Münchener Politische Zeitung, 29.8.1835, Nr. 204 Vergangenen

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Münchener Politische Zeitung, 29.8.1835, Nr. 204
Vergangenen Dienstag den 25. Aug., als an dem allerhöchsten Geburts- und Namenstage
Seiner Majestät des Königs wurde die feierliche Legung der Grundsteine zu den neuen
Gebäuden der Ludwig-Maximilians-Universität und des Georgianischen Clerikal-Seminars
vollzogen. Als Zeugen waren zugegen: für die Grundsteinlegung des Universitäts-Gebäudes,
der Herr General-Commissär und Präsident der Regierung des Isarkreises; der Vorstand und
eine Abordnung der Akademie der Wissenschaften; der Vorstand und eine Abordnung der
Akademie der bildenden Künste; der Direktor der Hof- und Staatsbibliothek; der Senior der
Conservatoren der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates; die beiden Bürgermeister und
eine Abordnung des Magistrates und der Gemeindebevollmächtigten der Haupt- und
Residenz-Stadt München. Für die Grundsteinlegung des Clerikal-Seminars: der Herr GeneralCommissär und Präsident der Regierung des Isarkreises; der Rector der Ludwig-MaximiliansUniversität [Thaddäus Siber]; der Dom-Dechant und die zwei ältesten Capitularen des DomKapitels; der Dekan und die sämmtlichen ordentlichen Professoren der theologischen
Fakultät; die beiden Bürgermeister und eine Abordnung des Magistrates und der
Gemeindebevollmächtigten der Haupt- und Residenzstadt München. Nach der Ankunft des
Herrn Staatsministers des Innern, Fürsten von Oettingen-Wallerstein, traf der Hr. Domprobst,
Bischof von Birtha, als Stellvertreter des abwesenden Hrn. Erzbischofs von MünchenFreising, begleitet von dem Dom-Capitel und der Geistlichkeit in feierlichem Zuge auf der
Baustelle ein. Der Herr Staatsminister des Innern hielt hierauf an die Versammlung folgende
Rede:
„Drei Jahre sind verflossen, seit wir an gleich feierlichem Tage in der nächsten Nähe dieser
Stätte den Grundstein eines neuen Bibliothek- und Archivgebäudes legten.
Der damals begründete Bau steht seiner Vollendung nahe, – großartig in seinen Dimensionen,
edel in der Wahl seiner Formen, überdieß zufolge der jüngsten Stände-Verhandlungen ein
erfreuliches Denkmal innigsten Verständnisses zwischen Fürst und Volk. Daß jedoch derselbe
nicht das letzte Bau-Unternehmen für wissenschaftliche Zwecke in dieser Stadt seyn werde,
darüber waltete wohl schon am 25. August 1832 kein Zweifel ob.
Der Bücher- und Urkunden-Schatz des Reichs konnte den Mittelpunkt der Stadt nicht
verlassen, ohne des baldigen Wiedersehens einiger auf seine Benützung hingewiesener
Institute versichert zu seyn. Und in der That sehen wir heute schon Universität und PriesterSeminar der befreundeten Anstalt in jene Straße folgen, welche den Namen ihres erhabenen
Beschützers trägt.
Wer kennt nicht die Geschichte dieser uralten Universität, entstanden in jener ewig
denkwürdigen Periode, in welcher zwischen dem Ende des XIV. und der ersten Hälfte des
XV. Jahrhundertes der wieder erwachende Forschungsgeist, wie durch einen Zauberschlag
gegen 40 Universitäten in allen Ländern Europaʼs hervorrief? Fortschreitend durch alle
Stürme der Zeit mit stets wachsender Bedeutsamkeit unter ihren ersten Rektoren zwei Fürsten
aus dem Wittelsbachischen Stamme, namentlich auch Ernst von Bayern, den Gründer der
ersten scientivischen Gesellschaft in Bayern zählend und, unter ihren Lehrern in früheren
Jahrhunderten: Johann Eck, Joh. Reichlin, Jakob Locher, Leonhard Fuchs, die beiden Apiani,
Fabius Arcas, Viguläus Hund, Peter Kanisius, – in neuerer Zeit nebst Sailer, Zimmer, Gönner,
Feuerbach, Wenning-Ingenheim, Röschlaub, auch zahlreiche noch lebende Illustrationen,
deren Nennung die Bescheidenheit verbietet, treu bewahrend. Wiege der Freundschaft
zwischen Ferdinand II. und Maximilian dem großen Churfürsten, Lehrerin beinahe aller
bayerischen Fürsten bis auf diese Tage, glänzte sie stets oben an unter den zahllosen
Wohlthaten des Wittelbachischen Stammes und empfing hinwieder von allen Herrschern
dieser glorreichen Dynastie fortgesetzte Beweise landesväterlicher Fürsorge.
Namentlich ward der Kreis ihrer Thätigkeit unter Maximilian III. durch die so zeitgemäße
Reorganisation vom Jahre 1764 und unter Carl Theodor, durch Errichtung der ersten (lange
Zeit hindurch einzigen) kameralistischen Fakultät Deutschlands erweitert.
Was König Maximilian Joseph der Erste in gleicher Richtung durch seine unsterbliche Akte
vom 26. Jänner 1804, durch Verlegung der Hochschule nach Landshut, durch Überlassung der
dortigen herrlichen Lokalitäten und durch Berufung eminenter Talente wirkte, lebt zu frisch in
Aller Andenken, um eines Commentars zu bedürfen.
König Ludwig I. endlich dankt die Alma Ludovico-Maximilianea ihren Eintritt in die
Residenz, die Verstärkung ihrer Lehrkräfte durch das ganze Gewicht der königl. Akademie
der Wissenschaften, die Verschmelzung ihrer Bestrebungen mit dem wissenschaftlichen und
Kunstleben einer der ersten Städte Deutschlands.
Die Folgen dieses letzteren königlichen Entschlusses sind nicht mehr Problem. Das freudige
Anerkenntniß der Nation, das wiederholte Zeugniß ihrer Repräsentanten haben längst über
diese Frage laut und unzweideutig gesprochen. Eben darum aber genügt es dem erhabenen
Königlichen Herrn nicht, die zur Ludovico-Maximilianea erhobene Hochschule nach
München nur berufen zu haben, einheimisch will er sie hier wissen, in fortan eigenthümlichen
würdevollen Räumen ihre folgenreiche Wirksamkeit entwickelnd.
Daher die Anordnung des bereits fundirten Baues, welcher ohne in Anspruchnahme der
Staatsfonde aus den Kaufschillingen der veräußerten Gebäude zu Landshut, und aus andern
zweckmäßig benützten Hülfsquellen unbeschadet des Lehrzweckes, ja mit Erweiterung und
Verstärkung der Lehrkräfte rasch seinem Ziele entgegen schreiten, mit Ende des Jahres 1836
unter Dach und mit Beginn des Jahres 1837 wohnbar seyn wird.
Der Plan des Gebäudes selbst entspricht der Bestimmung des Zweckes, wie der RegierungsPeriode eines kunstsinnigen Monarchen. An einem freien großen Platze von 400 Quadratfuß
im Gevierte sich reihend, mit der Aussicht nach den Anlagen des englischen Gartens an der
einen, und auf der andern Seite gegen die Ludwigskirche, die Bibliothek und das Archiv, soll
dasselbe eine Länge von 700 Schuhen theils dieß-, theils jenseits der Straße einnehmen.
Einfachheit und glückliches Ebenmaaß nach Außen, so wie eine der Erfüllung aller Zwecke
vollständig entsprechende Eintheilung nach Innen, bewähren neuerdings, wie richtiges
Eingreifen der Aufgabe und consequente Durchführung Eines Gedankens auch bei mäßigem
Aufwande Monumentales hervorrufen mögen.
Beglückend ist der Gedanke, Vollzugs-Organ solcher königlichen Bestrebungen zu seyn,
doppelt beglückend aber das Bewußtseyn, in allem hier seit drei Jahren Stattfindenden nicht
isolirte Erscheinungen, sondern Theile eines wohldurchdachten zusammenhängenden Waltens
erblicken zu dürfen.
In der That, wie hier im einzelnen der Wissenschaft und ihren Schätzen entsprechende
Wohnungen sich erheben, so schreitet im Großen jener minder sichtbare aber
segenverbreitende Bau vorwärts, dem Bayerns Herrscher die volle Kraft seines thatenreichen
Lebens widmet.
Durchdrungen von der höchsten und edelsten Ansicht des Königthumes, fühlend was sein
Volk, was sein Zeitalter von ihm erwartet, erkennend insbesondere, wie nicht in der
Verfinsterung, sondern in dem Entzünden des ächten Lichtes, in dem Fördern wahrer
gründlicher Bildung die Bestimmung der Throne und das ewig zeitgemäße Heilmittel gegen
die Gefahren der Verbildung zu finden sey, hat Er sich den religiösen und sittlichen
Aufschwung seines Volkes zum heiligen Zielpunkte erwählt.
Und fürwahr, wie viel des Ersprießlichen ist zu diesem Ende nicht bereits geschehen? Das
Volks-Schulwesen empfing aus Seiner Hand wohlbemessene Vorschriften und verjüngtes
Leben; allenthalben entstehen und erweitern sich die Schul-Lokalitäten; die Schulfonde und
Schullehrer-Gehalte haben sich seit der Thronbesteigung Sr. Majestät des Königs bereits um
eine halbe Million jährlichen Einkommens vermehrt; der mit dem Schul-Inspektorate
gesetzlich bekleidete Pfarr-Clerus aller Confessionen entwickelt den segenreichsten Eifer. Die
Pflicht des Schulbesuches ist durch strenge Handhabung zur That und durch die Weisungen
über die Befreiung vom Schulgelde auch für den Armen zu Möglichkeit erwachsen. In
wenigen Monaten endlich werden auch gleichförmige wohlbemessene Unterrichts-Bücher
dem heilsamen Impulse die Bürgschaft fortgesetzter Dauer gewähren.
Der gelehrte Unterricht hat in seinen propädeutischen Abstufungen durch verbesserte
Vorschriften für die lateinische Schulen, dann durch die ihrer Vollendung nahen Lehrbücher
in seiner eigentlichen Entwicklungs-Periode durch die gebotene 4. Gymnasial-Klasse, durch
gleichförmige Organisirung der Lyceen aus ihrem ursprünglichen eigenthümlichen
Standpunkte als Bildungs-Anstalten für katholische Theologen, durch Wiederherstellung des
corporativen Lebens der Hochschulen, (dieser Glanzpunkte und Pulsadern wissenschaftlicher
Richtung in Deutschland), durch die so wohlwollenden den Fleiß ehrenden und belohnenden
Anordnungen über die Dauer der Universitäts-Studien und durch das wahrhaft königliche
System die Bestimmung erhalten, die Controle des Studien-Eifers und Fortganges nicht in
heimlichen Urtheilen, sondern in periodischen, den Jüngling zur Selbsterkenntniß zwingenden
Prüfungen aufzusuchen.
Endlich hat der alles durchschauende Geist des Monarchen den langen Kampf des
Humanismus und Realismus in glücklicher, gewiß nicht ohne Nachahmung bleibender Weise
gelöst, indem Er zwischen die beiden bisherigen Unterrichts-Categorien noch jene dritte des
technischen Unterrichtes stellte, deren eigentliche Basis (das Linear- und Ornamenten
Zeichen) sich schon gegenwärtig in zwangslosem Darbiethen auf 600 Volksschulen und mehr
den 12,000 Jünglingen erstreckt, und zufolge der für die Ausbildung junger Schullehrer und
Gewerbsmeister getroffenen Fürsorge vor Ablauf eines Deceniums keiner Gemeinde der
Monarchie mehr fehlen wird, allenthalben dem Kunsttalente Gelegenheit zum Erwachen, und
dem künftigen Gewerbsmanne die Möglichkeit zu Erlernung dessen darbietend, was die
unentbehrliche Vorbedingung so vieler Gewerbe bildet, deren Gymnasien (kombinirte
Landwirtschafts- und Gewerbsschulen) bereits über alle Kreise des Reichs sich verbreiten,
theoretischen und praktischen Unterricht jeder Richtung, so wie jede Spezialität in
eigenthümlicher Vollständigkeit sichern; deren Lyceen (polytechnische Schulen) schon
gegenwärtig und ungeachtet des bisherigen Mangels an Vorbildungsanstalten Gelegenheit zu
eingreifendem Wirken finden, und deren Culminationspunkt (die als technische Schule
construirte und in ihren Lehrkräften verstärkte staatswirthschaftliche Fakultät zu München)
allen jenen Landwirthschafts- und Gewerbsschülern zugänglich ist, welche die Periode ihrer
Werktagsschulpflicht in den Volksschulen des gelehrten Unterrichtes (lateinischen Schulen)
zugebracht haben. Und das Gedeihen aller im Interesse des öffentlichen Unterrichts
getroffenen Anordnungen ward nicht nur durch die Ernennung eigener aus hocherfahrenen
Schulmännern gebildeter Kreisscholarchate und des durch die ersten Notabilitäten des
Lehrberufes erweiterten obersten Studienrathes, dann durch ein alle Abstufungen
umfassendes System lebendiger Visitationen, sondern auch, und zwar vorzugsweise durch
den der innigsten Ueberzeugung des Monarchen entsprungenen Grundsatz gesichert, daß der
Staat den Eltern, neben der geistigen auch die sittliche Entwicklung der Jugend schulde, daß
der wahre öffentliche Unterricht das Erziehen nicht minder als das Lehren in sich schließe,
und daß die Befähigung zum Lehramte nicht blos nach dem Grade der Kenntnisse, sondern
nach Kopf und Herz des Lehramts-Candidaten zu bemessen sey. Diese große wahrhaft
königliche Ansicht, verbunden mit der fortschreitenden Vervollkommnung der BildungsAnstalten für das Lehramt sichert Bayern in einem allen Erfordernissen entsprechenden
Lehrstande, die verlässigste Bürgschaft gediegener Entfaltung.
Die Kunst, von dem Könige eben so richtig erkannt, als wohlwollend gefördert, entfaltet unter
seinem Schutze ihre zarteste Blüthe in Mitte sturmbewegter Tage. Was sie in neuester Zeit
geleistet, wie bereits ihr milder Hauch veredelnd den Gewerbsbetrieb, wie er den Baustyl und
das Dekorative in den entferntesten Gebietstheilen zu durchdringen beginnt, dessen ist jeder
Bayer Zeuge; und gerade für sie ist das Entstehen neuer Universitätsgebäude von
unberechenbaren Folgen, die Ueberlassung eines Theiles der bisherigen Bibliothek- und
Universtitäts-Lokalitäten an die Akademie der bildenden Künste, und sonach die Verlegung
der Kunst- und Bauschule aus ihren bisherigen finstern Räumen möglich machend, und jedem
befähigten Jünglinge den Zutritt zu diesen Lehr-Anstalten öffnend.
Die Wissenschaft endlich, welche der König von frühester Jugend an geliebt und gepflegt, sie,
aus deren unversiegbarem Borne Er Lehre und Ziel geschöpft hat, bringt ihm die schönste
Huldigung dar, indem sie den für Ihn und Seine Dynastie so wichtigen 12. Oktober d. J. durch
das Erscheinen einer süddeutschen Literatur-Zeitung, also durch die Verwirklichung der dem
Monarchen schon zur Zeit seines vertrauten Umganges mit Johann von Müller werth
gewordenen Ideen bezeichnet.
Hinwieder sichert auch ihr der heutige Tag neue Beweise königlicher Sorgfalt, da sämmtliche
der Akademie der bildenden Künste nicht überwiesenen Theile der Bibliothek-, Archivs- und
Universitäts-Lokale, der Akademie der Wissenschaften zu Wiederherstellung der lange
entbehrten würdigen Aula zu Sitzungs- und Arbeitszimmern für ihre Klassen und zu
zweckmäßiger Aufstellung der wissenschaftlichen Schätze des Staats zuerkannt worden sind.
So schreitet Bayern geräuschlos, aber sicheren Schrittes vorwärts an der Hand seines Königs,
und so sind denn die vollendeten wie die beginnenden Bauwerke nur Theile eines großen des
Jahrhundertes wie des wittelsbachischen Stammes würdigen Gedankens.
Möge fortan Gedeihen in allen seinen Verzweigungen dieser große umfassende Gedanke,
möge insbesondere die durch ihn an diese Stelle berufene Hochschule in ihrem neuen
Eigenthum sich stets wachsenden Flores erfreuen, möge in den Professoren jene tiefe
Erudition, jene Gediegenheit in der Besinnung und des Wirkens sich fortvererben, womit das
gegenwärtige Gremium dem gesammten Lehrerstande vorleuchtet, möge die studirende
Blüthe des kommenden Geschlechtes, diese Pflanzschule einstiger Priester, Staatsmänner und
Gemeinde-Beamten, dem Geiste deutscher Jünglinge treu, durch Studienernst, durch Adel der
Gesinnung, durch Reinheit des Wandels und tiefe Gelehrsamkeit sich wahrhaft vorbereiten
auf ihren künftigen Beruf und sich erheben auf die des Mannes würdigste Stufe, auf jene eines
selbstständigen, Verführungen jeder Art von selbst zurückweisenden, Urtheils!
Damit aber dem also werde, dazu genügt nicht unser Wille; es bedarf hierfür auch der
Mitwirkung jener unsichtbaren Hand, die das Schicksal des Einzelnen wie das der Staaten
lenkt und deren obwaltende Macht aus dem großen Entwickelungsgange der Menschheit
selbst jenen mit Donnerworten sich verkündet, welche die innere Stimme durch Trugbilder zu
betäuben streben. Darum bitte ich den hochwürdigen Bischof sein Gebet mit dem unsrigen zu
vereinen, und für das in redlichster Absicht begonnene Unternehmen den Segen höherer
Weihe zu erflehen.“
Nachdem der Herr Minister geendet, ergriff der Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität
das Wort:
„Hochfürstliche Durchlaucht! Hohe Versammlung! Es sind nun 363 Jahre, seitdem ein
großgesinnter Herrscher von Bayern, Ludwig der Reiche von Landshut, den großen Entschluß
faßte, seinem Lande eine eigene Universität in Ingolstadt zu gründen.
Hier blühte sie auch zur Ehre, zum Ruhme und zum Nutzen unseres Vaterlandes 328 Jahre.
Kriegerische, politische und wissenschaftliche Rücksichten bestimmten aber im Jahre 1800
Seine Majestät den höchstseeligen König Maximilian, die Universität nach Landshut zu
verlegen, und hier königlich zu dotiren.
Allein Bayerns Hauptstadt sollte künftig, wie der Mittelpunkt vaterländischer Kraft und
Kunst, so auch der Mittelpunkt der Wissenschaft zugleich seyn. So wollte es in seiner
erhabenen Weisheit unser glorreich regierender König Ludwig, und die Universität wanderte
1826 von Landshut nach München.
Die Wissenschaft sollte ein ihrem hohen Zwecke entsprechendes, in seiner inneren
Einrichtung und in seinem äußeren Ansehen würdiges, eigenthümliches Locale besitzen,
sollte aufhören, gleichsam zur Miethe zu wohnen, und König Ludwig schuff Mittel, dieses
neue Gebäude, dessen Grundstein wir einzuweihen versammelt sind, ohne Alteration der
Fonde des Institutes zu gründen für immer.
Es ist überhaupt die Einsenkung und Weihung eines Grundsteins für ein wichtiges Gebäude
eine Ceremonie von hoher Bedeutung und tiefem Sinne. Sie bindet die Vergangenheit an die
Gegenwart, und die Gegenwart an die ferne Zukunft.
Aber die Feierlichkeit gewinnt eine um so höhere Bedeutung und tieferen Sinn, je erhabener
der Zweck ist, dem das werdende Gebäude bestimmt ist. Und in dieser Hinsicht wird wohl
Niemand die höchste Bedeutung der heutigen verkennen, da der Zweck des Gebäudes die
wissenschaftliche Bildung der höheren vaterländischen Jugend betrifft. Aus demselben sollen
für alle künftigen Zeiten hervorgehen alle zur Verwaltung und Vertretung der höchsten
Angelegenheiten des Staates und der Kirche berufenen Männer. Die höchsten Interessen der
Menschheit, Religion, Gerechtigkeit, Gesundheit und Staatshaushalt sollen von hier aus ihre
künftigen Sachwalter erhalten. Die heilige Waage der Gerechtigkeit mit unbestochenem
Herzen und Geiste handhaben, den tröstenden und heilenden Kelch der Gesundheit
darreichen, die Lehren und Tröstungen der heil. Religion den Unmündigen, Wankenden,
Leidenden und Sterbenden spenden, mit altbayerʼscher unerschütterlicher Treue und
Anhänglichkeit festhalten an König und Vaterland: dieß sollen die Früchte seyn, welche für
ewige Zeiten in diesem Gebäude gezogen und gepflegt werden sollen. Alles, was groß und
heilbringend ist im Staate und in der Kirche, ist Zweck des Unterrichtes, der in diesem
werdenden Gebäude ertheilt werden soll.
Daher unsterblichen Dank dem groß denkenden und groß fühlenden Könige, welcher einer
Anstalt, deren Zweck so erhaben, deren Bestimmung so wichtig, deren Einfluß so
unberechenbar ist, auch jenes äußeres Ansehen zu erschaffen befahl, welches seine innere
Größe allen künftigen Jahrhunderten beurkunden wird. Dank den höchsten und hohen
Beamten des Staates, welche den erhabenen Entschluß unseres Monarchen durch ihre
Einsichten unterstützten, und die Mittel, die zu der Ausführung nothwendig waren,
aufzufinden und zu realisiren alle Kräfte aufgeboten haben.
Aber alles Gute und Große gedeiht nur durch den Segen von Oben. Daher möge in den
Herzen aller Anwesenden der innigste Wunsch und die Bitte um Segen und Gedeihen dieser
großen Anstalt lebendig seyn in dem Augenblicke, in dem wir den Grundstein legen zu
derselben, damit der Herr der Herrn, der Lenker unserer Schicksale, den Lehrenden Kraft und
Muth und denjenigen guten und hohen Geist erhalte, welcher nothwendig ist, um den Saamen
alles Guten zu streuen, damit er alle Lernenden empfänglich mache für den guten Saamen, der
in ihnen aufwachsen soll zu herrlichen Früchten, damit er Gesundheit und viele Jahre des
Wohlthuens und der Erhaltung und der Befestigung dem erhabenen Monarchen schenke,
dessen Munificenz und Weisheit wir das werdende Gebäude verdanken.“
Nach Beendigung dieser beiden Reden schritt der Herr Domprobst Bischof von Birtha zur
feierlichen Einsegnung des Grund- und Schlußsteines. Der Hr. Staatsminister des Innern
empfing hierauf aus den Händen des Architekten Professors Gärtner das Bildniß Seiner
Majestät und legten es in den Grundstein; dazu kamen noch: die Platte mit der Zeichnung des
Baues, die Schriftplatte mit der kurzen Nachricht über die Entstehung des Baues, eine goldene
Uhr, die verschiedenen unter der Regierung Seiner Majestät ausgeprägten Geschichtsthaler. –
Nach Vollendung der feierlichen Grundsteinlegung zu dem Universitätsgebäude verfügte sich
der Hr. Domprobst Bischof von Birtha mit dem Domkapitel und der Geistlichkeit, und nach
denselben der Herr Staatsminister des Innern mit seinen Begleitern unter Vorantritt des
Architekten und der für die Grundsteinlegung des Klerikal-Seminar-Gebäudes bestimmten
Zeugen auf die dem Universitäts-Bauplatze gegenüber liegende Baustelle. Dortselbst
angekommen, sprachen der Herr Staats-Minister des Innern folgende Worte zu der
Versammlung:
„Wir haben so eben den Grundstein neuer Universitäts-Hallen gelegt. Dieselbe Veranlassung
führt uns nun auf die künftige Stätte einer, der Universität eng verwandten Anstalt, des
georgianischen Priesterhauses.
Dieses Institut wurde, wie bekannt, im Jahre 1494 durch Georg den Reichen von BayernLandshut gestiftet und später durch die Großmuth der bayerischen Fürsten mehrfach
erweitert. Im Jahre 1800 folgte selbes der Hochschule nach Landshut, und zwar von Max
Joseph theuren Andenkens mit trefflichen Gebäuden und erweiterter Dotation beschenkt. Als
des jetzt regierenden Königs Majestät die Hochschule nach München verlegte, traf auch das
georgianische Priester-Seminar derselbe ehrenvolle Ruf.
Bayerns treues Volk zählte von jeher und zwar mit vollem Rechte das Georgianium zu den
ehrwürdigsten Stiftungen seines erhabenen Herrscherhauses. Ihr Entstehen entsproß der
angestammten, nie verläugneten Ueberzeugung unserer Regenten, daß Religion die
eigentliche Grundlage alles Großen und Edlen, das Lebensprinzip ächter Menschenbildung,
den Schlußstein aller socialen Institutionen bilden müsse. Eine Ueberzeugung, die nur bei
jenen keinen Anklang findet, die in einer unglücklichen Täuschung befangen, in der
Zerstörung aller edlen Bildung, also in dem Untergange jeder wahren Freiheit, das Ideal eben
dieser Freiheit zu erringen streben und statt in dem Staate den Urbau ewiger Gesetzte zu
erkennen, in ihm nur ein, in dem Strom der Zeiten gehäuftes Aggregat bedeutungsloser
Institutionen erblicken.
Haben aber nicht gerade die eigenen Versuche dieses Wahnes dazu gedient, einer der Natur
der Sache, wie der Geschichte aller Zeiten entnommenen Wahrheit neue Bekräftigung zu
sichern? Wird nicht allenthalben der seinem ureigenen Grunde entrückte Staat zu einer sich
selbst zerreibenden Maschine, und greift nicht das richtige Gefühl der Völker stets und unter
allen Regierungsformen wieder nach demjenigen, was je und allezeit die größten Geister als
den Urquell der Erkenntniß und den Brennpunkt alles Lichtes anerkannten?
So weit die Geschichte reicht, sehen wir Dauerndes und wahrhaft Segenbringendes nur auf
dem Bunde der Liebe mit dem Rechte, der Kirche mit dem Staate ruhen. Dem innigen
Vereine beider dankt Deutschland den ihm vorzugsweise eigenen Grad eines wahrhaft tiefen
Wissens. Und blicken wir zunächst auf Bayern! wessen Werk ist jener Zustand unseres
Schulwesens, den ich so eben an einer andern Stelle berührt habe, jener Zustand, der auch von
den lebhaftesten Vertheidigern entgegengesetzter Theorien als musterhaft geschildert wird?
Wer hat es bewirkt, daß nunmehr je unter 1000 Kinder von 7 bis 14 Jahren nicht fünf des
Unterrichts entbehren? Wer hat neben den nothwendigsten auch die gemeinnützigen
Gegenstände in die Schulen und aus diesen in die dürftigsten Klassen des Volkes eingeführt?
War nicht der Pfarr-Clerus aller Confessionen das eigentliche Werkzeug dieser
Verbesserungen? War und ist nicht die Vereinigung des Ortschul-Inspektorates mit dem
Pfarramte nach dem übereinstimmenden Urtheile aller politischen Farben, das eigentliche
Geheimniß unseres raschen Fortschrittes auf dem Gebiete der Volks-Erziehung? Hat uns nicht
die That den durch Universitäts-Studien zur Durchbildung geführten, mit der Weihe eines
höhern Berufes begabten Mann als die eigentliche Seele der Schule erkennen lassen? Und
zweifelt in Bayern wohl Jemand daran, daß ein mittelmäßiger Lehrer unter einem tüchtigen
Pfarrer – ein guter, ein ausgezeichneter Lehrer, unter einem für Erziehungszwecke kalten
Pfarrer – eine ihrem Wirken nach jedenfalls mittelmäßige Schule begründet? Und wenn das
Armenwesen bei uns jetzt, wie vielleicht in keinem andern Lande gedeiht, wenn der Dürftige
gegen Noth, die Gemeinde gegen unbillige Ansprüche mehr und mehr gesichert wird, wenn
des Guten so Manchfaches geschieht, finden wir nicht überall in all diesen Instituten die
Wirksamkeit der Seelsorger aller Confessionen eng verknüpft mit jener der Staatsbehörden?
Fürwahr, bei uns steht die Erfahrung der Idee bekräftigend zur Seite, und böte sich anderswo
ein Anlaß zu klagen dar, so würde dieß nicht zu Schlüßen gegen das an sich unläugbare
Prinzip, sondern zu der Annahme berechtigen, daß in Deutschland mehr als in manch
anderem Lande Staat und Kirche zu klarer Erkenntnis ihrer gemeinsamen Aufgabe gelangt
und sich der Gränzlinien bewußt sind, welche die Natur der Sache ihrer speziellen Thätigkeit
vorgezeichnet hat.
Unsere Herrscher wirkten also im vollsten Sinne des Worts für den Staat, als sie eine
Pflanzschule junger Geistlicher begründeten. Doppelt segenvoll aber war dieses Wirken durch
den schon von dem ersten Stifter zu Ende des XV. Jahrhunderts angeordneten innigen und
bleibenden Verband der geistlichen Erziehungs-Anstalt mit der jeweiligen LandesUniversität.
Um Träger und Ausleger der höchsten Idee zu seyn, bedarf es eines tiefen Blickes in die
großen und ewigen Wahrheiten des Lebens, namentlich steht in unseren Tagen
fortschreitender Bildung und beispielloser geistiger Bewegung nur jener Clerus auf der Höhe
seiner erhabenen Sendung, dem der Gedanke wie der Glaube zur lichten Anschauung
geworden ist.
Das Georgianum hat seinem Berufe stets ruhmvoll entsprochen. Ihm entstammten und
entstammen täglich ausgezeichnet würdevolle Priester, musterhafte Schulmänner, Männer,
fleckenlos in ihrem Wandel, eifrig im Handeln, gleich warm in Erfüllung ihrer religiösen wie
ihrer bürgerlichen Pflichten.
Diese Bahn wird selbes auch ferner verfolgen, dessen ist die Richtung seines würdigen
Vorstandes, die Gesinnung seiner Lehrer und die Denkweise der obersthirtlichen Stelle,
Bürge.
Und so möge denn der hochwürdigste Bischof auch hier segnend nahen, die Huld der
Allmacht für eine Anstalt erflehend, welche aus den Tagen des Mittelalters als DoppelDenkmal frommen Sinnes und weisen Strebens nach wissenschaftlicher Bildung des Clerus
zu uns herüber leuchtet.“
Der Direktor des Georgianischen Clerikal-Seminars [Georg Friedrich Wiedemann]
beantwortete diese Rede im wesentlichen folgendermaßen: Das Clerikal-Seminar müsse sich
von dem innigsten Danke durchdrungen fühlen über den Beifall und das Lob, welches Se.
Durchlaucht der Herr Staatsminister des Innern über die Leistungen des Seminars und seiner
Vorstände auszusprechen geruht hätten. Die Anhänglichkeit an die Religion und das daraus
hervorgehende Bestreben, dieselbe bei ihren Unterthanen zu erhalten und zu verbreiten, habe
den Herzog Georg von Bayern-Landshut zu dieser Stiftung, und die nachfolgenden
bayerischen Landesfürsten zur Vermehrung und Erweiterung derselben veranlaßt. Der
besondere Zweck der Georgianums-Stiftung wäre, den durch Fleiß und Sittlichkeit
ausgezeichneten, aber durch Armuth gehinderten Candidaten des geistlichen Standes es
möglich zu machen, ihren Studien an der Landes-Universität zu obliegen und unter gehöriger
Aufsicht und Leitung sich in wissenschaftlicher und moralischer Hinsicht nach Kräften
vorbereiten zu können zu dem wichtigen Amte, das Licht des Evangeliums in Lehre und
Beispiel den Bewohnern Bayern leuchten zu lassen, und dadurch zu deren ewigem und
zeitlichem Wohle kräftigst mitzuwirken, indem, wie die Stiftungsurkunde sagt: „das Heil aller
Seelen auf den christlichen Glauben gegründet sey, und durch ihn und seine Verkündung die
menschliche Vernunft erleuchtet, und zu tugendhaften ehrbaren Sitten gewendet, zugleich
aber auch gemeiner Nutzen und Gerechtigkeit wohl befördert würde.“ Den innigsten Dank
müsse das Georgianum wegen der Aufführung des neuen Baues Sr. Majestät zollen; aber auch
die höchsten und hohen Regierungsstellen, besonders der Herr Minister des Innern, hätten
wegen ihrer Bemühungen für das allgemeine Wohl und das Beste der Anstalt die
gegründetsten Ansprüche auf lebhaften Dank.
Hierauf wurde der Grund- und Schlußstein eingesegnet, von dem Herrn Staatsminister des
Innern das Bildniß Sr. Majestät in den Grundstein gelegt und demselben noch beigefügt: die
Platte mit der Zeichnung des Baues; die Schriftplatte mit der kurzen Nachricht über die
Entstehung des Baues; eine goldene Uhr, und die verschiedenen unter der Regierung Sr.
Majestät des Königs geprägten Geschichtsthaler.
Nach Vollendung der Ceremonie ertheilte der Hr. Domprobst Bischof von Birtha den
bischöflichen Segen.
Nachdem die Feier der Grundsteinlegung beendigt war, wurde der Herr Staatsminister des
Innern von dem Rector, dem akademischen Senate und dem Verwaltungs-Ausschusse der
Ludwig-Maximilians-Universität, dem Direktor und Subregens des Georgianischen KlerikalSeminars, dann den Zeugen der zweifachen Grundsteinlegung bis an das Thor des Bauplatzes
zurückbegleitet.
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