1 Predigt über Hiob 2, 1 – 10 am 10. So. n. Tr., dem 4.8.2013, in Allmersbach Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan unter ihnen kam und vor den Herrn trat. Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an, was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen. Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er ist in deiner Hand, doch verschone sein Leben. Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb! Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Weiber reden. 2 Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. Liebe Gemeinde! Gott zur Ehre sitzt Hiob in unendlicher Trauer in einem Aschenhaufen und kratzt mit einer Tonscherbe seine eitrigen und juckenden Hautgeschwüre. Freiwillig sitzt er nicht da. Auch Hiob kann sich wahrlich andere Orte denken, um Gott zu ehren, um zu seiner Ehre Lob- und Danklieder anzustimmen. Zu Gottes Ehre kann er nur zu seiner Frau sagen: Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? Das ist alles, was Hiob zur Ehre Gottes sagen kann, nicht mehr und nicht weniger. Und das ist nun wahrlich kein volltönender Lobgesang, das ist eher ein kleinlautes Zugeständnis an die Allmacht Gottes. Aber so kleinlaut Hiob das auch sagt, es ist mehr, es ist vielmehr als seine Frau zu seiner Situation zu sagen hat. Wobei sie voller Mitleid mit Hiob ist, der da, ausgestoßen aus aller menschlichen Gemeinschaft, die Haut voller eitriger, juckender, stinkender, ihn entstellender Geschwüre, die ihm den sicheren Tod bringen, dasitzt. Hiob ist nämlich mit dieser Krankheit totgeweiht. In ihrem Mitleid, in ihrer menschlichen Hilflosigkeit, in ihrem Jammer um den Mann kann die Frau nur sagen: Gib den Glauben an einen dir helfenden Gott auf. Sag lieber: ich habe mich geirrt. Hiob, von Herzen wünsche ich dir nur noch den schnellen Tod. 3 Und vermutlich habe ich nicht Unrecht, wenn ich behaupte: So fern sind uns die Gedanken von Hiobs Frau nun auch wieder nicht. Wer stand nicht schon an manchem Krankenbett oder wer hielt vielleicht stumm die Hand eines Schwerkranken, eben eines Menschen, der nach Atem rang, der völlig ausgezehrt war, der manchmal schon nicht mehr bei sich war, der aber, aus welchem Grund auch immer, noch nicht sterben konnte und dann schon gedacht hat: Wenn der nur sterben würde. Für den wäre der Tod besser als das Leben. Und ich bin wohl auch nicht der einzige, der schon über die eigenen Gedanken erschrocken ist, wenn er das schreiende Elend eines Menschen erlebt hat und dabei denken musste: Gibt es dich überhaupt, Gott? Ich kann es kaum mehr glauben. Hiobs Frau sagt nur, was ihr mitleidvolles Herz in ihrer Hilflosigkeit empfindet. Aber sie muss sich von dieser Jammer- und Elendsgestalt Hiob zurechtweisen lassen. Und das nicht gerade zimperlich: So, wie du redest, schwätzen nur unverständige Weiber. Für das mitleidige Wort hat Hiob nur ein Wort übrig: Weibergeschwätz! Das sitzt. Aber hat er im Grunde nicht Recht? So teilnahmsvoll die Worte seiner Frau auch gemeint sein mögen, sie bringen nicht weiter. Sie sind für ihn alles andere als hilfreich, denn solche Worte rechnen nicht mit Gott. Hiob aber nimmt Gott aus seinem Leiden nicht heraus, sondern Gott und sein Leid, Gott und seine Krankheit, Gott und sein naher Tod, sie gehören zusammen. Gott und Leid, Gott und Tod, Gott und Schmerzen, Gott und Einsamkeit, das bringt man nicht 4 so leicht zusammen. Viel eher Gott und Glück, Gott und Erfolg, Gott und Gesundheit. Diese Szene, als Satan vor Gott steht und zu Gott sagt: Haut für Haut und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an; was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen, erinnert eher an eine Geschichte aus dem Märchenbuch als an eine Geschichte aus der Bibel. Aber sei’s drum. Hier geht es zu wie im wirklichen Leben. Was gilt’s, dass schon mancher Mann und manche Frau gesagt, gedacht, geschrieben oder geseufzt haben: Was habe ich getan, dass es mir so übel ergeht? Wofür werde ich gestraft, dass ich so viel Leid erleben muss? Das ist nicht so einfach daher gesagt, das kommt sehr oft aus tiefstem Herzen. Das ist der Schrei nach Antwort. Das ist der Schrei nach dem Sinn der Tränen, die in keinen Krug mehr passen. Das ist der Schrei nach dem Sinn der Schmerzen, die oft so unmenschlich sind. Das ist der Schrei wegen des Elends, mit dem man nicht mehr fertig wird. Was hier Satan, der Gegenspieler Gottes, ausspricht, ist etwas, was aus der Erfahrung dessen heraus gesprochen ist, der die Menschen kennt. Beim Menschen gilt es Haut für Haut. Das alte Sprichwort der Beduinen will sagen: Gibst du mir, gebe ich dir. Beim Menschen heißt das: Alles für mein Leben. Hier wird etwas zutiefst Menschliches aufgedeckt. Man tut oder gibt alles, damit man gesund und am Leben bleibt. Und man ist versucht, diesen Maßstab auch in der Beziehung zwischen Gott und Mensch anzulegen. Da 5 gibt es manchen, der schon gesagt hat: Herr, wenn ich noch einmal gesund werde, dann gebe ich ein großes Opfer. Wenn ich noch einmal aus dieser Situation herauskomme, dann will ich ein anderer Mensch werden. Ich will hier niemanden etwas einreden, aber ein solches Verhalten wäre menschlich und wird nicht selten auch so gesehen. Ich habe es auf jeden Fall schon mehrmals so oder ähnlich gehört: Ich habe noch nie etwas getan und jetzt geschieht mir so etwas. Hiob plagt sich mit solchen Gedanken nicht. Das braucht er auch nicht. Denn es wird ihm von Gott das beste Zeugnis ausgestellt. Wieder geht es märchenhaft zu, aber was hier gesagt wird, ist Zeugnis der ganzen Bibel. Da sagt Gott zu Satan: Es ist seinesgleichen keiner auf Erden, der so rechtschaffen, redlich, gottesfürchtig, fromm ist. Das heißt: Hiob ist untadelig. Das heißt: Das Leid, das Elend, die Krankheit, die sogar zum Tod führt, ist bei Hiob nie und nimmer Strafe. Gott straft nicht! Und auch wir können uns und andere davon befreien, dass irgendein Unglück die Strafe für irgendetwas wäre, was wir angerichtet haben. Wenn Gott strafen wollte, dann hätte er, menschlich gesprochen, nichts anderes zu tun, als den lieben langen Tag über irgendwelche Menschen Strafgerichte ergehen zu lassen. Aber schon im Alten Testament steht: Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden hätten. Und hier ist kein anderer als der Gottesknecht Jesus gemeint. Durch Jesus haben wir Vergebung der Sünden und entweder hat Paulus recht, wenn er sagt, dass unser 6 Schuldbrief ans Kreuz geheftet ist oder nicht, dann aber Gnade uns Gott. Dann wird keiner seines Lebens mehr froh. Und so gilt: Es mag in meinem Leben an Leid und Elend sein, was mag: Es ist keine Strafe Gottes. Trotzdem kommt es aus der Hand Gottes. Das wird deutlich in dem weiteren Gespräch zwischen Gott und Satan. Da sagt Gott zu Satan: Siehe da, er (Hiob) ist in deiner Hand, doch schone sein Leben. Mit menschlichen Worten und Bildern, uns vorstellbar gemacht, ist etwas Unvorstellbares gesagt. Gott gibt uns aus der Hand und überlässt uns dem Bösen. Gott ist es also nicht, der uns eine Krankheit, ein Leid, ein Elend schickt oder aufbürdet. Aber Gott lässt es zu. Gott lässt es zu, dass wir uns dem Bösen wie ausgeliefert vorkommen. Gott lässt es zu, dass wir Lebensfreude, Lebensglück verlieren. Die scheinbare märchenhafte Rede zwischen Gott und Satan ist bitterer Ernst. Und auch hier bin ich vermutlich nicht allein, der mit dieser Erkenntnis an den Rand seines Verstehens kommt. Ein unerträglicher Gedanke: Gott lässt es zu, dass ich der Hand des Satans ausgeliefert bin. Aber – und das muss nun auch gehört werden: Gott ist es zwar, der es zulässt, aber menschlich gesprochen, Gott behält weiterhin das Sagen. Dem Bösen ist von Gott zugestanden, uns Übles zu tun, aber wir sind ihm nicht überlassen oder gar ausgeliefert. Aus Gottes Obhut fallen wir nie heraus, weil auch das Böse nicht aus der Macht Gottes fällt. Da gilt nun auch: Des Satans Anstrengungen, uns aus der Obhut Gottes 7 herauszubringen, sie sind umsonst. In einer wunderbaren Weise ist Gottes Wort in Erfüllung gegangen: Schone sein Leben! Spätestens da, wo es um unseren Tod geht, hat Gott eine Grenze gezogen. Jesus, dem Gott alle Strafe am Kreuz aufgebürdet hat, ist auch der Christus, der den Tod besiegt hat. Wir sind deshalb wirklich unantastbar. Wir sind erst recht dann unantastbar, wenn die Hand des Todes schon sichtbar nach uns gegriffen hat. Wir sind im Leben und im Sterben unantastbar für den Gegenspieler Gottes. An uns und bei uns hat er seine Wette verloren. Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen, so hat Satan es nicht nur bei Hiob gesagt, so sagt er es alle Tage im Blick auf uns. Aber er hat die Wette verloren, weil Gott auch sagt: Was gilt’s. Denn da hängt Jesus am Kreuz und ruft: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Jesus hält an Gott fest, obwohl der ihn loslässt. Und in diesen Ruf, in dieses Tun Jesu dürfen wir uns mit Fug und Recht bergen. Wer sich darin birgt, für den wird die Frage nach dem „Warum“ immer leiser, der lässt auch den sein Leben beenden, der es ihm gegeben hat, der überlässt sich und sein Leben, seine Fragen und seinen Schmerz, Gott. Für uns hat Jesus Gott nicht losgelassen, sondern ihn bis in den Tod hinein bedingungslos festgehalten. Allein deshalb: Damit wir in unserem Aschenhaufen und mit der Tonscherbe in unserer Hand darauf vertrauen können, dass in Gottes Willen und Erbarmen unser 8 gesamtes Leben, so wie es nun einmal ist, geborgen ist. Denn ihm gehört mein Leben, das er in alle Ewigkeit schont. Sehr verhalten kann deshalb aus unserem Mund kommen: Haben wir Gutes empfangen von Gott und wollten das Böse nicht auch annehmen? Wer so spricht, der sitzt wohl wie Hiob mitten in seinem Aschenhaufen, mit seiner Tonscherbe in der Hand, aber: Gott zur Ehre. Amen.