Rede des Herrn Köpcke - Traditionsgemeinschaft Panzerbataillon 24

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Nachstehend die Rede des Herrn Köpcke zum Volkstrauertag 2015
finden wir uns am VTT hier zusammen, um den Opfern von Krieg und Gewalt
zu gedenken. Dies ist keine Heldenverehrung.
Auch von meiner Seite noch einmal Begrüßung:
Besonders begrüße ich die Vertreter der Stadt BS, die heute wieder den Weg zu
uns gefunden haben. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit dafür danken,
dass Sie uns diesen würdigen Platz zur Verfügung gestellt haben, an dem wir
derer gedenken können, die für die ehemaligen Braunschweiger Soldaten
unsere militärischen Wurzeln repräsentieren.
Als im letzten Jahr die Stadt BS unsere Veranstaltung tabuisierte, dass gebe ich
offen zu, war ich über diese Entscheidung mehr als enttäuscht und zum Teil
auch verärgert. Welche Vorstellung über die Gestaltung unsere Gedenkveranstaltung lag dieser Entscheidung zu Grunde, welches Menschenbild
herrschte hier vor, und was unterstellt man uns hinsichtlich unserer
demokratischen Gesinnung? Hat man vergessen, oder verdrängt, dass die
Angehörigen der Traditionsgemeinschaften BS in vielfältiger Weise mit ihrer
Lebensatmung für unsere Demokratie eingetreten sind? Erschwerend kommt
noch hinzu, dass die Gedenkveranstaltung keinerlei Bezug zu dem streitigen
Thema „Roselies“ hat. Desto weniger werden wir vergessen, dass
Mandatsträger der Stad BS dennoch den Weg zu uns fanden, wenn auch in
privater Mission. Namentlich möchte ich hier den Bezirksbürgermeister des
Stadtbezirks 213, Herrn Jürgen Meeske erwähnen, der die Gedenkansprache
hielt, ebenso Frau Fitzke-Hollbach, die uns schon lange Zeit begleitet, genauso
wie die 1. BM der Stadt BS, Frau Harlfinger, die es sich hat nicht nehmen
lassen, dabei zu sein. Ihnen gilt unser besonderer Dank.
Dieses Verhalten war aus meiner Sicht politisch richtig, gesellschaftlich ein
Beweis von Standfestigkeit und Aufrichtigkeit und menschlich mit uns
ehemaligen Soldaten ein Zeichen der Verbundenheit in Trauer und Andacht.
Eben im Gedenken an die zivilen wie soldatischen Opfer von Krieg und
Gewalt. Es gibt eben Gott sei Dank noch eine große vom Menschen, die
ideologisch motivierte Botschaften nicht für bare Münze nehmen und
Diffamierungen keinen Glauben schenken. Dass Frau Harlfinger als 1.
Bürgermeisterin, im Anschluss an meine Rede das Totengedenken spricht,
zeugt auch vom Willen der Stadt, sich zu uns zu bekennen. Üblicherweise
Nach dem totalen Zusammenbruch am Ende des 2. Weltkrieges wurde den
traumatisierten Deutschen allmählich klar, dass ein Neuanfang in allen
Bereichen des Lebens, auch im Gedenken an die Kriegsopfer, erforderlich war.
Trotz vieler, zum Teil hilfloser Versuche des Verdrängens und Verleugnens
reifte die Erkenntnis, dass die Trauer um die deutschen gefallenen Soldaten
ohne ein Gedenken an die Opfer der von Deutschen begangenen Verbrechen
nicht möglich sein kann und nicht möglich sein darf. So entwickelte sich der
Volkstrauertag zum gemeinsamen Totengedenken für alle Opfer von Krieg,
kennt dabei keine Hierarchien und bildet den Kern unseres kulturellen
Gedächtnisses.
Dabei ist der Volkstrauertag nicht nur ein Relikt vergangenen Zeiten, sondern
bestürzend aktuell. Krieg und Gewalt sind keineswegs Ereignisse der
Vergangenheit. Flüchtlinge aus gar nicht so fernen Kriegs - und
Bürgerkriegsgebieten, auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und
mit spürbaren Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Leben sind genauso
wie die Auslandseinsätze unserer Bundes-wehrsoldaten ein spürbarer Beweis
für die aus den Fugen geratene Weltordnung.
Hunderttausende von Menschen aus, dem Nahen Osten, Afrika und auch aus
Europa verlieren aktuell ihre Wurzeln: Krieg, Vertreibung, Entwurzelung,
Flucht, Elend und Not sind wieder deutlich sichtbare und spürbare
Gegebenheiten in unserer Welt geworden. Mehr als 60 Millionen Menschen
sind nach Berichten der UN weltweit auf der Flucht und auf der Suche nach
einem Land, in dem sie sicher, frei und selbstbestimmt leben können. Und das
betrifft uns auch, ganz unmittelbar.
So hat der VTT nicht mehr nur mit dem Blick auf die Vergangenheit zu tun.
Aber er lehrt und mahnt uns, die Geschichte nicht zu vergessen. Jüngere und
Ältere können sich gegenseitig helfen, warum es lebenswichtig ist, die
Erinnerung wach zu halten. Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen
oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen
verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht
erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahr.
Es muss immer aufs Neue in Erinnerung gebracht werden, dass es in der
Geschichte der Menschheit niemals so viele Opfer von Kriegen, Verfolgung,
brutaler Gewalt und Terroranschlägen gab wie im vergangenen Jahrhundert.
Zudem unterscheidet sich der Zweite Weltkrieg von vorherigen Kriegen durch
die planmäßig durchgeführte Vernichtung von Millionen Menschen; und das
durch Deutsche Schuld.
Wir erleben aktuell in Syrien einen Bürgerkrieg mit menschenverachtenden
Formen und abseits jeden humanitären Völkerrechts oder universellen
Menschenrechten. Die Folge sind massenhafte Flüchtlingsbewegungen, deren
Auswirkungen wir heute ganz aktuell spüren, nicht nur akademisch und
abstrakt, sondern ganz real und hautnah. Und ein Ende der Gewalt, und damit
der Fluchtursachen, ist nicht abzusehen.
Wir gedenken heute deshalb der 10 Millionen Toten des Ersten Weltkrieges
sowie der über55 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges –55 Millionen, es
fällt schwer, diese Dimension des Sterbens intellektuell zu erfassen.
Begreiflicher wird sie, wenn man sich vergegenwärtigt, dass von September
1939 bis Mai 1945 jede Minute17 Menschen den Tod durch Gewalt fanden.
Welche Verantwortung erwächst aus den Schrecken der NS-Diktatur für uns,
die wir damals noch gar nicht geboren waren, oder zumindest nicht in der
Verantwortung standen? Etwa dass wir nicht gleichgültig hinnehmen, dass
Gewalt nach wie vor weltweit verbreitet ist, dass nach wie vor Menschen Opfer
von Krieg, Verfolgung, Vertreibung und Terror werden.
Gleichzeitig hat die neue Weltlage auch der Bundesrepublik eine neue Rolle
gebracht. Das ist auch ein Nebeneffekt unserer wieder gewonnenen
Souveränität. Und zu dieser neuen Rolle gehört aktives Handeln. Das bedeutet:
Es reicht nicht aus, Menschenrechte in wohlklingenden Reden zu fordern und
Diktatur und Willkürherrschaft zu verurteilen. Wir werden auch an Taten
gemessen. Vielmehr müssen wir uns, ganz besonders an einem Tag wie heute,
der Diskussion stellen, was wir in Verantwortung unserer Geschichte mit dem
Eingebunden sein in eine internationale Staatengemeinschaft uns erlauben
dürfen. Durch die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind der Soldatentod und
das Gedenken daran wieder in der Diskussion. Damit gewinnt auch der
Volkstrauertag eine weitere neue Aktualität.
Mit Entsetzen mussten wir auch im Inneren unseres Landes zur Kenntnis
nehmen: Es gibt sie nach wie vor, die Verbrecher, die sich an
nationalsozialistischem Gedankengut orientieren. Sie verbreiten nicht nur ihre
bösen Parolen, sie schrecken auch vor Mord nicht zurück. Und deshalb sind wir
alle gefordert, jeder von uns, nicht nur Behörden und Regierungen.
„Wir fürchten euch nicht. Wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen,
in jedem Ort, in jedem Land, im ganzen Staat“, hielt dem vor Kurzem unser
Bundespräsident entgegen.
Zwar ist der Volkstrauertag ein Tag, der Tradition hat, der aber vor allem wach
ruft, dass wir uns unserer Verantwortung in Deutschland und im Rahmen der
internationalen Staatengemeinschaft in Freiheit bewusst werden, um ihn dazu
zu nutzen, uns zu beteiligen, jeder an seiner Stelle, damit unsere Welt
friedvoller wird. Und wir erleben weltweite Spannungen, die kulturell geprägt
sind. An die Stelle der Rivalität zwischen Kommunismus und Marktwirtschaft,
der alten Blöcke im Kalten Krieg, tritt ein Konflikt zwischen westlich liberalem
Lebensstil und religiös verbrämtem Dogmatismus. Denken wir aktuell nur an
die hirn- und sinnlosen Attentate in FR.
Gerade am heutigen Tag müssen wir uns klar machen, warum die Bundeswehr
in Krisengebiete entsandt wird. Für was sie dort eintritt und für was die
Soldaten dort, im Auftrag unseres Parlamentes, ihr Leben riskieren. Denn es
sind die Werte der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Menschenrechte.
Werte also, die unmittelbar mit der Menschenwürde zu tun haben, die unsere
Verfassung zu Recht als unantastbar bezeichnet.
Es geht um Werte, die eigentlich universell sein sollten, denen wir uns
verpflichtet fühlen und die die Grundlage für die Entwicklung einer
friedlicheren Welt sind. Für diesen Einsatz mussten unsere Soldaten mitunter
einen hohen Preis zahlen. Nicht wenige, die sich für ein friedliches Leben in
Freiheit und Würde einsetzten, haben etwa bei den Bundeswehreinsätzen in
Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan und in anderen
Konfliktgebieten ihr Leben nicht nur riskiert, sondern für andere mit dem
eigenen Leben bezahlt. An sie denken wir heute ganz besonders. "Wir können
die Toten nicht zurück ins Leben holen, wir können ihnen aber versprechen, mit
aller Kraft zu versuchen, das Leben in Frieden und Freiheit zu schützen".
Frieden gründet in guter Nachbarschaft. Wie erfreulich anders ist die Lage
Deutschlands heute im Vergleich zu früher, als noch die Rede vom Erbfeind die
politische Diskussion bestimmte. Heute sind wir all unseren Nachbarn in
Partnerschaft und Freundschaft verbunden. Die Versöhnung mit den
ehemaligen Kriegsgegnern, insbesondere mit unseren westlichen Nachbarn,
erfolgte aus der beiderseitig tiefen Einsicht, dass die Staaten in Europa nur
miteinander eine Zukunft haben. Der Aussöhnung im Westen folgten nach dem
Fall des Eisernen Vorhangs, nach der für die wiedergewonnenen deutschen
Einheit der Wandel im Osten mit neuen Partnerschaften. Wir Deutsche stellen
uns der Verantwortung, aktiv einzutreten Achtung vor dem Leben, für
freiheitliche Demokratie sowie für die Erhaltung von Sicherheit und Frieden. In
diesem Verständnis hat auch die Bundeswehr als Teil eines militärhistorischen
Wandels hin zu einer „Europäisierung der Bundeswehr“ bemerkenswertes
geleistet. Beispiele für eine gelungene Kooperation mit Frankreich, den
Niederlanden und Polen sind wirklich wegweisend und ein tatkräftiger Beitrag
für eine sicherere Welt.
Und wir tun es heute während dieser kleinen Gedenkstunde an den Steinen, die
symbolhaft für unsere militärischen Wurzeln stehen, Teil unseres Traditionsverständnisses sind und bei denen unser Gedenken z. Teil sogar einen
persönlichen Bezug bekommt; hier wird unser Gedenken emotional und
mitfühlend. Und obwohl die Autorität der Tradition in der Vergangenheit liegt,
ist sie doch zukunftsbezogen, indem sie Normen und Werte für zukünftige
Handlungen bereitstellt. Traditionen entwerfen so einen homogenen Zeitraum
aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und machen dabei deutlich, was
künftig vermieden und bedacht werden muss.
Und es schützt auch nicht vor der Erkenntnis, dass in der historischen
Nachbetrachtung die eine oder andere Wurzel besser keine Aufnahme in den
Kanon unseres Traditionsgedächtnisses gefunden hätte. Dies ist bitter, gehört
aber auch zwingend zu unserem Traditionsverständnis. Dazu gehört die
Schutztruppe Deutsch-Südwest Afrika, die auf dem Gedenkstein des PzBtl 24
genannt ist, und die auch nach damaligen Maßstäben den ersten Völkermord
begangen hat. Wir werden dies korrigieren.
Dennoch, bei aller Verbitterung darüber, sollten wir zumindest darüber
nachdenken, und Gedenken liegt ja nahe beim Denken, ob wir heute überhaupt
in der Lage sind, die damaligen gesellschaftlichen, politischen und
moralisch/sittlichen Gegebenheiten angemessen zu beurteilen, zumal sich die
Beschuldigten nicht rechtfertigen können. Können wir wirklich mit dem
Anspruch auf moralische Autorität, gerechte Urteile fällen, oder geben wir uns
nicht nur der Versuchung nach selbstgefälligen Betrachtungen hin.
Dabei ist dann auch der Frage nachzugehen, inwieweit der neo-historische
Ansatz für Urteile über das Handeln zur damaligen Zeit überhaupt ein
angemessener Bezug sein kann und ob auch nicht Kategorien, wie Trauer,
Schuld, Verstrickung, Loyalität, Gehorsamskonflikte, Befehlsnotstand,
nationale Rechtsauffassungen im Kontext mit der damaligen gesellschaftlichen
Verantwortung und Erwartungshaltung zu bewerten sind, um das Handeln zur
damaligen Zeit gerecht einordnen zu können.
Zum Schluss möchte ich zu dieser Problematik den gerade verstorbenen
Altbundes- kanzler Helmut Schmidt zitieren, der auf eine Belehrung wegen
seiner Rolle als Offizier in der Nationalsozialistischen Zeit so treffend
bemerkte, Ich zitiere: Die Heutigen wissen alles viel besser! Zitatende. Und
Klaus von Dohnany stellte einmal die Frage ob es moralisch zu rechtfertigen
sei, die vielen ehrenhaften Opfer zu vergessen, weil Andere sich schändlich
verhielten. Ich meine nein, diese Form der Sippenhaft gehört aus gutem
Grunde nicht zu unserem Wertekanon.
Ich danke Ihnen, das Totengedenken spricht nun die 1. Bürgermeisterin der
Stadt Braunschweig, Frau Harlfinger.
Danach legen wir die Kränze ab, dann erfolgt das Lied vom Guten
Kameraden. Im Anschluss daran sind Sie herzlich eingeladen zu einer Tasse
Kaffee im Saal der Kirche gegenüber. Ende-
Es gilt das gesprochene Wort !
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