Deutsches Völkerstrafrecht kontra Rumsfeld - TP

Werbung
Deutsches Völkerstrafrecht kontra Rumsfeld
Berliner Anwalt zeigt den US-Verteidigungsminister an
von Dietmar Jochum
Bei dem Militär-Strafprozeß im texanischen Fort Hood gegen einen der Foltersoldaten von Abu Ghraib, Charles Graner, hatte dessen Anwalt, Guy Womach, vergeblich
versucht, Vorgesetzte seines Mandanten vorzuladen, von deren Zeugenaussage eine Bestätigung darüber erwartet wurde, daß amerikanische Soldaten bei der Folterung irakischer Gefangener auf Befehl gehandelt haben. Graner wurde vergangene
Woche zu einer zehnjährigen Haftstraße verurteilt. An einer Aufklärung der Verstrickung militärischer Vorgesetzter war das Gericht in den Vereinigten Staaten offensichtlich nicht interessiert. Die Mutter Graners konnte sich vor laufenden Kameras
nicht mehr halten und erklärte, nicht ihr Sohn habe Schande über ihr Land gebracht,
sondern Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld. In ihrem Kommentar
zu dem Urteil forderte die Basler Zeitung, daß „mit Nachdruck aber nach den Hintermännern gefragt werden (muß)“. Diese „ließen einen wie Charles Graner zu in Abu
Ghraib (…) sowohl die Generalität als auch die politische Führung in Washington“
wasche sich „die Hände in Unschuld“, gehe „zur Tagesordnung der Terrorbekämpfung über“.
Um diese Terrorbekämpfung wenigstens in den Grenzen der universell geltenden
Menschenrechte zu halten und um die Hintermänner der bisherigen Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zu bringen, erstattete der Berliner Rechtsanwalt und
Vorsitzende des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins, Wolfgang Kaleck, bereits am 30. November des vergangenen Jahres Strafanzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, den ehemaligen CIA-Direktor George Tenet, den General Ricardo Sanchez und
andere Mitglieder der Regierung und der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von
Amerika wegen Kriegsverbrechen und Folter zum Nachteil irakischer Internierter im
Gefängnis Abu Ghraib in den Jahren 2003 und 2004.
Beauftragt wurde Kaleck dazu vom New Yorker Center for Constitutional Rights sowie vier irakischen Staatsangehörigen, die Opfer von Folter und Mißhandlungen in
Abu Ghraib und anderen Lagern im Irak durch amerikanische Militärs geworden sind.
Da im Irak und in den USA mit strafrechtlicher Verfolgung des hochrangigen Militärs
und schon gar nicht nach US-Verteidigungsminister Rumsfeld zu rechnen ist, wurde
der Berliner Anwalt von der New Yorker Organisation und den Irakern mit einer
Strafanzeige an den Generalbundesanwalt beauftragt.
In seiner 172 Seiten umfassenden Anzeige bezieht sich der Jurist insbesondere auf
Untersuchungsberichte des ehemaligen US-Verteidigungsministers James Schlesinger (Schlesinger-Bericht), der hohen Offiziere George R. Fay und Anthony R. Jones
(Fay/Jones-Bericht) sowie des Major Generals Antonio M. Taguba (Taguba-Bericht),
aus denen sich zum einen detailliert die Mißhandlungen, Folterungen und Kriegsverbrechen der einzelnen Soldaten sowie zum anderen die Verstrickungen der nun an-
gezeigten niedrig- und höherrangigen Militärs sowie des Verteidigungsministers und
des ehemaligen CIA-Direktors explizit ergeben.
Kalecks Anzeige listet eine Reihe von Mißhandlungen, Folterungen, sexuellen Mißbrauchs, vorschriftswidrigen Einsatzes von Militärhunden, demütigende und entwürdigende Behandlungen sowie den vorschriftswidrigen Einsatz von Isolationsmaßnahmen auf. So wurden zum Beispiel Gefangene geschlagen, getreten, durch Hunde
in Angst und Schrecken versetzt, in nacktem Zustand in Gewahrsam gehalten, gezwungen Sexualstellungen zu simulieren; es wurden ihnen Säcke über den Kopf gestülpt, Stühle auf ihren Körpern zu Kleinholz zerschlagen, sie wurden mit kaltem
Wasser übergossen und extremer Kälte ausgesetzt; sie wurden an Hundeleinen geführt und gezwungen zu bellen, es wurde auf sie gespuckt und uriniert und ihnen
wurden unbekannte Substanzen in die Genitalien injiziert; die Häftlinge mußten sich
in Schichten aufeinanderlegen und masturbieren. Von diesen Mißhandlungen und
Folterungen wurden Fotos angefertigt und diese dienten zur allgemeinen Belustigung
der Soldaten auf Computer-Bildschirmschonern. Einige dieser Fotos waren trauriger
Gegenstand der sattsamen Presseberichterstattungen über die Foltervorwürfe in Abu
Ghraib.
Rumsfeld, so Kaleck in seiner Strafanzeige, veranlaßte, unterstützte und stiftete zu
Kriegsverbrechen an. Sein „Versagen bei der Aufstellung klarer politischer Richtlinien, sein Druck auf seine Untergebenen, verwertbare Informationen zu beschafften,
und seine öffentlich bekannte Mißachtung der Genfer Konvention“ hätten „für die
Einstellung im militärischen und geheimdienstlichen Bereich (gesorgt), daß ´alles
möglich war´.“ Er habe gewußt , „daß Kriegsverbrechen begangen wurden, da er bestimmte illegale Handlungen ausdrücklich angeordnet hatte“.
Auch der ehemalige CIA-Direktor George Tenet habe Kenntnis davon gehabt, daß
Kriegsverbrechen von seinen Untergebenen begangen werden sollten und habe
nichts unternommen, um diese Verbrechen zu verhindern. Die Methoden, die von der
CIA (bei Verhören) angewendet wurden, seien so schwerwiegend gewesen, daß führende Mitarbeiter des FBI ihre Agenten angewiesen haben, sich aus vielen Verhören
herauszuhalten, weil sie befürchteten, daß die Techniken ihre Agenten derart kompromittieren würden, daß sie in Strafverfahren verwickelt werden könnten.
Rechtlich stützt Kaleck seine Strafanzeige auf das seit Juli 2002 gültige deutsche
Völkerstrafgesetzbuch. Nach Paragraph 1 dieses Gesetzes gilt für die im Völkerstrafgesetzbuch aufgeführten Verbrechen gegen das Völkerrecht das Weltrechtsprinzip
und demnach wären die deutschen Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip auch dann zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet, wenn Taten von Ausländern gegen Ausländer im Ausland begangen werden. Eine nach den Tatbeständen des Völkerstrafgesetzbuches begangene Handlung muß demnach keinen Inlandsbezug aufweisen.
Zwar erkennt Kaleck durchaus das völkerrechtlich garantierte Verfolgungshindernis
aufgrund persönlicher Immunität von hohen Regierungsmitgliedern, sieht sie aber nur
für Regierungschefs und Außenminister anerkannt, weil sie den Staat fast ebenso
wie das Staatsoberhaupt repräsentieren und ihre Amtstätigkeit viele Auslandsreisen
umfaßt. Daher sei es schon zur Aufrechterhaltung des Funktionierens des Staates
unerläßlich, daß diese Personen nicht durch Haftbefehle etc. im Ausland von der
Ausübung ihrer Amtstätigkeit abgehalten werden.
Rumsfeld sei dagegen keine Immunität zuzuerkennen, denn „der Schwerpunkt der
Tätigkeiten eines Verteidigungsministers liegt dagegen in der Oberaufsicht über das
nationale Heer und der nationalen Politik“. Einem ordnungsgemäßen Funktionieren
des Staates als solchen, so Kaleck, stände es also nicht entgegen, wenn der Verteidigungsminister aufgrund eines ausländischen Haftbefehls in bestimmte Staaten
nicht reisen könnte.
Die Generalbundesanwaltschaft hat bisher nicht erkennen lassen, daß sie einen
Haftbefehl gegen Rumsfeld erwirken wird. Sie hat den Eingang von Kalecks Anzeige
lediglich bestätigt und das obligatorische Aktenzeichen mitgeteilt.
Rumsfeld scheint diesem Frieden nicht zu trauen und hat zwischenzeitlich erklärt,
daß er im Falle von gegen ihn gerichteten Ermittlungen in Deutschland an der am
11. Februar beginnenden Sicherheitskonferenz in München nicht teilnehmen wird.
Das werden ihm bestimmt viele nicht verübeln.
Herunterladen