird, dass dies sich auf vier verschiedene Ebenen vollzieht.79 Zuerst fördert die vermehrte Übung die Leseeffektivität. Das Lesen wird flüssiger und basale Leseprozesse werden automatisiert. Zweitens kann durch das häufige Lesen das Vorwissen des Lesers erweitert werden und demzufolge das Textverständnis gefördert werden. lesebezogene Selbstkonzept und Drittens die können das lesebezogene Selbstwirksamkeitsüberzeugung sich verstärken, was zu einer Auswahl von schwierigen Texten führen könnte. Schließlich wird die wechselseitige Abstimmung von kognitiven und motivationalen Zielen durch die zunehmende Erfahrung unterstützt. Umgekehrt könnte es auch so sein, dass ein Schüler, dessen Lesekompetenz groß ist, mehr und öfter liest, dadurch mehr Spaß daran hat, darum immer häufiger lesen will und dadurch kompetenter wird. Zu dieser 77 Allan Wigfield und John T. Guthrie: Motivation for reading: An overview. In: Educational Psychologist 32 (1997), S.57-58. 78 John T. Guthrie et al., 1999. 79 Nele McElvany et al., 2008, S.209f. 26 wechselseitigen Beeinflussung gibt es theoretische als auch empirische Hinweise aus den Untersuchungen von Cunningham & Stanovich (1997)80 und von Ennemoser & Schneider (2007).81 Diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus hat Stanovich in seinem Matthäus-Effekt-Modell beim Lesen beschrieben (1986; 2000).82 83 Dieser Effekt beschreibt wie gute Leser motiviert sind mehr zu lesen und damit immer besser werden und wie schwache Leser zum Lesen demotiviert werden, dadurch weniger lesen wollen und damit ihre Lesekompetenz verringern bzw. nicht verbessern. Gute Leser werden also besser, schwache Leser werden schwächer. Die Lesemotivation und die Lesekompetenz hängen zusammen und beeinflussen einander. Doch geht unter anderem aus der Studie von McElvany et al.84 hervor, dass sie im Laufe der Schulzeit gegenläufig ab- bzw. zunehmen. Die damit zusammenhangenden Entwicklungen und die möglichen Gründe dafür werden im folgenden Abschnitt besprochen. 2.4 Ursachen der Motivationsprobleme Für den Rückgang der Lesemotivation sind viele Gründe zu nennen. So zeigen Wigfield und Guthrie (1997),85 dass die Einschätzung der eigenen Kompetenzen vermindert. Negative Leseerfahrungen oder Rückmeldungen, wie zum Beispiel schlechte Noten, können, obwohl die Lesekompetenz mit zunehmenden Alter besser wird, das Leseselbstkonzept, die Selbstwirksamkeit Leseselbstvertrauen schaden. Weiter geht und die das soziale 80 Anne E. Cunningham und Keith E. Stanovich: Early reading acquisition and its relation to reading experience and ability 10 years later. In: Developmental Psychology 33 (1997), S.934-945. 81 Marco Ennemoser und Wolfgang Schneider: Relations of television viewing and reading development: Findings from a 4-years longitudinal study. In: Journal of Educational Psychology 99 (2007), S. 349-368. 82 Keith E. Stanovich: Matthew effects in reading: Some consequences of individual differences in the acquisition of literacy. In: Reading Research Quarterly 21 (1986), S. 360-407. 83 Keith E. Stanovich: Progress in understanding reading. Scientific foundations and new frontiers. New York: Guilford Press 2000. 84 Nele McElvany et al., 2008, S.216. 85 Allan Wigfield und John T. Guthrie, 1997. 27 Lesemotivation und das Streben nach Anerkennung zurück.86 Auch wird nach Gambrell et al.87 die Nützlichkeit und Wichtigkeit des Lesens schon früh im Laufe der Grundschulzeit von den Schülern als niedriger eingeschätzt. Demzufolge sind die Schüler weniger motiviert zu lesen. Außerdem spielt das Interesse zum Lesen, oder besser gesagt, das Desinteresse zum Lesen eine sehr große Rolle. 88 Die Schüler schätzen den Inhalt bzw. das Thema der Texte nicht mehr, weil sie einfach mit zunehmendem Alter andere Interessen entwickeln. Auch wird das Interesse am Lesen an sich oft durch andere tollere (Freizeit)Beschäftigungen wie Sport oder andere außerschulische Aktivitäten ersetzt. Daneben werden für die Schüler mit zunehmendem Alter außerschulische Kontakte, Freunde, erste Beziehungen usw. viel wichtiger. Eccles und Midgley (1989)89 meinen, dass die Veränderung im Klassenkontext, hauptsächlich beim Übergang von Primar- zur Sekundarstufe, für die Abnahme der Lesemotivation verantwortlich ist. Dies sollte nämlich einen verstärkten Leistungs- und Wettbewerbsdruck mit sich bringen. Diese Gründe zählen nicht nur für die Motivation beim Lesen in der Muttersprache, aber auch in der Fremdsprache. Beim Lesen in der Fremdsprache kommen aber noch zusätzliche Aspekte hinzu, die die Lesemotivation weiter verringern könnte.90 So können sprachliche Schwierigkeiten (z.B. Wortschatz & Grammatik) und fehlendes historisches und kulturelles kontextuelles Wissen das Lesen erschweren und damit einen negativen Einfluss auf die Lesemotivation haben. 86 Cordula Artelt, Nele McElvany, Ursula Christmann, Tobias Richter, Norbert Groeben, Juliane Köster, Wolfgang Schneider, Petra Stanat, Christian Ostermeier, Ulrich Schiefele, Renate Valtin, Klaus Ring: Förderung von Lesekompetenz. Expertise. Berlin/Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung 2007, S.20. 87 Linda B. Gambrell, Barbara Martin Palmer, Rose Marie Codling, Susan Anders Mazzoni: Assessing motivation to read. In: Reading Teacher 49 (1996), S. 518-533. 88 Nele McElvany et al., 2008, S.209. 89 Jacquelynne S. Eccles und Carol Midgley: Stage-environment fit: Developmentally appropriate classrooms for young adolescents. In: Carol Ames & Russel Ames (Eds.): Research on motivation in education 3 (1989), S. 139-186. New York: Academic Press. 90 Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012. 28 Nachdem in diesem Abschnitt deutlicher geworden ist, welche Gründe es für den Mangel an Lesemotivation geben könnten, wird im folgenden Abschnitt erörtert, auf welche Weise mit diesen und anderen Aspekten im fremdsprachlichen Literaturunterricht umgegangen werden kann, um die Schüler zum Lesen zu (re)motivieren. 2.5 Förderung der Lesemotivation Nicht alle in dem vorigen Abschnitt besprochene Gründe für den Lesemotivationsverlust oder -Mangel können vom Lehrer beseitigt werden. So kann man als Lehrer nichts dafür, dass die Schüler sich im Pubertätsalter lieber mit Social Media beschäftigen, um auf diese Weise mit Altersgenossen in Kontakt zu kommen. Man kann aber als Lehrer schon auf eine bestimmte Weise mit den von Möller und Schiefele (2004)91 auskristallisierten Aspekten der Lesemotivation umgehen, um die Lesemotivation der Schüler zu fördern. Der erste Aspekt ist das Interesse am Lesen. Es gibt für Schüler einen Unterschied zwischen dem was sie für Schule lesen müssen und dem was sie interessiert.92 Mehrere Studien von u.a. Atwell (2007),93 Marzano (2004)94 und Smith & Wilhelm (2002)95 haben gezeigt, dass wenn ein Leserprogramm auf die Interessen des Schülers abgestimmt ist, dies die Lesefertigkeit und Lesemotivation bedeutsam zugute kommt. Es wäre darum empfehlenswert zuerst als Lehrer zu erfinden, was die Interessen des Schülers sind.96 Sammeln 91 Jens Möller und Ulrich Schiefele, 2004, S. 105. Janice L. Pilgreen: The SSR Handbook. How to Organize and Mange a Sustained Silent Reading Programme. Portsmouth: Boynton/Cook Publishers, Inc. 2000. 93 Nancie Atwell: The Reading Zone: How to help kids becoming skilled, passionate, habitual, critical readers. New York: Scolastic 2007. 94 Robert J. Marzano: Building Backround Knowlegde for Academic Achievement. Research on What Works in Schools. Association for Supervision and Curiculum Development. Alexandria: Heinle ELT 2004. 95 Michael W. Smith und Jeffrey D. Wilhelm: Reading don't fix no chevys: The role of literacy in the lives of young men. Portsmouth, NH: Heinemann 2002. 96 Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012. 92 29 Sie die Interessen des Schülers ein und versuchen Sie dem Schüler Themen anzubieten die ihn interessieren könnten und versuchen Sie, wenn möglich, dem Schüler so viel wie möglich Wahlmöglichkeiten zu geben. Hier wäre es, meiner Meinung nach, auch gut möglich ein scheinbar außerschulisches Interesse wie Social Media im Literaturunterricht einzubringen. Auf diese Weise könnte man jemanden, der sich nicht für Literatur interessiert, motivieren. Wenn man einen Startpunkt gefunden hat, der den Schüler interessiert, dann kann man leichter daran anknüpfen. Die Möglichkeit, diese und andere Medien im Literaturunterricht einzusetzen, wird in Kapitel 5 der Literaturvermittlung weiter besprochen. Der zweite Aspekt ist das lesebezogene Selbstkonzept. Dabei sollte man zuerst herausbekommen müssen, ob der Schüler es sich traut in der deutschen Sprache zu lesen.97 Wenn dies nicht der Fall ist, sollte man ausfindig machen, warum dies nicht der Fall ist. Vielleicht liegt das Problem bei dem fremdsprachlichen Niveau oder vielleicht bei dem Umfang des Buches. Wenn der Grund bekannt ist, können gezielte Strategien wie Planungsstrategien oder Lesestrategien angewandt werden, um die Lesearbeit zu bewältigen und damit die Lesemotivation zu fördern. Der dritte Aspekt ist der Aspekt des Wertes. Dabei ist es wichtig, dass dem Schüler deutlich gemacht wird, was das Lesen ihm bringen wird, was das Nutzen, die Ziele und die Relevanz des Lesens und der Herangehensweise und Verarbeitung ist.98 Dies könnte in der Vorphase der Textarbeit in zum Beispiel einem Klassengespräch besprochen werden. Die Rolle der Vorphase der Textarbeit wird in Kapitel 5 der Literaturvermittlung noch ausführlich erörtert. Der letzte Aspekt ist der Aspekt der Erfolgswartung, auch Selbstwirksamkeit genannt. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass der 97 98 Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012. Idem. 30 Schüler selbst seinen Erfolg einschätzt, sondern vor allem, dass der Lehrer den möglichen Erfolg des Schülers einschätzt und sich fragt, ob das Ziel für den Schüler realistisch und erreichbar ist. 99 Wenn die Ziele für den Schüler erreichbar sind, dann bekommt er eine positive Erfolgserwartung. Demzufolge ist die Chance auf ein Erfolgserlebnis, ein positives Selbstkonzept und damit eine Förderung der Lesemotivation größer. In diesem Kapitel wurde nachgegangen wie die Lesekompetenz und die Lesemotivation funktionieren und wie sie sich entwickeln. Auch wurde die Frage nach ihrem Zusammenhang beantwortet. Damit wurde auch die Relevanz der Lesemotivation deutlich gemacht. Außerdem wurde die Hauptfrage dieser Arbeit, mit den gegebenen Empfehlungen zur Lesemotivationsförderung, teilweise beantwortet. In Kapitel 4 & 5 wird weiter erörtert wie diese Einsichten praktisch in der Didaktisierung durchgeführt bzw. werden in der könnten. Organisation Bevor aber der die Lehrpläne Inhalte des Literaturunterrichts besprochen werden, kommt es im nächsten Kapitel zuerst zum Thema Literatur und Literatur im DaF-Unterricht. 99 Carla Dauven und Charlotte Dignath, 2012. 31 3 Literatur im DaF-Unterricht In diesem Teil der Arbeit kommt es zu den Themen Literatur und Literatur im DaF-unterricht. Zuerst wird klar gemacht was Literatur genau ist und vor allem was ihre Bedeutung im Rahmen dieser Arbeit ist. Danach wird erörtert, was die Position von Literatur im DaF-Unterricht war und heutzutage ist. Schließlich werden die Gründe für und die Ziele von Literatur im DaF-Unterricht behandelt. Damit wird das Literaturunterrichts klar Fundament gemacht, eines in dem fremdsprachlichen Förderung der Lesemotivation eine große Rolle spielt. 3.1 Was ist Literatur? Es gibt viele Versuche den Begriff Literatur zu definieren. Eine Definition von Bredella (1989) die auch von Koppensteiner angeführt wird, ist eine umfassende Definition, die in dem fremdsprachlichen Rahmen dieser Arbeit angewendet werden kann: „Die umfassendste Definition besagt, dass alles Geschriebene legitimer Untersuchungsgegenstand der Literaturwissenschaft ist, angefangen von Kochrezepten, Zaubersprüchen, Gesetzen, Ordnungsregeln, politische Reden, Briefen, philosophischen und religiösen Traktaten bis zu Gedichten, Dramen und Romanen.“ 100 Diese Definition gilt vor allem in dem Fall wobei die Literaturwissenschaft Teil einer allgemeinen Kulturwissenschaft ist, und wird meistens für die Epochen angewendet, aus denen wenige Dokumente überliefert sind. Dass diese Definition im Fremdsprachenunterricht angewendet werden kann, hat damit zu tun, dass die vielen unterschiedlichen Textsorten für landeskundliche Ziele benutzt werden, um die Kultur des Zielsprachenlandes kennen zu lernen. Darum sind in den Lehrwerken neben den literarischen Texten im engeren Sinne, wie Gedichte, Lieder und Kurzprosa, viele 100 Lothar Bredella: Literaturwissenschaft. In: Handbuch Fremdsprachenunterricht. Hg. von Karl-Richard Bausch. Tübingen: Francke 1989, S. 46-54, S.46. 32 unterschiedliche und manchmal auch authentische Texte zu finden, wie Zeitungsartikel, Leserbriefe, Statistiken und Interviews. In dieser Arbeit spielt die Entwicklung der fremdsprachlichen Lesesozialisation und des Leseprozesses eine große Rolle. Deswegen wird mit dem Begriff Literatur in dieser Arbeit also nicht nur Literatur im engeren Sinne, aber auch Literatur im weitesten Sinne gemeint, wobei alle Formen von Texten, die dem Alter und der Entwicklungsphase der Schüler gerecht werden, miteingeschlossen werden. Die literarische, sprachliche und interkulturelle Kompetenz der Schüler muss sich nämlich zuerst entwickeln können anhand von Einstiegsliteratur wie Märchen, Fabeln, Jugendliteratur, Comics, Wortbilder, Bilderbücher, Lieder usw. Nur dann sind die Schüler bereit und fähig sich mit der Literatur im engeren Sinne, wie zum Bespiel Kanonliteratur, zu beschäftigen. 3.2 Die Position von Literatur im DaF-Unterricht Welche Rolle Literatur im DaF-Unterricht spielt und spielte, hat vor allem mit den Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts und den literaturtheoretischen Positionen der Literaturwissenschaft zu tun (Bredella 1989)101 (Neuner & Hunfeld 1997).102 Außerdem bestimmen diese nicht nur die Position von Literatur im DaFUnterricht, sie prägen auch die Didaktik des fremdsprachlichen Literaturunterrichts. Es gibt viele unterschiedliche Methoden die im fremdsprachlichen Deutschunterricht benutzt werden. Die Methoden unterscheiden sich nach Neuner & Hunfeld103 in den Lehrzielen (was gelehrt werden soll) und in den Unterrichtsprinzipien (wie gelehrt werden soll). Manchmal wird vom Lehrenden nicht nur eine Methode gewählt, 101 Lothar Bredella, 1989, S.47. Gerhard Neuner und Hans Hunfeld: Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts. Eine Einführung. 5. Auflage. Berlin: Langenscheidt 1997, S. 9. 103 Idem, S. 17. 102 33 sondern gibt es eine Kombination von mehreren Methoden. Dies hängt von der Zielgruppe und vom Lernbedürfnis ab. Denn bei jeder Gruppe kann alles anders funktionieren und damit kann jeweils eine andere Methode die geeignete Methode sein. Dass die Methoden und die Standpunkte zu Literatur(Unterricht) sich ständig verändern, hat mit mehreren Faktoren104 zu tun. So gibt es erstens die Faktoren auf übergreifende gesellschaftliche Ebene. Dies hat mit den politischen, geographischen und kulturellen Verhältnissen zu tun. Ein Beispiel dafür ist, dass in den Niederlanden an der weiterführenden Schule das Fach Deutsch und nicht das Fach Japanisch, als eine zweite Fremdsprache angeboten wird, weil die deutsche und die niederländische Sprache sich mehr ähneln, die Länder näher zueinander liegen und die Sprache damit eher gesprochen wird oder werden muss. Zweitens gibt es die Faktoren auf allgemeinpädagogische Ebene. Diese sind institutionelle Faktoren des Lernens in der Schule und haben mit den allgemeinen Vorstellungen zu Bildung, Erziehung, Lehrerrolle, allgemeinen Aussagen zur Lerntheorie und mit der Stellung des Faches im Fachkanon (Deutsch als 1./2./3. Fremdsprache) zu tun. Drittens gibt es die Faktoren auf fachliche Ebene, die mit den Befunden der Fachwissenschaften (Linguistik, Landeskunde, Literatur- und Textwissenschaft) und mit der Fachdidaktik (Lernzielbestimmung, Lernstoffauswahl und – Abstufung und Lehrstoffaufbereitung) zu tun haben. Schließlich gibt es die Faktoren auf die Ebene des Fachunterrichts. Hierzu zählen der Lehrer, die Lerngruppe, der Lernstoff, die Lernziele usw. Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts und ihre Haltung zu Literatur(Unterricht) nach Neuner & Hunfeld dargelegt.105 106 104 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 10-12. Idem. 106 Gerhard Neuner: Literaturwissenschaft. In: Handbuch Fremdsprachenunterricht. Hg. von Karl-Richard Bausch. Tübingen: Francke 1989, S. 145-153. 105 34 Die Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM)107 Diese Methode wurde im 19. Jahrhundert in Europa für den neusprachlichen Unterricht entwickelt. Der Unterricht der Sprachen Griechisch und Latein diente dabei als Vorbild. Die Vermittlung der Grammatikregeln sowie deren praktische Anwendung in einem Übersetzungstext ist Hauptinhalt dieser Methode. Die Schüler sollten die grammatischen Strukturen auswendig lernen und kognitivieren. Bei dieser Methode liegt ein kognitives Lernkonzept zugrunde. Sprachenlernen bedeutet hier formale Geistesschulung, Erziehung zu ordnendem Denken. Nur die Fertigkeiten Lesen und Schreiben spielen hierbei eine Rolle. Literatur (als geformte Sprache) war sehr wichtig und galt als Zeugnis der geistigen Leistungen einer Sprachgemeinschaft. Die Lernenden sollten die kulturellen Werte, die in der Literatur gezeigt werden aufnehmen und verstehen. Die direkte Methode (DM)108 Die direkte Methode galt als die Ablösung der GrammatikÜbersetzungs-Methode und als die Vorbereitung der audiolingualen Methode. Wilhelm Viëtors (1882)109 Essay Der Sprachunterricht muss umkehren war der Ausgangspunkt für die Entwicklung der direkten Methode. Die Methode befürwortet, im Gegensatz zur Grammatik-Übersetzungs-Methode, einen aktiven Fremdsprachenunterricht, in dem die gesprochene Sprache die wichtigste Rolle spielt. Die Alltagssituationen im Zielsprachenland stehen zentral. Die Fremdsprache sollte ‚direkt’ gelernt werden. Das heißt, dass die Muttersprache völlig außer Betracht gelassen wurde. Ein imitatives, assoziatives und induktives Konzept des Lernens prägt diese Methode. Die Rolle der Literatur in dieser Methode ist zwiespältig. Einerseits ergänzen Lieder, Reime, Geschichten, 107 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 19-32. Idem, S. 33-44. 109 Wilhelm Viëtor: Der Sprachunterricht muss umkehren! Ein Beitrag zur Überbürdungsfrage von Quousque Tandem. Heilbronn: Gebr. Henninger 1882. 108 35 Märchen usw. den auf dem Alltag bezogenen Unterricht. Anderseits wird die höhere Literatur in dieser Methode völlig außer Betracht gelassen. Die audiolinguale (ALM) und die audiovisuelle Methode (AVM)110 Die audiolinguale Methode wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt und baute auf die direkte Methode auf. Das Hören und Sprechen spielen in dieser, auf die Alltagskommunikation bezogenen Methodik, die wichtigsten Rollen. Das Ziel ist Sprachkönnen und nicht Sprachwissen. Der Dialog ist die dominierende Textsorte, die im Unterricht benutzt wurde und galt als Modell für die landeskundliche Alltagssprache. orientierte Weiterhin Sachtexte im werden Unterricht auch benutzt. Literarische Texte werden jedoch überwiegend ausgeschlossen. In Frankreich entwickelte sich dann eine vergleichbare Methode, die allerdings nicht von der audiolinguale beeinflusst war: die audiovisuelle Methode. Bei dieser Methode stehen das Hören und das Sehen zentral. Diese Methode unterscheidet sich von der audiolingualen Methode vor allem darin, dass der Einsatz von akustischem und visuellem Material in diesem Konzept gleichzeitig stattfindet. Ihre Einstellung zu dem Einsatz von Literatur ist einheitlich. Die vermittelnde Methode (VM)111 Als nach dem Zweiten Weltkrieg, am Anfang der 50-er Jahre, die Leute wieder in die deutschsprachigen Länder kamen, entstand vor allem bei den Lehrenden der Goethe-Institute das Bedürfnis auf eine andere Weise die deutsche Sprache zu vermitteln. Die Lernenden waren vor allem Erwachsenen mit unterschiedlichem Herkunft und unterschiedlichen Hintergründen, für die die deutsche Sprache nicht die erste Fremdsprache war. Man wollte eine Methode benutzen, die 110 111 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 45-69. Idem, S. 70-82. 36 geeignet war für diese heterogenen Gruppen. Daraus entstand der Versuch die Grammatik-Übersetzungs-Methode und die audiolinguale Methode mit einander zu verbinden. Die benutzten Texte dienten vor allem der Grammatik, dem Wortschatz und als Einstieg für die kommunikativen Alltagssituationen. Die kommunikative Didaktik (KD)112 In den 60-er und 70-er Jahren änderten sich die Zielgruppen und die Bedürfnisse des Fremdsprachenunterrichts. Die wachsende Mobilität der Menschen, in Zusammenhang mit Beruf und Freizeit (Tourismus) und die (Telefon, neuesten Entwicklungen Rundfunk und der Kommunikationsmedien Fernsehen) trugen dazu bei. Fremdsprachenunterricht war nicht ausschließlich für die höhere Bildung, sondern gab es nun auch für Hauptschüler, Erwachsene und Teilnehmer beruflicher Fortbildungen. Jedoch waren die vorhandenen und vor allem für das Gymnasium konzipierten Methoden nicht geeignet für diese unterschiedlichen Zielgruppen. Bei der Entwicklung dieser neuen kommunikativen Didaktik, mit Piepho (1974)113 als einer der Vertreter, spielten die pragmatischen Perspektive und die pädagogischen Perspektive die wichtigsten Rollen. Aus pragmatischer Sicht sollte der Fremdsprachenunterricht zum Sprachkönnen pädagogischer Sicht in Alltagssituationen beitragen. hat Fremdsprachenunterricht Aus auch ein erzieherisches Ziel. Das heißt, dass die Schüler ihr Verständnis für andere Völker, Kulturen und ihre Lebensweisen und Gewohnheiten, im Fremdsprachenunterricht entwickeln müssen. Die kommunikative Didaktik ist auf die Erlebniswelt der Schüler angewandt und soll die Schüler aktivieren. Diese Methodik kennt zwei unterschiedliche Strömungen. In den 70-er und am Anfang der 80-er Jahre gewann die pragmatische Perspektive die Oberhand. Die benutzten Texte waren vor allem authentische Texte aus Alltagssituationen, wie 112 113 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 83-105. Hans-Eberhard Piepho: Kommunikative Kompetenz als übergeordnetes Lernziel im Englischunterricht. Dornburg- Frickhofen: Frankonius 1974. 37 Zeitungsartikel, Prospekte, Nachrichten, Formulare, Speisekarten, Wetterberichte, Briefe, Rezepte usw. Die ‘höhere‘ Literatur spielte keine große Rolle. Im Laufe der 80-er Jahre wurde der interkulturelle Aspekt immer wichtiger. Der interkulturelle Ansatz dieser Methode war auch mehr lernerorientiert. Aus landeskundlicher und interkultureller Sicht hatte der Gebrauch von höherer Literatur wieder einen größeren Stellenwert. Der interkulturelle Ansatz (IA)114 In der zweiten Hälfte der 80-er Jahre wuchs die Kritik an das pragmatisch-funktionale Konzept der kommunikativen Didaktik. Vor allem in zielsprachenfernen Ländern funktionierte das Konzept nicht optimal. Denn für viele Schüler waren die neu erworbenen Kommunikationsfähigkeiten sinnlos, weil sie ihre Kenntnisse nicht in die Praxis anwenden konnten. Deswegen entwickelte sich die kommunikative Didaktik in eine zielgruppen- bzw. regionalspezifische Didaktik, wobei die eigenkulturellen Rahmenbedingungen des Lernens in einem bestimmten Land oder in einer bestimmten Region mehr berücksichtigt wird. Bei dem interkulturellen Ansatz ist das funktionale Ziel auch wichtig, aber das umfassende pädagogische Konzept spielt eine größere Rolle. Hierbei ist es wichtig, dass der Lernende die Kultur des Zielsprachenlandes gut kennen lernt. Diese Methodik ist sehr lernerorientiert und die Inhalte des Unterrichts beziehen sich auf Themen und Interessen aus der Erlebniswelt der Lernenden. Aus Sicht der Lernenden wird die Sprache und die Kultur des Zielsprachenlandes mit der eigenen Sprache und Kultur verglichen, um sie auf diese Weise besser kennen zu lernen. Der Gebrauch von Texten ist in dieser Didaktik sehr wichtig. Von Sachtexten bis zu Gebrauchstexten werden dabei im Unterricht benutzt. Auch für fiktionale Texte gibt es in dieser Methode mehr Platz. Laut Neuner & Hunfeld „schafft der fremdsprachliche fiktionale Text beim Leser/Lerner eine Zwischenwelt zwischen seiner eigenen 114 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 106-127. 38 und der (fremdkulturell geprägten) Welt des Textes.“115 Das Spektrum der fiktionalen Texte ist breit. So gehören neben der Kanonliteratur auch Kind- und Jugendliteratur, Kurztexte, Gedichte und Konkrete Poesie dazu. Außer dieser genannten Methoden gibt es noch mehr Methoden die nicht in diesem Überblick aufgenommen sind. So gab es in den 80-er Jahren noch Language die alternativen Learning, Methoden116 Humanistic (u.a. Approach, Community Silent Way, Suggestopädie und Total Physical Response) und gibt es noch die Weiterentwicklungen auf die kommunikative Didaktik wie Handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht (Timm & Gerhard 2009),117 Lernorientierter Fremdsprachenunterricht (Timm 2009),118 Ganzheitlicher Fremdsprachunterricht (Löffler/Schweitzer 1988)119 120 (Timm 1995)121 und das Lernen durch Lehren (Jean-Pol Martin 1994).122 Um den Überblick zu behalten, wird auf diese übrigen Methoden nicht eingegangen. Zusammen mit den unterschiedlichen Methoden bestimmen auch die unterschiedlichen literaturwissenschaftlichen Theorien den fremdsprachlichen Literaturunterricht und seine Didaktik. Wie die unterschiedlichen Methoden ändern die Literaturtheorien sich auch. 115 Gerhard Neuner und Hans Hunfeld, 1997, S. 120. Idem, S. 127. 117 Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm (Hrsg.): Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungs-orientierten Unterrichtspraxis. Tübingen: A. Francke 2009. 118 Johannes-Peter Timm: Lernerorientierter Fremdsprachenunterricht: Förderung systemisch-konstruktiver Lernprozesse. In: Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Hg. von Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm. Tübingen: A. Francke 2009, S. 43-60. 119 Renate Löffler und Klaus Schweitzer: Brainlinks. Bausteine für einen ganzheitlichen Englischunterricht. Weinheim: Beltz 1988. 120 Renate Löffler: Ganzheitliches Lernen. Grundlagen und Arbeitsformen. In: Englischunterricht. Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis. Hg. von Gerhard Bach und Johannes-Peter Timm. Tübingen: A. Francke 2009, S. 42–68. 121 Johannes-Peter Timm (Hrsg.): Ganzheitlicher Fremdsprachenunterricht. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1995. 122 Jean-Pol Martin: Vorschlag eines anthropologisch begründeten Curriculums für den Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Gunter Narr 1994. 116 39 Außerdem wird die Entwicklung der Methoden durch Literaturtheorien beeinflusst. Im Folgenden werden die die zwei Literaturtheorien, die den meisten Einfluss im gegenwärtigen Literaturunterricht haben, nämlich die Rezeptionsästhetik und die interkulturelle Andere Germanistik, wichtige nach Literaturtheorien Koppensteiner123 sind New Literaturwissenschaft,125 ideologiekritische dargestellt. Criticism,124 strukturalistische Literaturwissenschaft126 und dekonstruktivistische Literaturwissenschaft.127 Diese werden hier nicht weiter erläutert. Rezeptionsästhetik128 Die Rezeptionsästhetik hat vor allem in den 80-er Jahren den größten Einfluss auf die Literaturdidaktik gehabt. Die Rezeptionstheorie beschränkt sich nicht ausschließlich auf den Text. Sie stellt sogar die Reaktionen des Lesers im Mittelpunkt. Laut dieser Theorie kann ein Text nicht an sich existieren, sondern nur in Zusammenhang mit der Rezeption des Lesers. Jedes Mal wenn ein Text gelesen wird, entsteht er immer wieder neu. Darum hat ein Text also zwei Autoren, ein der ihn schreibt und ein der ihn liest. Der Leser wird gewissermaßen zum Mitautor. „Der Text an sich hat noch keine Bedeutung, er bietet nur Möglichkeiten zur Deutung an. Aufgabe des Lesers ist es, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Er tut dies, indem er sich selbst einbringt“, so Koppensteiner.129 Dieses sich selbst Einbringen geschieht anhand der Kenntnisse und der Vorerfahrungen des Lesers und ist für jeder also unterschiedlich. Es gibt für einen Text also keine einzige richtige Interpretation mehr, sondern es gibt so viele richtige und unterschiedliche Interpretationen wie es die Anzahl unterschiedlicher Leseakte gibt. Jeder Leser gibt dem Text seinen eigenen Sinn. 123 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.25-31. Idem, S. 25. 125 Idem, S.25f. 126 Idem, S.26f. 127 Idem, S.27. 128 Idem, S.27-30. 129 Idem, S.28. 124 40 Die wichtigsten Vertreter der Rezeptionsforschung sind unter anderem Stanley Fisch (1980),130 David Bleich (1978)131 und Wolfgang Iser (1976).132 Laut Bredella133 unterscheiden die einzelnen Positionen innerhalb der Rezeptionsästhetik sich in wie sie über die Rolle des Textes und in wie fern er den Leser lenkt, denken. Die Rezeptionsästhetik stellt die Text-Leser-Beziehung im Mittelpunkt. Außerdem passt die Sichtweise der Rezeptionsästhetik gut zu den allgemein pädagogischen Vorstellungen, wobei der Unterricht schülerzentriert ist. Der Text wird nicht nur vom Schüler gelesen und verstanden, sondern er trägt auch dazu bei, dass der Schüler anhand seiner Reaktion auf den Text sich selbst kennenlernt. Aufgabe Interaktionsprozess zu der Literaturdidaktik unterstützen und ist zu es, diesen verstärken. Diese Entwicklung zur objektivistischen Literaturwissenschaft bringt aber auch die Frage mit sich, ob damit alle unterschiedlichen Deutungen der Leser auch als legitim gesehen werden müssten. Und was sei denn überhaupt das Ziel der Interpretation? Ist das Verständnis des Lesers oder des Textes wichtiger? Diese Fragen sind in der Literaturwissenschaft und in der Literaturdidaktik ausführlich diskutiert worden. Die Meinungen in dieser Angelegenheit sind geteilt. Bredella ist der Meinung, „dass es notwendig scheint, die konstitutive Rolle des Lesers anzuerkennen und gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es das vorrangige Ziel der Interpretation ist, den Text zu verstehen.“134 130 Stanley Fisch: Is There a Text in This Class? London: Harvard University Press 1980. 131 David Bleich: Subjective Criticism. Baltimore: Johns Hopkins University Press 1978. 132 Wolfgang Iser: Der Akt des Lesens. München: Wilhelm Fink Verlag 1976. 133 Lothar Bredella, 1989, S.51. 134 Idem, S.52. 41 Die interkulturelle Germanistik135 Die interkulturelle Germanistik ist laut Dietmar Rösler einer „der erfolgreichsten Neuansätze innerhalb der Germanistik der achtziger und neunziger Jahre“136 und hat die Rolle der Literatur im Fremdsprachenunterricht wesentlich beeinflusst. Sie stellt den fremdsprachlichen Leser im Mittelpunkt und geht davon aus, dass ein deutscher literarischer Text außerhalb des deutschen Sprachraumes ein fremder Text ist, den man aus fremdkultureller Perspektive auf eine unterschiedliche Weise versteht als einen literarischen Text aus der eigenen Kultur. Die interkulturelle Germanistik versucht anhand literarischer Texte die, in diesem Fall, deutschsprachige Fremdkultur zu verstehen und sie mit der eigenen Kultur zu vergleichen. Bei den fremdsprachlichen Lesern könnte dies laut Koppensteiner einerseits zu negativen Gefühlen führen, weil sie Schwierigkeiten haben die fremde Kultur zu verstehen. Sie müssen sich den Unterschiede und den auffallenden Sachen im Text bewusst werden. Wichtig dabei ist, dass die Leser ihre Vorkenntnisse und den Kontext als Begleitung benutzen. Auf diese Weise könnte eine mögliche Fehlinterpretation vermieden werden. Anderseits sollte dieser interkulturelle Ansatz auch positive Gefühlen mit sich führen. Die Leser sollten neugierig gemacht und herausgefordert werden. Dieser Ansatz bietet die Leser die Chance die andere fremde Kultur besser kennen zu lernen. Die Leser können die Leerstellen mit den Gedanken aus ihrer eigenen Erlebniswelt ergänzen und damit werden die eigene Kultur und die fremde Kultur mit einander verbunden. Außerdem kann der interkulturelle Vermittlungsprozess eine starke Motivation beim Lernen und Kennenlernen der Fremdkultur zustande bringen, denn eine Fremdsprache lernen bedeutet auch die fremde Kultur kennen lernen. Weiterhin kann dieser Ansatz dem Leser helfen sich selbst besser kennen zu lernen, in dem der Leser sich selbst und seine eigene Situation und seine 135 136 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.30f. Dietmar Rösler: Deutsch als Fremdsprache. Sammlung Metzler 280. Stuttgart: Metzler 1994, S. 151. 42 eigenen Erfahrungen im Leseakt einbringt. 3.3 Wozu Literatur im DaF-Unterricht? Die Position von Literatur in DaF-Unterricht hat sich, wie schon erwähnt, im Laufe der Jahren immer wieder geändert. Grund dafür waren die Methoden für den Fremdsprachenunterricht, die sich immer wieder geändert und entwickelt haben. So hat jede Strömung ihre eigene Sichtweise auf die Rolle der Literatur und damit ihre eigenen Argumente für und gegen ihren Gebrauch im Fremdsprachenunterricht. Im Folgenden werden die Argumente für und gegen den Gebrauch von Literatur laut Koppensteiner besprochen. Außerdem werden die damit verbundenen Lernziele von Literatur im DaF-Unterricht erörtert. Koppensteiner137 verteilt die Argumente gegen und für den Gebrauch von Literatur in drei Gruppen: Argumente inhaltlicher Art, Argumente sprachlicher Art und Argumente methodisch-didaktischer Art. Als inhaltliche Argumente gegen Literatur nennt Koppensteiner erstens die geringe Literaturkultur in Deutschland und Österreich. Es gibt nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, die an Literatur interessiert ist. Dieses Argument könnte man für die Niederlande auch geben, da die Literaturgesellschaft in den Niederlanden, vor allem bei den Jugendlichen, auch eher geschlossen ist (PISA 2009).138 Weiterhin haben die meisten Schüler kein Interesse an Literatur und assoziieren sie Literatur mit Langweiligkeit. Zuletzt nennt er die eher negativen Merkmale literarischer Texte die den Gebrauch von Literatur unangenehm machen würden: literarische Texte sollten nämlich lebensfremd, zu intellektuell und veraltet sein. Dann zitiert er noch ein pragmatisches Argument gegen den Gebrauch von Literatur in DaF-Unterricht von Ulrich Häussermann: „Ein Gedicht hilft nicht 137 138 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.12ff. Eckhard Klieme et al., 2010. 43 beim Lösen einer U-Bahn-Karte.“139 Dieses Zitat steht meiner Meinung nach exemplarisch für den Gedanken vieler DaF-Dozenten, die glauben, dass der Umgang mit Literatur nicht in einem kommunikativen, lernerorientierten Ansatz passen würde. Auch sind es Argumente auf sprachlicher Ebene anzuführen. So sind laut Koppensteiner die literarischen Texte im Allgemeinen sprachlich zu schwierig für die Schüler. Die Schüler sind nicht vorbereitet auf die literarische Sprache, die doch sehr anders ist als die gelernte Alltagssprache. Die Literarität des Textes macht es für die Schüler schwierig nicht nur den Text sprachlich zu verstehen, aber vor allem das zu erfinden, was der Autor unterlässt. Außer dieser genannten sprachlich-semantischen und sprachlichästhetischen Faktoren gibt es auch den kultursemantischen Faktor. Ein Mangel an einer interkulturellen Kompetenz und einem kulturhistorischen Kontext könnten den Literaturunterricht erschweren. Laut Alois Wierlacher140 liegt bei diesem Faktor die eigentliche Schwierigkeit des fremdsprachlichen Literaturunterrichts. Bernd Kast nennt diese Argumente zusammen, eine „Infragestellung der Sicherheit.“141 Diese Barrieren könnten dafür sorgen, dass die Motivation für die Schüler, Literatur zu lesen, zerstört wird. Zum Schluss sind auf der methodischen-didaktischen Ebene auch noch Argumente gegen den Gebrauch von Literatur im DaFUnterricht zu geben. So sollten Sprach- und Literaturunterricht einander methodisch ausschließen, denn Literatur sollte die 139 Ulrich Häussermann: Pro und contra Literatur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. Literarische Texte in der Unterrichtspraxis I: Seminarbericht. München: Goethe-Institut 1984, S. 30 – 32, S. 30. Zitiert nach Koppensteiner 2001, S.13. 140 Alois Wierlacher: Deutsche Literatur als fremdsprachliche Literatur: Zu Gegenstand, Textauswahl und Fragestellung einer Literaturwissenschaft des Faches Deutsch als Fremdsprache. In: Fremdsprache Deutsch: Grundlagen und Verfahren der Germanistik als Fremdsprachenphilologie. Band. 1. Hg. von Alois Wierlacher. München: Fink 1980, S. 146-165, S. 147. 141 Bernd Kast: Literarische Texte als Sprachlerntexte. In: Literarische Texte im kommunikativen Fremdsprachenunterricht. Werkstattgespräche New York 1985. Hg. von Manfred Heid. München: Goethe-Institut 1985b, S. 106-121, S. 109. 44 Kommunikation im DaF-Unterricht in dem Weg stehen. Weiterhin sollten literarische Texte keine oder zu wenig Übungsmöglichkeiten geben. Außerdem gibt es für DaF-Lehrer auch oft noch ein praktisches Argument, nämlich die Zeit. So sollte die Literaturvermittlung nicht in ihrem zu umfassenden Lehrplan passen. Auch sehen sie den Literaturunterricht als Zeitverschwendung, weil das Lesepensum, für zum Beispiel ein Buch, oft sehr groß ist und das Rendement dann verhältnismäßig sehr gering ist. Für sowohl den Lehrer als auch für den Schüler ist es schwierig mit diesen genannten Barrieren und Problemen ein Erfolgserlebnis zu erzielen. Dies alles zusammen sollte es für Lehrer und Schüler sehr anstrengend machen. Obwohl vielleicht noch mehrere Argumente gegen den Einsatz von Literatur im DaF-Unterricht auszudenken sind, überwiegen laut Koppensteiner142 doch die Argumente für den Gebrauch von Literatur im DaF-Unterricht. Trotzdem, benennt er, kann man die Argumente gegen den Gebrauch von Literatur nicht einfach zur Seite schieben. Ich teile diese Meinung und glaube sogar, dass man diese Argumente gut überdenken und gerade benutzen muss bei der Entwicklung bzw. Didaktisierung eines literarischen Beitrags. Nur wenn die möglich negativen Aspekte des fremdsprachlichen Literaturunterrichts beachtet werden und umgesetzt werden in eine Optimalisierung des Literaturunterrichts, dann kann Literatur eine positive und erfolgreiche Ergänzung zum Fremdsprachenunterricht sein. Literaturunterricht soll meiner Meinung nach nur dann angeboten werden, wenn es etwas Positives bringt. Denn langweiliger und schlecht überdachter Literaturunterricht richtet nur Schaden an, vor allem an dem Imago der fremdsprachlichen Literaturunterricht und an der Motivation des Schülers. Als inhaltliches Argument für den Gebrauch von Literatur im DaF- 142 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.14. 45 Unterricht nennt Koppensteiner143 erstens die Möglichkeit, die Literatur den Schülern bieten kann, sie als eine Art Lebenshilfe zu benutzen. Die literarischen Texte können, vorausgesetzt, dass sie richtig ausgesucht sind und zu dem Sprachniveau und der Erlebniswelt der Lernenden passen, als Identifikationshilfe, Fluchtmöglichkeit oder als mentaler und ethischer Kompass in der realen Welt dienen. Die Schüler können anhand der Literatur ihre psychologische Wahrnehmungsfähigkeit und ihren Horizont erweitern und ihre Phantasie und ihr Selbstverständnis entwickeln. Wenn mit Literatur, die gut ausgesucht und deren Vermittlung gut überdacht ist, diese Spannung geboten wird und wenn die Schüler sich persönlich engagieren können, dann werden sie sich nicht langweilen. Ein weiteres sprachliches Argument ist laut Koppensteiner die Art des literarischen Schreibens. Es ist, wenn man es zum Beispiel vergleicht mit Zeitungstexten, populärwissenschaftlichen, das Wortschatzbereiche bessere halbliterarischen geschriebene literarischer Texte und Deutsch. Die kommen in Sprachlehrbüchern oder Sachtexten nicht vor und sollten laut Bieler und Jenkins144 als eine positive Ergänzung des gelernten Wortschatzes gesehen werden. Zum Schluss nennt Koppensteiner die Argumente methodischdidaktischer Art. Diese Argumente sind meiner Meinung nach die wichtigsten Argumente für den Gebrauch von Literatur im DaFUnterricht. Viele haben die Idee, dass man mit literarischen Texten nur Textinterpretationen machen kann, dass Kommunikation im Literaturunterricht unmöglich ist. Nichts ist aber weniger wahr. Die literarischen Texte können sehr wohl im kommunikativen Fremdspracheunterricht benutzt werden. Laut Koppensteiner „muss 143 144 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.14-19. Karl-Heinz Bieler und Eva-Maria Jenkins: `Didaktische Vorüberlegungen’ zu Joseph von Eichendorff. Aus dem Leben eines Taugenichts. Bearbeitet von Karl-Heinz Bieler in Zusammenarbeit mit Eva-Maria Jenkins. Lehrerheft. München: Klett Edition Deutsch 1991, S. 5 – 8. 46 man nur die Literatur entmystifizieren, Berührungsängste abbauen und vor allem stets von der Erkenntnis ausgehen, dass kein Text verfasst worden ist, um nur von Philologen interpretiert zu werden.“145 Weiterhin sollten die Lehrer die Idee loswerden, dass man mit Literatur immer schwierige oder anspruchsvolle Sachen machen muss. Literatur bietet Möglichkeiten für sprachliche Reaktionen (positiv als auch negativ), kann als Anreiz zur Übung unterschiedlicher Fertigkeiten dienen (Grammatik, Sprechen, Schreiben, usw.) und ist eine willkommene Abwechslung zu den künstlichen Übungsreihen der Lehrbücher. Literatur ist für viele Fremdsprachlerner auch die einzige authentische Begegnung mit der Landeskunde des Zielsprachenlandes, da sie nicht immer die Möglichkeit haben das Zielsprachenland zu besuchen. Literatur ist jedoch immer vorhanden. Literatur kann auf diese Weise die Schüler für den Fremdsprachenunterricht motivieren, sie schafft eine authentische Kommunikationssituation, die es in Lernbüchern nicht gibt. Außerdem ist Literatur im DaF-Unterricht aus pädagogischen Gründen unentbehrlich, da sie zum Erwerb von Bildung beiträgt. Manche sind der Meinung, dass Fremdsprachelernen nicht ohne den Gebrauch von sprach- und kulturspezifischer Literatur möglich ist (Hunfeld).146 Literatur sei ein notwendiger Teil der Fremdsprachenlehre, sowohl aus sprachlichen als auch aus landeskundlichen Gründen. Die Argumente für den Gebrauch von Literatur im DaF-Unterricht lassen sich einfach fremdsprachlichen in die folgenden Literaturunterricht Lernzielen für den zusammenfassen (Koppensteiner).147 Es handelt sich hier um primäre und sekundäre Effekte des fremdsprachlichen Literaturunterrichts, die literarische Texte möglicherweise auslösen können. Bei den Lernzielen geht es 145 Jürgen Koppensteiner, 2001, S.15. Hans Hunfeld: Nur sprechen lernen, aber nichts zu sagen haben? In: ders.: Literatur als Sprachlehre. Ansätze eines hermeneutisch orientierten Fremdsprachenunterrichts. Berlin, München: Langenscheidt 1990a, S. 28 – 41, S. 34. 147 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 5. 146 47 laut Kast (1985) nicht um ein „Entweder-oder und ein Erst-dann, sondern es geht um ein Sowohlals-auch; es geht um fremdsprachliche Literatur: um die Fremde dieser Literatur, um fremdsprachliche Literatur: um die zu lernende Sprache, und es geht um fremdsprachliche Literatur, die Literatur dieser Fremde und dieser Sprache.“148 Manchmal werden viele von diesen Lernzielen bei einem Leseakt erzielt, aber manchmal manche auch nicht, das hängt von der Situation und vom Text ab. Außerdem gehen die Effekte oft in einander über und hängen sie stark miteinander zusammen. Spracherwerb: Im Literaturunterricht ist es möglich alle Fertigkeiten zu entwickeln. Natürlich ist das Lesen die Hauptfertigkeit, aber auch das Hören (mittels Hörtexten), das Sprechen (mittels sprachlicher Arbeitsformen wie Diskussionen, Referate, usw.) und das Schreiben (mittels kreativer Schreibaufgaben) können gefördert werden. Vor allem Ingrid Mummert plädiert für das Freie Schreiben149 als didaktischer Ansatz, da die Schüler selbstständig ausdrücken können, was sie möchten. Die Schüler haben Spaß daran, werden motiviert, bekommen ein Erfolgserlebnis und es fördert die Selbstständigkeit. Der Wortschatz und die Grammatik sind Teil dieser Fertigkeiten und werden damit auch entwickelt. Mittels der Literatur erfahren die Leser auch wie und auf welche Weise im Zielsprachenland kommuniziert wird. Außerdem kann der Spracherwerb auf einem höheren Niveau als Vertiefung auch eine Funktion der ästhetischen und stilistischen Bildung haben. Landeskunde und interkulturelle Kommunikation: Zum Fremdsprachlernen gehört auch das Zielsprachenland kennen lernen. Die Literatur erzählt sehr viel über die Kultur, die Menschen 148 149 Bernd Kast, 1985a, S. 28. Ingrid Mummert: Freies Schreiben mit Poesie. Literarisches Schreiben im Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch 1, S. 17-22. Ismaning: Goethe Institut/ Hueber Verlag 1989. 48 und die Gesellschaft des Zielsprachenlandes und ist damit einer der Hauptziele. Dabei sind nicht nur die faktischen Kenntnisse über das Zielsprachenland wichtig, sondern vor allem spielt dabei die interkulturelle Kommunikation eine große Rolle. Die Leser sollen die Kultur des Zielsprachenlandes vergleichen mit ihrer eigenen Kultur und damit ihre interkulturelle kommunikative Kompetenz vertiefen. Literatur und Umgang mit Literatur: Obwohl dieses Ziel im fremdsprachlichen Literaturunterricht nicht die Priorität hat, sollte trotzdem auch eine gewisse fachliche Literaturkompetenz vermittelt werden. Hierbei wird oft an die Kenntnisse aus dem muttersprachlichen Literaturunterricht angeknüpft. Die Schüler werden je nach Niveau bekannt gemacht mit den literarischen Grundbegriffen und mit (einem Teil) der Literaturgeschichte. Sie lernen wie sie richtig mit literarischen Texten umgehen können und wie sie teilweise literaturfähig werden können, damit sie die Literatur in ihren Kontext (Zeit, Ort, Bedeutung) platzieren können. Persönliche und kognitive Entwicklung: Dieses Ziel enthält das, was Kast150 als Attitüdenbildung bezeichnet. Die Leser werden beeinflusst, verändert und geprägt von dem was sie lesen. Die Literatur prägt das Weltwissen, das Allgemeinwissen, die Meinungsbildung, Wertorientierung und die Phantasie. Damit wird auch ihre Persönlichkeit weiter entwickelt. Literatur könnte damit als Horizonterweiterung und als Identifikationsangebot dienen. Weiterhin stimuliert sie Kreativität, Lesegewohnheit und Literaturschätzung. Die Ziele der Motivation und der Entspannung werden durch Koppensteiner nicht genannt, aber könnten neben ein willkommener Nebeneffekt auch als Ziel dienen, vor allem im Anfangsunterricht. Die Ziele für den muttersprachlichen Literaturunterricht überschneiden 150 Bernd Kast, 1985a, S. 31. 49 sich für einen großen Teil. Wobei dann nicht so sehr Rede ist von Spracherwerb, sondern eher eine Vertiefung der Muttersprache, der Kenntnisse der Literaturgeschichte und der Kultur. Literaturunterricht in der Muttersprache dient neben der Lesefertigkeit, der Lesegeschwindigkeit und der ästhetische, stilistische, humanistische und kulturelle Funktion noch mehr die fachliche literarische Kompetenzentwicklung. In diesem Kapitel wurde Antwort gegeben auf die folgenden Teilfragen: Warum soll Literatur im DaF-Unterricht gemacht werden? Und was sind ihre Ziele? Die Gründe für und die Ziele von Literaturvermittlung im DaF-Unterricht sind hiermit klar geworden. Gezeigt wurde, dass es viele Gründe und Ziele gibt. Im nächsten Kapitel wird dargelegt, wie der Literaturunterricht Deutsch an der weiterführenden Schule in den Niederlanden aussieht und wie er sich entwickelt hat. Auch wird gezeigt, wie diese Vielfalt an Gründen und Zielen den Literaturunterricht und die Lesemotivation negativ beeinflussen können. 50 4 Literaturunterricht Deutsch in den Niederlanden Im zweiten Kapitel wurde erörtert was Lesemotivation ist, wie sie funktioniert und wie sie aus Sicht ihres Funktionierens, gefördert werden kann. Ziel dieses Kapitels ist es, zu untersuchen, wie die Lesemotivation aus Sicht der Literaturentwicklung und des literarischen Lehrplans gefördert werden kann. Dafür wird zuerst nach Thijsen (1985)151 auseinandergesetzt wie der Literaturunterricht und vor allem sein Lehrplan für die weiterführende Schule sich in den Jahrzehnten entwickelt haben. Im Abschnitt 3.2 wurde schon die Aspekte die zur Bildung der Didaktik, des Inhalts und der Ziele des Literaturunterrichts führen, als Einführung auf dieses Kapitel besprochen. Danach wird besprochen wie der Literaturunterricht an der weiterführende Schule heutzutage aussieht und werden die Probleme des Literaturunterrichts nach Theo Witte (2008)152 dargelegt. Schließlich wird darauf folgend untersucht wie an diesen Problemen aus Sicht der Literaturentwicklung und des Lehrplans gearbeitet werden kann, damit die Lesemotivation der Schüler gefördert wird. 4.1 Die historische Entwicklung des Literaturunterrichts in den Niederlanden Bis zum Anfang der 60-er Jahre des vorigen Jahrhunderts war im Literaturunterricht der historisch-biografische Ansatz führend.153 Obwohl die Lehrpläne und Examenanforderungen für die meisten Schultypen aufforderten im Literaturunterricht das literarische Werk als Ausgangspunkt zu nehmen, war Literaturunterricht eine 151 Martin Thijsen: Het literatuuronderwijs Duits aan reguliere dagscholen voor HAVO en VWO. De praktijk in 1980 en voorstellen voor de praktijk. Nijmegen 1985. 152 Theo Witte, 2008. 153 Joop Dirksen: Leerlingen, literatuur en literatuuronderwijs. In: Hans Goossen (Redaktion). Forum of arena: opvattingen over literatuuronderwijs. Een stand van zaken in 2007. VON-cahier 2007. www.voncahier.nl. Zugriff am 20.06.2014. 51 verdünnte Version der Literaturwissenschaft, wobei die Literaturgeschichte der Schwerpunkt war. Dem Schüler wurde vor allem biografische, literarisch-historische und kultur-historische Faktenkenntnis beigebracht.154 Offizielle Zielsetzungen für den Literaturunterricht gab es damals nicht, aber aus den Lehrplänen und Examenanforderungen aus dem Jahr 1960 kann man laut Thijsen (1985)155 schließen, dass das Hauptziel des Literaturunterrichts die Kulturvermittlung für die persönliche Entwicklung des Schülers war. In den Lehrplänen der damaligen Schultypen der Sekundarstufe I und II, das Gymnasium und die H.B.S. (höhere Bürgerschule) wurde das Lesen und die Deutung literarischer Werke in Zusammenhang mit ihrer Entstehungszeit, vorgeschrieben. In dem Lehrplan der weiterführenden Mädchenschule (M.S.v.M) wurde nur eine Mindestanzahl für die Unterrichtsstunden Deutsch genannt, obwohl in den Examenanforderungen dieses Schultyps die Kenntnis der Literaturgeschichte und die Bekanntschaft mit einigen Werken schon vorgeschrieben wurden. Für das Gymnasium und für die Abteilung B der höheren Bürgerschule wurde Literatur überhaupt nicht in den Examenanforderungen aufgenommen. Im Laufe der 60-er literaturgeschichtlichen Jahre stieg die Ansatz unter dem Unzufriedenheit Einfluss von zum dem textorientierten Ansatz in der Literaturwissenschaft, wobei nicht die Literaturgeschichte, sondern den Text an sich in den Mittelpunkt gestellt wird. Dieser literarisch-kritische Ansatz sollte an der ästhetischen Bildung beitragen, konnte aber in der Praxis den literaturgeschichtlichen Ansatz nicht übersteigen.156 Auch die veränderten Auffassungen zu der Einrichtung des Unterrichtswesens und den Zielsetzungen des Literaturunterrichts erzeugten Unzufriedenheit.157 Diese Auffassungen wurden in der Diskussion über die einzuführenden Unterrichtsreformen geäußert. 154 Martin Thijsen, 1985, S. 9. Idem, S.6ff. 156 Idem, S.11. 157 Idem, S.10. 155 52 Gesellschaftliche Entwicklungen Wechselwirkung zwischen in dieser Zeit änderten Literaturwissenschaft die und Literaturunterricht bzw. Literaturdidaktik. Die Gesellschaft in den Niederlanden wurde seit den 60-er Jahren mehr offen und die Kultur wurde mehr demokratischer. Nach Verboord (2004)158 verloren die kulturelle Autoritäten, wie Literaturwissenschaftler, ihren Status und ihre Werturteilen drangen weniger durch in die Gesellschaft. Am 1. August 1968 wurde das Mammoetgesetz eingeführt. Mittels dieses Gesetzes wurde die ganze weiterführende Schule in den Niederlanden neu eingerichtet. Die getrennten kategorialen Schultypen wurden in einem Schulensystem untergebracht.159 Die neue Schultypen mavo,160 havo und vwo wurden vorzugsweise in eine Gesamtschule zusammengebracht. Diese Bildungsreform sollte die Einstiegs- und Schulwechselmöglichkeiten verbessern. Durch diese Demokratisierung des Schulwesens nahm die sozial-kulturelle Diversität im Sekundarunterricht zu.161 Der alte Lehrplan, der sich nachdrücklich an dem höheren sozialen Milieu orientierte, war dann nicht mehr angemessen.162 In den neuen Lehrplan- und Examenanforderungen wurde Literatur nur in der Oberstufe der Schultypen havo und vwo Teil des Deutschunterrichts. In dem Lehrplan wurde für beide Schultypen das Hören, Lesen, Interpretieren und Zusammenfassen von literarischen und anderen Sprachäußerungen vorgeschrieben. Auch sollte anhand der gelesenen literarischen Werke die Einsichten in und die Kenntnisse von Literatur beigebracht werden.163 Für das vwo sollte dabei, in Bezug auf havo, im Literaturunterricht selbst inhaltlich höhere 158 Marc Verboord: Literatuuronderwijs van Mammoetwet naar Tweede Fase. Trends en effecten empirisch onderzocht. In: Levende Talen Tijdschrift 5 (2004), H. 1, S.19-25, S20f. 159 Dirk Koldijk: Het literatuurboek Duits voor scholen van het VH. en MO., HAVO en VWO in de periode van 1920 tot 1975 : geschiedenis, ontwikkeling en canonvorming. Amsterdam: Universiteit van Amsterdam 1990, S.89. 160 mavo: Dieser Schultyp ist vergleichbar mit der Hauptschule in Deutschland. 161 Theo Witte, 2008, S.18f. 162 Marc Verboord, 2004, S. 20. 163 Martin Thijsen, 1985, S.14f. 53 Anforderungen gestellt werden. In den Examenanforderungen wird angeordnet diese Kenntnisse und Einsichten zu überprüfen. Für havo sollte 10 Werke und für vwo 13 Werke gelesen werden, von denen nur ein paar Werke in der Klasse besprochen werden durften.164 Dazu wird neben dem Lesen von älteren Werken auch das Lesen von (damals) gegenwärtiger Literatur verpflichtet.165 In der Unterstufe hatte Literaturunterricht keinen offiziellen Platz. Obwohl damals schon für Literaturunterricht in der Unterstufe aus mehreren Gründen, wie eine allmähliche literarische Entwicklung, plädiert wurde, wurde in der Unterstufe nur das Lesen von einfachen Texten vorgeschrieben.166 Die Diskussionen Literaturunterrichts über kamen die Ziele dann und nach der Einrichtung Einführung des der Bildungsreform erst richtig in Gang.167 Die Literaturdidaktik gewann auf Kosten von der Literaturwissenschaft an Gewicht 168 und in den Auffassungen zum Literaturunterricht stand nicht mehr der Lehrstoff, sondern der Schüler zentral. Auch sollte der Literaturunterricht mehr auf die Erwerbung von Einsicht und Kenntnis und nicht auf die Erwerbung von Faktenkenntnissen gezielt sein. Außerdem wurde zum ersten Mal von Lesefreude gesprochen und führte die Veränderung des Examenprogramms zur Diskussion über die Kanonbildung, da nun auch modernere Werke vorgeschrieben wurden.169 In den 70-er und 80-er Jahren entwickelten sich die Auffassungen über und Zielsetzungen von Literaturunterricht immer mehr in Richtung des Schülers. Diese Entwicklung wurde stark von der literaturwissenschaftlichen Rezeptionsästhetik beeinflusst, obwohl damals gerade dafür plädiert wurde, den Literaturunterricht mehr von der Literaturdidaktik und weniger von der 164 Martin Thijsen, 1985, S. 75. Idem, S. 15. 166 Idem, S. 33f. 167 Dirk Koldijk, 1990, S. 89. 168 Marc Verboord, 2004, S. 20. 169 Martin Thijsen, 1985, S.14-17. 165 54 Literaturwissenschaft bestimmen zu lassen.170 Im Literaturunterricht sollten die Leseerfahrungen des Schülers mehr in den Mittelpunkt gestellt werden und laut Thijsen sollte der Literaturunterricht, angesichts des allgemeinen Bildungszieles der weiterführenden Schule, mehrere Ziele verfolgen.171 Neben den schon existierenden Zielen, wie die historische und kulturelle Bildung und die literarischeästhetische und literarische-kritische Bildung, sollte der Literaturunterricht, anhand einer eklektischen Herangehensweise, auch andere Ziele Selbsterkundung, wie Lesefreude, künstlerische Persönlichkeitsbildung, Gesellschafts-orientierung, Spracherwerb Bildung, Lebensorientierung, und Landeskunde verfolgen.172 Diese Auffassungen hatten in der Praxis schon einen Fuß auf die Erde bekommen und wurde dann in den 90-er Jahren auch in die nächsten Bildungsreformen miteinbezogen.173 4.2 Literaturunterricht im heutigen Zeitbild Im Jahre 1998 wurde die Bildungsreform ‚Tweede Fase‘ (zweite Phase) für die Oberstufe der weiterführende Schule eingeführt. Diese Bildungsreform sollte die Unterschiede zwischen Schülern berücksichtigen und die Selbstständigkeit des Schülers fördern. Auch sollte die Effektivität des Unterrichts durch einen verbesserten Anschluss zwischen Hochschulwesen der vergrößert weiterführenden werden. Schule Außerdem und sollte dem die Professionalität der Lehrer und Schulorganisationen, mittels der Reform, gefördert werden.174 Die Schüler sollten aktiv und selbstentdeckend lernen und den Schwerpunkt des Unterrichts wurde von der Kenntnis auf die Fertigkeiten verschoben.175 Der schülerorientierte Ansatz, für den in den geführten Diskussionen 170 Martin Thijsen, 1985, S.31. Idem, S. 31. 172 Idem, S. 23-30. 173 Joop Dirksen, 2007. 174 Theo Witte, 2008, S.21. 175 Idem, S.21. 171 55 plädiert wurde, wurde in die Bildungsreform und auch in die Lehrpläne für Literaturunterricht Deutsch, die heutzutage noch immer gelten, aufgenommen. Literaturunterricht für das Fach Deutsch wurde, wie vor dem Jahr 1998, in die Abschlussziele der Schultypen havo und vwo aufgenommen. Die Abschlussziele für Literatur wurden in drei Kategorien unterteilt: literarische Entwicklung, literarische Begriffen und Literaturgeschichte. 176 Um die literarische Entwicklung zu zeigen soll der Schüler auf eine begründete Weise über seine Leseerfahrungen mit wenigstens drei literarischen Werken berichten können. Dies gilt für havo als auch für vwo. Für havo ist dieses Abschlussziel gleich das Einzige. Für vwo kommen noch die literarischen Begriffen und die Literaturgeschichte hinzu. Der vwo-Schüler soll literarische Textsorten erkennen und unterscheiden können und er soll bei der Interpretation von literarischen Texten literarische Begriffen verwenden können. Schließlich soll er einen Überblick von den Grundzügen der Literaturgeschichte geben können und die gelesenen Werke in diesen historischen Kontext stellen können. Die Abschlussziele zeigen, dass das Hauptziel des Literaturunterrichts die Erwerbung der literarischen Kompetenz ist. Da die Pflichtlektüre in dieser Bildungsreform von 13 bzw. 10 literarische Werke auf nur 3 literarische Werke Literaturunterricht beschränkt eine Fremdsprachenunterricht wurde, zeigt, untergeordnete spielt. Das dass Rolle allgemeine Ziel der im des Fremdsprachenunterrichts ist die Kommunikation. Dies ist auch nachdrücklich in den Kernzielen für das Fach Deutsch in der Unterstufe zurück zu finden. Das Thema Literatur wird in diesen Kernzielen überhaupt nicht erwähnt.177 In dieser Bildungsreform wurde die deutsche Literatur zusammen mit der niederländischen, englischen und französischen Literatur als ein 176 Daniela Fasoglio und Dick Meijer: Handreiking schoolexamen moderne vreemde talen havo/vwo. Tweede fase: Duits, Engels, Frans. Enschede: SLO 2007, S.55. 177 Bas Trimbos: Handreiking nieuwe onderbouw moderne vreemde talen. Enschede: SLO 2006, S. 15. 56 getrenntes Fach Literatur bewertet. Dabei hatten die Schulen die Möglichkeit den Literaturunterricht der verschiedenen Sprachen in einem integrierten Literaturunterricht (GLO) oder als Teil der jeweiligen Fremdsprache Literaturunterricht konnte anzubieten. aber keinen Dieser festen integrierte Platz an den weiterführenden Schulen erobern.178 Im Jahre 2007 wurde in einer der Anpassungen an der Bildungsreform, den Schulen wieder die Möglichkeit gegeben, den Literaturunterricht innerhalb seines (Fremd)Sprachunterrichts zu benoten.179 Obwohl der Literaturunterricht Deutsch nach dieser Bildungsreform inhaltlich verändert und vor allem abgespeckt wurde, gibt es noch viele Schwachstelle bzw. Probleme im Literaturunterricht, woran, vor allem der Lesemotivation wegen, gearbeitet werden kann. 4.3 Probleme des Literaturunterrichts Der neue Platz des Literaturunterrichts innerhalb des fremdsprachlichen Deutschunterrichts und der allgemeine Rückgang des Lesens180 haben dem Literaturunterricht wenig Gutes gebracht. Obwohl die neuen erleichterten Anforderungen an die Schüler, und der schülerorientierte Ansatz eine positive Auswirkung auf den Literaturunterricht haben sollten, ist die Weise, in der der Literaturunterricht heutzutage funktioniert, nicht befriedigend. Theo Witte181 hat für den Literaturunterricht Niederländisch untersucht, woran dies liegen könnte. Seine Empfehlungen und Lösungen anhand der Untersuchungsresultaten sind jedoch auch für den 178 Cor Geljon: GLO: the state of the art. Hoe staat het nieuwe vak ervoor? In: Tsjip/Letteren 13 (2003), H. 2, S.39-42. 179 Bob Huijssoon, Marlies van Tooren und Piet Groenewegen: Zakboek Tweede Fase: Tweede fase oude regeling en vernieuwde tweede fase. Den Haag: Tweede Fase Adviespunt 2007, S. 59. 180 Theo Witte 2008, S. 37. 181 Idem. 57 fremdsprachlichen Literaturunterricht gemeint und auf der Website www.lezenvoordelijst.nl zusammengebracht. Der Kern der Probleme ist laut Theo Witte182 die fehlende Abstimmung zwischen dem Schüler und dem Literaturunterricht und das Fehlen eines strukturierenden Lehrplans. Der Schüler braucht heutzutage weniger zu lesen und für Literaturunterricht wird auch immer weniger Zeit eingeräumt. Doch wird von den Schülern (vor allem von den vwo-Schülern) ein bestimmtes Niveau und eine bestimmte Vertiefung erwartet, die meistens in kürzer Zeit (2 oder 3 Jahre Oberstufe) erreicht werden müssen. Dies hat zur Folge, dass das Niveau für die Schüler einfach zu hoch ist und sie beim Lesen große Schwierigkeiten erfahren. Es gibt also keine gute Abstimmung zwischen dem Niveau und den Leseerfahrungen der Schüler und dem Text. In den meisten Fällen fehlt es an einer longitudinalen Lernlinie in dem Schwierigkeitsgrad der literarischen Werke. Auf diese Weise können die Schüler ihre erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ohne weiteres bei einer neuen Leseaufgabe benutzen. Ein zweites Defizit in Differenzierungsproblem. Die der Abstimmung Schüler haben ist das unterschiedliche fremdsprachliche und literarische Niveaus, Interessen und Attitüden gegenüber dem Literaturunterricht. Dem Lehrer mangelt es an Kenntnissen über die unterschiedlichen literarischen Niveaus und weiß also nicht, wie mit diesen Niveaus in einem entwicklungsorientierten Literaturunterricht umgegangen werden soll. Auch ist dem Lehrer meistens nicht klar, welche didaktischen Herangehensweisen und Begleitungsstrategien für die unterschiedlichen Interessen und Attitüden geeignet sind. 182 Theo Witte, 2007. 58 Außer der fehlenden Kenntnis der unterschiedlichen literarischen Niveaus, zeigen auch die vielen unterschiedlichen Auffassungen, Zielsetzungen und Herangehensweisen innerhalb einer Fachgruppe, dass es oft an einem strukturierten und entwicklungsorientierten Lehrplan für den Literaturunterricht mangelt. Diese genannten Aspekte frustrieren und demotivieren die Schüler und tragen bei an den Problemen im Literaturunterricht. Theo Witte hat in seiner Untersuchung praktische und didaktische Empfehlungen und Hinweise gegeben, die zur Bewältigung dieser Probleme beitragen können. 4.4 Empfehlungen und Hinweise zum Lehrplan Bevor Theo Witte seine Instrumente, die als Basis eines strukturierten Lehrplans dienen, erklärt, stellt er zuerst fünf Grundsätze zum entwicklungsorientierten Literaturunterricht vor. 183 Erstens müssen unterschiedliche Niveaus oder Phasen definiert werden, die den Schülern und dem Lehrer eine Orientierungsbasis geben können. Zweitens sollte das Fundament des Schülers in jeder Stufe seiner Entwicklung stark genug sein, um erfolgreich einen Schritt weiter machen zu können. Drittens sollte diese Entwicklung durch aktive Erkundung stimuliert und durch soziale Interaktion mit Altersgenossen, Lehrern und anderen Lesern vermittelt werden. Viertens sollte der Schüler zur Stimulation seiner Entwicklung konfrontiert werden mit Aktivitäten, die zu kognitiven Konflikten in seinem Bereich der nahe gelegenen Entwicklung führen. Die Aktivitäten sollten den Schüler also herausfordern. Wichtig dabei ist es, dass die Aufgaben und Aktivitäten textabhängig und vielseitig sind. Auch sollte das Ziel der Aufgabe für Lehrer und Schüler klar sein. Letztlich ist es sehr wichtig, dass das Lesen und die Erledigung der Aufgaben dem Schüler Befriedigung bringen. Anstrengung und 183 Theo Witte, 2008, S.292. 59 Resultat sollten also im Gleichgewicht sein. Wenn der Schüler nur ein Häkchen für seine schwere Arbeit bekommt, dann wirkt das sehr demotivierend. Theo Witte unterscheidet in der Literaturentwicklung sechs Niveaus.184 Zu den Niveaus beschreibt er auch didaktische Hauptziele. Diese Ziele dienen als Handlungsorientierung für den Lehrer, um die Entwicklung des Schülers zu stimulieren.185 Die Niveaus werden hier in einer verkürzten Version wiedergegeben.186 Niveau 1: Das erste Niveau beschreibt den erlebenden Leser. Dieser Schüler hat eine sehr beschränkte literarische Kompetenz und noch wenige Erfahrungen mit dem Lesen von Literatur. Die Texte die gelesen werden sind sprachlich und literarisch einfach und passen inhaltlich zur der Erlebniswelt des Lesers. Der Bedarf an Spannung und Drama prägen seine Literaturauffassung und Leseattitüde. Hauptziele auf diesem Niveau sind das elementare Textverständnis, die Realisierung von Erfolgserlebnissen und das Durchbrechen der Hemmschwelle zur Erwachsenenliteratur. Niveau 2: Das zweite Niveau beschreibt den erkennenden Leser. Der Schüler hat eine beschränkte literarische Kompetenz und ein bisschen Erfahrung mit Literatur, aber nicht mit Erwachsenenliteratur. Er kann sehr einfache literarische Texte lesen, verstehen und schätzen. Er kann über seine persönliche Leseerfahrung und über seinen Geschmack berichten. Die Texte die gelesen werden, passen noch immer zur Erlebniswelt des Schülers. Auf diesem Niveau ist die Verstärkung der persönlichen Beteiligung des Schülers an dem Inhalt des Textes, an dem Lehrstoff und der Aufgaben das Hauptziel. 184 Theo Witte, 2007. Für eine ausführlichere Beschreibung der Niveaus: Theo Witte 2007 & 2008. 186 Theo Witte: Beknopt overzicht niveaukenmerken – Lezen voor de lijst. duits.lezenvoordelijst.nl Zugriff am 07.06.14. 185 60 Niveau 3: Das dritte Niveau beschreibt den reflektierenden Leser. Der Schüler hat eine einigermaßen beschränkte literarische Kompetenz und ist imstande, einfache literarische Werke zu verstehen, zu interpretieren und zu schätzen. Er kann anhand eines literarischen Werkes mit Mitschülern über gesellschaftliche, psychologische und moralische Fragen diskutieren. Literatur wird als Mittel gesehen, die Welt zu erkunden und eigene Gedanken über allerhand Fragen zu bilden. Auf diesem Niveau ist es das Hauptziel die Reflexion und Diskussion über den Text zu verstärken. Diese Reflexion und Diskussion finden anhand eigener Analysen des Handlungsablaufs, des Verhaltens und der Entwicklung der Personen statt. Niveau 4: Das vierte Niveau beschreibt den interpretierende Leser. Der Schüler hat eine einigermaßen erweiterte literarische Kompetenz und Erfahrung mit dem Lesen einfacherer Erwachsenenliteratur. Die Bereitschaft sich in komplexen Ereignissen und Emotionen von Erwachsenen zu vertiefen, kennzeichnet die Leseattitüde dieses Schülers. Auch blüht das literarisch-ästhetische Verständnis bei diesem Schüler auf. Das Hauptziel ist, dass der Schüler sich weiter in die Personen, die Ereignisse und die Erzähltechnik vertieft, die Struktur analysiert und mit anderen Lesern über die Bedeutung des Werkes diskutiert. Überdies wird zum Ziel gesetzt, dass der Schüler über die ästhetische Qualität der Werke reflektiert. Niveau 5: Der Leser hat auf diesem Niveau eine erweiterte literarische Kompetenz und wird auch als einen literarischen Leser beschrieben. Der Schüler hat reichliche Erfahrungen mit dem Lesen literarischer Werke und kann komplexe und alte literarische Werke verstehen, interpretieren und schätzen und mit anderen Gedanken über die Leseerfahrung, die Interpretation und den Geschmack austauschen. Das Interesse an dem Kanon, den literarischen 61 Konventionen, den kulturhistorischen Hintergründen und an manchen klassischen Schriftstellern kennzeichnet die Leseattitüde dieses Schülers. Auf diesem Niveau ist die Vertiefung in den Text in Rahmen seines literarisch-historischen Kontextes das Hauptziel. Ein weiteres Ziel ist die Erweiterung der literarischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Stilistik, der literarischen Konventionen und der Literaturgeschichte. Niveau 6: Dieses Niveau beschreibt den akademischen Leser. Der Schüler hat eine sehr erweiterte literarische Kompetenz und hat auch Erfahrungen mit dem Lesen literarischer Werke der Weltliteratur. Er ist dazu fähig, Literatur in einen größeren Rahmen einzuordnen und seine Leseerfahrung und Interpretation mit Experten auszutauschen. Durch die Belesenheit, hoch entwickeltes Allgemeinwissen und die spezifische, kulturelle und literarische Kenntnis ist der Schüler imstande sowohl innerhalb als auch außerhalb des Textes Zusammenhänge herzustellen und Bedeutungen zu erzeugen. Die Leseattitüde des Schülers ist literarisch-kritisch und wird durch Vielseitigkeit, Begeisterung und Betroffenheit für wissenschaftliche Fachliteratur gekennzeichnet. Auf diesem Niveau ist es das Ziel, die Untersuchungshaltung des Schülers zu fördern. Auf diese Weise kann er seine literarische Kenntnis auf literaturwissenschaftlichem Niveau vertiefen und erweitern und in andere Kenntnisbereichen integrieren. Diese beschriebenen Kompetenzniveaus bieten dem Schüler eine Orientierung in ihrer literarischen Entwicklung und könnten deswegen zu einem positiven Selbstkonzept und einer positiven Selbstwirksamkeit beitragen. Für den Lehrer bietet dieses Kompetenzinstrument eine Basiskenntnis und eine Grundlage für einen gut strukturierenden Lehrplan, die zur Orientierung im didaktischen Handeln dienen kann. Auf diese Weise kann der Lehrer dem Schüler das richtige Buch und die richtigen Aufgaben auf dem 62 richtigen Moment geben. Damit kann eine richtige Abstimmung auf den Schüler und Differenzierung innerhalb des Literaturunterrichts ermöglicht werden. Differenzieren bleibt laut Theo Witte187 aber eine schwierige Sache, da die Umstände im heutigen Literaturunterricht dafür eher ungünstig sind. Die Anzahl der Kontaktstunden im Literaturunterricht ist gering und als Lehrer hat man nicht immer die Möglichkeit den Schüler kennen zu lernen und Jahr nach Jahr in seiner Entwicklung zu begleiten. Im fremdsprachlichen Literaturunterricht sind diese Umstände, meiner Meinung nach, noch ungünstiger, weil es noch weniger Zeit für Literaturunterricht gibt. Auch werden die literarischen Werke oft in der Klasse gemeinsam gelesen, weil die sprachliche Schwierigkeiten das globale Textverständnis erschweren und diese Schwierigkeiten in der Klasse einfacher gemeinsam bewältigt werden können. Dies macht jedoch einen individuellen Lernweg, auf dem der Schüler jeder seine eigene Werk auf seinem eigenen Niveau wählen kann, problematisch. Natürlich wäre es dann schon noch möglich Texte auszusuchen die inhaltlich zu der Erlebniswelt der Schüler passen, damit sie mehr an dem Text interessiert sind und Beteiligung am Text erfahren können. Weiter wäre es möglich Begleitungsstrategien Begleitungsstrategien zu in den Verarbeitungsaufgaben und differenzieren. werden weiter Die in unterschiedlichen diesem Abschnitt besprochen. Theo Witte stellt,188 dass im Literaturunterricht Deutsch für havo das Niveau 3 als Abschlussniveau normal ist und, dass das Niveau 4 als hoch zu bezeichnen ist. Für das Schultyp vwo gelten dafür Niveau 4 bzw. Niveau 5. Oft hat der Schüler wenn er in die Oberstufe kommt, aber noch zu wenig oder gar keine Schritte in seiner literarischen Entwicklung gemacht, um dieses Niveau zu erreichen. Es ist also zu spät, um in erst in der Oberstufe damit anzufangen, an der literarischen Entwicklung zu arbeiten. In der Unterstufe sollte schon 187 188 Theo Witte, 2008, S. 34. Theo Witte: Lezen voor de lijst - toelichting. duits.lezenvoordelijst.nl Zugriff am 07.06.14. 63 damit angefangen werden, Niveau 1 und Niveau 2 zu erreichen. Wie dieser Aufbau inhaltlich und praktisch realisiert werden kann, wird im nächsten Kapitel beschrieben. Um zu einem strukturierten entwicklungsorientierten Literaturunterricht zu kommen, muss laut Theo Witte189 zuerst innerhalb der ganzen Fachgruppe (Unterstufe und Oberstufe) einen breit getragenen Lehrplan entwickelt werden. Wichtig dabei ist, dass die unterschiedlichen Auffassungen, Ziele, Anforderungen und Herangehensweisen von den unterschiedlichen Lehrer diskutiert werden und, dass man zu einem Konsens kommt. Nur wenn innerhalb der Fachgruppe Übereinstimmung über diese Sachen ist, dann kann der Schüler im Laufe der Schuljahre, unter Begleitung unterschiedlicher Lehrer, strukturiert an seiner Literaturentwicklung arbeiten. Meiner Meinung nach wäre es auch gut, den Lehrplan außerhalb der Fachgruppe mit Lehrern anderer Fachgruppen wie Niederländisch, Französisch, Englisch, Kunst und vielleicht Geschichte zu besprechen. Es wäre dann empfehlenswert, zwischen den unterschiedlichen Fachgruppen auch zur Überstimmung zu kommen über zum Beispiel die literarischen Begriffen die im Unterricht benutzt werden sollen, oder über welche literarischen Epochen und Strömungen (separat oder gemeinsam oder vielleicht überhaupt nicht) behandelt werden sollen. Theo Witte190 meint, dass die Schüler oft überfordert werden. Um einen Text in seinen literarisch-historischen Kontext stellen zu können, braucht ein Schüler die literarische Kompetenzen die zum Niveau 5 gehören. Viele Schüler haben dieses Niveau aber nicht. Deswegen meint er, dass innerhalb der Fachgruppe die Anforderungen an die Schüler angepasst werden sollen. Die Anforderungen sollten realistisch und machbar sein. Damit bin ich absolut einverstanden. Als mögliche Probleme des Literaturunterrichts nennt Theo Witte191 den Zeitmangel und die ungenügende Kenntnis des Lehrers. Theo Witte 189 Theo Witte, 2007. Idem. 191 Theo Witte, 2008, S. 40. 190 64 meint dazu, dass Qualität wichtiger ist als Quantität. Es ist zum Beispiel besser, eine literarische Epoche gut und ausgebreitet zu behandeln, als mehrere Epochen zu minimal zu behandeln. Der Lehrer kann seinen Enthusiasmus und seine Kenntnis auch besser in einer Gattung, Epoche oder Strömung vermitteln, die ihm liegt und gefällt. Auch haltet Theo Witte die selbstständige und abgesonderte Verarbeitung, die oft wegen Zeitnot gewählt wird, als eine schlechte Arbeitsform für den Literaturunterricht. Im Literaturunterricht ist Interaktion und Begleitung unentbehrlich für die Entwicklung. In Bezug auf diese Begleitung hat Theo Witte192 anhand drei Aspekte fünf Schülertypen beschrieben. Die drei Aspekte sind Motivation, Kompetenz und Selbstständigkeit. Diese drei Aspekte können anhand persons- und aufgabenorientierter Begleitungsstrategien stimuliert werden. Der erste Typ beschreibt den schwierigen Schüler. Seine Motivation, Kompetenz und Selbstständigkeit sind schlecht. Er meidet den Lehrer und distanziert sich vom Literaturunterricht. Stimulierende Begleitungsstrategien für diesen Schüler sind dirigieren und kontrollieren. Diese Strategien sollten dazu beitragen, dass der Schüler seine Aufgabe erledigt, aufmerksam bleibt und Erfolg hat. Der zweite Typ ist der Arbeitstier. Dieser Schüler ist ziemlich motiviert, hat eine ungenügende Kompetenz und seine Selbstständigkeit ist mittelmäßig. Koordinieren und ermuntern hilft diesem Schüler. Dieser Schüler braucht gezielte Hinweise und Anerkennung für seinen Einsatz. Der dritte Typ ist der kluge Faulpelz. Dieser Schüler ist literarisch kompetent, eher unmotiviert und seine Selbstständigkeit ist mittelmäßig. Begleitungsstrategien für diesen Schüler sind zusammenarbeiten, herausfordern und kontrollieren. Seine Kompetenz muss anerkannt werden und er braucht Kontrolle. Er soll jedoch nicht in eine Zwangsjacke gesteckt werden. Der vierte Typ ist der Durchschnittschüler. Dieser Schüler ist kompetent, motiviert und ziemlich selbstständig. Er strebt aber nicht nach einem hohen Niveau und vermeidet Risiken. Diesen Schüler 192 Idem, S. 413ff. 65 soll man herausfordern und ermutigen. Interaktion mit dem Lehrer ist sehr wichtig bei diesem Schüler. Der letzte Typ ist der ideale Schüler. Dieser Schüler ist sehr motiviert, kompetent und selbstständig und strebt nach einem hohen Niveau. Inspirierend und delegieren sind die Begleitungsstrategien für diesen Typ. Dieser Schüler braucht auch herausgefordert zu werden, damit er nicht zum klugen Faulpelz wird. Diese Strategien können bei der Differenzierung in der Begleitung helfen und dazu beitragen die Lesemotivation aller Typen Schüler zu fördern. In diesem Kapitel wurde nachgegangen wie der Literaturunterricht sich in den vergangen Dezennien entwickelt hat. Vor allem die Auffassungen und Anforderungen des Literaturunterricht haben sich ziemlich geändert. Weiter wurde nach Theo Witte erörtert was die Probleme des heutigen Literaturunterrichts sind und wie diese Probleme vor allem in Bezug auf dem Lehrplan bewältigt werden könnten, damit auch die Lesemotivation der Schüler gefördert wird. Im nächsten Kapitel kommt es dann weiter zur Didaktik und zum tatsächlichen Inhalt des Literaturunterricht: Von Auswahlkriterien über Vorüberlegungen bis hin zur tatsächlichen Textarbeit. 66 5 Literaturvermittlung In diesem Teil geht es um die Gestaltung des Literaturunterrichts und auf welche Weise diese dazu beitragen könnte, die Lesemotivation der Schüler zu verbessern. Die Einsichten zu den unterschiedlichen Aspekten des Entwicklung, Literaturunterrichts (Lesekompetenz, Fremdsprachendidaktik, literarische Literaturdidaktik, Lesemotivation) werden dabei miteinbezogen. Dabei geht es vor allem um den Prozess der Literaturvermittlung, um Sachen die man bei der Literaturvermittlung, auch schon im Voraus, beachten muss. Es wird in diesem Teil nicht beabsichtigt Fertigdidaktisierungen zu geben. Eher wird beabsichtigt Hinweise für den ganzen Prozess der Literaturvermittlung zu geben, also welche Gedanken man schon im Voraus machen muss in Bezug auf Lernziel, Zielgruppe, Niveau, Material, Didaktisierung, usw., um die Lesemotivation fördern zu können. 5.1 Auswahlkriterien Bevor man sich mit den inhaltlichen didaktischen Ansätzen für Literaturvermittlung beschäftigen kann, muss zuerst die Frage nach, sowie Hunfeld das formuliert, „der Qual der Wahl“,193 gestellt werden. Bei diesem ersten Schritt, liegt meines Erachtens eine große Möglichkeit, die Lesemotivation der Schüler zu fördern. Podergajs194 unterschreibt die Bedeutung der Textauswahl und erörtert dies in ihrem Beitrag Vor dem WIE kommt das WAS. Eine Fallgrube bei der Textauswahl ist der eigene Geschmack, der die Textauswahl nicht bestimmen sollte. Laut Koppensteiner „besteht für Lehrende eine Art 193 Hans Hunfeld: Kriterien literarischer Wertung aus der Perspektive des Didaktikers. In: Ders. Literatur als Sprachlehre: Ansätze eines hermeneutisch orientierten Fremdsprachenunterrichts. Berlin: Langenscheidt 1990b, S. 92-103, S. 103. Zitiert nach Koppensteiner, 2001, S. 41. 194 Klavdija Hrenko Podergajs: Vor dem WIE kommt das WAS. Einige Textauswahlkriterien im DaF-Literaturunterricht. In: Schaurein 17 (2004), H. 1, S. 13-15. 67 Zwang, Kriterien nicht aus privater, aus persönlicher Voreingenommenheit aufzustellen, sondern sie immer in einen pädagogischen Kontext zu stellen.“195 Die Bedingungen dieses pädagogischen Kontextes sind nicht statisch, und damit haben die Kriterien zum Textauswahl sich auch geändert. Früher war das Produkt, der Text noch der Mittelpunkt, wobei das Künstliche und das Literarische hoch im Kurs standen. Heutzutage wird die Didaktik des Literaturunterrichts aus der Rezeptionsästhetik abgeleitet und damit wurde der Mittelpunkt vom Produkt auf den Leser verlagert. Dies hatte zur Folge, dass die Auswahlkriterien sich änderten und sich mehr auf den Leser ausrichteten. Die folgenden Kriterien von Koppensteiner,196 die auf der Didaktik der Rezeptionsästhetik aufbauen, sind nicht bei allen Texten anzuwenden und brauchen auch nicht alle immer eingehalten zu werden. Laut Koppensteiner müssen diese Kriterien auch nicht als Katalog von schlechten oder guten Texten gesehen werden, sie müssen jedoch schon bei der Textauswahl berücksichtigt werden. In dieser Arbeit dienen diese Kriterien auch dasselbe Ziel. Inhaltliche und sprachliche Angemessenheit, Altersgemäßheit Im Fremdsprachenunterricht spielt heutzutage das pädagogische Ziel eine große Rolle und deswegen ist der Fremdsprachenunterricht auch sehr schülerorientiert. Demzufolge spielt der Schüler bei der Textauswahl eine große Rolle. Natürlich wird der Lehrer bei der Textauswahl durch sein „berufsmäßiges Interesse“197 beeinflusst, aber er sollte seine Wahl nicht nur durch seinen persönlichen Geschmack bestimmen lassen. Es ist nämlich sehr gut möglich, dass der Geschmack des (oft jugendlichen) Schülers nicht mit dem Geschmack Textauswahl des (oft braucht älteren) also auf Lehrers übereinstimmt. mehrere Bereiche Die eine Angemessenheit in Bezug auf den Schüler. So ist das intellektuelle 195 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 41. Idem, S. 41ff. 197 Idem, S. 42. 196 68 und das sprachliche Niveau des Lesers zu beachten. Der Text soll intellektuell und sprachlich nicht zu schwierig sein, aber auch nicht zu einfach. Da soll nach einer Balance gesucht werden müssen. Der Text muss den Leser ständig herausfordern. Man muss dabei die Vorkenntnisse, das Weltwissen, die Vorbildung und die sprachliche Kompetenz des Schülers befolgen, um die Entwicklung des Schülers fördern zu können. Dass dieser Schwerpunkt eine wichtige Rolle spielt bei der Förderung der Lesemotivation wurde im vorigen Kapitel schon erklärt. Weiter soll der Text dem Alter und der Erfahrungshorizont des Schülers entsprechen. Schüler sind mehr motiviert einen Text zu lesen über ein Thema wo sie Affinität zu haben und das passt zu ihrer Erlebniswelt. Aufbau ist dabei ein Schlüsselwort. Die Entwicklung der Textauswahl, in Bezug auf die inhaltlichen und sprachlichen Schwierigkeit, muss simultan ablaufen an die sprachliche, intellektuelle und emotionale Entwicklung der Schüler. Vor allem im Anfangsunterricht müssen die Schüler positive Erfahrungen mit Literatur sammeln, damit sie Lust bekommen mehr zu lesen und sich auf literarischem Gebiet weiter zu entwickeln. Ein Fehlstart kann die Lust zum weiteren Literaturunterricht verderben. Aktualität Mit Aktualität wird nicht gemeint, dass die ausgewählten Texte immer neue Texte sein müssen. Vielmehr wird damit gemeint, dass die Themen der Texte geeignet sein müssten, um in die Gegenwart, in die Aktualität übertragen zu werden, damit die Schüler sich an der Geschichte beteiligen können. Koppensteiner nennt dazu die folgenden Themen: „persönliche Erlebnisse, Gefühle, Erfahrungen; aktuelle Probleme in ihrer Gesellschaft; zeitlose, allgemein menschliche Themen, mit denen sie persönlich etwas zu tun haben“.198 198 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 43. 69 Positive Konnotationen vs. Provokation Koppensteiner beleuchtet diesen Diskussionspunkt aus zwei Seiten und stellt dazu verschiedene Argumente dar. Soll ein Text positive Konnotationen haben oder Koppensteiner erörtert soll er einerseits den die Leser provozieren? Meinung von Ingrid Mummert.199 Sie betont die Relevanz der positiven Konnotationen als Hilfe zu einem positiven Bild über das Zielsprachenland. Die Schüler brauchen zu einer positiven Einstellung zum Zielsprachenland, zur Fremdsprache und zum Literaturunterricht motiviert zu werden. Provozierende Texte würden ihrer Meinung nach ein verzerrtes Bild vom Zielsprachenland geben. Anderseits gibt er die Meinung von Helmut Hofmann wieder. Hofmann meint, dass man Texte benutzen muss „in denen Konfliktfelder aufgesucht werden und gesellschaftliche, kulturelle und andere Probleme thematisiert werden“,200 damit die Leser zur Äußerung provoziert werden. Auf diese Weise können provozierende Texte sicherlich als Diskussionstrigger in der Klasse dienen und ein (fremdsprachliches) Gespräch über einen fremdsprachlichen Text und vielleicht über gesellschaftliche Koppensteiner Probleme meint, dass im Zielsprachenland, für beide auslösen. Einstellungen im Literaturunterricht Platz ist. Gegen affirmative Texte hat er nichts einzuwenden, und zu provozierenden Texten, sagt er, dass es jedenfalls erlaubt sein muss, sie auszuwählen. Er macht aber dazu schon eine Randbemerkung. Man kann bei provozierenden Texten den sogenannten Irritationsfaktor als Auslöser zu didaktischen Zwecken nutzen, aber man muss dafür aufpassen dabei keine Tabus und Gefühle zu verletzen. Dies könnte dazu führen, dass die Schüler sich ärgern und sich nicht mehr zum Äußern trauen. Laut Ingrid Mummert: Literatur macht Spaß – auch in der Fremdsprache. Überlegungen zu einem kommunikativen Umgang mit fremdsprachiger Literatur. In: Literarische Texte in der Unterrichtspraxis I. Seminarbericht. München: Goethe-Institut 1984, S. 33-46, S. 42. 200 Helmut Hofmann: Zur Integration von literarischen Texten in einem kommunikativen Sprachunterricht. In: Authentische Texte im Deutschunterricht: Einführung und Unterrichtsmodelle. Hg.von Christoph Edelhoff. München: Hueber 1985, S. 150-158, S. 151. Zitiert nach: Koppensteiner, 2001, S. 44. 199 70 Koppensteiner sei „Enthaltsamkeit bei kritischen und provozierenden Texten jedoch insgesamt nicht empfohlen, aber auch nicht exklusive Problemlastigkeit“.201 Als Lehrer sollte man dann einen Mittelweg finden müssen. In Bezug auf die Lesemotivation scheint es mir vernünftig, vor allem im Anfangsunterricht die Schüler so viel wie möglich für den fremdsprachlichen Literaturunterricht zu motivieren. Texte mit positiven Konnotationen könnten eher positivere Gefühle gegenüber dem fremdsprachlichen Literaturunterricht erwecken und den würde ich dementsprechend den Vorzug geben. Wenn die Schüler sich mehr sprachlich, intellektuell und emotionell entwickelt haben, gibt es meines Erachtens auch Platz für mehr provozierende Texte, wobei dann den Irritationsfaktor didaktisch ausgenutzt wird. Kontrastierung verschiedenartiger Texte Der Gebrauch von verschiedenartigen Texten zum selben Thema, sollte, so stellt Koppensteiner,202 Diskussionen anregen. So können unterschiedliche Themen wie zum Beispiel Natur, Lebensläufe, Krieg und Frieden, Liebe, usw. mittels verschiedener Texte behandelt werden. Meines Erachtens ist auch hier den Aufbau der inhaltlichen Schwierigkeit der verschiedenen Textsorten zu beachten. Man könnte zum Beispiel im ersten Lehrjahr Deutsch anfangen mit Kinder-/ Jugendgedichte, konkrete Poesie, Lieder, Märchen und Fabel, um dann nachher Jugendliteratur zu lesen. Es gibt auf diese Weise nicht nur eine Entwicklung in Bezug auf inhaltliche und sprachliche Schwierigkeit aber auch auf das intellektuelle Niveau der verschiedenen Textsorte. Die inhaltliche und sprachliche Schwierigkeit des Textes wird so an die Schüler angepasst und die Schüler lernen verschiedene Textsorte kennen. 201 202 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 45. Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 45. 71 Vergrößerung des Wahrnehmungsfeldes Die Ziele des Literaturunterrichts und der Erfahrungshorizont müssen stets erweitert und vergrößert werden. Die literarische Texte sollten an das Niveau, die Vorbildung, den Erfahrungshorizont und die Altersstufe der Schüler angepasst werden. Es darf für die Schüler auf verschiedenen Gebieten nicht zu leicht und nicht zu schwierig sein; thematisch, sprachlich, inhaltlich, intellektuell und emotional. Der Text sollte dem Schüler noch immer etwas bringen können und sollte damit als Erweiterung der Lebens- und Leseerfahrung dienen. Berücksichtigung charakteristischer Merkmale der Varianten deutscher Sprachkultur Koppensteiner203 plädiert in seiner Arbeit dafür, dass die ganze gemeinsame deutsche Sprachkultur im DaF-Unterricht berücksichtigt wird. Das heißt, dass die österreichische und schweizerische Literatur auch im DaF-Unterricht miteinbezogen werden müssen, da Österreich und die Schweiz auch zum deutschen Sprachraum und zur deutschen Sprachkultur gehören. Meiner Meinung nach, sollte hierbei auch die literarische Entwicklung des Schüler beachtet werden. Ein breiterer historischer und kultureller Kontext könnte den Schüler überfordern. Interkulturelle Perspektive Die interkulturelle Kommunikation als Teil des Literaturunterrichts, wird von Koppensteiner nur kurz besprochen. Dieser Aspekt ist aber sehr wichtig für das Verstehen des Fremden im Fremdsprachunterricht, aber auch für die Lesemotivation. Deswegen darf sie, meiner Meinung nach, vor allem auf einem höheren Entwicklungsniveau, eine größere Rolle zugeteilt werden. Literatur ist ein wichtiger Teil der interkulturellen Kommunikation. Da nicht jeder Fremdsprachlerner das Zielsprachenland besucht bzw. besuchen kann oder will, ist Literatur für sie die einzige authentische Weise, mit 203 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 46. 72 der Zielsprachenkultur in Kontakt zu kommen und das Land, die Leute und die Kultur kennen zu lernen. Literarische Texte verbinden die Fremdsprachlerner also mit der Kultur des Zielsprachenlandes. Wie die Schüler dieses Land und diese Kultur kennen lernen, hängt demzufolge mit den Texten, die vom Lehrer gewählt werden und von der Weise, in der mit den Texten und ihre Inhalte umgegangen wird, zusammen. Der Lehrer soll sich seines Anteils im Vorstellungsprozess der Schüler bewusst werden. Die Textauswahl des Lehrers und die Weise, in der er mit dem Text und zum Beispiel mit dem Irritationsfaktor umgeht, ist sehr bestimmend für das Bild, das die Schüler von der deutschen Kultur bekommen werden. Die Schwierigkeit in Bezug auf die Wahl zwischen positiven und negativen Konnotationen, wurde schon im Abschnitt Positive Konnotationen vs. Provokation erörtert. Auch hier spielt meines Erachtens wieder der allmähliche Prozess eine wichtige Rolle, wobei am Anfang der interkulturelle Aspekt vor allem den Kulturvergleich dienen soll und zur Förderung der Lesemotivation Provozierung möglichst vermieden werden soll. Weiterhin gibt es für den Irritationsfaktor mehr Platz, obwohl Provozierungen immer von einem ausführlichen (historischen) Kontext begleitet werden müssen, damit mögliche Vorurteile und Fehlinterpretationen vermieden werden können. Freude an der Lektüre Freude beim Lesen sollte laut Koppensteiner204 selbstverständlich sein, ist aber leider nicht immer der Fall. Die Texte sollten dem Schüler Unterhaltsamkeit, Spannung und Selbstbegegnung bieten. Weiterhin meint Koppensteiner, dass es für die Leser Vergnügen bringt, auf eine poetisierende Weise mit Sprache umzugehen. Er nennt dieses Poetisieren „ein Grundbedürfnis des Menschen.“205 Dass die Freude an der Lektüre wichtig ist für die Lesemotivation der Schüler, steht natürlich außer Frage. Darum ist dieses Kriterium mir 204 205 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 46. Idem. 73 wichtig. Man kann dieses Kriterium einhalten, indem man die anderen vorher genannten Kriterien versucht einzuhalten. Meiner Meinung nach, sollten die Schüler den (vor allem nicht obligatorischen) Literaturunterricht immer als angenehm erfahren. Wenn die Schüler den Literaturunterricht nicht als angenehm erfahren, könnte das außer der Abnahme der Lesemotivation auch weitere negative Folgen mit sich bringen, wie Imageschäden für das Schulfach Deutsch, die Sprache, die Kultur und die Zielsprachenländer selbst. 5.2 Ausgangslage und Vorbereitung Im Folgenden werden die Aspekte behandelt, die man sich als Lehrer vor dem Literaturunterricht gut überlegen und beachten muss, um ihn so gut wie möglich vorbereiten zu können und die Schüler so gut wie möglich in ihrem Lern- und Leseprozess begleiten zu können. Dies wird demzufolge auch der Lesemotivation zugutekommen. Aber bevor diese Aspekte weiter erörtert werden, wird zuerst das Fundament dieser Literaturdidaktik, nämlich die Rezeptionsästhetik, und dann vor allem ihre didaktischen Folgen für den Literaturunterricht, noch mal beleuchtet. Die Diskussion die von Koppensteiner206 schon erwähnt wurde, nämlich nach der Frage der Interpretationsfreiheit, wird hier nicht tiefer behandelt. Eher wird hier beschrieben wie die Rezeptionsästhetik den Literaturunterricht prägt und wie man als Lehrer damit umgehen könnte bzw. umgehen sollte. Die Text-LeserBeziehung steht in der Rezeptionsästhetik im Mittelpunkt207 und der Leser wird damit zum Mitspieler. Laut Ehlers208 bildet der Leser Zusammenhänge, um einen Text zu verstehen. Bei der Bildung dieser Zusammenhänge benutzt der Leser nicht nur den Inhalt des 206 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 33ff. Lothar Bredella, 1989, S. 51f. 208 Swantje Ehlers, 1992a, S. 13. 207 74 Textes aber auch die Perspektive und Absicht des Textes. Außerdem wird der Gedanken über den Sinn des Textes immer durch subjektiv- emotionale Faktoren des Lesers beeinflusst. Dabei ist es wichtig, nicht nur zu wissen was ein Leser versteht, sondern auch wie und wie weit der Leser den Text versteht. Der Leser gibt einem Text Sinn, aus seiner eigenen Perspektive, aus eigenen Erfahrungen, eigenem Weltwissen, eigener Vorkenntnisse und aus einem bestimmten kulturellen Raum. Man muss dabei als Lehrer aufpassen, dass der Leser nicht nur seine eigene Welt in den Text hinein projiziert, denn Vorurteile könnten einfach zu Missverständnissen führen. Diese Deutungen sollten dann anhand des Textes nochmal geprüft werden, in dem den Text nochmals gut gelesen wird. Um eventuelle Fehldeutungen zu vermeiden, ist es als Lehrer empfehlenswert die folgenden Fragestrukturen nach Ehlers,209 als Vorbereitung auf den Literaturunterricht zu benutzen. Diese Fragestrukturen sind Teil ihres Prüfkatalogs als Vorbereitung auf den Literaturunterricht. 1. Welche Sinn- und Verstehensebenen enthält der Text? Benutzen Sie dabei die Fragen zur Texterschließung: a) Wer spricht? b) Worüber wird gesprochen? c) Was wird darüber gesagt? d) Wie wird es gesagt? e) Welche Perspektive hat der Autor/Erzähler gegenüber dem, wovon er spricht? f) Welche Perspektive legt der Text dem Leser nahe – z.B. Identifikationen, Sympathien? g) Welche Perspektive hat möglicherweise der reale Leser (z.B. Ihre Lernergruppe?) 2. Was können Schwierigkeiten Ihre Schüler spontan fassen? Was – Sprache, Inhalte, Konnotationen bereiten? könnte (Wertungen)? 209 Swantje Ehlers, 1992a, S. 14ff. 75 3. Erfordert der Text ein Vorwissen, über das Ihre Schüler nicht verfügen? 4. Welche Textinhalte bieten Ihren Schülern wohl einen subjektiven Einstieg? a) Worauf könnten sie emotional reagieren? b) Was könnte sie interessieren? c) Was könnte ihre Aufmerksamkeit erregen? 5. Gibt es innerhalb des Textes Anknüpfungspunkte an die Erfahrungswelt Ihrer Schüler? – Bestehen Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und/oder Differenzen zwischen den beiden Welten? Zu diesen Fragen hat Ehlers noch einige Bemerkungen. Zur ersten Frage stellt sie, dass ein Globalverständnis des Textes oft ein erstes Ziel im Unterricht ist. Die Frage nach der Perspektive oder der Absicht des Autors kommt oft, abhängig von der Zielgruppe und von weiteren Lernzielen, erst nach verfeinerter Lektüre. Manchmal bleiben auch Zusammenhänge offen und können Fragen zum Text nicht gleich beantwortet werden. Dies sollte den Leser neugierig machen und Spannung erzeugen. Die offenen Fragen sprechen den Leser an und der Leser kommt in den Dialog mit dem Text. Laut Ehlers sollte der Lehrer diese „motivierende und Interesse weckende Kraft solcher Fragen“ benutzen, „um seine Schüler aktiv miteinzubeziehen und den Unterricht lebendig zu gestalten“.210 Zu der zweiten und dritten Frage empfiehlt Ehlers noch einige lerntheoretischen Einsichten zu beachten, die sehr wichtig sind im Literaturunterricht und in seiner Vorbereitung. Fang bei der Textarbeit an mit dem was für die Schüler leicht, einfach und konkret ist. Von dem Punkt aus könnte man die Textarbeit schwieriger, komplexer oder abstrakter machen, so dass die Verstehensgrundlage erweitert wird. Allerdings muss man, bevor man sie erweitern kann, genau wissen, was diese für die Schüler beinhaltet, also was der Startpunkt der Schüler ist. Manchmal muss 210 Swantje Ehlers, 1992a, S. 16. 76 diese Wissensgrundlage auch geschaffen werden, in dem Vorinformationen (schwierige Wörter, historischer und kultureller Kontext) gegeben werden und Vorkenntnisse aktiviert werden. Zu der vierten Frage betont Ehlers211 die Wichtigkeit des Beitrags der subjektiven Erfahrungen der Schüler. Der Unterricht sollte so gestaltet werden, dass die Schüler ihre eigenen Erfahrungen einbringen und ausdrücken können. Dies sorgt nicht nur dafür, dass die Schüler den fremdsprachlichen Text eigen machen können, sondern dies sorgt auch dafür, dass die Schüler mehr motiviert und interessiert sind. Sie sind laut Ehlers „dadurch nicht nur aufnahmebereiter, sondern sie können das Neue und das Fremde auch leichter verarbeiten, indem sie es mit ihrem persönlichen Erfahrungsbereich verbinden.“212 Außerdem fördert dieses gefühlsmäßige Verstehen eine intuitive Aneignung und Belebung eines Textes. Ehlers erweitert diesen Prüfkatalog mit noch einigen Fragen die im Voraus gestellt werden müssen:213 6. Welche Lehr- und Lernziele werden angestrebt? 7. Welche Verstehenstiefe bzw. welcher Grad der Auseinandersetzung mit dem Text soll erreicht werden? Dazu könnten zu diesen Fragen die folgenden Fragen gestellt werden: Wieviel sollen Ihre Schüler verstehen? Wie tief sollen sie in den Text eindringen? Wieviel möchten Ihre Schüler verstehen? Müssen die Schüler den Text in seinen historischen und kulturellen Kontext stellen können? Müssen die Schüler die Merkmale der literarischen Gattung oder Strömung erkennen können? Sollten sich Ihre Schüler den Text mehr persönlich-emotional aneignen, oder sollten sie vor allem lernen, ihre Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen am Text zu belegen? Wie lange möchten Sie sich mit dem Text beschäftigen? 211 Swantje Ehlers, 1992a, S. 17. Idem. 213 Idem, S. 22ff. 212 77 Ehlers214 deutet dabei darauf hin, dass die Schüler nicht unbedingt immer alles von einem Text verstehen müssen. Eine zu lange und genaue Bearbeitung könnte sogar die Freude am Lesen verderben. 8. 9. Wie lassen sich Schüler motivieren/aktivieren - dass sie einen Text für sich aktualisieren können, - dass sie einen Einstieg finden, - dass sie in einen eigenen Dialog mit dem Text treten können, - dass sie Fragen haben an den Text, - dass sie Antworten finden auf offene Fragen des Textes, - dass sie wissen, wie sie Verstehensprobleme lösen können? Lernervoraussetzungen: Welches Literaturverständnis haben Ihre Schüler? Welche Verstehens- und Deutungskonventionen verwenden sie? Um die Schüler zu motivieren und zu aktivieren gibt es mehrere Möglichkeiten. So könnte man die Schüler einerseits von der Leserseite aus motivieren und aktivieren, einen Einstieg in einen Text zu finden und sich einen Text eigen zu machen, in dem an die Erfahrungswelt der Schüler angeknüpft wird und subjektiv- emotionale Reaktionen, Interessen und Neigungen hervorgerufen werden. Anderseits gibt es auch die Möglichkeit die Schüler aus der Seite des Textes zu motivieren und zu aktivieren. Das Thematisieren von den wichtigen Ereignissen, Geschehnissen oder Höhepunkten im Text ist ein Beispiel dafür. Diese bilden dann Aufmerksamkeitsund Verstehenszentren für den Leser. Von dort aus können dann auch andere Bereiche des Textes behandelt werden. Weiterhin können Lücken oder Mehrdeutigkeiten im Text als Anknüpfungspunkt im Unterricht dienen, um die Schüler dazu zu bringen, aktiv und selbstständig ein Gespräch über den Text zu führen, um eine Textstelle zu deuten oder, um offene Fragen zum Text zu stellen. Aber auch hier sollte man die Lernervoraussetzungen berücksichtigen, und sollte man sich zuerst fragen in wie weit die 214 Swantje Ehlers, 1992a, S. 22f. 78 Schüler fähig sind, sich mit Inkohärenzen und offene Fragen im Text zu beschäftigen. Wenn der Schüler die Sinnzusammenhänge im Text selbst entdecken kann, dann fördert das die Kreativität, die Eigenständigkeit und die Motivation des Schülers. Laut Ehlers „ist der Weg noch wichtiger als das Ziel.“215 Dies stimmt nach Ehlers überein mit dem Begriff des entdeckenden Lernens von J. Bruner (1973).216 5.3 Die Rolle des fremdsprachlichen literarischen Entwicklungsprozesses Im zweiten Kapitel wurde die Wichtigkeit eines strukturierenden longitudinalen Lernlinie für den Erfolg den Literaturunterricht und für die Förderung der Lesemotivation erörtert. Im vorigen Abschnitt wurden bei den Vorüberlegungen und bei der Ausgangslage die didaktischen Punkte in Betracht gezogen, die einen guten Aufbau im fremdsprachlichen literarischen Entwicklungsprozess fördern können und einer longitudinalen Lernlinie im Literaturunterricht Inhalt geben können. Ebenfalls wurde erörtert, wie nach Koppensteiner217 einen Literaturschock vermieden werden kann und wie eine richtige Entsprechung zum sprachlichen und literarischen Niveau der Schüler, eine wichtige Rolle bei den Auswahlkriterien spielt. 218 Auch dies hat alles mit dem Aufbauen und dem Lenken des Lernprozesses zu tun. Sowie Ehlers219 nannte, ist es wichtig vom Leichten zum Schwierigen zu arbeiten. Daher wäre es empfehlenswert, schon am Anfang des Fremdsprachenunterrichts, in der Unterstufe, mit den einfacheren Gattungen von Literatur anzufangen. Auf diese Weise haben die Schüler, wenn sie in der Oberstufe sind, schon Erfahrungen gemacht mit unterschiedlichen Gattungen von Literatur 215 Swantje Ehlers, 1992a, S. 25. Jerome Seymour Bruner: Der Akt der Entdeckung. In: Entdeckendes Lernen. Hg. von Heinz Neber. Weinheim/ Basel: Beltz 1973, S. 15-27. 217 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 12. 218 Idem, S. 41ff. 219 Swantje Ehlers, 1992a, S. 8. 216 79 und haben sie sich auch auf literarischem Gebiet schon entwickelt. So könnten Wortbilder und konkrete Poesie laut Bischof (u.a.)220 ein guter Einstieg in den Literaturunterricht sein. Sie sind nämlich in der Regel sprachlich unkompliziert und sind sehr geeignet für ein kreatives, landeskundliches, interkulturelles, lerner- und handlungsorientiertes Vorgehen. Auch Kast221 plädiert für den Anfangsunterricht, in der Unterstufe, für den Gebrauch einfacherer Literatur wie Comics, Kurzprosatexte, Lieder, Märchen, Fabeln, Gedichte und Jugendliteratur. Ein solcher Einstieg sollte laut Kast „die Jugendlichen auf den Geschmack bringen.“222 Wenn die Schüler vom Anfang an Anerkennung und Spaß beim Lesen erleben, dann werden sie motiviert weiter zu lesen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Schüler vom Anfang an, das Lesen als etwas Positives und Angenehmes erfahren. Diese erwähnten Personen und Einsichten zielen auf stammen von unterschiedliche unterschiedlichen Facetten des fremdsprachlichen Literaturunterrichts. Sie zeigen, dass die Rolle des allmählichen fremdsprachlichen literarischen Entwicklungsprozesses für die Motivation der Schüler und damit auch für den allgemeinen Erfolg des fremdsprachlichen Literaturunterricht sehr groß ist. Dieser Entwicklungsprozess der Schüler muss vom Lehrer genau gesteuert und gelenkt werden. Dies ist vor allem wichtig, wenn in der Oberstufe ein bestimmtes Niveau gefordert wird. Die Schüler müssen an die Hand genommen werden, um das Ziel zu erreichen. Man sollte sich als Lehrer ständig fragen: Wo stehen die Schüler jetzt, wo müssen sie hin und wie kommen sie dorthin? Man kann als Lehrer in der Oberstufe nicht auf einmal erwarten, dass die Schüler auf ein bestimmtes Niveau (sprachlich und literarisch) arbeiten können, sie müssen zuerst auf dieses Niveau gebracht werden. 220 Monika Bischof et al., 1999, S. 35ff. Bernd Kast, 1985a, S. 40, S. 77. 222 Idem, S. 40. 221 80 Meines Erachtens werden der fremdsprachliche Literaturunterricht in der Unterstufe und der fremdsprachliche Literaturunterricht in der Oberstufe als zwei unterschiedliche Domänen gesehen, die ihre eigenen Ziele und ihre eigenen damit verbundenen Vorgehensweisen haben. In der Unterstufe ist der Literaturunterricht noch unverbindlich und dient er oft zur Abwechslung im (Lese)Unterricht, zur Motivation und zum Vergnügen. In der Oberstufe werden dann auf einmal (auf jeden Fall für die Schultypen havo und vwo) Anforderungen an den Literaturunterricht gestellt und werden seine Ziele verlegt auf die Förderung der literarischen Fertigkeiten, der interkulturellen Kommunikation, der intellektuellen Bildung und der ästhetischen Wahrnehmung. Diese Unterschiede in den Zielen gehören auch zu den Unterschieden auf sprachlichem und literarischem Niveau, und sind damit gerecht, aber meiner Meinung nach, sollte die Trennlinie zwischen dem Literaturunterricht in der Unterstufe und dem Literaturunterricht in der Oberstufe nicht so stark sein. Viel besser wäre es, wenn sie gut auf einander anschließen, damit eine abrupte Übergang für die Schüler vermieden wird. Dies kann erreicht werden, in dem in allen Aspekten des Literaturunterrichts (Ziele, Textauswahl, Inhalt, Didaktik und Verarbeitung) eine longitudinale Lernlinie realisiert wird. Im folgenden Abschnitt kommt es zum praktischen Inhalt des Literaturunterrichts. Besprochen wird wie die Gestaltung, die Ansätze und Verfahrensweise der Textarbeit aussehen könnten und auf welche Weise diese zur Förderung der Lesemotivation beitragen könnten. 5.4 Verfahrensweise der Textarbeit In diesem Abschnitt ist es nicht beabsichtigt universale Fertigdidaktisierungen für den Literaturunterricht zu geben. Dazu gibt es zu viele und unterschiedliche Ziele, Unterrichtsprinzipien, Schwerpunkte, Entwicklungsstadien der Schüler, usw. die alle beabsichtigt werden müssen. So gibt es mehrere Prinzipien bzw. 81 Ansätze, nach denen man arbeiten könnte, die jeder sehr bestimmend für den inhaltlichen Literaturunterricht sind. Ziel dieses Abschnitts ist es vielmehr, mehrere allgemeine Herangehensweisen zur Textarbeit zu besprechen. Diese könnten als Muster für die weitere Adaption an die Situation der Schüler dienen. Einige Ansätze werden hier schon weiter erklärt, weil sie eine große Rolle im fremdsprachlichen Literaturunterricht spielen. Auch wird erklärt wie man im Literaturunterricht am besten mit den unterschiedlichen Ansätzen umgehen kann, um die Lesemotivation der Schüler zu fördern. Im handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht arbeiten die Schüler, nach Spinner223 und Haas et al.224 225 mit all ihren Sinnen durch praktisch, aktiv und selbsttätig Handeln an dem Text. Die Schüler sind mit lesen, schreiben, umschreiben, spielen, darstellen, und mit umsetzen in anderen Medien beschäftigt. Laut Saša Jazbec226 fördert diese Vorgehensweise die Motivation der Schüler sehr, denn wenn sie sich persönlich an dem Text beteiligen können, dann können sie auch engagierter mitmachen. Vor allem für schwächere Schüler oder für Schüler im Anfangsunterricht ist diese Vorgehensweise sehr geeignet, weil sie, obwohl sie sicherlich mit dem Inhalt des Textes beschäftigt sind, sie nicht durch analytische, sprachliche oder kulturelle Defizite vereitelt werden. Hermann Korte weist dabei jedoch auf eine Lücke dieser Vorgehensweise hin: Nämlich, dass sie zur „Ausblendung der historischen Dimension“227 223 Kasper Heinrich Spinner: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. von KlausMichael Bogdal und Hermann Korte. München: dtv 2002, S. 247-257. 224 Gerhard Haas, Wolfgang Menzel, Kaspar Heinrich Spinner: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Praxis Deutsch (1994), H.123, S. 17-25. 225 Gerhard Haas: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. Theorie und Praxis eines „anderen“ Literaturunterrichts für die Primar- und Sekundarstufe. Seelze: Kallmeyer 1997. 226 Saša Jazbec 2004, S.210f. 227 Hermann Korte: Lyrik im Unterricht. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. von Klaus-Michael Bogdal und Hermann Korte. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2002, S. 203-217, S.205. Zitiert nach Saša Jazbec 2004, S.212. 82 führen könnte. Für Schüler mit einem höheren literarischen Niveau wäre eine weitere Auseinandersetzung mit dem historischen und kulturellen Kontext dann natürlich zu empfehlen. Der kommunikative Ansatz des Fremdsprachenunterrichts möchte die Schüler dazu bringen im Zielsprachenland angemessen kommunizieren und handeln zu können. Dabei ist es auch wichtig, die Zielsprachkultur kennenzulernen und zu verstehen. Ziel des interkulturellen Ansatzes innerhalb der kommunikativen fremdsprachlichen Literaturdidaktik ist es darum auch, die Schüler die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Kulturen und Ländern mittels eines Vergleichs herauszufinden. Auch wird ihnen bewusst gemacht, wie sie sich selbst sehen, wie sie die Zielsprachkultur sehen, welche Vorannahmen und Bilder sie von den beiden Kulturen/Ländern haben und wie diese ihre Sichtweise beeinflussen. Es Kulturen/Ländern kontrastive sollte einen geben. Dialog Bischof Vorgehen.228 nennt Innerhalb zwischen diesen der den beiden Ansatz das interkulturellen Literaturdidaktik gibt es neue unterschiedliche Richtungen mit ihren eigenen Schwerpunkten. Diese werden in dieser Arbeit aber nicht weiter erklärt. Diese Ansätze für den Literaturunterricht stammen aus der Fremdsprachendidaktik und werden meiner Erfahrung nach meistens in der Unterstufe benutzt. Vor allem der handlungs- und produktorientierte Ansatz ist dort sehr beliebt. In der Oberstufe werden die Ansätze stark von den literaturwissenschaftlichen Theorien beeinflusst. Ein Grund dafür könnte der Unterschied in Ausbildung von den Lehrern in der Unterstufe und der Oberstufe sein. Tanja Janssen hat im Jahre 1998229 untersucht welche unterschiedlichen Ansätze in der Oberstufe im niederländischen 228 229 Monika Bischof et al., 1999, S. 33. Tanja Janssen: Literatuuronderwijs bij benadering. Een empirisch onderzoek naar de vormgeving en de opbrengsten van het literatuuronderwijs. Amsterdam: Thesis Publishers 1998. 83 Literaturunterricht benutzt werden. Obwohl die Ergebnisse dieser Untersuchung keine klaren Aussagen über den Literaturunterricht Deutsch geben können, geben sie schon einen allgemeinen Einblick in wie in den Niederlanden in der Oberstufe Literaturunterricht praktiziert wird. Auch wurden diese genannten Ansätze in älteren Untersuchungen von Thijssen230 und Koldijk231 als benutzte Ansätze im Literaturunterricht Deutsch erwähnt. Janssen unterscheidet vier Ansätze die zur vier unterschiedlichen Bildungen dienen: (1) Kulturelle Bildung, (2) literarisch-ästhetische Bildung, (3) gesellschaftliche Bildung und (4) persönliche Entwicklung. Janssen stellt, dass diese Ansätze sich stufenweise von einander unterscheiden und, dass die Lehrer im Literaturunterricht oft ein eklektisch Verfahren anwenden. Auch hat Janssen gefolgert, dass der kulturbildende Lehrer sich am meisten profiliert. Marc Verboord (2003)232 hat in seiner Untersuchung diese vier Ansätze auf zwei Grundformen zurückgeführt, nämlich ein lernstofforientierter Ansatz (Type 1 & 2) und ein schülerorientierter Ansatz (Type 3 & 4). Aus mehreren Untersuchungen hat sich herausgestellt (Verboord 2004,233 Witte et al. 2008),234 dass der schülerorientierter Ansatz die Lesemotivation der Schüler positiv beeinflusst. Jede Unterrichtssituation ist anders, mit ihren eigenen Zielen und Prinzipien, ihrem eigenen sprachlichen und literarischen Niveau und ihrer eigenen Zielgruppe. Auch bestimmt jeder Lehrer (hoffentlich in Übereinstimmung mit der Fachgruppe) seine eigene Ziele, die ihm am wichtigsten scheinen. Diese Unterschiede bestimmen jedes Mal den geeigneten Ansatz und Herangehensweise. Wie im vorigen Kapitel erörtert wurde, spielen vor allem die Entwicklungsstadien der 230 Martin Thijssen, 1985. Dirk Koldijk, 1990. 232 Marc Verboord: Moet de meester dalen of de leerling klimmen. De invloed van het literatuuronderwijs op het lezen van boeken tussen 1975 en 2000. Dissertatie Universiteit Utrecht 2003. 233 Marc Verboord, 2004. 234 Theo Witte, Gert Rijlaarsdam und Dick Schram: Literatuuronderwijs en de ontwikkeling van leesmotivatie in de Tweede Fase. In: Levende Talen Tijdschrift 9 (2008), H. 2, S. 19-30. 231 84 Schüler dabei eine sehr wichtige Rolle. So wäre es empfehlenswert im Anfangsunterricht den Schwerpunkt noch nicht auf zum Beispiel den ästhetischen Wert des Werkes zu legen, sondern eher auf den Schüler selbst. Was gefällt dem Schüler (nicht) am Text? Wie findet der Schüler das Lesen? Welche Gefühle ruft der Text ab? Dies alles, um den Schüler einzuführen, ihn mit dem Lesen bekannt zu machen, ihn mit positiven Erfahrungen auf den Geschmack zu bringen und zum Weiterlesen zu verlocken. Meiner Meinung nach, würde eine Betonung auf einen handlungs- und produktorientierten Ansatz dann gut passen. Weiterhin könnte den Schwerpunkt mehr auf den Text selbst verlegt werden. Erst wenn die Schüler sich sprachlich und literarisch weit genug entwickelt haben, dann kann der Text und sein historischer und kultureller Kontext eine größere Rolle spielen. Dann können nicht nur die Texte an sich, sondern auch die Aufgaben zum Text schwieriger werden. In einem weiteren Stadium der literarischen Kompetenzentwicklung könnte dann auch ein interkultureller oder literarisch-ästhetischer Ansatz des Literaturunterrichts mehr betont werden. Zusammenfassend würde ich dafür plädieren, die verschiedenen Ansätze im Literaturunterricht eklektisch anzuwenden und dabei anhand der Niveaubeschreibungen (Witte) den Schwerpunkt des Unterrichts jeweils im Einklang mit der literarischen Entwicklung zu verschieben. Außerdem sollte in allen Phasen der literarischen Entwicklung versucht werden, inhaltlich den Schülern nahezukommen und an die Erlebniswelt der Schüler anzuknüpfen, um ihre Beteiligung und damit ihre Lesemotivation zu fördern. Wie Bernd Kast235 beschreibt, läuft leider für viele Schüler den Literaturunterricht noch immer wie folgt ab: Die Schüler bekommen vom Lehrer einen Text, der von den Schülern selbst Zuhause, oder in kleinen Teilen von den Schülern selbst oder vom Lehrer in der Klasse wird vorgelesen. Nach dem Lesen wird der Text mühsam 235 Bernd Kast, 1985a, S. 49. 85 analysiert und semantisiert und folgt vielleicht eine Erklärung unbekannter Wörter. Eine solche Arbeitsweise könnte vom Schüler als unangenehm und enttäuschend erfahren werden und wirkt dementsprechend demotivierend auf sie. Die folgenden Herangehensweisen zur Textarbeit, die von unterschiedlichen Personen dargestellt werden, sollten, wie Koppensteiner236 das formuliert, „helfen, junge, an Literatur scheinbar nicht oder nur marginal interessierte Deutsch Lernende stärker zum Lesen zu motivieren, sie ‚neugierig‘ zu machen und ihnen, bei Steuerung des Leseprozesses, ein positives ‚Leseerlebnis‘, einen ‚Lesespaß‘ zu ermöglichen.“ Da die Rezeptionsästhetik Grundlage dieser Ideen ist, spielt die Interaktion zwischen dem Text und dem Leser eine wichtige Rolle. Swantje Ehlers237 unterscheidet in ihrer Verfahrensweise fünf unterschiedliche Phasen: 1. Phase: Schaffen eines Vorverständnisses 2. Phase: Einstieg in die Textarbeit 3. Phase: Erfassen des konkreten Geschehens 4. Phase: Vertiefung des Textverständnisses durch Erschließen von Motiv- und Handlungszusammenhängen 5. Phase: Abschluss Die erste Phase hat als Ziel vor der Lektüre eine Wissens- und Verstehensgrundlage zu schaffen, um das Textverständnis zu erleichtern. Dabei werden die Vorkenntnisse der Schüler aktiviert, eventuelle Hintergrundinformationen gegeben und den historischen oder kulturellen Kontext verdeutlicht. Wie man genau in dieser Phase vorangeht hängt natürlich auch stark davon ab, wie später mit dem Text gearbeitet wird und was die Ziele für die Schüler sind. Das gilt auch für den genauen Ansatz der zweiten Phase. Hier könnte man 236 237 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 55. Swantje Ehlers, 1992a, S. 37-41. 86 einen verstandesmäßigen Einstieg wählen, wobei hauptsächlich nach dem Inhalt gefragt wird. Oder man könnte einen gefühlsmäßigen und mehr subjektiveren Einstieg wählen, wobei von dem ersten Eindruck, den ersten Reaktionen, den Interessen und Fragen der Schüler ausgegangen wird. In der dritten Phase wird anhand von Fakten- oder Inhaltsfragen nachgegangen ob die Schüler verstanden haben, was der Text direkt mitteilt. In der vierten Phase wird das Textverständnis weiter vertieft und die Geschehnisse und Situationen der Geschichte ausgedeutet. Dies geschieht anhand von Interpretationsfragen, die höheren Anforderungen an den Schüler stellen als die Faktenfragen. Ziel der letzten Phase ist aus den vielen verschiedenen Gesichtspunkten wieder eine Ganzheit zu bilden, damit der Schüler eine Orientierung haben und das Gefühl bekommen, so Ehlers, „etwas in der Hand zu haben.“238 Dies könnte erreicht werden, indem man zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Bernd Kast239 verteilt die Textarbeit in drei Phasen: Vorbereitungsund Motivationsphase, Präsentationsphase und die Phase der Textarbeit (Semantisierung). In der Vorbereitungsphase werden die Schüler mittels ‚advance organizers‘ darauf vorbereitet einen fremdsprachlichen Text lesen und vor allem verstehen zu können. Kast definiert ein ‚advance organizer‘ folgendermaßen: „Ein ‚advance organizer‘ versucht den Lernprozess dadurch zu verbessern, dass er der Präsentationsphase eine Phase vorschaltet, in der es darum geht, im Voraus, ‚in advance‘, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die den Lernenden ins Straucheln und zu Fall bringen können, die Verstehen verhindern und Lernen erschweren.“240 Kast unterscheidet dabei ‚advance organizers‘ in Bezug auf den Inhalt, auf die Situation, auf die Sprache und auf die Textsorte. Für den inhaltlichen Aspekt wird im Voraus den Schülern den politischen, kulturellen, gesellschaftlichen, historischen, autobiographischen, 238 Swantje Ehlers, 1992a, S. 40. Bernd Kast, 1985a, S. 41-60, S71-77. 240 Idem, S. 49. 239 87 geographischen und/ oder soziologischen Kontext des Textes nähergebracht. Um die Schüler auf die Situation vorzubereiten, wird eine Erwartungshaltung bei dem Schüler aufgebaut. Dabei werden auch die emotionale Einstellung des Schülers zum Text und die Thematik bzw. den Rahmen des Textes vorab angesprochen. Schwierigkeiten mit der Sprache können für die Schüler schon vorab vorweggenommen werden, in dem sprachliche Schwierigkeiten, die das Verständnis des Textes erschweren können, beseitigt werden. Eine Vorbereitung auf die Textsorte und ihre Merkmale erleichtert das Textverständnis, weil die Schüler dann wissen, was sie vom Text erwarten können. Diese ‚advance organizers‘ können außer mündlich (mittels Klassengespräche) oder schriftlich (in Textform) auch sehr gut von audio-visuellem Material, wie Film, Video, Fotos, Hörfragmenten, Lieder usw. begleitet werden (dies macht es für die Schüler nur attraktiver) und können auch von den Schülern selbst vorbereitet und präsentiert werden. So könnten unterschiedliche Gruppen für die unterschiedlichen Aspekte der ‘advance organizers’ sorgen. ‚Advance organizers‘ in Textform die zur Vorentlastung unterschiedlicher Aspekte dienen könnten, werden Zubringertexte genannt. Laut Kast wird dabei von einem Text gesprochen, der das Vokabular, die relevanten Strukturen und den notwendigen Kontext dosiert.241 Die Vorbereitungsphase und die Motivationsphase sind laut Kast schwierig zu trennen und brauchen auch nicht unbedingt getrennt zu werden. Sie können sehr wohl mit einander verbunden werden oder simultan verlaufen. Die Motivationsphase sollte die Schüler motivieren, neugierig machen, Interesse und Spannung wecken. Außer den ‚advance organizers‘ könnte die Motivationsphase anhand folgender Ideen gestaltet werden: Buch durchblättern, Umschlag oder Abbildungen im Buch ansehen, Titel und Klappentext (vor)lesen, 241 Klassengespräch mit Fragen, Assoziationen, Bernd Kast, 1985a, S. 52. 88 Erwartungen, Vorkenntnisse oder das Einlesen des ersten Kapitels oder erster Seiten (selbstständig oder vom Lehrer vorgelesen). Die Präsentationsphase beinhaltet das Lesen des Textes. Laut Kast gibt es für die Schüler zwei Möglichkeiten: frei lesen, das heißt ohne Aufträge, Fragen und Hinweise des Lehrers oder lesen anhand von Leitfragen, die das Globalverständnis des Textes lenken können. Ob die Leitfragen benutzt werden, ist die Wahl des Lehrers. Ein Vorteil von Leitfragen ist, dass sie als Orientierungshilfe für die Schüler dienen können. Vor allem für unerfahrene Leser ist das angenehm. Ein Nachteil von den Leitfragen könnte sein, dass viele und schwierige Leitfragen stören würden und den Lesefluss hemmen würden. Bei einer ausschließlich häuslichen Lektüre könnten Zwischenbesprechungen als Kontrolle, Fragenmoment, Evaluation der Leseerfahrungen oder als extra extrinsische Motivation zum (weiter)lesen dienen. Die letzte Phase ist die Phase der Textarbeit, also die Behandlung des Buches. Diese Phase besteht laut Kast wieder aus zwei verschiedenen Phasen. Zuerst gibt es die ‚offene Phase‘, in der ein lernerorientiertes Gespräch über den Text stattfindet. Das heißt, dass die Schüler den Inhalt des Gesprächs selber bestimmen können und ihre unterschiedlichen Perspektiven einbringen können. Der Lehrer stellt dabei offene Fragen, um das Gespräch in Gang zu bringen. Nach dieser Phase folgt die Erarbeitungsphase, deren Inhalt stark abhängt von der vorigen Phase, und in der, wichtige noch nicht auskristallisierte Aspekte der Textinterpretation weiter behandelt werden. Dies könnte zum Beispiel anhand von Unterrichtsgesprächen, Gemeinsamem Erlesen wichtiger Textteile oder anhand von Gruppenarbeit unter bestimmter Aufgabenstellung geschehen. Kast betont, dass der Nachdruck der Textarbeit auf die (re-)produktiven Fertigkeiten und auf die Kommunikationsmöglichkeiten gelegt werden sollte und empfiehlt dazu ein produktives und kreatives Umgehen mit Literatur. Einige 89 Beispiele die er gibt sind: einen Klappentext schreiben/verändern, eine Buchbesprechung verändern, Brief Werbeplakat Bilder/Collagen mit oder schreiben Fragen wichtigen evaluieren, den Verfasser an Umschlagbild zu oder für oder das Textteile schreiben, Buch entwerfen, spannenden Textstellen anfertigen, Teile nachspielen (Rollenspiele) oder als Hörspiel bearbeiten, eine fehlerhafte Rezension verbessern oder wenn möglich, das Buch mit dem Film vergleichen. Weiterhin betont Kast, dass es wichtig ist, dass die Motivation der Schüler während der ganzen Textarbeit erhalten bleibt. Eine zu lange oder zu detaillierte Buchbesprechung wobei die Schülerbedürfnisse zu wenig berücksichtigt werden, könnte einen anfänglich positiven Eindruck der Schüler aufheben. Jürgen Koppensteiner242 bezieht sich großenteils auf die Phasen von Bernd Kast (Vorbereitungs- und Motivationsphase, Präsentation und Textarbeit), stellt aber die zweite Teilphase der Textarbeit, die Erarbeitungsphase, als separate Phase und nennt sie die Phase der Erweiterung. Zur Vorentlastung nennt er, außer den von Kast schon erwähnten ‚advance organizers‘, noch weitere Techniken wie den Assoziogramm, wobei die Assoziationen der Schüler gesammelt werden und den Gebrauch von Wortkarten oder Wortlisten, die die lexikalische Vorentlastung dienen und auch einen Austausch von Ideen und Assoziationen fördern. Koppensteiner betont die wichtige Rolle dieser Phase für das Lesevergnügen und den Leseerfolg: „Kreativität, Phantasie und Abwechslung sind in dieser ‚Vorphase des Lesens‘ gefragt, wenn Lernende zu aktiven, engagierten Lesern geformt werden sollen.“243 Zu der Präsentationsphase erwähnt Koppensteiner, dass die Weise, in der den Text präsentiert wird, abgewechselt werden soll. Zum Beispiel, dass den Text selbst gelesen, vorgelesen oder angehört wird. Für die dritte Phase, die 242 243 Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 55-72. Idem, S. 60. 90 Textarbeit, gibt Koppensteiner viele praktische, didaktische und produktive Arbeitsformen und Übungen, die er wie folgt untergliedert: Übungen zum Textverständnis, Übungen zum Erzählen, Meinungsäußerungen und Lesererwartungen. Die letzte Phase der Erweiterung sieht Koppensteiner also als eine separate Phase, in der die Schüler sich vor allem auf eine produktive und kreative Weise mit dem Inhalt des Textes beschäftigen. Viele Ideen, um dies zu gestalten, hat er von Kast übernommen und beinhalten vor allem kreative Schreib-, Sprech- und Spielaufgaben zum Inhalt des Textes, zum Beispiel: Zeitung(Artikel) schreiben, neues Ende schreiben, Brief an Hauptperson oder Schriftsteller schreiben, neue Dialoge schreiben, Geschichte aus anderer Perspektive erzählen, usw. In diesen beschriebenen Verfahrensweisen von Ehlers, Kast und Koppensteiner stimmen die Hauptlinien und die Ziele der unterschiedlichen Phasen sehr stark überein. Vor allem bei Kast und Koppensteiner (Koppensteiner hat sich auch auf Kast bezogen) ist das der Fall. Jedoch gibt es in der didaktischen Durchführung dieser ähnlichen Phasen einen großen Unterschied zwischen Ehlers einerseits und Kast/Koppensteiner anderseits. Bei der didaktischen Durchführung von Kast und Koppensteiner liegt der Nachdruck auf ein kreatives und produktives Verfahren. Dies ist bei Ehlers nicht der Fall. Die Durchführung der Phasen bei Ehlers wirkt sehr statisch, minimalistisch und sachlich auf mich. Vor allem in der dritten Phase, in der den Inhalt des Textes anhand von Fakten- und Inhaltsfragen gecheckt wird, fehlt mir eine attraktive Durchführung, um die Schüler zu motivieren. Ich bevorzuge daher eher eine kreative, intermediale oder produkt- und handlungsorientierte Durchführung der Phasen, so wie die von Kast und Koppensteiner beschrieben wurden. Ihre Verfahrensweise ist attraktiver für die Schüler, motiviert sie mehr, bietet eine gute Begleitung, hat dieselbe Ziele und kann immer auf das Niveau der Schüler angepasst werden. In diesen Ideen, die aus der Fremdsprachendidaktik stammen, fehlt mir aber der sehr wichtige Aspekt der literarischen Kompetenzentwicklung. Diese 91 Entwicklung sollte, meiner Meinung nach, viel mehr bei der Textarbeit beachtet werden, da ein Mangel an Literaturkompetenz in einem weiteren Stadium verhängnisvoll für die Lesemotivation ist. Wie schon im vorigen Kapitel erwähnt wurde, ist es wichtig, dass die textspezifischen Aufgaben niveauspezifische Ziele erfolgen und damit im Zeichen des literarischen Kompetenzerwerb stehen.244 Man kann hieraus schließen, dass es für die Förderung der Lesemotivation nicht nur wichtig ist, was man mit dem Inhalt des Textes macht, sondern auch und vor allem, wie man das macht. Ein Schlüsselwort zu einer motivationsfördernden Didaktik ist Variation. Koppensteiner245 betont dies in seiner Beschreibung seiner Verfahrensweise und Theo Witte246 nennt den Mangel an Variation in der Textverarbeitung, als ein der Motivationsprobleme bei niederländischen Schülern im niederländischen Literaturunterricht. Variationen in der Verarbeitung des Textes, es sei in den Aufgaben oder in den Arbeitsformen, machen den Literaturunterricht für die Schüler angenehmer. Auf diese Weise werden die Schüler ständig aufs Neue angeregt und damit bleibt der Literaturunterricht für sie spannend und unterhaltsam. Eine andere Weise, um die Lesemotivation der Schüler zu fördern, ist der Einsatz von Social Media. Social Media wie Twitter, Facebook, YouTube und Instagram knüpfen sehr gut an die Erlebniswelt der Schüler an und bieten zahlreiche Möglichkeiten die (moderne) Interaktion bei der Textarbeit zu fördern. 247 Meiner Meinung fremdsprachlichen attraktiven, nach sind alle Literaturunterrichts produkt-, handlungs- erwähnten mittels und einer Ziele des kreativen, schülerorientierten Didaktisierung zu verfolgen, die die Schüler auch noch Vergnügen im 244 Theo Witte, 2008, S. 518. Jürgen Koppensteiner, 2001, S. 56. 246 Theo Witte, 2008, S. 38. 247 Masja Mesie: Literatuur en social media. Inspiratiedag literatuuronderwijs APS 5. Juni 2014. Nicht veröffentlicht. 245 92 Literaturunterricht bringen könnte. Die wichtigsten Rollen zur Förderung der Lesemotivation, spielen, meines Erachtens, die Phase der Vorbereitung und Erarbeitung. Also nicht die Textarbeit an sich, sondern was man im Voraus als Vorbereitung und nachher als Erarbeitung macht, könnte die Schüler motivieren. Deshalb sollte, nach meiner Auffassung, die advance organizers eine große Rolle zugewiesen werden. Sie versetzen die Schüler in der Lage einen Text zu verstehen, „und zwar auf eine relativ attraktive, den Spaß am Lesen fördernde Weise. Das ist gerade für ungeduldige, leicht demotivierbare jugendliche Leser eine wichtige Voraussetzung dafür, den ohnehin noch mühevollen Weg zum Ziel nicht vorzeitig aufzugeben“,248 so Kast. Viele Schüler geben schon aus Angst vor einem Misserfolg vorzeitig auf. Meiner Ansicht nach, ist das ein der Hauptgründe der Demotivation der Schüler. Darum möchte ich noch einen advance organizer in Bezug auf die Situation hinzufügen, die dieses Problem möglicherweise verringern könnte. Bei einem advance organizer in Bezug auf die Situation sollte bei den Schülern nicht nur eine Erwartungshaltung in Bezug auf den Inhalt aufgebaut werden, sondern auch eine in Bezug auf die Vorgehensweise, die erforderlichen Fertigkeiten, die Ziele der Textarbeit und auf die allgemeine literarische Entwicklungsziele. Der Schüler soll bei dem Entwicklungsprozess miteinbezogen werden und sich seines Niveaus und seiner Entwicklung bewusst werden.249 In der Vorphase sollte also nicht nur behandelt werden, was die Schüler vom Text erwarten können, sondern auch wird aus der Seite des Lehrers behandelt, was von den Schülern erwartet wird, was sie vom Unterricht erwarten können und was der Text und die Textarbeit ihm bringen werden. Diese ausführliche Orientierung auf die Leseaufgabe könnte in Verbindung mit der abschließenden Phase der Erarbeitung, das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit fördern. Im Abschnitt 2.2 wurde schon erwähnt wie diese zwei Aspekte als Teil der intrinsischen Lesemotivation die Lesemotivation 248 249 Bernd Kast, 1985a, S. 60. Theo Witte, 2008, S.518. 93 fördern können. Auch können auf diese Weise in der Vorphase die Valenz und Relevanz der Leseaufgabe von dem Schüler eingeschätzt werden. Wie im Abschnitt 2.2 besprochen wurde, können diese Aspekte die extrinsische Motivation fördern. Außer einer guten Vorphase ist die Rolle der Abschlussphase auch sehr bedeutend Lesemotivation. für Um die eine Leseerfahrung positive und damit Leseerfahrung, für die die zum Weiterlesen verlockt, zustande bringen zu können, ist es, meiner Meinung nach, wichtig, dass die Textarbeit und die ganze Erfahrung des Lesers gut abgeschlossen werden. Auf diese Weise kommt der Text und die Textarbeit wieder zurück zu den Schülern und können sie sich den Inhalt des Textes zu eigen machen. Die Schüler sollten ihre Lesererfahrungen teilen und in der Klasse sollten die Verfahrensweise und das Erreichen der Ziele evaluiert werden, damit die Schüler noch mal klar wird, was sie alles gemacht und gelernt haben. Von diesem Punkt ab, können die Schüler bewusst einen Schritt in ihrer Entwicklung machen und haben sie den Unterricht mit einem positiven Gefühl abgeschlossen. Die motivierende Leistungsrückmeldungen haben einen positiven Einfluss auf das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit und damit auf die Lesemotivation.250 Es wird wahrscheinlich mehr Zeit beanspruchen, dieses ideale Unterrichtsverfahren auf diese Weise durchzuführen und vor allem dieses als Lehrer sehr gut vor zu bereiten, als wenn man nicht die genannten Aspekte der Textarbeit beachtet und ein statisches oder einfaches Unterrichtsverfahren durchführt. Dieser Nachteil wiegt, meiner Meinung nach, den letztendlichen Vorteil der positiven Leseerfahrung und der erhöhten Lesemotivation nicht auf. 250 Stefanie Meyer, 2009, S.134. 94 In diesem Kapitel stand die Literaturvermittlung zentral und wurde der Frage nachgegangen, auf welche Weise die Literaturvermittlung eine Förderung der Lesemotivation zustande bringen kann. Verschiedene Aspekte der Literaturvermittlung wie die Textauswahl, die Ausgangslage, die Vorbereitung, der literarische Entwicklungsprozess und die Verfahrensweise der Textarbeit spielen dabei eine sehr große Rolle. In diesem Kapitel wurde erörtert wie die unterschiedlichen Einsichten aus unterschiedlichen Blickwinkeln in ihrer bestimmten zusammengefügten Durchführung die allgemeine Lesemotivation im entwicklungsorientierten fremdsprachlichen Literaturunterricht fördern können. 95 6 Schluss In dieser Arbeit wurde eine Antwort auf die folgende Frage gesucht: Wie kann die Lesemotivation der Schüler im literarischen DaFUnterricht verbessert werden? Das Ziel dieser Arbeit ist es, Empfehlungen und Hinweise zur Förderung der Lesemotivation im literarischen DaF-Unterricht zu geben, die Lehrer als Leitfaden in ihrem Unterrichtsverfahren benutzen können. Diese Empfehlungen und Hinweise brauchen nicht alle strikt befolgt zu werden. Die Absicht ist es vielmehr, sie wenn möglich in dem gesamten Prozess der Literaturvermittlung zu berücksichtigen. Damit kann die Lesemotivation der Schüler in einem entwicklungsorientierten Literaturunterricht, vom vergnüglichen Lesen in der Unterstufe bis zur literarischen Kompetenz in der Oberstufe, gefördert werden. Auf diese Weise kann der Literaturunterricht optimal benutzt werden und dem Schüler möglichst viel bringen. Die Hauptfrage dieser Arbeit wurde beantwortet, in dem die verschiedenen Einsichten unterschiedlicher Aspekte des literarischen DaF-Unterrichts gesammelt und mit einander verbunden wurden. Mit dieser Verbindung wurde Fremdsprachendidaktik und versucht, eine Brücke Literaturwissenschaft, zwischen Ziele und Anforderungen, Unterstufe und Oberstufe und zwischen Vergnügen und Entwicklung zu schlagen, um damit die Lesemotivation der Schüler zu fördern. Im ersten Kapitel wurde die Fertigkeit Lesen erörtert. Wir haben gesehen, dass Lesen nicht nur das Dekodieren der Buchstaben erfordert, sondern neben den kognitiven Fertigkeiten auch von den Vorkenntnissen abhängig ist. Weiter wurde erklärt auf welche Weise diese Aspekte das fremdsprachliche Lesen erschweren. 96 Im zweiten Kapitel wurde deutlich gemacht wie die Lesemotivation in Zusammenhang mit der Lesekompetenz funktioniert. Über die Lesehäufigkeit beeinflusst die Lesemotivation die Lesekompetenz auf eine positive Weise. Außerdem wird der motivationale Aspekt neben dem kognitiven Aspekt als Teil der Lesekompetenz gesehen. Dies betont nochmals den Wert der Lesemotivation für den fremdsprachlichen Literaturunterricht. Obwohl die Lesekompetenz der Schüler im Laufe der Jahre steigert, nimmt die Lesemotivation jedoch ab. Außerschulische Aktivitäten, Veränderung der Interessen, ein negatives Selbstkonzept und eine negative Selbstwirksamkeit könnten die Senkung der Lesemotivation verursachen. Manche dieser Faktoren können auf eine bestimmte Weise optimiert werden. So kann man als Lehrer bei mehreren Aspekten der Literaturvermittlung (z.B. bei der Textauswahl und Verarbeitung) an die Interessen und an die Erlebniswelt der Schüler versuchen anzuknüpfen. Auch kann im Literaturunterricht explizit an dem Selbstkonzept und der Selbstwirksamkeit gearbeitet werden. Dies wurde in Kapitel 5 weiter ausgeleuchtet. In Kapitel 3 wurde die umfassende Bedeutung des Literaturbegriffs für diese Arbeit besprochen. Auch wurde beschrieben wie die Entwicklungen in fremdsprachlichen Methoden und in literaturwissenschaftlichen Theorien die Position von Literatur im DaF-Unterricht und ihren Inhalt bis heutzutage geprägt haben. Weiterhin hat es sich in diesem Kapitel gezeigt, dass mit Literatur viele Ziele verfolgt werden können. In den darauf folgenden Kapiteln wurde erörtert wie mit dieser Vielfalt an Zielen, Auffassungen und Ansätzen in Bezug entwicklungsorientierten auf Lehrplan, einen in dem strukturierenden die Lesemotivation gefördert wird, umgegangen werden kann. Dann wurde im vierten Kapitel dargelegt wie der (fremdsprachlichen) Literaturunterricht an der weiterführenden Schule in den Niederlanden durch gesellschaftliche, soziale und pädagogische 97 Entwicklungen im Laufe der Dezennien eingeschränkt und mehr schülerorientierter wurde. Auch wurde nach der Untersuchung von Theo Witte gezeigt, dass das Fehlen eines strukturierenden und entwicklungsorientierten Lehrplans und der Mangel an Kenntnis bei den Lehrern, die Probleme im Literaturunterricht verursachen. Mittels seiner literarischen unterschiedliche Niveaubeschreibungen Schülerprofile, vom werden erlebenden bis sechs zum akademischen Leser, dargestellt. Diese Beschreibungen bieten den Lehrer eine Basiskenntnis strukturierenden Lehrplan. und Für eine die Grundlage Entwicklung für einen eines breit getragenen Lehrplans für die Unterstufe und Oberstufe, sollte zuerst in der ganzen Fachgruppe Übereinstimmung erreicht werden über die Anforderungen, Ziele und Ansätze des Literaturunterrichts. Mit einem strukturierenden Lehrplan kann eine durchlaufende Lernlinie verfolgt werden. Anhand dieser Lernlinie können den Unterrichtsinhalt, die Textauswahl, die Didaktik, die Textarbeit, die Erarbeitung und die persönliche Begleitung jedes Mal auf den jeweiligen Schüler angepasst werden und die Lesemotivation über die ganze literarische Entwicklung gefördert werden. In Kapitel 4 wurde zur Förderung der Lesemotivation zuerst Empfehlungen zum Fundament des Literaturunterrichts gegeben. In dem letzten Kapitel wurde mehr detailliert beschrieben, wie die Lesemotivation praktisch bei der Literaturvermittlung gefördert werden kann. Die Einsichten aus den vorigen Kapiteln zur Lesekompetenz, Lesemotivation und zum entwicklungsorientierten Literaturunterricht, werden in diesem Kapitel zusammengebracht in den Empfehlungen und Hinweisen zur tatsächlichen Textarbeit. Gezeigt wurde, wie in allen Phasen der Literaturvermittlung, von den Vorüberlegungen über die Vorbereitungsphase und die Textarbeit bis hin zur Abschlussphase, unterschiedliche Aspekte des Literaturunterrichts an das sprachliche und literarische Niveau, das Interesse und an die Erlebniswelt der Schüler angeknüpft werden sollten. Ein abwechslungsreiches, kreatives, produktives und 98 attraktives Verfahren im Literaturunterricht formt die Schüler zu aktiven und engagierten Lesern. Auch sollte der Schwierigkeitsgrad der Texte, der Texterarbeitung, der Ziele, der Anforderungen und der Ansätze aufgebaut werden, damit literarische Entwicklung ermöglicht wird. Diese Entwicklung spielt nämlich eine große Rolle bei der Lesemotivation. Deswegen ist es auch wichtig, dass die Schüler sich ihres Niveaus, ihrer Entwicklung und der Relevanz der Leseaufgabe bewusst werden und, dass sie aktiv bei ihrem literarischen Entwicklungsprozess miteinbezogen werden. Ein positives Selbstkonzept und eine positive Selbstwirksamkeit können die Lesemotivation auch fördern. An diesen Aspekten kann in der Vorbereitungs- und Abschlussphase konkret gearbeitet werden, in dem die Schüler im Voraus eine Erwartungshorizont aufbauen und nachher reflektieren, evaluieren und positives Feedback erhalten. Ob die Befolgung dieser Empfehlungen und Hinweise tatsächlich ihren gewünschten Effekt hat, soll sich in der Praxis oder in einer empirischen Untersuchung erweisen müssen. 99 Literaturverzeichnis Artelt, Cordula, Nele McElvany, Ursula Christmann, Tobias Richter, Norbert Groeben, Juliane Köster, Wolfgang Schneider, Petra Stanat, Christian Ostermeier, Ulrich Schiefele, Renate Valtin und Klaus Ring: Förderung von Lesekompetenz. Expertise. 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