Dietrich Bonhoeffer - Was bleibt? Eine Rede von Tobias Pohl, Oberstufensprecher des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums Oberasbach, zum 110. Geburtstag Dietrich Bonhoeffers am 4.2.16 gehalten als Abschluss des "Bonhoeffer-Jahres" vor der gesamten Schulfamilie Im Laufe der Weihnachtsferien habe ich mal einen Blick in den Terminplan unserer Schule auf der Homepage geworfen: Neben allen Einträgen über Schullandheimaufenthalte, Wintersportwochen oder den Känguruwettbewerb las ich da auch den Eintrag "Donnerstag, 4. Februar 2016 - Vierter Bonhoeffer-Tag: Geburtstagsfeier". Dem Ganzen wenig Beachtung schenkend, dachte ich mir nur, wie viele andere Schüler vermutlich auch: "Juhu, einen Tag keinen Unterricht. Dafür halt wieder irgendwelche Aktionen zu Dietrich Bonhoeffer. Aber was soll´s! Ist ja gut gemeint ...." Aber bei genauerem Nachdenken störte mich das irgendwie. Ist das wirklich das, was für uns bis jetzt von Bonhoeffer bleibt? Irgendwelche nicht sonderlich weltverändernde Tage, die seinen Namen tragen? Nun ja, scheinbar schon, sonst ist mir in dem Moment nichts in den Sinn gekommen ... Aber ist das wirklich so? Gibt es denn nichts von diesem herausragenden Mann, wovon wir als junge Generation für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen etwas lernen können? Können wir wirklich gar nichts von ihm und seinen Thesen in unserer modernen Zeit gebrauchen? Wenn man anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, was man eigentlich über ihn weiß, ist es nicht sonderlich viel: Er war Pfarrer. Und er hat gegen die Nazis gekämpft. Damit hört es bei mir und den meisten anderen vermutlich aber auch schon auf ... Darin findet man auf den ersten Blick nichts Konkretes, was man auf die heutige Zeit übertragen könnte. Ist ja schließlich 70 Jahre her und Pfarrer ist halt ein Beruf ... Auf den zweiten Blick steckt hinter diesen zwei Punkten jedoch mehr als man vermutet. Beginnen wir mit seinem Beruf: Pfarrer. "Ja, toll, herzlichen Glückwunsch ..." könnte man vielleicht denken, aber für Bonhoeffer war es mehr als einfach nur ein Beruf. Für ihn war es eine Passion. Für ihn war sein Beruf eine Berufung. Er sah darin seine Lebensaufgabe, den christlichen Glauben mit seinen Werten wie Nächstenliebe und Toleranz in der schwierigen Zeit des Nationalsozialismus zu erhalten. Und dafür riskierte er alles. Und allein schon das ist etwas, was für mich persönlich von Dietrich Bonhoeffer für meine aktuelle Situation bleibt, auch wenn das erst mal total banal klingen mag: Mit dem Abi halte ich in wenigen Monaten eine Eintrittskarte in eine Welt von tausenden verschiedenen Berufen in den Händen. Jetzt muss man sich für einen Beruf entscheiden. Und bei dieser Entscheidung sollte man sich an Bonhoeffer orientieren: Es gilt, in seinem Beruf nicht die beste Geldquelle, die besten Jobaussichten oder gar die Firma mit dem besten Firmenwagenangebot zu finden - sondern seine ganz persönliche Berufung, seine eigene Lebensaufgabe, seine individuelle Passion. Allein darum geht es. Der zweite Punkt, den auch jeder vom Namensgeber unserer Schule weiß, ist, dass er am Widerstand gegen die Nazis beteiligt war. Bonhoeffer hat aber nicht nur gegen Hitler gekämpft, sondern er hat maßgeblich FÜR seine christlichen Werte gekämpft, wie z.B. Toleranz, Nächstenliebe, Gleichheit aller Menschen, etc. ... und dafür war er bereit, alles zu riskieren: Bonhoeffer kritisierte öffentlich Rassenideologie und Judenverfolgung, wissend, dass ihn die Nationalsozialisten dafür verfolgen werden. Aber diese drohende Gefahr war ihm egal. Er wollte nicht schweigen. Er wollte nicht zusehen. Er wollte klar Position beziehen - und zwar gegen den Nationalsozialismus. Er wollte dieses Unrechtsregime stürzen. Und so schloss er sich schließlich dem Widerstand an - und zwar an vorderster Front. Er plante aktiv Anschläge auf Hitler. "Wenn es nicht anders geht, dann zünde ich die für Hitler bestimmte Bombe eben selbst!", soll er sogar einmal gesagt haben. Er war fest entschlossen, dafür alles zu riskieren. Sogar sein Leben. Und tatsächlich sollte es so weit kommen: Bonhoeffer sollte schließlich wirklich für seine Überzeugungen sterben. Für seine Werte. Aber nicht durch eine für Hitler bestimmte Bombe, sondern durch den Galgen. Denn die Anschläge missglückten und Bonhoeffer konnte eine Beteiligung an diesen nachgewiesen werden. So wurde er am Morgen des 9. April 1945 im KZ Flossenbürg wenige Wochen vor Kriegsende exekutiert. Wenige Wochen vor einem Neustart, der den Weg für die Entstehung eines Staates ebnete, der genau die Werte, für die Bonhoeffer bereitwillig sein Leben opferte, einmal vertreten sollte. Die Rede ist von unserem Staat, unserer Demokratie. Und heute sind wir wieder an einem Punkt, an dem genau dies Werte Bonhoeffers erneut angegriffen werden: Egal, ob von angeblich religiös motivierten Terroristen oder von rechtsextremen Bewegungen, die den Wert Toleranz geradezu mit Füßen treten, indem sie Flüchtlingsheime anzünden oder Hassparolen gegen diejenigen verbreiten, die vor Krieg und Hunger flüchten. Und jetzt kommt das, was wir alle meiner Meinung nach von Bonhoeffer lernen können: für unsere Werte und das, was uns wichtig ist, zu kämpfen. Uns nicht einschüchtern zu lassen von Terrorakten oder perverserweise "Wir sind das Volk!" rufenden Ansammlungen von Faschisten. Für die Werte den Mund aufzumachen, aufzustehen und auf die Straße zu gehen, für die Dietrich Bonhoeffer bereit war, vor 70 Jahren sein Leben zu opfern. Nicht zu allem "Ja und Amen" sagen, sondern kritisch hinterfragen. Sich nicht raushalten aus einer Diskussion, sondern einfach mal klar Position beziehen und dann für seine Meinung einstehen, für sie kämpfen. Nicht alles die anderen machen lassen, sondern sich selbst für etwas engagieren, sich selbst für Dinge einsetzen, die einem wichtig sind ... - DAS ALLES können wir von Bonhoeffer lernen! Das und noch viel mehr. denn das war nur meine Antwort auf die Frage, was von Bonhoeffer bleiben sollte. jetzt ist es an der Zeit, dass auch ihr euch, vielleicht im Zuge des heutigen Bonhoeffer-Tages darüber bewusst werdet, was eure persönliche Antwort auf die Frage ist: "Dietrich Bonhoeffer - Was bleibt?"